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Social-Media-Strategie: Jetzt den Kurs ändern oder weitersegeln?

Wie zielführend und erfolgreich sind Ihre Social-Media-Kanäle eigentlich? Haben Sie eine ausformulierte Strategie dafür und falls ja: Wann haben Sie die zuletzt überprüft und aktualisiert? Sebastian Riedel und Simeon Ulandowski erklären in diesem Beitrag, warum eine Neujustierung notwendig sein kann und wie Sie Schritt für Schritt zu einem neuen Plan kommen.

Symbolfoto Kursänderung
(Foto: Ross Tinney, Unsplash)

„Unternehmen, die den Schritt ins Social Web wagen, starten einen Change Management Prozess mittlerer Größenordnung. Mindestens.“ Als wir Ende der 2000er Jahre gemeinsam mit Kunden erste Social-Media-Strategien entwickelt haben, konnten wir ehrlich gesagt auch nur ahnen, wie richtig diese Aussage ist.

Fakt ist: Social Media sind ohne Zweifel eine der größten kulturellen, gesellschaftlichen und organisatorischen Entwicklungen der letzten Jahrzehnte. Kanäle wie Facebook, Twitter, Instagram und Co. tragen einen wesentlichen Anteil daran, dass sich unsere Kommunikationsgewohnheiten verändert haben – zwischen Mensch und Mensch aber auch zwischen Unternehmen und Konsumenten. Mit den neuen Kanälen haben neue Disziplinen in die Kommunikations- und Marketingabteilungen Einzug gehalten und so gibt es nur noch wenige Unternehmen, die heute ohne Social-Media-Manager und ohne Social-Media-Strategie auskommen.

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Die Vorzeichen haben sich geändert. Die Strategie auch?

Doch das war nicht immer so. Es gab kaum ein Unternehmen, das Anfang der 2010er Jahre nicht auch eine Facebook-Seite eröffnete. Viele Kanäle sind dabei einfach gewachsen, weil Mitarbeitern freie Hand gelassen wurde, weil Fans eine Seite aufgesetzt haben, weil Abteilungen für ihre Interessen einen Platz im Social Web wollten. Das war auch gut so. Doch was tun, wenn die Seiten jetzt in einen strategischen Rahmen gebracht werden sollen?

Andere Unternehmen gingen bei der Implementierung der Kanäle strategisch vor. Allerdings haben sich die Vorzeichen in den letzten Jahren zum Teil drastisch verändert und die Strategie passt nicht mehr zur Realität. Und auch hier die Frage: Was nun?

Und so erleben wir nach einer ersten Welle der grundlegenden Strategiearbeit aktuell eine zweite Welle: Strategien müssen überarbeitet, angepasst, optimiert werden.

Dabei sind es vor allem die folgenden Punkte, die als Grundlage einer Strategieentwicklung heute mitgedacht werden müssen:

1. Die Abhängigkeit von den Plattformen wird größer

Social fühlt sich zwar an wie Owned Media, funktioniert so richtig aber nur mit der nötigen Demut, wie wir sie aus Earned Media kennen und einem halbwegs gut gefüllten Portemonnaie für Ads und die eine oder andere Influencer-Kampagne. Und dort wo Videos in einem Algorithmus präferiert ausgespielt werden, sollte auch Video-Content angeboten werden, um mit den Botschaften durchzudringen.

2. Immer und überall on

Eine der grundlegenden Veränderungen in den noch jungen Social-Media-Jahren beginnt bei uns Nutzern. Unsere Internetnutzung hat sich in den letzten fünf Jahren von stationär auf mobil gewendet. Wir konsumieren Nachrichten mobil in der Bahn, zwischen zwei Meetings oder beim Mittagessen. Wir suchen daher oftmals nach kurzen Texten, schnellen Informationen und einfach verdaubarer Kost, die gleichzeitig alles Wesentliche auf den Punkt bringt.

3. Vielfalt der Plattformen. Und jetzt auch noch die Influencer

Die Anzahl der Plattformen hat in den letzten Jahren zugenommen. Zu Twitter, Facebook und YouTube gesellen sich heute Instagram, Snapchat und LinkedIn – in Europa. Wer global aktiv ist, muss auch an Line, WeChat und VRKontakte denken. Zu der Vielfalt der Plattformen gesellen sich mittlerweile eine Vielzahl an Influencern. Es muss also nicht immer der eigene Kanal sein, auf dem eine Botschaft gespielt wird.

4. Relevanz verdrängt Reichweite – oder man kauft sich Reichweite

Das Thema Botschaften-Durchdringung hat sich weiter verschärft. Wir leben in einem Zeitalter des Information Overload: In einem Raum, in dem schon viele laut brüllen, kann es nicht zum Erfolg führen, auch laut zu brüllen. Relevanz verdrängt deshalb Reichweite, denn nur so können die Teilöffentlichkeiten erreicht werden oder es wird ausreichend in Werbebudget investiert, um die Information durchzudrücken.

5. Die messbare Kommunikation. Die bessere Kommunikation?

Wir können heute sehr viel genauer auswerten, welche Inhalte von welcher Zielgruppe zu welcher Zeit gesehen, geteilt und kommentiert werden. Diese Einblicke haben eine enorme Auswirkung auf das weitere Kommunikationsverhalten. So werden Inhalte, die zweimal nicht performen, unter Umständen nicht weiter ausgespielt.

Lesetipp: Jan Tißler hat sich in einem früheren Beitrag damit beschäftigt, wie Sie eine zukunftssichere Content-Strategie entwickeln. Sie ist das Grundgerüst allen Handelns und gibt idealerweise auch den Rahmen fürs Social Web vor.

Schritt 1: Audit – Bestandsaufnahme als Nullmessung

Alle diese Veränderungen haben für Unternehmen Auswirkungen auf die Nutzung von Social Media. Wichtig ist, dass die strategischen Rahmenbedingungen an diese Veränderungen angepasst werden – denn entweder wird an alten Mustern festgehalten oder ohne strategische Grundlage „vor sich hin“ gearbeitet. Bevor eine Anpassung der Strategie erfolgt, ist eine 360-Grad-Ist-Analyse notwendig. Ausgehend vom konkreten Kanal wird der Blick geöffnet, um am Ende ein ganzheitliches Bild zu erhalten.

Kanal- und Content-Analyse

Mithilfe gängiger Monitoring-Tools und der Kanal-Insights wird ein umfassendes Reporting auf Basis der folgenden Fragen erstellt:

  • Welche Ziele wurden in der Vergangenheit mit dem jeweiligen Kanal verfolgt?
  • Welche Zielgruppe folgt dem Kanal? Welche Zielgruppe interagiert mit dem Kanal? Welche Zielgruppe wird mit dem Content angesprochen?
  • Welche Themencluster werden auf dem Kanal ausgespielt und welches Verhalten der Fans/Follower lässt sich ableiten?
  • Wie oft wird gepostet und wie erfolgreich sind die Posts?
  • Wie werden Ads eingesetzt, mit welchen Auswirkungen?
  • Welche Kampagnen finden statt?
  • Mit welchem Erfolg wird der Kanal geführt?

Diese Analyse erfolgt vor dem Hintergrund, dass sich die Kanäle an sich verändert haben. Das ist aber erschreckenderweise nicht allen bewusst. Vor allem den Entscheidern nicht. Bis heute wird großen Fan- und Followerzahlen hinterhergejagt, in dem irrigen Glauben, die würden mehr oder weniger alle unsere Updates, Tweets und Fotos sehen.

Fakt ist aus unserer Sicht: Ohne eine vernünftige Ad-Strategie bekommt man selbst für gut gemachten Content nur ein paar Hände voll Likes und Views.

Analyse der Kanäle im Kommunikations- & Marketing-Mix

Abgesehen von den Kanälen selbst, ist deren Rolle im gesamten Kommunikations- bzw. Marketing-Mix eines Unternehmens zu analysieren. Dahinter stehen Fragen wie:

  • Ganz grundlegend: Wo sind die Kanäle aufgehängt? In der Kommunikation? Im Marketing?
  • Welche anderen Kanäle werden zur Ansprache der Zielgruppe genutzt?
  • Welche Themen werden auf diesen Kanälen in welcher Frequenz gespielt?
  • Sollen sich die Kanäle verstärken oder ergänzen?

