Am 4. und 5. Juli dreht sich in Mannheim beim Future Music Camp (FMC) alles um die Zukunft der Musik. Ryan Rauscher ist einer der Organisatoren und hat mir fünf Fragen zum Camp und zur Zukunft der Musik per E-Mail beantwortet. Er ist Projektmanager fürs SMIX.LAB bei der „Popakademie Baden-Württemberg Stiftung“ und erwartet einen interessanten Mix aus Teilnehmer unterschiedlichster Bereiche beim FMC. Eine seiner Thesen im UPLOAD-Interview: „Wer es schafft, dass der Hörer mitsamt seinen hochgesteckten Erwartungen wieder Spaß am Musikhören hat und zudem an der richtigen Stelle der Wertschöpfungskette sitzt, um für seinen Service die Hand aufzuhalten, der darf sich zurecht als die Neue Musikindustrie bezeichnen.“
1. Was ist die Idee hinter dem Future Music Camp?
Wir möchten herausfinden, welche Problemstellungen, Lösungen und Entwicklungen am relevantesten sind – und zwar für das zukünfige Geschäft mit Musik- und Entertainment (im Internet).
Das Future Music Camp (FMC) am 4./5. Juli ist das physische Event, auf dem sich Experten und Nachwuchskräfte darüber austauschen. Es ist für jeden zugänglich – kostenlos! Generell ist der Teilnehmerkreis ein Mix aus Leuten von Digitalabteilungen der Plattenfirmen, Digitalvertrieben, netzaffiner Künstlermanager, Musiker/Künstler und anderer Musikindustrieller – aber auch Vordenker angrenzender Branchen (Entertainment, Mobilfunk, Internet/Web 2.0, Medien), Vertreter der Netaudioszene, Berater, Anwälte, Zukunftsexperten, sowie Kreativköpfen und jungen Querdenkern.
Wir legen Wert auf Moderation und Dokumentation der Diskussionsrunden und Vorträge des FMC. Denn bislang sind Bereiche wie etwa „Musikbusiness“ oder das „Social Web“ nur wenig durchdrungen, was bspw. (Weiter-)Bildung oder Forschung angeht.Wir möchten die Ideen und Bedürfnisse der Teilnehmer deshalb weitertragen, indem wir die Ergebnisse des FMC weiterentwickeln – in Form von Hochschul-Vorlesungen, Forschungsprojekten, Buchveröffentlichungen und Ähnlichem. Dies wird durch das SMIX.LAB realisiert, ein neues Kompetenzzentrum für Musikbusiness im Social Web.
2. Wie ist die Idee entstanden?
Zum einen legt der deutliche Umsatzrückgang in der Tonträgerbranche (ca.-50 % im letzten Jahrzehnt) einen deutlichen Bedarf an neuen Modellen offen. Geht man davon aus, dass ein Minus von 50 % nicht nur auf die 3,7 Millionen Filesharer in Deutschland (nur 4,5 % der Bevölkerung) zurückzuführen ist, muss man konstatieren, dass die Unternehmer der Musikbranche noch einiges über den heutigen Markt lernen können. Diese Sichtweise, verbunden mit der Überzeugung, dass persönliche Kontakte für das Entstehen von Projekten und Kooperationen wichtig sind, hat zu der Idee einer Veranstaltung geführt. Das Veranstaltungsformat „Barcamp“ hat sich angeboten, weil es sich in der digitalen Szene als (Un-)Konferenzform immer mehr durchgesetzt hat.
3. Wie muss ich mir das Camp konkret vorstellen? Was erwartet mich?
Das FMC ist also ein so genanntes Barcamp – eine offene, partizipative Unkonferenz, deren Ablauf und Inhalte maßgeblich von den Teilnehmern bestimmt werden. Mehr erfahren kann man über dieses Konzept auf dieser Seite. Es wird insgesamt sechs „Session-Räume“ geben, in denen an beiden Tagen jeweils 4 „Sessions“ abgehalten werden. Das Thema und die Form einer Session wird von den Teilnehmern selbst festgelegt. Möglich ist dabei alles, vom klassischen Vortrag über Diskussionsrunden und Panels bis hin zu einem Brainstorming etc.
4. Welche Themen siehst Du persönlich in Sachen „Future Music“ als besonders dringlich und aktuell an?
Ich denke als erstes müssen wir damit aufhören, uns über die Unlust der Leute zu beschweren. Über die Unlust, Musik so zu konsumieren, wie wir es als Musikindustrie gewohnt waren. Was zählt, sind die Bedürfnisse der Musikhörer und die Frage, wie ich diese möglichst nutzerfreundlich erfülle. Und das gelingt eben immer weniger über kleine silberne Scheiben, mit wenig Speicherplatz und ohne Anbindung ans Internet noch der Fähigkeit zu Interaktivität und Personalisierung.
