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"User Powered Journalism" – jetzt bei YouTube

Vor ziemlich genau einem Jahr habe ich den Begriff „User Powered Journalism“ in die Runde geworfen, um einen dritten Weg zwischen dem klassischen Journalismus und den nutzergenerierten Inhalten des Web 2.0 aufzuzeigen. Dieser Tage startet YouTube nun ein Experiment, das als Beispiel dafür dienen kann: Eine Redaktion stellt aus den täglich hunderttausenden neuen Videos jene zusammen, die aus ihrer Sicht Nachrichtenwert haben. Jenseits der vielen Albernheiten und Belanglosigkeiten gibt es sie natürlich: YouTube-Nutzer, die vielen Menschen etwas Interessantes oder Einmaliges mitzuteilen haben.

Ob dieses Experiment bei YouTube gelingt, ist noch nicht abzusehen. Derzeit gibt es nicht mehr als eine fluffig-flockige Ankündigung samt Aufruf in (ähem) sehr amerikanischem Stil:

Der Inhalt in aller Kürze: Olivia ist nun „News Manager“ bei YouTube. Zwar gibt es bereits einen Bereich „News & Politics“, nur entsteht der eben wie wir es aus dem Web 2.0 kennen im Wesentlichen automatisch: Die Nutzer stellen ein (und das bei YouTube massenhaft), die Algorithmen von YouTube versuchen anhand verschiedener Kriterien die interessantesten Videos zu finden.

Eine solche Automatik kann dabei aber keine Redaktion ersetzen. Das ist jedenfalls heute so.

Lost in Space

Denn seien wir mal ehrlich: Manchmal kann uns das Überangebot an Informationen regelrecht zur Verzweiflung bringen.

Wenn ich einmal von mir ausgehe: Ich liebe das Internet. Ich liebe es, mir in der ungeheuren Vielfalt jeden Tag aufs Neue genau die Portionen an Information oder Unterhaltung herauszuholen, die ich gerade haben möchte. Ich bin nicht mehr abhängig davon, dass zufällig gerade jemand sendet oder irgendwann einmal gedruckt hat, was mich jetzt in diesem Moment interessiert.

Aber dennoch freue ich mich, wenn mir jemand Informationen oder Unterhaltung auf einem Silbertablett serviert. Wenn jemand die Rosinen für mich herauspickt und ich feststelle: Hey, ja, das ist interessant für mich.

Das ist, was ich unter User Powered Journalism verstehe: das Beste der beiden Welten „Journalismus“ und „nutzergenerierte Inhalte“. Die Redaktion nimmt die Inhalte der Nutzer und schafft etwas Eigenes daraus. Denn das ist ja eine der wichtigsten Aufgaben des Redakteurs (oder sollte es sein): den Informationsstrom zu filtern und für seine Leser, Hörer oder Zuschauer passend aufzubereiten. Und wie der Amerikaner Robert Niles hier einmal schrieb: Journalisten sind die idealen Manager für Online-Communities. Da ist sicher etwas dran. Kurz: Beides fügt sich zusammen.

Aus der Mitte entspringt ein Fluss

Das Internet ist eine unendliche und kraftvoll sprudelnde Quelle an Inhalten. Das allermeiste davon versickert heutzutage ohne groß beachtet zu werden. Neben immer ausgefeilteren Algorithmen und sozialen Netzwerken sehe ich in Redaktionen mit einem neuartigen Ansatz eine weitere Chance, aus diesen Millionen Einzelteilen etwas zu schaffen.

Das eine ersetzt oder überflügelt dabei nicht die anderen. Alles hat seine Berechtigung.

Aber zurück zu YouTube: Im neuen CitizenNews Channel sollen nun künftig besondere YouTube-Filme hervorgehoben werden. Rund 80 andere Channels werden dabei derzeit verfolgt. Wer auf einen einzelnen Film oder einen Macher hinweisen möchte, kann das unter CitizenNews@youtube.com tun. Derzeit wird es vor allem um englischsprachige Filme gehen.

