Blogpatenschaften: "Brücken zwischen Online- und Offline-Aktivisten schlagen"

Die Seite Blogpatenschaften.de möchte Online-Profis motivieren, sozial engagierten Menschen zu helfen. Es geht darum, sein Blog für Gastautoren zu öffnen, bei der Einrichtung eines Blogs zu helfen oder auch längerfristig Pate eines Projekts zu werden. Wie die Idee enstand, was genau dahintersteckt und wie die ersten Reaktionen waren, habe ich Ina Müller-Schmoß von Blogpatenschaften.de gefragt. Hier ihre Antworten.

Screenshot Blogpatenschaften.de

Was ist die Grundidee der Blogpatenschaften?

Blogpatenschaften.de ist ein Projekt zur Förderung des sozialen Engagements von Bloggern und der Versuch, Menschen aus den unterschiedlichsten Lebensbereichen in die aktive Online-Kommunikationsgemeinschaft einzubeziehen. Ziel des Projektes ist somit, Brücken zwischen Online- und Offline-Aktivisten zu schlagen.

Dazu haben wir uns Fragen gestellt, wie: Kann man nicht im Internet die vielen Einzelaktivitäten von engagierten Menschen z.B. in gemeinnützigen Vereinen, NGOs oder Selbsthilfegruppen besser sichtbar machen und organisationsübergreifend bündeln? Welche Synergieeffekte werden geweckt, wenn all diese dezentralen Aktivitäten voneinander erfahren, Prozesse und Strukturen, die bisher als Insellösungen existierten, sich gegenseitig ergänzen?

Vernetzen, Publizieren und Recherchieren war noch nie so einfach wie heute. Jeder kann im Internet schreiben, ohne selbst ein Blogger, Wikipedianer oder Programmierer zu sein. Erste Diskussionen in Blogs haben gezeigt, dass es viele engagierte Blogger gibt, die sich vorstellen könnten, gezielt soziale Projekte und Ideen zu unterstützen, indem sie Web-Wissen weitergeben, Gastbloggen ermöglichen oder eine Patenschaft über eine Idee oder ein Projekt übernehmen.

Es kommt also nur darauf an, die engagierten Offliner mit den engagierten Onlinern in Kontakt zu bringen.

Wie kam es zu dieser Idee? Gab es besondere Begegnungen, Erlebnisse oder Erkenntnisse, die dazu geführt haben?

Ausschlaggebend für diese Idee waren verschiedene Faktoren. Einmal die zunehmende Begeisterung über die demokratischen Möglichkeiten dialogorientierter Web-Technologien. Zum anderen die Erkenntnis, dass viele Menschen etwas zu sagen hätten, aber gar nicht wissen, dass ihnen das Internet bei der Verbreitung ihrer Ideen behilflich sein könnte. Dann gibt es eine digitale Kluft, die es verhindert oder zumindest erschwert, dass sozial benachteiligte Menschen einen Zugang zum Internet bekommen, Web-Kompetenzen überhaupt erst erwerben können und so von diesem Medium profitieren.

Hauptimpuls für die Umsetzung waren letztlich die vielen Ermutigungen und interessanten Kontakte, die sich beim Besuch der re:publica 2008 und dem SocialCamp ergaben.

Warum engagiert ihr Euch dafür? Was ist Euer Antrieb?

Wir sehen in der Nutzung des Internets mit seinen Vernetzungs-, Koordinations- und Kommunikationsmöglichkeiten eine riesige Chance dafür, ein unterstützendes Umfeld zu schaffen, in dem engagierte Blogger(innen) und Netizen mit zivilgesellschaftlichen Initiativen zusammentreffen und gemeinsam ihre Ideen voranbringen können. Erste Beispiele zeigen, dass solche Kooperationen funktionieren und für beide Seiten eine Bereicherung darstellen.

Was ist bisher daraus entstanden?

