Erfolgsmessung im Social Web: Warum Social Buzz alleine nicht reicht

Immer wieder machen neue Virals die Runde, die punktuell reichlich Social Buzz erzeugen. Meist lassen dann die ersten Nachahmer nicht lange auf sich warten, denn Social Buzz gilt nach wie vor als eine der wichtigsten Währungen im Social Web. Doch ist das gerechtfertigt oder taugt es am Ende gar nicht als maßgeblicher Faktor für die Erfolgsmessung im Social Web?

Symbolfoto Like
(Bild: © Detelina Petkova – Fotolia.com)

Unter Marketing-Verantwortlichen gilt der Social Buzz, den virale Inhalte erzeugen, als heiliger Gral im Content-Marketing. Warum das so ist, ist mit einem Wort erklärt: Aufmerksamkeit. Dieses eine Wort treibt ganze Branchen an, denn nicht nur die Werber und Marketingexperten buhlen um die Aufmerksamkeit der Konsumenten, sondern auch die Medien, allen voran im Internet. Das ist mehr als verständlich, denn zunächst ist Aufmerksamkeit als solches positiv für ein Unternehmen – man wird gehört, gesehen, wahrgenommen. Zudem lässt sich Aufmerksamkeit im Web sehr schön abbilden. Dank Facebook gibt es mit dem Like sogar ein im Social Web entstandenes Synonym für Aufmerksamkeit, das oft zusammen mit anderen ähnlichen sozialen Reaktionen als Kennzahl herangezogen wird, um den Erfolg einer Kommunikation zu belegen.

Vielleicht liegt es auch an der Nichtexistenz eines Dislikes bei Facebook, dass Aufmerksamkeit in der Regel als ein positives Attribut gesehen wird. Doch die Aufmerksamkeit ist nüchtern betrachtet zunächst eine wertfreie Kennzahl, die dann auf ihre Stimmung hin untersucht werden muss. Nur wenn dieser Schritt nicht vergessen wird, können hohe Aufmerksamkeitswerte valide als Erfolge oder Probleme eingeordnet werden und zielgerichtete Handlungen auslösen.

Das Problem: Für die positive Seite gibt es den Social Buzz, die negative Seite kennt lediglich den Extremfall Shitstorm.

Erfolgsmessung muss auch Misserfolge aufdecken können

Auch wenn es sehr einfach ist und von Report-Empfänger meist nicht anders erwartet beziehungsweise abgefragt wird: Das reine Aufaddieren von Likes, Shares, Comments, Favs, Retweets & Co. reicht für eine qualitative Erfolgsmessung nicht aus. Für Unternehmen und Marken ist es nicht ausreichend, wenn sie wissen, wie oft, wo und wann über sie im Social Web gesprochen wird – sie müssen auch wissen, was über sie gesprochen wird. Und an dieser Stelle wird es unbequem, denn helfen für quantitative Analysen noch zahlreiche Tools, so wird die qualitative Analyse schnell zur Sisyphusarbeit.

Zwar hat es im Bereich der Sentimentanalyse in den letzten Jahren einige Fortschritte gegeben, doch noch ist kein einziges Social Media Monitoring Tool auf dem Markt, das in diesem Bereich belastbare Ergebnisse erzielt. Oft werden verschiedene quantitative Kennzahlen miteinander gekoppelt, um einen qualitativen Aussagewert zu kreieren, doch das sind Mogelpackungen. Zwar können berechnete Werte wie beispielsweise die Engagement-Rate mehr aussagen, als es die darin kombinierten Zahlen der Fans und Interaktionen alleine können, doch valide Aussagen zum Stimmungsbild einer Markenkommunikation sind damit immer noch nicht möglich.

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Die reine Erwähnung einer Marke oder eines Produkts kann als Aufmerksamkeit gezählt, nicht aber automatisch auch als positiv oder gar als Empfehlung gewertet werden.

Dennoch können solche Werkzeuge hilfreich sein, wenn sie intelligent eingesetzt werden. Statt mit ihnen nur die reine Lautstärke, sprich die Anzahl an Erwähnungen, zu messen, können Kombinationen mit weiteren Begriffen erste Annäherungen an die tatsächliche Stimmung zu einem Thema oder einer Marke bieten. Dazu müssen Themencluster gebildet werden die Tonalitäten beinhalten. Beispielsweise wird dann der Markenname mit positiven und negativen Bewertungen gekoppelt. Wie das ganz konkret in der Praxis aussehen kann, soll ein aktuelles Beispiel aufzeigen.