Die Leistung, die einen Musikfan glücklich macht, sieht heute anders aus. Die Frage ist, welche Gestalt sie genau annehmen muss.
Desweiteren sind wichtig: Informationsfilter und Empfehlungsassistenten (wegen der neuen, unglaublichen Vielfalt kreativer Werke), Überlegungen zu Abonnementmodellen (weil die gefragten Tonträger von heute – Handys, Speicherchips, Notebooks, Server – nicht nur zum Musikkonsum erworben werden und teilweise nur noch angemietet werden -> Server/Internetzugang), kreative Aspekte (ein musikalisches Produkt muss im Internet sicherlich nicht die gleiche Gestalt haben, wie auf der CD!), Dezentrale Vermarktungs- und Distributionsstrategien (z.B. Einbindung von Fans/Supportern, Nutzung von Web Syndication / Feeds / Schnittstellen), oder auch neue Lizenzierungsmodelle, sowie die kritische Auseinandersetzung mit deren Rechtsgrundlage, dem Urheberrecht.
Für Musikverwerter ist natürlich immens wichtig, wirtschaftlich tragfähige Geschäftsmodelle zu identifizieren – womit lässt sich tatsächlich Geld verdienen, dass man dann auch an die Künstler weiterreichen kann?
5. Auf welche Weise verändert das Internet, wie Musik entsteht, sich verbreitet und konsumiert wird?
Einige konkrete Beispiele habe ich eben genannt. Grundlegend würde ich kurz zusammenfassen:
Entstehung von Musik: Kostensenkung der Musikproduktion durch Software oder gar browserbasierte Produktionsumgebungen. Dies führt dazu, dass es für immer mehr Menschen finanziell tragfähig wird, sich künstlerisch auszudrücken und damit zu einer unheimlichen Vielfalt an musikalischem Angebot.
Das Internet als vernetztes und vernetzendes Medium führt natürlich auch zu neuen Kooperationsformen jenseits der üblichen Bands und Songwriterteams. Musikstücke werden immer öfter von unterschiedlichen Orten (oder auch Kontinenten) aus gemeinsam erstellt – teilweise von informell organisierten Teams, die unterschiedliche Versionen des Ausgangsmaterials weiterverarbeiten.
Verbreitung: Jeder, der Musik macht, kann diese über das Internet auch veröffentlichen. Kritisch ist das Generieren von Aufmerksamkeit. Während wie gewohnt große Gatekeeper und Labels weiterhin wichtig sind, haben die Musikfans als Multiplikatoren an Bedeutung gewonnen (weil auch bei Ihnen Kommunikationskosten gesunken und die Vernetzung gestiegen ist), ebenso wie technische Tools zur Steigerung der Wahrnehmung (die „Googles“ für Musik).
Konsum: Das Bedürfnis ist wohl gleichbeblieben: Man will Musik hören, die einem gefällt – Bekanntes, aber auch Neues. Und zwar immer dann, wenn man möchte. Der Unterschied zu früher: Heute ist das tatsächlich weitestgehend möglich. Man möchte über das technische Gerät seiner Wahl an jedem Ort sofort die Musik hören, die man möchte, in voller Länge. Die Aufgabe ist es, diesen Wunsch möglichst geschmeidig zu erfüllen. Wer es schafft, dass der Hörer mitsamt seinen hochgesteckten Erwartungen wieder Spaß am Musikhören hat und zudem an der richtigen Stelle der Wertschöpfungskette sitzt, um für seinen Service die Hand aufzuhalten, der darf sich zurecht als die Neue Musikindustrie bezeichnen.
Wie diese Industrie genau aussehen wird, wird eine spannende Diskussion. Diese wird übrigens auch nach dem Future Music Camp auf der Website erfolgen. Denn sie ist als Austauschplattform und zum Aufbau eines Expertennetzwerkes auch über das Event hinaus gedacht.
Jan hat mehr als 20 Jahre Berufserfahrung als Online-Journalist und Digitalpublizist. 2006 hat er das UPLOAD Magazin aus der Taufe gehoben. Seit 2015 hilft er als CONTENTMEISTER® Unternehmen, mit Inhalten die richtigen Kunden zu begeistern. Und gemeinsam mit Falk Hedemann bietet er bei UPLOAD Publishing Leistungen entlang der gesamten Content-Marketing-Prozesskette an. Der gebürtige Hamburger lebt in Santa Fe, New Mexico.