Eines funktioniert ganz hervorragend: Es kommt zu wirklich spannenden und nachhaltigen Begegnungen von Menschen und Projekten, auch über räumliche Distanzen hinweg und aus den unterschiedlichsten Lebensbereichen. Begegnungen, die ohne eine Vernetzung übers Internet nicht zustande gekommen wären, weil man einfach nicht voneinander erfahren hätte. Das Internet vereinfacht den Blick über den eigenen Tellerrand enorm. Wenn es gelingt, die sozial engagierten Kräfte mit Hilfe des Internets besser sichtbar zu machen, wird auch die Erfolgsquote für wirklich nachhaltige und wichtige Kontakte deutlich zunehmen.

Ein zweiter wichtiger Punkt besteht darin: Sobald interessierte Projekte zu uns oder auch zueinander finden, setzen sie sich automatisch auch mit den Themen Bloggen, Vernetzen, Communities, Wikipedia, Identitäten im Web, Datenschutz, Mikroblogging und vielem mehr auseinander. Dabei entsteht ganz automatisch auch immer ein Wissensaustausch.

Hinzu kommt: Die Idee der Blogpatenschaften ist simpel. Jeder kann mitmachen, interessierte Offliner benötigen weder Programmierkenntnisse noch ein eigenes Blog. Engagierte Onliner erfahren u.a. über unseren Twitter-Account sowie unser Blog von interessanten Projekten. Offliner können über die Liste der Blogpaten in Kontakt kommen. Jeder bestimmt dabei selbst, in welchem Umfang er sich einbringen will. Wichtig ist: es gibt keine Bindung an irgendeine Community; auch derjenige, der uns einfach nur einen Brief schreibt, kann in die Vernetzung mit einbezogen werden.

Wie wurde Eure Idee angenommen?

Es gab am Anfang natürlich besonders viel Ermutigung und Zuspruch seitens engagierter Bloggerinnen und Blogger. Klar, ich hatte ja auch im Internet und auf Veranstaltungen wie der re:publica oder dem SocialCamp vorrangig mit webaffinen Teilnehmer(innen) gesprochen. Inzwischen gibt es bereits erste Anfragen von zivilgesellschaftlichen Organisationen, neu gegründeten Projekten, sowie private Anfragen, z.B. von Mitgliedern in Selbsthilfegruppen, die von uns gehört haben. Dabei gibt es die unterschiedlichsten Anliegen: Welche Blogsoftware ist für mich geeignet, was ist eigentlich Twitter oder wie organisiere ich eine Spendenaktion mit Hilfe des Internets und wo gibt es ein passendes Blog, in dem ich einen Gastartikel veröffentlichen oder einfach mal das Bloggen ausprobieren kann? Viele Fragen können bereits am Telefon beantwortet werden, bei manchen ist ein Treffen vor Ort sinnvoll.

Welche Besonderheiten sind zu beachten?

Auf eine Besonderheit, auf die wir im Gespräch mit Menschen aus Selbsthilfegruppen gestoßen sind, möchte ich unbedingt hinweisen. Für diesen Personenkreis gibt es eine zusätzliche wichtige Anforderung an Foren und Communities, die oft nicht bedacht wird. Es muss unbedingt auch möglich sein, neben dem öffentlichen Profil, welches für Transparenz in Communities und Foren sorgt, zu bestimmten Themen auch anonym Beiträge schreiben zu können.

Man bedenke: Nicht jeder kann und will sich z.B. über eine chronische Erkrankung und evtl. damit einhergehende existentielle Sorgen unter seinem realen Namen im Internet äußern, um dann bis in alle Ewigkeit in diesem Zusammenhang gegoogelt werden zu können.

Es ist sehr wichtig, auch diesen Personenkreis mit seinen spezifischen Themen nicht aus der aktiven Online-Kommunikation auszuschließen. Einige Plattformen unterstützen das, indem sie das Erstellen eines zweiten anonymen Profils mit Nickname ermöglichen, wodurch dann bei jedem Posting die Wahlmöglichkeit besteht, einen Beitrag unter dem realen Namen mit Link zum Profil oder unter dem Nickname ohne Link zum Profil zu veröffentlichen. Ein privates oder anonymes Zweitprofil kann generell von Vorteil sein, z.B. dann, wenn man bei reinen Freizeitthemen in Diskussionen mal seine Businessdaten „außen vor“ lassen möchte.