Analyse der Sponsorennennungen bei den Olympischen Spielen in Sotchi

Die Olympischen Spiele sind längst zu einem medialen Spektakel erster Güte geworden und damit auch zu einer Marketingplattform. Das austragende Land investiert über Jahre hinweg große Summen in den Bau der Sportstätten und in die Durchführung der sportlich nur wenige Tage dauernden Großveranstaltung. Doch nicht nur Russland als Gastgeber hat sich von den Olympischen Spielen im eigenen Land einen Prestige-Gewinn erwartet, auch die exklusiven Werbepartner des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) versuchen über das weltweit wichtigste Medienereignis Aufmerksamkeit zu erzeugen. Besonders gelungen ist dies dem südkoreanischen Elektronikhersteller Samsung – kein anderer Sponsor bekam vor allem bei der Eröffnungsfeier mehr Aufmerksamkeit. Stolze 49 Prozent des Social Buzz aller zehn Hauptsponsoren konnte Samsung für sich verbuchen. Coca-Cola, ansonsten für perfekt inszenierte Kampagnen bekannt, kam nur auf 13 Prozent.

Social Buzz der Olympia-Sponsoren: Samsung dominiert klar (Bild: Brandwatch).
Social Buzz der Olympia-Sponsoren: Samsung dominiert klar (Bild: Brandwatch).

Ein riesiger Erfolg für den Smartphone- und Tablethersteller – könnte man meinen. Doch was rein quantitativ nach einem gelungenen Auftritt aussieht, bekommt bei genauerer Betrachtung einige Kratzer. Samsung hatte sich eine besondere Aktion für die Eröffnungsfeier einfallen lassen: Jeder Olympionike bekam als Willkommensgeschenk ein aktuelles Galaxy Note 3 – Ladenpreis etwa 500 Euro. Natürlich war damit auch die Hoffnung verbunden, dass sich die Sportler mit ihren neuen Geräten öffentlich und damit medienwirksam präsentieren würden. Das taten dann auch einige, wie bei der Eröffnung zu sehen war. Dass die Aktion dennoch ein Reinfall wurde, lag nach eigenen Angaben nicht an Samsung, sondern am IOC. Stein des Anstoßes war das Gerücht, Samsung habe den Beschenkten mitgeteilt, sie dürften zwar zugleich ihre eigenen Geräte verwenden, doch bei diesen sollte dann das Logo verdeckt sein. Vereinfacht ausgedrückt: Nutzer von iPads und iPhones sollten das Apple-Logo abkleben.

Auch wenn Samsung schnell eine Gegendarstellung veröffentlichte, in der das Logo-Verbot bestritten wurde, war es schon längst Thema. Besonders ärgerlich für Samsung: Das Logo-Verbot resultiert sehr wahrscheinlich aus einer Richtlinie, die eigentlich die Exklusivität der Sponsoren schützen soll, die dafür sehr viel Geld bezahlen. Sämtliche Markenlogos, die nicht zu einem Sponsoren gehören, dürfen während der Spiele nicht gezeigt werden. Doch das hilft Samsung in diesem Fall nicht. Aus einer Analyse des Social-Media-Monitoring-Anbieters Brandwatch geht hervor, dass die Nennungen von Samsung als Sponsor während der Olympischen Spiele in Sotchi sehr häufig mit dem Logo-Verbot in Zusammenhang standen und daher überwiegend negativ behaftet waren.

Topic Cloud Samsung: „Olympia-Sponsor Samsung verbietet“ wurde am häufigsten erfasst (Bild: Brandwatch).
Topic Cloud Samsung: „Olympia-Sponsor Samsung verbietet“ wurde am häufigsten erfasst (Bild: Brandwatch).

Nachhaltigkeit von viralen Ereignissen

Eine gewisse Viralität kann der missglückten Samsung-Kampagne schon zu gesprochen werden, auch wenn sie nicht lange anhielt. Rund um die Eröffnungsfeier wurden die Sponsoren und vor allem Samsung noch recht häufig erwähnt, danach ging es schnell und rapide abwärts.

Sponsorennennungen im Zeitverlauf: Lediglich rund um die Eröffnung bekamen die Sponsoren viele Erwähnungen (Bild: Brandwatch).
Sponsorennennungen im Zeitverlauf: Lediglich rund um die Eröffnung bekamen die Sponsoren viele Erwähnungen (Bild: Brandwatch).

