Gutes Customer Experience Design beginnt bei den eigenen Mitarbeitern

Bei der Customer Experience steht nicht nur der Kunde im Mittelpunkt. Denn um überhaupt die notwendigen neuen Erlebnisse umsetzen zu können, brauchen Unternehmen oftmals eine neue Denke und damit einen internen, organisatorischen Wandel. Robert Weller erklärt in seinem Beitrag, welche wichtige Rolle das Design hierbei spielt und wie das wiederum zu einem Change-Prozess führt.

(Illustration: © artinspiring, fotolia.com)

Einführung

„Rückt den Kunden in den Mittelpunkt!“ – diese Forderung verbreitet sich momentan wie ein Lauffeuer vor allem durch die Marketinglandschaft, aber auch darüber hinaus. „Customer Experience“ (CX) ist neben „Customer Centricity“ das neue Buzzword der Branche und immer mehr (Marketing-)Verantwortliche stellen dieses Ziel über alles andere. Aber hat wirklich jeder begriffen, was das eigentlich impliziert und welche Konsequenzen damit einhergehen? 

„Die Qualität und Güte des Kundenerlebnisses spiegelt das Ökosystem innerhalb des Unternehmens wider“, sagt zum Beispiel Paddy Whiteway, Client Service Director bei Engine Service Design. Die Customer Experience ist also kein Komplementärprodukt sondern stellt den Kern einer, ich möchte fast schon sagen modernen Unternehmenskultur und -struktur dar. Denn das, was der Kunde erlebt, ist genau genommen ein Service, den ein jeder Mitarbeiter im Unternehmen aktiv mitgestalten oder zumindest durch eine bestimmte Haltung unbewusst beeinflussen kann. Diese inhärente Dualität nicht zu verstehen und entsprechend zu handeln ist vielleicht der größte Fehler, den Unternehmen beim Customer Experience Design machen können.

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Die Rolle des Design in der Customer Experience

Adobe hat Ende 2016 eine These des namhaften Designers John Maeda zum Anlass genommen, eine eigene aufzustellen und diese durch Forrester Consulting hinterfragen zu lassen. Maeda sagte, dass es bei Design nicht nur um Schönheit geht, sondern um Marktrelevanz und greifbare Ergebnisse. Adobe folgerte, dass die Einbettung von Design-Methoden in die digitale CX-Strategie mit einem konkreten und messbaren Geschäftsvorteil einhergehen sollte. Insbesondere Design Thinking wurde hier genannt.

Lesetipp: Jens Jacobsen gibt Ihnen in seinem UPLOAD-Artikel eine ganz praktische Einführung in die Design-Thinking-Methode. Darüber können Sie Ideen für neue und verbesserte Produkte entwickeln, die von tatsächlichen Kundenbedürfnissen ausgehen. Der Prozess führt sie von einer ersten These hin zu Prototypen und schließlich einer Lösung.

Die Forrester-Untersuchung hat schließlich tatsächlich ergeben, dass Unternehmen greifbare Geschäftsvorteile erzielen, wenn sie Design Thinking in ihrer digitalen CX-Strategie berücksichtigen. Dafür sind laut Studie bestimmte Verhaltensweisen maßgeblich verantwortlich:

  1. