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Kolumne: Silicon Valley vs „Silicon Valley“ vs Realität

In seiner „ENTER“-Kolumne schreibt Jan Tißler in jeder Ausgabe des UPLOAD Magazins über das Titelthema – oder auch nicht. Diesmal geht es um „disruptive“ Startups und ihre angebliche Mission, die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Außerdem: Einhörner.

Gavin Belson, CEO der Google-Persiflage Hooli. (Foto: HBO)
Gavin Belson, CEO der Google-Persiflage Hooli. (Foto: HBO)

„Ich will nicht in einer Welt leben, in der jemand die Welt besser verbessert als wir“, sagt Gavin Belson in der zweiten Staffel der Satire-Serie „Silicon Valley“. Er ist CEO von Hooli, einer Persiflage von Google. Er kämpft mit allen Mitteln – fair und unfair – gegen das Startup „Pied Piper“ und dessen überlegenen Komprimierungs-Algorithmus.

Das echte Silicon Valley ist an Absurdität bisweilen schwer zu übertreffen.

Die zweite Staffel der Serie kann ich nebenbei bemerkt rundum empfehlen. Die Macher haben in Sachen Humor noch einmal eine Schippe draufgelegt. Da ich als Tech-Journalist in San Francisco lebe, bekomme ich natürlich mit, wie es im realen Silicon Valley zugeht. Und ich teile eine Kritik an der Serie, die ich hier und da gelesen habe: Sie ist für eine Satire viel zu dicht dran an der Wirklichkeit. Wie es hier zugeht, ist allerdings bisweilen derartig absurd, dass man es kaum noch übertreffen kann. Mit anderen Worten: Ein gutes Beispiel für Realsatire.

So wird hier der Spruch ganz selbstverständlich verbreitet, man wolle die Welt verbessern („make the world a better place“). Gelingen soll das mit Tech, vor allem mit Apps. Und die lösen dann so dringende Probleme, wie Wäsche in den Waschsalon zu bringen, das Essen vom Restaurant um die Ecke nach Hause zu liefern oder mit dem Hund Gassi zu gehen. Man kann auch sein „medizinisches Marihuana“ innerhalb von 15 Minuten bekommen – ein Fingertap genügt. In einem Artikel in der Vanity Fair mit Mark Zuckerberg auf dem Titel hieß es neulich so schön: „Silicon Valleys Ideen kreisen vor allem um eine Frage: Was macht meine Mutter nicht mehr für mich?“ Für jede Banalität gibt es eine App (oder fünf) und immer mehr Risikokapital.

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Silicon Valleys Ideen kreisen vor allem um eine Frage: Was macht meine Mutter nicht mehr für mich?

Entsprechend wimmelt es inzwischen von „Einhörnern“. Der 2013 populär gewordenen Begriff bezeichnete die damals seltene Spezies der Startups, die mit mehr als 1 Milliarde US-Dollar bewertet sind. Im Januar 2015 zählte das Magazin Fortune bereits 80 dieser „Unicorns“. Und da so manches die 1 Milliarde lange hinter sich gelassen hat, brauchte es einen neuen Begriff: „Decacorn“ nennt man sie nun, wenn sie jenseits von 10 Milliarden US-Dollar liegen. Airbnb und Uber gehören beispielsweise dazu.

Diese Startups präsentieren sich nach außen nicht nur gern als Weltverbesserer, sondern auch als Genies, die mit überlegener Technik ihre Märkte durcheinanderwirbeln. „Disruptiv“ ist das Stichwort. Auf den ersten Blick mag das sogar stimmen und bewundernswert sein. Uber hat Taxiunternehmen in der Tat gezeigt, wie man heutzutage mit einer Mobile-App ein neues Nutzungserlebnis schaffen kann. Airbnb hat wiederum neu definiert, wie sich überall auf der Welt Zimmer, Wohnungen und Häuser vorübergehend vermieten lassen. Auf den zweiten Blick aber ist das Kunststück weniger beeindruckend: Dank schier endlosem Risikokapital können diese Startups über lange Zeit millionenschwere Verluste einfahren und ihre Konkurrenten unterbieten. Zugleich kämpfen sie mit allen Mitteln dagegen, die gleichen Vorschriften, Regulierungen und Gesetze beachten zu müssen wie andere Unternehmen im selben Bereich. Und nicht zuletzt bauen Startups wie Airbnb und Uber auf die ökonomische Not der Menschen. Was gern als „Sharing Economy“ bezeichnet wird, ist in vielen Fällen nichts anderes als ein hocheffizientes Modell für Niedriglohnarbeit und Nebenjobs. Aber das klingt natürlich nicht so heroisch.

Nach und nach werden die Startups mit der unbequemen Realität konfrontiert.

Nach und nach werden die Silicon-Valley-Startups nun mit der unbequemen Realität konfrontiert. Airbnb beispielsweise ist ein Grund für die explodierenden Mieten in San Francisco, weil Wohnraum darüber im großen Stil zweckentfremdet wird. Inzwischen zahlen sie immerhin Hotelsteuern. Aber gegen eine generelle Regulierung wehren sie sich mit Händen und Füßen – und viel Geld. Aber auch andere Städte nehmen der Plattform nicht mehr ab, dass es nur um Vermietungen von privat zu privat gehe – zumal es inzwischen Airbnb-Management-Services wie „Pillow“ gibt. Uber wiederum sieht sich Fragen ausgesetzt, ob seine Fahrer tatsächlich freie Unternehmer sind oder nicht vielleicht doch eher Angestellte.

Da können einem diese Einhörner doch schon fast leid tun! Alles sehr unbequem und unpraktisch, wenn man auf Druck der Kapitalgeber zugleich so schnell wie nur irgend möglich wachsen will. Äh, ich meine: Wenn man die Welt so schnell wie nur möglich verbessern will – und natürlich viel besser als die Konkurrenz.


Dieser Artikel gehört zu: UPLOAD Magazin 28

Diese Ausgabe liefert wichtige Einblicke und nützliche Tipps und Tricks rund um IT-Sicherheit. Die Beiträge analysieren die aktuelle Lage für Unternehmen, helfen bei der verschlüsselten Kommunikation, geben Hinweise für Mobilgeräte und WLAN und gehen nicht zuletzt auf die „Sicherheitslücke Mensch“ ein.

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1 Gedanke zu „Kolumne: Silicon Valley vs „Silicon Valley“ vs Realität

  1. Tut mir leid das sagen zu müssen, denn ich mag das Upload-Magazin, aber: Auch klassischen Medien und Unternehmer werden sich der unbequemen Realität stellen müssen.

Kommentare sind geschlossen.