Eine Verortung der Social-Media-Kanäle auf diese Weise kann Augen öffnen. Bei allen Kanälen, bei allen Botschaften bringt nur eine integrierte Kommunikations- und Marketing-Strategie nachhaltigen Erfolg.

Gespräche mit den Social-Media-Verantwortlichen

Eher qualitativer denn quantitativer Natur sind die Gespräche mit den Social-Media-Verantwortlichen und – bei Bedarf – weiteren Personen aus Unternehmenskommunikation und Marketing. Denn nicht selten erfährt man in diesen Gesprächen „zwischen den Zeilen“, warum manches so und anderes so ist: Wenn beispielsweise lange Zeit über Gewinnspiele auf Fanwachstum gesetzt wurde, dann ist das eine Erklärung für viele inaktiven Fans. Wo Kanäle von Praktikanten oder Freelancern betreut werden, ändert sich die Qualität im Dreimonatsrhythmus.

Analyse von Markt und Wettbewerb

Teil einer umfassenden Bestandsaufnahme ist auch die Analyse des Marktes und der Wettbewerber. Welche Ziele verfolgen die Unternehmen mit ihren Social-Media-Kanälen, welche Posts werden geteilt und welche Zielgruppe angesprochen? Gibt es Player, mit denen Sie zwar nicht im Wettbewerb stehen, die aber die gleichen Themen besetzen wie Sie? Lohnt es sich, da einen Content-Wettstreit zu beginnen? Wir sagen: Nur wenn Sie sicher sind, dass Sie es zwei Klassen besser machen können.

Vorstellung der Ergebnisse und Diskussion

Die Ergebnisse des Audits werden vorgestellt. Im großen Kreis ist es wichtig, noch einmal darauf hinzuweisen, auf welchem Feld Sie sich bewegen: Wie attraktiv und aufmerksamkeitsstark sind die Inhalte im Vergleich zu dem Content, mit dem Ihre (potenziellen) Fans in sonst noch konfrontiert werden? Babyfotos, Hochzeitsbilder, Witze und Urlaubsvideos lassen nur einen Schluss zu: Hohe Relevanz ist wichtig, gute Produktion ist zweitrangig.

Die Grundsatzentscheidung

Letztlich braucht es vor allem eins: eine ordentliche, saubere, gemeinsame Entscheidung. „Wir wollen das, wir können das und wir haben die Motivation, auftauchenden Herausforderungen zeitnah zu lösen.“

Das klingt ambitioniert und nicht unbedingt einladend. Wer aber keine Lovebrand in seinem Portfolio hat – und das sind nun mal die meisten – sollte sehr gut und genau überlegen, wie und wo er die Ressourcen investiert. Ohne Strategie, klare Entscheidung und Zielvorstellungen wird das nicht gelingen.

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Schritt 2: Neujustierung – Wohin geht die Reise?

Wie bei allen Strategien geht’s bei der Ausarbeitung dann ans Eingemachte. Eine Frage, die in vielen Fällen großen Diskussionsbedarf nach sich zieht, ist die Frage nach dem Zweck. Warum machen wir das eigentlich? Eine gemeinsame Antwort auf diese Frage, erhöht das Commitment, Verständnis und die Identifikation im Team.

Danach folgt die Frage nach den Zielen und Zielgruppen: Was wollen wir erreichen? Welche Personas können uns dabei helfen, die Bedürfnisse unser Fans und Follower besser zu verstehen. Wie passt das zu unseren Themengebieten und wie bereiten wir was auf welchem Kanal auf? Welche Ressourcen setzen wir wo genau ein? Was erhoffen wir uns daraus an Ergebnissen und Output?

Das ist bisweilen aufwändig, aber wichtig mal festzuhalten. Sonst stehen Sie in sechs, zwölf oder achtzehn Monaten wieder da und fragen sich: Sind wir nun zufrieden damit oder nicht? Warum kommen wir mit unseren Kapazitäten hinten und vorn nicht hin? Um das klar zu haben, braucht es vorneweg die Fleißarbeit. Natürlich wissen wir auch: So richtig heiß ist (außer uns) da keiner darauf.