Abseits der Frage, wie sinnvoll die Investition in ein Olympia-Sponsoring generell ist, ist auch die Frage der Nachhaltigkeit interessant. Wirken virale Kampagnen, Videos oder Aktionen über einen längeren Zeitraum nach oder verpufft ihre Wirkung mit der nachlassenden Zahl der Erwähnungen? Bei den Sponsorennennungen während der Olympischen Spiele ist es noch zu früh, über langfristige Effekte zu sprechen, doch die Art der Nennungen lässt auf eine schnell verpuffende Wirkung schließen, denn die meisten Nennungen erzielte Samsung bei Twitter. Da die Halbwertszeit eines Tweets nach einer aktuellen Studie von Wisemetrics allerdings nur bei 24 Minuten liegt, war die Wirkung zeitlich sehr überschaubar. Das lässt sich auch einfach über die Twitter-Suche bestätigen:

Samsung_Olympia Samsung_verbietet

Und wie verhält es sich mit den negativen Virals, also den sogenannten Shitstorms? Interessanterweise gibt es zu den Shitstorms eine ganze Reihe von Betrachtungen und Untersuchungen, während die „Candystorms“ weniger reflektiert werden. Alle Aufmerksamkeitswellen beider Tonalitäten haben eine Gemeinsamkeit: Wenn sie nicht in die klassischen Medien herüberschwappen, haben sie so gut wie keine langfristigen Auswirkungen. Und selbst dann hat ein Shitstorm nur in seltenen Fällen eine langfristige Wirkung für die Masse.

Sehr schön analysiert wurde beispielsweise der Adidas-Shitstorm anlässlich der Fußball-EM 2012. Der Sportartikelhersteller geriet in die Kritik bei Tierschützern, die den Umgang mit freilaufenden Hunden in der Ukraine als eines der beiden Ausrichterländer kritisierten. Der verabredete Shitstorm beruhte hier also nicht auf tatsächliche Verfehlungen des Unternehmens, sondern lediglich auf der Tatsache, dass Adidas einer der Hauptsponsoren der EM 2012 war. Der fehlende direkte Zusammenhang zwischen der Tierquälerei und dem Sponsoring einer sportlichen Großveranstaltung wirkte sich im Laufe der Kritikwelle zunehmend abmildernd aus – dafür gerieten die Tierschützer selbst in die Kritik. Für Adidas ging es letztlich glimpflich aus, so dass die Überlagerung der ansonsten positiven Stimmung mit negativen Äußerungen nur von kurzer Dauer war und sich nicht langfristig etablieren konnte.

Wäre bei diesem Beispiel ein rein quantitatives Monitoring unternommen worden, so hätte das Reporting lediglich einen Peak angezeigt, nicht aber die in der Spitze rund 400 negativen Äußerungen pro Tag herausgestellt.

Nicht jede Erwähnung ist gleich wertvoll

Doch es gibt noch weitere Gründe dafür, den blanken Zahlen eines rein quantitativen Monitorings nicht zu vertrauen. Auf einen weiteren, nicht zu unterschätzenden Aspekt machte mich Volker Meise, Geschäftsführer Technologie & Social Media bei den Medialysten aufmerksam:

Wir sehen es bei unseren Reports immer wieder, dass manchmal Artikel mit Nennung des Kunden recht häufig per Twitter oder Blogs verbreitet werden. Wenn man dann genauer hinschaut, sind das aber nur reine Link-Weiterleitungen ohne jegliche Kommentierung. Dazu kommen die automatisch generierten Links aus den Presseportalen und SEO-Blogs.

Wenn man die reine Reichweite der Meldungen nimmt, kommt man auf beeindruckende Werte. Allerdings weiß man genau, dass so gut wie niemand auf diese Links klickt oder sich inhaltlich damit beschäftigt.

Gut fürs Reporting, aber ohne Effekt.

In solchen Fällen ist die Kombination von Social Media Monitoring und Webstatistik für die tatsächliche Erfolgsmessung besser geeignet, aber das funktioniert nur dann, wenn es um eine Botschaft mit Link geht. Das können Unternehmensnachrichten aus dem Newsroom sein oder  Kampagnen, für die eine separate Landingpage eingerichtet wurde. Werden diese Seiten dann mit Webstatistiksoftware wie beispielsweise Piwik oder Google Analytics überwacht, können die Zahlen aus dem Social Media Reporting mit den Abrufzahlen abgeglichen werden. Wer das regelmäßig macht, kann schnell erkennen, dass es sehr unterschiedliche Verhältnisse zwischen den sozialen Reaktionen und der tatsächlichen Zahl der Leser gibt. Ein Grund dafür könnte sein, dass eine Überschrift bereits die wichtigste Botschaft enthält und es nicht mehr notwendig ist, den Artikel zu lesen. Eine andere Möglichkeit sind virale Überschriften, die zum Beispiel bei Twitter gerne weitergereicht werden, weil sich die Retweeter davon Netzwerkeffekte versprechen. Dazu müssen sie den Link aber nicht selbst anklicken. Viele Faktoren, die einen Inhalt viral machen, können die Erfolgsmessung also auch erschweren.

