Print und Online (1/2): die heutige Lage

Wenn über die Zukunftschancen des digitalen Publizierens gesprochen wird, geraten die klassischen Print-Produkte schnell ins Hintertreffen. Ihre Uhr tickt und ihr Ende ist nur noch eine Frage der Zeit, scheint die weitverbreitete Meinung. Dabei können sich Print und Online ergänzen – wenn das Print-Produkt sich der neuen Lage anpasst. Erster Teil eines zweiteiligen Gastbeitrags, der das Online-Publishing von einer anderen Seite beleuchtet.


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Foto: Marcel Drechsler, photocase.com

Alle reden von Internetportalen, von Mobile Publishing – von der Zukunft der Medien also. Doch trotz dieser Online-Euphorie in den Verlagshäusern: Print ist und bleibt das Basisgeschäft. Nach meiner Einschätzung dürften die meisten Verlage mehr als 90 Prozent ihres Umsatzes mit klassischen Geschäftsfeldern erwirtschaften (worunter bei Fachverlagen auch Seminare und Kongresse fallen). Der Deutsche Fachverlag etwa, einer der führenden Anbieter von Fachinformationen, hat 2007 keine 4 Prozent seines Umsatzes mit digitalen Angeboten erwirtschaftet, auch wenn dieser Bereich mit 15,45 Prozent überdurchschnittlich gewachsen ist.

Wenn ich mir die Programme der Verbandskongresse (egal ob Deutsche Fachpresse, vdz oder BDZV) ansehe, dann wird dort fast nur noch über die digitale Zukunft gesprochen. Der Eindruck: Print war gestern, das können wir, das lassen wir auslaufen. Ich möchte jetzt gar nicht auf die altbekannte Weisheit „Kein Medium ersetzt ein anderes vollkommen“ verweisen, sondern lieber die Frage diskutieren: Welche Rolle wird Print in einer immer stärker digitalisierten Medienwelt haben?

Die Verlage stecken in keiner einfachen Situation:

  • 1. Das klassische, Print-orientierte Geschäftsmodell gerät immer stärker unter Druck. Auflagen, vor allem von Zeitschriften und Zeitungen, sinken oder können nur noch mit ständig steigenden Aufwänden gehalten werden (sowohl im Einzelverkauf als auch im Abonnement).
  • 2. Die Vermarktung von kostenpflichtigen Inhalten oder Services im Internet ist bisher fast nur in der Fachinformation gelungen (Ausnahmen wie Parship bestätigen die Regel), dort zwar ein Wachstumsbereich, jedoch auch noch auf niedrigem Niveau.
  • 3. Die Vermarktung von Werbung („Anzeigenverkauf“) funktioniert zwar noch immer, allerdings unterliegt dieser Bereich zum einen starken konjunkturellen Schwankungen, zum anderen werden Anzeigenkunden ständig anspruchsvoller und verlangen immer öfter Sonderwerbeformen oder redaktionelle Sonderleistungen – womit der Aufwand steigt und die Rentabilität sinkt.
  • 4. Verlage stehen dabei im Wettbewerb zu rein internetbasierten Angeboten, die mit kleineren Budgets, schlankeren (d.h. auch: schnelleren) Strukturen, internetaffinen Mitarbeitern und einer großen Zielgruppennähe junge Mediennutzer anziehen.

Entwicklung von Print-Auflagen
Entwicklung von Print-Auflagen. Quelle: IVW

Ursache für diese Entwicklung, das muss hier nicht lange erläutert werden, ist das Internet bzw. die Veränderung des Mediennutzungsverhaltens. Verlage haben ja schon längst auf diese Veränderungen reagiert, oft mit beachtlichem Erfolg. Die wesentlichen Strategien dabei waren die Verlängerung der klassischen Printmarken in das Internet (hierfür steht beispielhaft der Verlagskonzern Gruner und Jahr mit seiner Initiative „Expand your Brand„), der Aufbau eigenständiger Internetangebote (dafür steht der Holtzbrinck-Konzern mit seinen eLAB) bzw. der Akquisition von Internetportalen (danach suchen alle, mit der größten Systematik wahrscheinlich Holtzbrinck).

Morgen in Teil 2: Wie Online-Angebote den Print-Titel ergänzen und nicht kannibalisieren. Wie Print die Internet-Aktivitäten unterstützt. Wie sich Print-Magazine verändern müssen, wenn sie gegen die kostenlose Web-Konkurrenz bestehen wollen.

Über den Autor

Ehrhardt F. Heinold ist Geschäftsführer der Heinold, Spiller & Partner Unternehmensberatung GmbH. Seine Fachgebiete sind unter anderem Internet-Strategie, Content Management und Cross Media Publishing. In seinem Blog kommentiert er aktuelle Entwicklungen im Publishing-Business.

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6 Gedanken zu „Print und Online (1/2): die heutige Lage

  1. Print, Online, Mobile, etc. sind Komplimentär und können / könnten orchestriert die Mediennutzer besser versorgen. Das beklagte Unverhältnis in der Beschäftigung der Verlage, Verlegerverbänden, Kongressen mit Online / Digital vs. Print zeigt sich jedoch vorwiegend beim Reden über die Sache und weniger bei den Taten. Wenn sich klassische Verlag anspruchsvoller Ziele setzen würden, würden Sie auch im digitalen Bereich wesentliche Umsatzanteile erreichen und attraktive Profite erwirtschaften können. Den Deutschen Fachverlag mit seinem schmalbrüstigen 3,4 % Online-Anteil am Gesamtumsatz als Beispiel für die Stärke von Print zu nehmen, hat etwas für sich, man könnte darin aber auch eine Schwäche des dfv Digital / Online Angebotes sehen.

  2. Bei aller Liebe, aber was hat Parship denn für „Inhalte“? Obschon der Laden einer Verlagsgruppe gehört, hat er mit Journalismus oder redaktionellen Inhalten soviel zu tun, wie „Fisch sucht Fahrrad“-Parties mit der „Tagesschau.“

    Und bei aller weiteren Liebe – die Reaktionen der Verlage auf das Internet ist alles andere als eine Erfolgsgeschichte. Schon jetzt ist es von Nahem betrachtet eine wirklich tragische Geschichte und ich bin sicher, dass ich, wenn ich in 30 Jahren zurückblicken werden, das Sterben der Verlage eine der tragischten Geschichte meiner Arbeitszeit sein wird.

  3. Wenn ich von Fachbüchern ausgehen (z.B. Computer Sprachen oder Anleitungen) dann wird die Webkomponenten zum Printmedium relativ wenig genutzt. Wieso denn nicht ein monatliches Update mit kleinen nützlichen Gimmicks für eine gewissen Zeit kostenlos anbieten. Wenn es die Inhalt wert sind, wird der Kunde – nachdem er kostenlos angefuttert wurde – nach einer gewissen Zeit auch u.U. etwas dafür bezahlen. Aber Verlage sind genauso wie Musikverlage relativ stur was das Internet angeht. Sie sehen mehr Risikien denn Möglichkeiten.

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