Strategy Canvas

Schritt 3: Die Strategie in drei Varianten

Auf 10 bis 20 Seiten legen Sie dann alles fest, was hilft, in der Zukunft die richtigen Entscheidungen zu treffen, sie zu begründen und zu messen. Da kann jeder alles nachlesen, will aber kaum jemand.

Viel besser ist es, das visuell darzustellen: als große Infografik, die „unseren kleinen Social-Media-Kosmos“ auf einen Blick begreifbar macht. Die hilft übrigens auch für die interne Kommunikation massiv. Da kann dann jeder sehen, was welcher Kanal erreichen soll und wen man darauf ansprechen kann. Das schafft Transparenz und damit Vertrauen, idealerweise sogar Beteiligung.

Schließlich gibt es kleine Score Cards für den Alltag. Die sind auf den Kanalmanager zugeschnitten und enthalten alles, was für den Kanal wichtig ist: von Zweck und Zielen über die Key-Influencer bis zu den High Traffic Windows. Klar kann man die in besseren Redaktionstools hinterlegen, pragmatisch laminiert als Schreibtischunterlage werden sie unserer Erfahrung nach aber noch besser gepflegt und genutzt.

Channel Score Card

Und jetzt? Kurswechsel oder weiter so?

Auf Basis einer umfassenden Analyse wurde die Strategie angepasst. Sie wissen nun, wer sich wann mit welchem Beweggrund auf Ihren Seiten tummelt. Sie wissen auch, was und wen Sie mit den Seiten erreichen wollen. Jetzt kommt es zum Showdown: Welche Inhalte passen weiterhin zur überarbeiteten Strategie? Und für welchen Content oder welche Content-Formate wird es künftig ganz eng auf der Timeline? Mit dieser einfachen Übung lassen sich zugleich die Lücken entdecken: Sprechen Sie jede Zielgruppe an, zahlen Ihre Inhalte auf die Ziele ein? Auch hierbei hilft eine einfache Matrix – vor allem bei der internen Kommunikation, warum Themen in Zukunft zum Beispiel nicht mehr auf Facebook gespielt werden können.

Content Mapping

Schlusswort

Bei aller Strategie sind zwei Dinge klar: Wir empfehlen immer, einen Teil der Ressourcen für neue Entwicklungen frei zu halten. Für viele Unternehmenskulturen ist das aber ein weiter Weg. Deshalb sollte genau beschrieben werden, was es ist: idealerweise kreatives, lernendes Ausprobieren und Rumspielen mit Zeitbudget. Natürlich halten Sie das in der Strategie fest. Und: Chancen, die Strategie aus den Augen zu verlieren, gibt es genug. Daher brauchen Kanalverantwortliche ein starkes Mandat, müssen ihre Community gut kennen und mit Analyse- und Monitoring-Tools nah dran sein. Nur dann können sie die Kampagnenplanung anderer Abteilungen sinnvoll unterstützen und sich notfalls gegen wenig strategische Vorschläge wehren.

Bei alldem unterstützt die Strategie und wenn Sie sich regelmäßig damit beschäftigen, werden Sie von selbst merken, wenn sie nicht mehr in der Lage ist, in die Zukunft zu führen, sondern nur noch die Vergangenheit beschreibt. Dann wird es Zeit für neue Entscheidungen und Mut zu harten Schritten. Wenn uns das Führen von Social-Media-Kanälen eins lehrt, dann doch dies: Die einzige Konstante im Leben ist der Wandel.

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Dieser Artikel gehört zu: UPLOAD Magazin 52

In fünf Beiträgen zeigen wir Ihnen in dieser Ausgabe auf, wie Sie Ihre Social-Media-Aktivitäten rundum verbessern. Dabei geht es um die interne Professionalisierung, die richtige Social-Media-Strategie, drei Einsatzfelder fürs Monitoring, Ratschläge für sinnvolle Guidelines sowie die geschickte Automatisierung.

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