Ohne Pathos geht es bei der Ankündigung des Channels natürlich nicht: „Because we believe, that you YouTubers out there are changing the world of journalism – right now as I speak.“ („Denn wir glauben, dass Ihr YouTuber da draußen die Journalismuswelt verändert – gerade jetzt, während ich hier spreche.“) Klar, dass YouTube im eigenen Interesse hier auch rhetorisch ordentlich ranklotzt…

Event Horizon

Ja: Es mag ein kleines Beispiel sein und nicht jeder wird nachvollziehen können, warum ich aus einem YouTube-Channel eine solche Welle mache. Aber für mich ist es ein weiterer zarter Ansatz für einen dritten Weg in Sachen Journalismus und Web 2.0, der heute noch wenig ernstgenommen wird, aber in den nächsten Jahren an Bedeutung gewinnen wird.

Galten früher die Presseagenturen als erste und vor allem schnellste Informationsquelle der Welt, hat das Internet in vielen Belangen aufgeholt. Twitter ist rasend schnell, wenn es um die Verbreitung von News geht. Auf Blogs, Flickr oder YouTube finden sich bald darauf Inhalte aus erster Hand zum Thema. Und wer tiefer recherchieren will, kann auch das – zum Beispiel auf offiziellen Seiten von Regierungen, Organisationen oder Institutionen. Wer sich ohne die Hilfe von Journalisten informieren will, kann das inzwischen. „Zum Glück“, sage ich da selbst, denn meine Interessen spielen in den etablierten Medien meistens in der von mir gewünschten Tiefe gar keine Rolle.

Auf der anderen Seite werden Journalisten (und engagierte Blogger) gerade wegen dieser Vielfalt mehr gebraucht denn je. Informationen zu filtern und zusammenzustellen wird durch das Web 2.0 nicht überflüssig – im Gegenteil: Es bleibt unverzichtbar.

Was sich hingegen verändert und erweitert sind die Quellen der Informationen, ihre Verbreitungswege und die Art, in der aus ihnen neue Inhalte entstehen. Denn User Powered Journalism bedeutet nicht, sich einfach bei den kostenlosen Inhalten zu bedienen und sie zu einem neuen Produkt zusammenzuklatschen. User Powered Journalism bedeutet, mit den eigenen Nutzern gemeinsam an einem neuen Produkt zu arbeiten – im gleichberechtigten Dialog. Und das wird noch vielen Journalisten Kopfzerbrechen machen. Blogger sind ihnen in diesem Punkt auf jeden Fall voraus.

A N Z E I G E

 

7 Gedanken zu „"User Powered Journalism" – jetzt bei YouTube

  1. Wie immer bin ich in Eile wenn ich etwas überfliege was meinen Themenkreis nur am Rande streift. Bullshit Bingo wäre der erste Gedanke der bei mir so hoch kommt. Der zweite ist auch nicht viel netter, aber er muss trotzdem sein.

    „Juchu wir haben eine Redaktion1“

    Ich unterschreibe dir gerne das es weh tut und Arbeit macht sich die Informationen die man braucht aus dem Netz zu sammeln. Um an die Perlen zu kommen muss man viel Mist schaufeln. Da wäre eine Redaktion nett, die einem vorselektiert was man nur noch zu konsumieren braucht. Information häppchenweise, wenn möglich noch mit der nackten Dame in der Wetterkarte.

    Nur das hatten wir schon tausendfach. Überall gibt es wunderhübsche Redaktionen die sehr gut dafür sorgen, das wir nur den Teil der Meinung betrachten, den wir sehen wollen. In Deutschland nennen wir das Medien. Korrupt bis ins Mark, eigentlich unerträglich. Wenn sie nicht lügen, haben sie einfach keine Ahnung.

    Dein Gedanke ist den User generated Content nun diesen Leuten zu überlassen, die dazu vermutlich noch das Recht bekommen sollen, die Inhalte zu redigieren. Wirklich klasse. Reader Edition, div. Foren. Hatten wir alles schon.

    Das was für dich der große Nachteil ist, das im jetzigen System die Inhalte nicht bei dir vorbeigetragen werden sondern du sie suchen musst, ist doch gerade der Vorteil. Niemand kann alle kaufen. Du hast die Chance auf Wahrheit.

