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Plädoyer für einen Bloggerkodex

Blogger sind in der Regel keine Journalisten und werden nicht dadurch reguliert, dass sie ihre Artikel gegenüber einem Chefredakteur oder ihren Arbeitskollegen rechtfertigen müssen. Dadurch sind sie freier. Dieser Vorteil kann in einen Nachteil umschlagen, wenn Profis ihn ausnutzen. Das geschieht immer wieder, vor allem wenn Unternehmen versuchen, ihre Produkte in der Blogosphäre zu platzieren. Zuletzt fiel die Firma Microsoft auf, die Laptops samt Windows Vista an Blogger verschenken wollte. Brauchen Blogger einen Kodex? Ist es Zeit, über Ethik zu diskutieren und die Verantwortung eines jeden, der seine Meinung publiziert? Tatsächlich müsste das Rad nicht ein zweites Mal erfunden werden.

Über Ethik und Verantwortung zu schreiben klingt fürchterlich erwachsen, altklug und langweilig. Ich weiß. Aber mich persönlich ärgert es massiv, wie sehr die alten Medien bereits verroht sind. Von der journalistischen Ethik ist nicht mehr viel übrig, das Palaver von der vierten Macht im Staat ist nicht mehr als ein Hilfsmittel, um sich selbst wichtig vorzukommen.

In Wirklichkeit geht es in erster Linie um Einschaltquoten, Auflagen und Werbeeinahmen.

Natürlich gilt das nicht generell. Verallgemeinerungen sind immer falsch, ohne Ausnahme. Natürlich.

Aber leider treten gerade jene Medien die journalistische Ethik mit Füßen, die besonders viele Menschen erreichen. Reichweitenstarke Fernsehsender und Boulevardzeitungen sind hier zwei Beispiele.

Diese Journalisten verstoßen wider besseres Wissen gegen ihre Grundsätze. Mir scheint es nicht selten, als seien sie ihnen schlichtweg egal. Ein schlechtes Gewissen kann sich heute keiner leisten. Frei nach dem Motto: Zeige nicht ich die sensationellsten Bilder, macht es mein Konkurrent und dann hat der die Zuschauer und Leser und damit die höheren Werbeeinahmen.

Das ist nichts, was sich Blogger zum Vorbild nehmen sollten. Im Gegenteil. Vielleicht sind ja gerade die Blogs mit ihren leidenschaftlichen Schreibern eine Chance. Blogger machen ein Blog, weil sie Lust drauf haben, nicht um damit ihren Lebensunterhalt zu sichern – jedenfalls noch nicht.

In einer Diskussion bei Don Alphonso schrieb Strappato:

Was fehlt: Eine Art Netzwerk von bloggern, die sich einem ethischen Kodex im Umgang mit Unternehmen und Interessensvertretern verpflichten, der gerne sehr regide sein kann, und dies auf ihrem blog kenntlich machen. Wenn nicht bald eine Gegenbewegung auf den Plan tritt, wird das bloggen vollkommen diskreditiert. Oder sollen blogger wie Journalisten enden?

Die gute Nachricht: Einen solchen Kodex gibt es bereits – den Pressekodex.

In diesem übersichtlichen Werk sind die wichtigsten Verhaltensregeln kurz und knapp festgehalten. Es ist kein ellenlanges, schwer verständliches Pamphlet. Es sind 16 Punkte, mehr nicht.

Wer sie liest, wird sich zum Teil wundern. Ja, eigentlich müssten auch die „Bild“ oder „Explosiv“ und wie sie alle heißen danach handeln. Selbst angebliche Bastionen des Qualitätsjournalismus wie der Spiegel dürften bisweilen Schwierigkeiten mit dem Pressekodex bekommen.

Ich halte ihn für aktueller denn je. Und ich glaube persönlich, dass es wichtig ist, sich an ihn zu halten. Viele Menschen vertrauen dem, was sie in Medien sehen, hören und lesen. Zunehmend gehören zu diesen Medien auch Blogs.

Ist es nicht Zeit, sich selbst einige Regeln aufzustellen? Ich meine: Ja, auf jeden Fall.

Wer sich mit den Aussagen und Zielen des Pressekodex ebenfalls anfreunden kann, kann dies auf einfache Weise sichtbar machen. Ein Hinweis auf der Seite genügt. Ich habe mich spontan für die Formulierung „Dieses Weblog beachtet den Pressekodex“ entschieden. Wer mag, kann ja den obligatorischen Blogbutton dazu basteln.

Damit wären Weblogs aus meiner Sicht vielen alten Medien ein gute Stück voraus. Denn welche Zeitung und welches Magazin, welche Sendung, welcher Journalist bekennt sich schon öffentlich zum Pressekodex? Und wer hält sich schon noch an ihn, wenn ein Verstoß mit viel Geld oder viel Aufmerksamkeit belohnt wird?

Nachtrag: Eine Interpretation des Pressekodex‘ für Blogger

A N Z E I G E

BMA - Business Management Akademie

 

9 Gedanken zu „Plädoyer für einen Bloggerkodex

  1. Pingback: Social Media
  2. Naja…wann ist ein Blog ein Blog? Ab einer gewissen Anordnung des Inhalts?

    Viele Foren bzw. Portale haben eine Landingpage mit Newstickern drauf, die sehr schlecht gekennzeichnete Werbung eingeblenden – es gibt auf Portalen wie web.de gmx.de usw. eine Menge Pseudo-Artikel die für Produkte (schleich-)werben. Was ist damit?

    Sollten wir nicht lieber an einem mündigen „eUser“ arbeiten, der selbst auf den Trichter kommt, wann etwas Werbung ist und weiß was ethisch verwerflich ist? Ich bin mir sicher, dass Prüfungsmechanismen nicht funktionieren werden und zu mehr Konsumentenblendung führen (siehe Pressekodex). Es wäre von großem Vorteil aus Fehlern zu lernen anstatt offenen Auges in das gleiche Messer zu rennen.

    Denn als „sauber“ gekennzeichnete Seiten werden bedenkenlos besucht und das eigene Hirn noch weniger benutzt. Vor allem sind die Konsumenten, die sich für Selbstkontrolle (siehe FSK und die unterschiedlichen Selbstkontrollen für Filme in Europa!!) interessieren die gleichen, die auch auf blendende Werbung nicht hereinfallen. Geschweige denn ethisch nicht gefestigt sind. Alle anderen machen Werbung damit (Beispiel: das beliebte „Parental Advisory: Explicit Lyrics“ auf CDs, viele Jugendliche kaufen gern CDs mit diesem Zeichen und nur wenige Eltern sehen danach – achtung, Erfahrungswert).

    Wir bräuchten einen besseren Zugang zu Behörden. Beispiel: Vor etlichen Monaten entdeckte ich (über eine Partycommunity) eine Website auf der ein 16 Jähriger seine Exfreundin diffamiert und leicht bekleidete Fotos von dem (anscheinend) gleichaltrigen Mädchen zeigt. Wo kann ich das denn melden?

    Noch muß man zu Google wechseln, Chache, Cookies und Browserverlauf löschen und den „leeren“ Platz der Festplatte überschreiben. Sonst hat man den Quatsch auf der Platte und ist damit im Besitz des Selbigen! Wenn man eine Blacklist führt, linkt man auch noch dazu – geht also auch nicht.

    Vielleicht sollte man den Menschen erlauben und helfen, selbst zu denken. Ist das keine Idee? Wie wäre es mit mehr Aufklärung über Marketingtricks bzw. -moden??

    Letztens möchte ich noch anfügen, dass ich zB diffamierende Seiten nicht besuche, das frisst Zeit, Laune und hat keinen Mehrwert. Wenn mir zuviel Werbung auf einer Seite ist, geh ich wieder, ausser die Page ist sehr informativ oder die Werbung stört nicht. Das kann aber kein Konsortium für mich feststellen. Noch ein Beispiel: Vorgestern war ich auf einer Website die von einem ethischen Netzwerk als Phishingsite deklariert wurde, was schlicht und ergreifend falsch war.

    Warum lieben Menschen es, auf andere mit dem Finger zu zeigen oder sich selbst als „rein“, besserwertig und korrekt darzustellen?

    VG, Sebastian

    Ps.: Erich Kästner schrieb „Fabian, die Geschichte eines Moralisten“, ich mag die Figur, vor allem das Ende. Fabian ertrinkt, weil er ein Mädchen aus einem Fluß retten will – er hat vergessen, dass er nicht schwimmen kann (das Mädchen schon) ;)

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