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Markus Beckedahl, Deutschlands wichtigster Blogger

So wie ich Markus Beckedahl kennen gelernt habe, wird ihm die Überschrift dieses Artikels unangenehm sein. Denn der Macher von netzpolitik.org tritt zwar häufig öffentlich auf, aber dann geht es ihm um die Sache und nicht um sich. In den verbleibenden Wochen bis zur Bundestagswahl wird er gemeinsam mit seinen Blogkollegen aber zu den wichtigsten Informationsquellen zum Thema Web gehören, denn die Digitalisierung der Gesellschaft und ihre Folgen werden mit Sicherheit weiterhin eine Rolle im Wahlkampf spielen. Gut, dass es mit Markus Beckedahl jemanden gibt, der schier unermüdlich um die Freiheit des Netzes und die Freiheit der Bürger im Netz kämpft.

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Markus Beckedahl auf der re:publica’08.
Foto: Rerun van Pelt. Lizenz: CC BY-SA

In diesem Jahr ist etwas Beachtliches passiert: War der Begriff „Netzpolitik“ 2008 noch eher ein intellektuelles Konstrukt, ist er heute lebendig. So empfinde ich es jedenfalls. Manche Internetprofis sind gerade zu elektrisiert und politisiert. Im Mittelpunkt steht dabei Markus Beckedahl. Ich habe ihn auf verschiedenen Veranstaltungen erlebt und konnte ihn für das t3n Magazin interviewen.

Das Interview, das ich Ende 2008 geführt habe, hat viel von dem vorweggenommen, worüber wir heute diskutieren: Die Freiheit des Netzes ist so bedroht wie nie zuvor. Interessengruppen wie die Musikindustrie oder auch viele Politiker sehen das Internet in erster Linie als Gefahr. Sie verstehen es nicht und übersehen daher die Chancen. Sie stellen nur fest, dass sich Dinge verändern und eingefahrene Wege umgangen werden. Eine automatische Reaktion des Menschen auf Veränderung ist Ablehnung und Angst.

Markus Beckedahl vergleicht in dem Interview die Netzpolitik-Bewegung mit der Umweltbewegung vor 30 Jahren. Auch die Aktivisten damals wurden zunächst nicht ernst genommen und als Spinner abgetan. Zentrale Anlaufstellen gab es kaum, sie entwickelten sich erst mit den Jahren.

Vielleicht werden wir in 30 Jahren auf diese Zeit zurückschauen und sie als Geburt einer politschen Bewegung über und aus dem Netz sehen. Und wenn das so sein sollte, wird netzpolitik.org darin eine zentrale Rolle spielen. Dessen bin ich mir sicher.

Es zeichnet Markus Beckedahl aus, dass er nie darauf käme, seine eigene Seite als eine mögliche Anlaufstelle für Netzaktivisten anzupreisen. Jedenfalls ist mir das nie aufgefallen. Wo andere rufen, winken und hampeln, um Aufmerksamkeit zu bekommen, zieht er seit Jahren mit seinen Blogkollegen konsequent seine Bahn. Er ist politisch engagiert aus einer Überzeugung heraus: Man darf die Entwicklung des Internet nicht denen überlassen, die es nicht verstehen. Das Internet braucht eine Stimme. Was wir brauchen, ist eine Netzpolitik, eine angemessene Reaktion auf die Veränderungen durch die Digitalisierung der Gesellschaft.

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Beim fünften Geburtstag der Creative Commons in Berlin.
Foto: Franz Patzig. Lizenz: CC BY

Er ist nicht die Rampensau, nicht der Showtyp. Er greift zum Mikro, wenn es die Sache erfordert und er wenn er es macht, dann merkt man: Er ist es selbst. Der Mensch, dem man dort zuhört, der ist echt.

Er setzt sich für die Dinge ein, die ihm wichtig sind und man erkennt sehr schnell, dass er es aus tiefstem Herzen tut. Warum sonst sollte er sich bei Creative Commons dafür engagieren, dass Werke freier verwendet werden können als es das klassische Urheberrecht und Copyright zulassen? Warum sonst sollte er sich so für freie Software engagieren und eine Agentur für Open-Source-Strategien mitbegründen?

Freiheit ist ein Thema, das sich durch seine Aktivitäten zieht wie ein roter Faden. Kein Wunder also, dass er vom Internet so begeistert ist: Es hat ungezählten Menschen auf der Welt enorme Freiheiten gegeben. Kein Wunder außerdem, dass er mit großer Energie dafür kämpft, diese Freiheit zu erhalten. Er gehört unter anderem zu den Initiatoren der Web-Konferenz re:publica, die dem Netz einmal im Jahr eine Plattform bietet, um auch von denen wahrgenommen zu werden, die keine symbiotische Beziehung mit einem RSS-Reader eingegangen sind.

Markus Beckedahl spricht bei alldem nicht nur von Freiheit, er lebt sie auch. So sind die Autoren auf netzpolitik.org frei darin, was sie wann wie veröffentlichen. Das ist ein Grundprinzip dieser Seite. Das kann nach hinten losgehen, geht aber meistens nach vorne los. Vielleicht ist das nur ein kleines Beispiel, aber es zeigt doch, dass man eben auch im Kleinen mit gelebter Freiheit viel erreichen kann.

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Vorbereitungen auf die Demo gegen Netzsperren am 18. Juni 2009.
Foto: Franz Patzig. Lizenz: CC BY

Verdientermaßen ist netzpolitik.org inzwischen auf Platz 1 der Deutschen Blogcharts. Die Seite ist aus meiner Sicht der „Hub“ rund ums Thema. Sie ist die Anlaufstelle, die Netzaktivisten brauchen. Auch braucht das Thema Netzpolitik einen Ort, wo sich Journalisten und andere Meinungsmacher informieren können und die Fakten und Meinungen gesammelt vorfinden. Spätestens seit den durch CDU und SPD auf den Weg gebrachten Internetsperren wissen wir, mit welchen perfiden rhetorischen Mitteln manche unserer Politiker arbeiten.

Wer die Freiheiten des Internets schätzt, wer das Netz lebt, der sollte sich freuen, dass wir in Deutschland jemanden wie Markus Beckedahl haben. Jemanden, der Ideale hat und für sie eintritt. Jemanden, der die Konfrontation mit der Meinung der breiten Masse und mit der Propaganda mancher Politiker nicht scheut. Jemanden, der das in sich vereint, wofür sich in den USA eine ganze Vereinigung namens Electronic Frontier Foundation einsetzt.

Wir brauchen noch viel mehr Beckedahls in Deutschland. Aber in der Hinsicht bin ich optimistisch. Die Demagogen aus Politik und Industrie säen derzeit so viel Zorn in den Internetfreunden dieses Landes, dass sie die passende Ernte über kurz oder lang einfahren werden.

Und es sollte mich doch sehr wundern, wenn nicht jeder von diesen Netzaktivisten Stammleser einer Seite ist: netzpolitik.org.

Video

Markus Beckedahl auf dem 24. Chaos Communication Congress 2007: 23 Wege, Deine digitalen Bürgerrechte zu verteidigen.

A N Z E I G E

BMA - Business Management Akademie

 

25 Gedanken zu „Markus Beckedahl, Deutschlands wichtigster Blogger

  1. Vielen Dank für die Rückmeldung. Interessant finde ich daneben den Einwand auf Rorkvell, inwiefern es überhaupt „den“ wichtigsten Blogger geben kann.

    Falls jemand sich dazu äußern mag, würde ich mich freuen. Fantastisch wären eigene Vorschläge von Euch für den Titel „wichtigster Blogger“. Falls also jemand einen oder mehrere benennen möchte – nur zu! Eine kurze Begründung wäre spitze.

  2. Ist Wichtigkeit nicht eh so eine Kategorie, die wir gerne den alten Weltgeschehens-Leitartiklern überlassen können?

    Abgesehen davon kann man Markus‘ Blog natürlich nur loben.

    Aber vielleicht verwechsele ich Wichtigkeit auch mit Wichtigtun…

  3. Der Titel „Deutschlands wichtigster Blogger“ sollte sicher nicht leichtfertig verliehen werden, denn schließlich stellt man damit alle anderen Blogger in Deutschland erstmal hinten an.

    Daher sollte man sich fragen, was denn einen Blogger für Deutschland wichtig machen könnte. Sind es informative, lustige, skurrile, außergewöhnliche, stilvolle, schöne oder interessante Beiträge, die einen Blogger für diesen Titel prädestiniert machen?

    Für den einen oder anderen sicher. Für mich nicht. Der wichtigste Blogger Deutschlands sollte sich meiner Meinung nach auch über die Grenzen seines Blogs hinweg für die Blogosphäre und deren Rechte einsetzen und die Blogkultur durch seine Beiträge und sein Handeln mitentwickeln, bzw. weiterentwickeln.

    Geht man nach dieser „Definition“, fällt mir nur Markus Beckedahl ein.

    Wenn ich mich hier irren sollte und es gibt weitere Blogger, die sich ähnlich für die Rechte im Internet einsetzt, dann würde ich mich sehr freuen. Denn solche Blogger kann es nicht genug geben.

  4. Markus Beckedahl leistet eine enorme aufklärerische Arbeit auch wenn es um speziellere Themen wie Musik / Copyright / Creative Commons / GEMA geht. Netzpolitik.org ist definitiv eines der wichtigsten Blogs im deutschsprachigen Raum.

  5. Den/die wichtigste Bloggerin könnte ich nicht nennen.
    Denn das spannende am Web bzw. an der (ominösen) Blogosphäre ist doch die Breite, die Möglichkeit, mir die eine Information da und die andere dort zu holen und sie beide mit einer dritten aus einem anderen Blog zu vergleichen.

    Das eine Blog lese ich aufgrund seiner technischen Kompetenz, das andere aufgrund der humorvollen Betrachtungsweisen,…

    Und wenn wir Web-Themen-BloggerInnen unseren Blick in die Weite der Blogwelt (Blogosphäre schreibe ich jetzt mal nicht) richten, dann wären die bedeutenden (im Sinne von viel gelesen etc.) BloggerInnen vielleicht die, die über Handelswaren, Strickmuster oder Haustiere bloggen.

