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Hype auf dem Prüfstand: Periscope und Meerkat

Periscope und Meerkat werden als die neuen Super-Apps für Twitter gefeiert. Livestreamen wir deshalb bald alle unser Leben? Wird periscopieren und meerkatten zum neuen Massensport? Mobile-Livestreaming-Experte Martin Glanert hat die neuen Tools einmal fürs UPLOAD Magazin ausprobiert. Hier sein (ungeschnittener) Erfahrungsbericht.

Periscope vs Meerkat
Periscope vs Meerkat

Periscope und Meerkat dienen beide dem gleichen Zweck: Mit einem einfachen Knopfdruck kann man via Smartphone live auf Sendung gehen. Beide sind mit Twitter verknüpft, wobei nur Periscope den offiziellen Segen Twitters hat: Der 140-Zeichen-Spezialist hatte das Startup aufgekauft. Meerkat ging allerdings früher live und konnte Periscope damit beinahe die Show stehlen.

Die Apps sind sich alles in allem sehr ähnlich. Deshalb habe ich mich entschlossen, Periscope für weitere Erfahrungen zu nutzen, da hier deutlich mehr los war und die App weniger Augenkrebs verursacht als Meerkat.

Also, los geht’s:

Schnell drin und… dann?

Der Anmeldeprozess ist wirklich einfach. In wenigen Sekunden bin ich angemeldet und eingeloggt. Erinnert sich noch einer an AOL? Juhu! Ich bin drihiin! Jetzt kann ich loslegen und mein Leben streamen oder mich durch hochwertige, innovative und kreative Videokanäle inspirieren lassen.

Also los geht’s. Mehr oder weniger. Wer ist den gerade live und was ist das Thema? Gute Frage. Die meisten Livestreams sind in Sprachen, die ich nicht verstehe.

So wunderbar es für den Livestreamer ist, dass er nur einen Titel eingeben muss, so verwirrend ist das für mich als Zuschauer. Es fehlt bislang ein Marktplatz und eine Möglichkeit, die Livestreams nach Sprache und Kategorie zu sortieren. Unentwegt fangen neue Livestreams an und hören wieder auf. Ich bin etwas überfordert und weiß nicht, wo ich nun hinklicken soll. Wahrscheinlich muss ich einigen Livestreamern folgen und die Gesamtübersicht ignorieren.

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Aber dann entdecke ich „What shall I cook today?“ Ich gucke mir also an, wie eine attraktive Frau ihren Kühlschrank zeigt (das scheint ein Insider beim Personal Livestreaming zu sein) und über ihr Abendessen philosophiert. Sie lässt den Hund raus. Der freut sich. Das Ganze ist allerdings unglaublich langweilig. Außer mir schauen noch 30 Leute zu. Einige schreiben im Chat. Es macht den Eindruck, als ob sowohl die Livestreamerin, als auch die Gäste alle nur zu Testzwecken teilnehmen.

Also auf zum nächsten Lifestream „Walking in Brooklyn“. Jemand läuft durch einen Bücherei. Die Leute gucken komisch. Fühlen sich gestört. Keiner sagt etwas. Dann geht es durch die Tür nach draußen. Jetzt fängt der Kommentar wieder an: „Just to give you an impression of those bookstores…“ Aha. Wieder sehr langweilig. Leider darf ich das nicht sagen, da neben mir noch unglaubliche 250 Leute im Livestream sind. Und die waren wohl alle früher da. Digitaler Maulkorb. Wer zu spät kommt den bestraft das Leben. Oder in diesem Fall die App.

Mobile Livestreaming Setup
Ein Setup für mobiles Livestreaming mit einem iPhone.

Beschränkungen, Funktionen usw.

App-propos: Warum kann man diese hippen Livestreams eigentlich nur in der App ansehen? Und warum kann ich mir die Aufzeichnungen nur kurz oder gar nicht angucken? Kann ich das Video direkt zu YouTube senden? Leider nicht. Zu Twitter auch nicht. Das kann ja sowieso nur 30 Sekunden.

Ein Problem beim Livestreaming ist immer die Batterie des Smartphones. Die gleichzeitige Nutzung von Kamera, Display, (Mobil-)Netzwerk und die Aufbereitung des Kamerafeed als Stream belasten den Prozessor dermaßen, dass der auf Hochtouren läuft und ordentlich Strom saugt. Ein USB-Akku gehört daher zur Pflichtausstattung. Oder man sendet eben nur Schnipsel.

Ich frage mich ganz ernsthaft, für welche Themen diese Art des Livestreamings eigentlich geeignet ist. Ich hätte vermutet, dass ich hier haufenweise Livestreams von Musik-, Sport- und anderen Events finde. Stattdessen finde ich Streams zum Thema „Ask me anything“ oder „What shall I cook?“ Typische weitere Genres, die ich identifizieren konnte: „We talk about stuff“, „I am walking outside“, „I am a cool moderator and I film the 8pm news with my crappy phone camera“. Ich wage mich in eine Talk-Runde mit bärtigen Türken, die rauchend in der Bar sitzen. Sie erklären mir, dass sie Periscope für ihre Revolution genutzt haben. Immerhin: Endlich mal ein brauchbarer Use-Case. Mal gucken, wie lange die App in der Türkei noch nutzbar ist…

Verknüpfung mit Twitter

Wie sieht denn die hochgelobte Integration mit Twitter aus? Okay der Login funktioniert. Und was noch? Ich kann mich anpingen lassen, wenn einer meiner Twitter-Freunde etwas sendet. Die haben aber wenig zu sagen. Hm. Ich kann bei Meerkat meine Kommentare im Chat direkt als Twitter-Nachricht posten. Nun ja. Das werde ich eher nicht machen. (Dankes-Spenden meiner Twitter-Follower gerne an meine Paypal-Adresse…). Die Möglichkeit aus der App heraus meine Freunde auf Twitter und Facebook über interessante Entwicklungen im Livestream hinzuweisen habe ich leider nicht gefunden. Das ist bei Livestream.com besser gelöst.

Low Tech – Low Fun

Livestream.com
Auch das bereits etablierte Livestream.com eignet sich, um mobil auf Sendung zu gehen – und bietet zahlreichere und ausgereiftere Funktionen.

Ich lese gerne Bücher. Warum? Weil sich nicht jeder die Mühe macht, seine Gedanken in Buchform aufzubereiten. Das ist mühsam und erfordern mehrfache Überarbeitung der eigenen Gedanken. Schritte, die die Qualität des Endproduktes erhöhen. Die Livestreams auf Periscope wirken so gesehen eher wie schnelle Facebook-Posts.

Bei Periscope habe ich immer wieder Verbindungsabbrüche erlebt. Livestreaming ist von der Technik her ziemlich komplex. Anscheinend haben die Anbieter (bewusst?) auf einen Buffer/Verzögerung verzichtet, die entsprechende Schwankungen in der Verbindungsqualität auffangen könnte. Persönlich bin ich da lieber T-(30 Sekunden) live und habe dafür einen durchgehenden Stream.

Teilweise wirkte es außerdem so, als würden die Zuschauer sich einfach nur in irgendeinem Stream einloggen um dort miteinander zu chatten. Das Ganze erinnerte mich stark an Chatroulette.

Im Vergleich zur kostenfreien Version von Livestream.com wirken beide Apps irgendwo zwischen Alpha und Beta-Version. Andere Livestream-Apps hatten schon Zeit zu reifen und bieten ein deutlich besseres User-Interface, Interaktions-Möglichkeiten und bessere Qualität des Videostreams. Jeder der Lust hat auf Livestreaming sollte sich zum Beispiel mal die App von Livestream.com als Alternative angucken.

Mein Fazit: Hipp aber tja

Periscope und Meerkat sind sicher hipp, aber in meinen Augen noch nicht „fertig“. Sowohl was die Technik betrifft, als auch was die Art und Weise der Nutzung durch die User angeht. Allerdings haben auch die Radiosprecher in den ersten TV Sendungen nur ihre Texte weiterhin vom Blatt abgelesen. Vielleicht brauchen wir einige einfache Livestreaming-Apps, um möglichst viele Leute dazu einzuladen mit dem neuen Medium zu experimentieren. Vielleicht sind Livestreaming.com & Co mit ihren hochwertigen HD-Streams sogar abschreckend?

Livestreaming im Businessbereich

Ich sehe Periscope und Meerkat als „Personal Livestreaming Apps“. Schon die Konzeption als Smartphone App, ohne mit einem Team größere Streams betreuen zu können, zeigt die Ausrichtung: Es geht um dich als Person. Aus dieser Perspektive heraus ergibt dann auch das eigene Experiment Sinn. Ein minimales Konzept schadet aber sicher auch hier nicht.

Wer hochwertige Mobile Livestreams produzieren will, der greift besser auf ausgereifte Lösungen zurück. Mehr Infos hierzu findest du in diesem ausführlichen Artikel über Mobile Livestreaming von mir hier beim UPLOAD Magazin. Wir haben auch ein kostenloses PDF mit meinen Tipps und Hinweisen für die perfekte Ausrüstung im Angebot.

Mit Sicherheit werden auch die „alten“ Livestreaming-Anbieter nachziehen und den aktuellen Hype um Periscope und Meerkat in die Weiterentwicklung ihrer Businessmodelle mit aufnehmen.

Ich bin gespannt was noch kommt und werde natürlich weiter experimentieren.

Gratis-Download: UPLOAD Extra „Livestreaming-Equipment“

livestreaming-equipment-150pxErgänzend zu diesem Artikel gibt es einen kostenlosen PDF-Download! Es stellt euch zwei verschiedene Setups fürs Livestreaming vor, u.a. das „Mobile-Paket“, das auf maximale Handlichkeit ausgerichtet ist. Zu beiden Varianten bekommt ihr ausführliche Erläuterungen sowie eine Hardware-Liste.

Hier das UPLOAD Extra „Livestreaming-Equipment“ herunterladen…


Dieser Artikel gehört zu: UPLOAD Magazin 21

In vier Artikeln dreht sich alles um virtuelle Welten. Wir schauen kritisch hinter den Hype rund um Virtual- und Augmented Reality. Oculus Rift, HTC Vive, Microsoft HoloLens, Sony Project Morpheus und nicht zuletzt Google Cardboard: Alle wollen dabei sein und versprechen viel. Wir zeigen, was heute bereits geht, wie man es ausprobieren kann und was wir für die Zukunft erwarten.

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