Wie ich gesehen habe, gibt es auch noch Blogpolis. Was ist das wiederum?

Die Idee der Blogpatenschaften hat mit dem Projekt Blogpolis einen interessanten Kooperationspartner gefunden. Sowohl die Blogpaten-Idee als auch das Blogpolis-Projekt setzen auf dezentrale E-Demokratie. Blogpolis möchte Blogaktionen unterstützen und dabei den Aufwand der Initiatoren reduzieren, die Vernetzung der Blogs untereinander verbessern und die Übersichtlichkeit für die Leser(innen) erhöhen.

Wie kann ich mitmachen?

Zunächst einmal ist jeder, der Anknüpfungspunkte sieht, herzlich eingeladen, diese Idee zu unterstützen oder sich aktiv daran zu beteiligen. Die Möglichkeiten, wie man mitmachen kann, sind vielfältig. Man kann z.B. als Fürsprecher darüber berichten (wie das hier ja gerade passiert. Vielen Dank für die Möglichkeit dazu!) und damit die Verbreitung der Idee unterstützen. Um Projekte jenseits des Internets zu erreichen, kann man die Liste der Blogpaten ausdrucken und an interessierte Offline-Aktivisten verteilen.

Über die Liste der Blogpat(innen) können engagierten Offline-Aktivisten und Neugierige mit engagierten Bloggern und Bloggerinnen gezielt in Kontakt kommen. Diese Liste enthält die Kontaktdaten der Blogpaten, sowie Art und Umfang der angebotenen Unterstützung.

Wer als Onliner mitmachen möchte, kann über ein kurzes Formular mit uns in Kontakt kommen. Dort macht man dann Angaben zu seinem Blog, seinem Netzwerk oder seiner Website und teilt uns kurz etwas über die Art und den geplanten Umfang der Unterstützung mit.

Bloggern und engagierten Offlinern steht außerdem unsere Community zur Verfügung, über die man mit anderen Interessierten in Kontakt kommen kann oder einfach nur mal schauen kann, wer wir sind und was wir machen.

Wer Lust auf Real-Life-Treffen mit engagierten Onlinern und Offlinern hat, kann sich seit kurzem auch zu aktuellen Terminen und Ergebnissen der jeweiligen Vor-Ort-Treffen im Wiki Socialbar.de informieren.

Weiterhin gibt es eine Blogaktion mit dem Titel: „Blogger unterstützen soziale Projekte und Offliner„. Darin fragen wir: Wo gibt es Blogger, die jene, die noch nicht “drin” sind, dabei unterstützen, an dieser Vernetzung teilzuhaben? Wo nutzt man bereits das Internet, um auf konkrete Aktionen aufmerksam zu machen und sich zu vernetzen? Bereits existierende Ideen wollen wir schon in der Startphase ermutigen und ihnen dabei helfen, gesehen zu werden. Die Blogaktion läuft noch bis zum Jahresende. So können auch Projekte teilnehmen, die eine längere Vorlaufzeit benötigen.

Die Idee der Blogpatenschaften will zeigen, dass auch kleine Handlungen einzelner sehr effektiv sein können, wenn man sie gut vernetzt.

A N Z E I G E

BMA - Business Management Akademie

 

10 Gedanken zu „Blogpatenschaften: "Brücken zwischen Online- und Offline-Aktivisten schlagen"

  1. Pingback: hype.yeebase.com
  2. Man wird sehen, was aus der Idee Blogpatenschaften wird. Eigentlich super Idee. Nur, wer sich das Internet nicht selber aneignen kann, kann der dann ein Projekt entwickeln oder irgendeinen Artikel schreiben? Geht das nicht an der Zielgruppe vorbei? Wörter wie ‚Vernetzen, Publizieren und Recherchieren’kann doch nicht jemand verstehen, der bisher offline war. Meine Befürchtung ist, einen staatlich geförderten Sozialverein mit irgendwelchen Alibiprojekten ins Netz bringen zu müssen damit die ihre Telefonnummer auf dem Bildschirm sehen. Die verstehen womöglich unter Vernetzung ‚ISDN und Faxen können.’Keine Ahnung… Habe mich aber mal angeboten.