Besonders schwierig wird die Erfolgsmessung, wenn es keine externen Metriken gibt und man beispielsweise auf die bestenfalls diffusen Statistiken von Facebook angewiesen ist. Die von der Plattform ausgegebene Reichweite hat in der Praxis weniger Aussagekraft als es die Theorie vorgaukelt. Zwar ist die spätestens mit dem Update aus dem Dezember 2013 zum Teil stark eingebrochene Reichweite für Posts auf Fanseiten schon Gegenstand zahlreicher Diskussionen, doch oft wird dabei ein wichtiger Umstand ignoriert: Die Reichweite zeigt lediglich an, wie vielen Fans ein Post im Newsfeed angeboten wurde – ob diese ihn auch wahrgenommen oder gelesen haben, ist damit keinesfalls klar. Betreiber von Fanseiten bei Facebook sollten daher immer um eine hohe Qualität ihrer Posts bemüht sein. Tipps für eine erfolgreiche Fanseite hatten wir bereits hier gegeben.

Schlussgedanken

Natürlich ist für Unternehmen und Marken auch die über zahlreiche Erwähnungen generierte Sichtbarkeit als solches eine wichtige Kennzahl für eine erfolgreiche digitale Kommunikation, denn ohne Erwähnungen kommt keine Aufmerksamkeit zustande. Dennoch stecken hinter den verschiedenen Kommunikationshandlungen der Unternehmen meist noch weitere Zielsetzungen. Das könnte unter anderem die Einführung eines neuen Produkts sein, zu dem Informationen angeboten werden. Oder es geht um die Besetzung eines wichtigen Themengebiets, mit dem das Unternehmen in Verbindung gebracht werden möchte. Je spezieller die Zielsetzungen sind, um so mehr Zeit muss in die Feinjustierung der abbildenden Metrik gesteckt werden. Nur so kann eine valide Erfolgsmessung im Social Web gelingen, mit deren Ergebnissen die Zielsetzung überprüft und die eingesetzten Mittel gegebenenfalls angepasst werden können.

Eine einfache Erfolgsmessung auf der Grundlage quantitativer Werte kann für den Einstieg hilfreich sein, sollte dann aber nicht stehenbleiben, sondern kontinuierlich an die gerade aktuellen Zielsetzungen angepasst werden. Qualitative Merkmale wie eine Sentimentanalyse sollten dabei genauso eine Rolle spielen, wie die Kombination mehrerer quantitativer Aspekte. Gute Social Media Monitoring Tools bieten den Unternehmen eine solide Datenbasis, die die händische Arbeit durch Vorselektion vereinfacht, aber nicht vollständig ablösen kann. Stimmungen einzuschätzen ist schon für Menschen nicht einfach, da die Reduzierung auf Text und zusätzlich zum Teil noch auf 140 Zeichen Verluste mit sich bringt und Interpretation nötig macht – für Software ist das nahezu unmöglich.

Die Erfolgsmessung von Online-Inhalten ist kein Hexenwerk und im Zweifel sogar viel einfacher als die Erfolgsmessung von Inhalten in traditionellen Medien. Man darf sich nur nicht von tollen Zahlen blenden lassen, sondern sie mit geeigneten Mitteln hinsichtlich der zugrundeliegenden Zielsetzung analysieren, sezieren und einordnen. Am Ende nützt Social Buzz eben nur dann, wenn er die gesteckten Ziele erreichen hilft, nicht aber, wenn er daran vorbeiführt.


Dieser Artikel gehört zu: UPLOAD Magazin 9

Die Themen dieser Ausgabe: Es geht um Social Buzz als Messwert, OpenStreetMap im praktischen Einsatz, E-Mail-Marketing jenseits des Newsletters und die Ära eines „selbstbewussten Digital-Journalismus“.

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4 Gedanken zu „Erfolgsmessung im Social Web: Warum Social Buzz alleine nicht reicht

  1. Dein Beitrag trifft den Social-Media-Buzz Nagel genau auf den Kopf :-)

    Und was die Sentiment-Analysen betrifft: da gibt’s ein paar Produkte, die im englischsprachigen Bereich ganz gut funktionieren, aber bei deutschsprachigen Inhalten steigen die alle komplett aus.

    Teilweise herrscht da eine Naivität, die gigantisch ist – hab mal einen Anbieter überschwänglich seine Sentiment-Software dafür anpreisen hören, dass sie Smilies auswertet, so á la :-) = gut :-( = schlecht.

    Und an die mangelende Nachhaltigkeit bzw. die kurzen Durchlaufzeiten im SM-Bereich denken auch die wenigsten.

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