    Sobald du mich oder andere für dich aggregieren lässt, bekommst du nicht die Wahrheit sondern meine Meinung oder die von anderen. Selbst der fairste kann da nicht fair sein, weil er ja nach seinem Begriffen auswählt, ja schon seine Quellen nach seinen Wünschen sortiert und ausgewählt hat.

    Ich spiele momentan mit einem Programm, das einfach versucht anhand von Stichworten innerhalb eines festgelegten Zeitraums die Artikel nur in ihrer Reihenfolge zu sortieren. Da ich aber die Stichworte vorgebe und aus Kostengründe nie tief genug graben und lange genug vorhalten kann, ist dies auch noch lange nicht wahr.

    Häufig enstehen Meldungen am Rande des Nichts, in den Blogs dereb Inhalte du als bedeutungslos im Nirwana verschwinden, oder im Sand versickern siehst. Ja, dies Blogs bleiben oft aus Faulheit oder Eitelkeit unverlinkt, was nicht fair ist. Aber gleiches gilt auch für Medienartikel.

    Aufgrund meiner beschränkten Auswahl kann ich keine Rückschlüsse auf die wahre Verteilung ziehen, aber ich habe eine Vermutung, das sehr viele Themen nicht aus den Medien kommen.

    Auf jeden Fall gilt. Wir haben ein neues Werkzeug, vielleicht wenn man vom Leserbrief und dem eigenen Buch absieht eine ganz neue Kommunikationsform. Stell dir vor wir würden Tennis nach Fußballregeln spielen lassen.

  2. Hallo Jochen, vielen Dank für Deinen ausführlichen und engagierten Kommentar. Zwei Anmerkungen dazu:

    1. Ich wünsche mir das als zusätzliches Angebot, nicht als Ersatz für irgendetwas. Es gibt Themen, bei denen ich mir meine Informationen sehr gern selbst zusammensuche – wie ich ja auch geschrieben habe. Und es gibt Themen, bei denen ich mir eine (professionelle) Zusammenfassung wünschen würde. Beispiel: Wie beurteilen deutsche Lawblogger Thema XY? Die einzelnen Beiträge der Lawblogger stehen mir dann ja noch immer zur Verfügung.

    2. Readers Edition ist nicht, was ich meine. Stelle Dir eher eine Seite vor, die spannende Diskussionen und Artikel, lesenswerte Beiträge u.ä. aus allen Blogs bei blog.de zusammenfasst. Oder ein entsprechendes Print-Magazin. Stell Dir eine tägliche Podcast-Show bei podster.de vor – eigentlich sogar mehrere. Beide Portale wären übrigens sehr gute Kandidaten für ein solches Projekt. Diese Angebote würden jeweils in direkter Zusammenarbeit mit den Nutzern entstehen.

    Und was „die Chance auf Wahrheit“ angeht: Im Gegensatz zum althergebrachten Journalismus liegen die Quellen der Informationen in diesem Fall vollkommen offen und es ist jederzeit möglich, dass Du Dir Dein eigenes Bild davon machst. Eine Gefahr sehe ich also überhaupt nicht. Ich sehe eher die Chance, dass aus den nutzergenerierten Inhalten hier und da etwas wird, was noch stärker als bisher ein Gegengewicht zu klassisch-journalistischen Angeboten ist.

  3. ja, journalismus und user generated content wachsen zusammen. lustig, dass die abwehrschlachten dagegen von anhängern der reinen lehre auf beiden seiten geschlagen werden. ändern wird das nix.

    und es erfasst alle bereiche: user generated radio ist auf dem weg: http://www.laut.fm

  4. naja bei user powered journalism ist das halt immer so eine sache mit der wahrheit/grammatik/richtigkeit der texte. grundsätzlich aber ein guter gedanke.

  5. Bei mir funktioniert das abspielen des Videos leider nicht. Wenn ich auf Play drücke, wird zwar im Hintergrund etwas heruntergeladen, aber das Bild bleibt trotzdem schwarz. Wenn ich hingegen auf anderen Webseiten Videos anschauen will, funktioniert das ohne Probleme…

    Kann bitte jemand mal einen anderen Link zum Video posten?

    Gruß Ralf

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