Focus Campus: Weckruf für PDF-Magazine?

„Lass Dich nicht wecken“ steht groß auf der Titelseite des aktuellen Focus Campus. Ist das etwa ein Seitenhieb der Redaktion auf ihre Kollegen in anderen Verlagen? Burda wagt mit seiner neuen wöchentlichen Studentenzeitschrift immerhin ein Experiment auf einem Markt, den es noch gar nicht gibt: PDF-Magazine. Focus Campus erscheint ausschließlich digital und fürs Lesen am Computer optimiert. Mit einem Klick geht es vom Inhaltsverzeichnis zum Artikel und wieder zurück, ins Internet sowieso. Geblättert wird ebenfalls per Klick oder mit den Pfeiltasten auf der Tastatur. Drumherum entsteht die praktisch unvermeidliche Community. Ein kritischer Blick auf Deutschlands erstes PDF-Magazin aus einem Großverlag.

Titelbild der Ausgabe Nummer 6 der neuen Studentenzeitschrift im Format PDF Focus Campus
Mit dem großen Namen soll die kleine Zeitschrift punkten. Derzeit sind knapp 10.000 Nutzer auf der Seite registriert, wie viele davon aktiv sind, ist nicht erkennbar. Aber auch so ist zu sehen: Das neueste Projekt mit dem Namen Focus ist noch ganz am Anfang. Das sei praktisch eine „Garagenfirma“, erklärte mir Focus-Chefredakteur Uli Baur während eines Interviews.

Eine Ironie der Geschichte ist, dass Focus Campus heute wahrscheinlich gedruckt am Kiosk läge, wäre das Vorbild Trüffeljäger nicht eingegangen. Dieses Magazin für Medien und Werbung hatte vor gut einem Jahr erstmals einem breiten Publikum gezeigt, was mit PDFs möglich ist. Die Zeitschrift war konsequent aufs Lesen am Bildschirm ausgerichtet, also im Querformat und mit großer Schrift sowie zahlreichen Verlinkungen für die Navigation im Heft.

Arme Pioniere: viel Arbeit, wenig Lohn

Chefredakteur Loan Brossmer und seine Mannschaft ernteten damals viel Lob und Anerkennung, aber viel zu wenig Geld. Anzeigen blieben aus, das Premium-Abo des Magazins wurde zu wenig genutzt. Letztlich musste der mit sehr viel Elan und hohem Anspruch gestartete Trüffeljäger aufgeben und wurde eingestellt. Zuvor hatte es noch diverse Experimente mit dem Umfang und der Erscheinungsweise gegeben. Geholfen hat das alles nicht mehr.

Die Idee eines solchen Magazins war damit nicht gescheitert, wohl aber die Umsetzung. Eine alte deutsche Volksweisheit hat es schon lange gewusst: ohne Moos nix los.

Mit Anzeigen sieht es bei Focus Campus derzeit auch mau aus. Uli Baur meinte mir gegenüber zwar, das sei durchaus so beabsichtigt, gab aber auch zu, dass die werbetreibende Wirtschaft das Projekt zwar innovativ findet, aber noch abwartet.

Studentencommunity light

Optisch und inhaltlich ist Focus Campus als Mitglied der Focus-Familie sofort zu erkennen. Kurze, knackige Texte, zuätzliche Infos in Kästen, eine schnelle Schreibe, Themen mit Nutzwert und direktem Bezug zum eigenen Leben und Erleben – das und anderes hat das Nachrichtenmagazin Focus trotz aller Unkenrufe zu Beginn zum Erfolg geführt.

Die Website zum Produkt ist professionell gemacht, aber derzeit noch arm an zusätzlichen Funktionen. Die Leser melden sich an und können sich selbst in Wort und Bild präsentieren. Vielleicht sollte Burda noch fix eine Studentencommunity aufkaufen – war StudiVZ nicht gerade im Angebot? Dann jedenfalls würde das Konzept gleich noch stimmiger. Ein PDF-Magazin allein ist nicht trendy genug, um ein Zugpferd zu sein.

Die ungewollte Unsichtbarkeit

Ein PDF-Magazin hat mindestens einen gravierenden Nachteil: Es ist in vielfacher Hinsicht unsichtbar. Am Kiosk ist es nirgends zu finden, weil es nun einmal nur digital erscheint. Im Internet ist es kaum zu finden, weil die Inhalte zum Beispiel für Suchmaschinen nicht erreichbar sind, solange sich der Nutzer zum Herunterladen anmelden muss.

Bleibt also nur Mundpropaganda. Und hier muss die Mannschaft von Focus Campus wirklich einiges leisten – vor allem Pionierarbeit. Es gibt praktisch keine Erfahrungen mit PDF-Magazinen, keine bereits erprobten Konzepte. Manches funktioniert wie bei einem Printmagazin, anderes ist nur mit „Online-Denke“ und dem Wissen um Weblogs und Podcasts und solche Phänomene wie den Video-Boom zu schaffen.

Ergänzend stehen 1,5 Millionen Euro für die Werbung zur Verfügung. Das klingt für manchen viel, ist aber schnell aufgebraucht, wenn ein Großverlag wie Burda in die Vollen geht. Ob sich die 1,9 Millionen Studenten in Deutschland begeistern lassen, wird man sehen.

Ich wäre allerdings auch nicht überrascht, wenn eine Gruppe Studenten die Idee aufnimmt, ein eigenes Magazin produziert und den Burda-Verlag überrundet. Möglich wäre es. Und das finde ich daran so ungeheuer spannend.

P.S.: Der Titel „Lass Dich nicht wecken“ ist (wahrscheinlich…) kein Seitenhieb. Die Geschichte dreht sich um Langschläfer – oder wie es politisch korrekt heißen müsste: Spätaufsteher. Aber was PDF-Magazine angeht, gehört Burda jedenfalls zu den Frühaufstehern. Vielleicht sogar zu den Zu-Früh-Aufstehern?