  6. Pingback: Monstropolis
  7. Dass Netzpolitik eines der wichtigsten Blogs in D ist, will ich ganz und gar nicht bestreiten. Ich lese dieses Blog sehr gerne, und es ist tatsächlich in bestimmten Bereichen _die_ erste Anlaufstelle schlechthin geworden. Dazu ist es gut und solide gemacht mit Talent und vermutlich Ausbildung. Da gibt’s Nix zu meckern.

    Aber ich frage mich wirklich, a) ob es _das_ wichtigste Blog wirklich gibt, und b) ob wir Sowas überhaupt brauchen. Mir kommt das ein bisschen so vor wie die urdeutsche Sehnsucht nach der „Autorität, die schon Alles richten wird“. Beckedahl verdient mehr Unterstützung als das „Du machst das schon“. Jeder einzelne Blogger, der ein Interesse an den von Netzpolitik vertretenen Themen hat, sollte aktiv mitmachen und wird dadurch zu einem gleich wichtigen (wenn auch vermutlich nicht gleich bedeutendem) Teil.

    Also, ich will ihn nicht klein reden. Im Gegenteil. Aber es gibt sehr viel mehr.

  8. Na, da wird der Mobilfunk-Internet-Betreiber und Webseitensperrungs-Vorreiter mit dem weiß-roten Logo jetzt aber traurig sein. Da lohnt ja die ganze Kampagne mit Sascha „kennt-eigentlich-keiner-ist-aber-wohl-der-bekannteste-Blogger“ Lobo gar nicht mehr…..

    Denn auch ich bin der Überzeugung, dass netzpolitik.org einer der wichtigsten Blogs im deutschprachiggen Internet ist. Und auf dem 1. Platz kann halt immer nur ein Name stehen.

  9. Nach den ersten paar Absätzen war ich der Meinung „Es ist nun gut“, denn aus viel Lob wird meiner Meinung nach, sehr viel Schleimerei. Ich möchte Markus B.’s Leistung gar nicht kritisieren aber ganz ehrlich würde ich mich nicht als „wichtigster Blogger aus Deutschland“ kürren wollen, denn schließlich hat Deutschland definitiv den Web2.0 Trend verschlafen – was ja in unserer tollen Freiheit des Netzes – mehr als peinlich ist. Ich finde, es gibt viel wichtigere Autoren (die ohne WordPress ihre Werke ins Internet stellen) in unserem Land.. aber von denen wird so gut wie nicht gesprochen.
    Ich finde solche Beiträge einfach nur wieder PR und meiner Meinung nach: Hauptsache Traffic!

  10. _Wenn_ es einen solchen ersten Platz gibt. Aber a) gibt es den? Und b) brauchen wir den?

    Einen Teil der Qualität und der Faszination von Netzpolitik ist, dass Beckedahl dem amerikanischen „Competition“ Modell nicht folgt. Anstatt wie die Amis besser sein zu wollen als Andere, ist er einfach nur gut. Vielleicht sollten wir Alle eher danach streben, einfach nur gut zu sein, anstatt besser (als Andere). Vielleicht wäre dann Vieles besser (als heute).

  11. Hm, manche scheinen hier wichtigster mit bester zu verwechseln. Davon war aber nie die Rede.
    Und vom wichtigsten kann man schon sprechen, z.B. durch den 1. Platz der Blogcharts, der ja bedeutet, dass sich die meisten der Blogosphäre auf ihn beziehen. Er ist wichtigster Bezugspunkt.

    Natürlich lebt netzpolitik auch von anderen Blogs, in dem es die Neuigkeiten daraus sammelt, aggeregiert und weiterleitet.
    Aber genau davon lebt die Blogosphäre und das ist das besondere an ihr, das Gemeinsame, die Links, die Verweise.

    Und im Moment ist Beckedahl hierfür eben wichtigster Knotenpunkt und auch Anlaufstelle von außen.

  12. @SheephunterR: Da hast du Recht aber wer veröffentlicht die Blogcharts? Technorati? Ich schließe mich ebenfalls Siegfried an. „bekanntester Blogger“ wäre passender.

  13. mir gefällt an markus ganz besonders, dass er so ruhig und verständlich formuliert, egal wie aufwühlend für viele von uns das thema ist. das macht seine arbeit sehr effektiv.

    .~.

  14. Tolle Diskussion, ich danke Euch. Natürlich habe ich mich mit der Überschrift sehr weit aus dem Fenster gelehnt. Das weiß ich auch. Aber ich muss einfach sagen, dass Markus aus meiner persönlichen Sicht in der momentanen Situation eine ungemein wichtige Figur ist. Und mir gefällt, wie er diese Rolle ausfüllt.

    Ich finde, dazu kann man auch mal stehen. ;-)

  15. Wichtig ist immer, dass man etwas hat wofür man kämpfen würde. Das liegt bei jedem ein Stück weit woanders. Aber so ein Engagement kann immer belohnt werden! Ob Wichtigster hin oder her, ist eher ein Lob als eine Bezeichnung.

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