  3. Hallo Martin4444,
    Du schreibst:
    „Nur, wer sich das Internet nicht selber aneignen kann, kann der dann ein Projekt entwickeln oder irgendeinen Artikel schreiben?“

    Diese Bedenken in Zusammenhang mit der Idee der Blogpatenschaften verstehe ich nicht ganz. Ich denke, wer sich den Umgang mit dem Internet, speziell das Bloggen nicht selbst aneignen kann, dem kann sehr wohl ganz einfach von einem erfahrenen Blogger oder Netizen geholfen werden. So was passiert seit Anbeginn im Web, dass z.B. in Foren ein Wissensaustausch zu bestimmten Themen stattfindet. Die Idee der Blogpatenschaften, möchte darüber hinaus auch die INTERESSIERTEN Offliner ansprechen, also z.B. jene, die neugierig sind und mehr über das alles erfahren möchten. Offliner, auch wenn sie interessiert sind, findet man aber seltener im Internet. Sie nutzen es nicht so intensiv, wie viele Blogger, können aber über die Liste der Blogpaten genau mit jenen Bloggern und Bloggerinnen in Kontakt kommen, die hier konkret eine Unterstützung anbieten.

    Noch mal zurück zu Deinen Bedenken: 1.) Wer sich den Umgang mit dem Internet nicht selber aneignen kann und dies aber möchte, kann durchaus schnelle Hilfe finden. Da muss gar kein Projektgedanke mit im Spiel sein. Jemand möchte wissen, wie Bloggen funktioniert und ein anderer zeigt es ihm. Fertig. Das funktioniert.

    2.) Ein anderer Fall. Wer einen Artikel veröffentlichen will, der muss eben NICHT unbedingt auch das technische Drumherum beherrschen, um dies zu tun. Wer einen Gastbeitrag schreiben möchte, kann in der Liste der Blogpaten schauen, ob es dort ein thematisch passendes Blog gibt oder eine Blogpatin oder einen Blogpaten, den man interessant findet. Alles weitere, bespricht man dann mit „seinem“ Blogpaten. Der Inhaber des Blogs entscheidet selbst, ob ein bestimmter Gastbeitrag für ihn infrage kommt oder nicht. Beide entscheiden selbst, in welchem Umfang man sich hier einbringen mag. Das funktioniert auch.

    3.) Wer von einem interessanten sozialen Projekt erfährt, kann natürlich auch die Kraft seines Blogs dazu nutzen, dieses Projekt oder diese Idee weiter zu verbreiten. Auch das funktioniert. Der umgekehrt Weg dagegen scheint noch selten beschritten zu werden, nämlich, dass zivilgesellschaftlich engagierte Gruppen auf engagierte Blogger zugehen und von deren Vernetzungspotential profitieren.

    Zwischen den genannten Beispielen: Web-Wissen vermitteln, Gastbloggen ermöglichen und ein Projekt bloggend begleiten gibt es natürlich unendlich viele weitere Mischformen. Z.B. jemand der einem anderen Web-Wissen vermittelt, ist selbst Initiator eines interessanten Projektes über das wiederum ein anderer berichtet. Es treffen sich somit über die Idee der Blogpatenschaften engagierte Leute, die wiederum übereinander twittern, bloggen und miteinander ins Gespräch kommen – online und offline. Das mit dem Brückenschlag zwischen Onlinern und Offlinern das funktioniert, zumindest, wie ich das in dem bisher noch kleinen Rahmen von Blogpatenschaften.de beobachten kann.

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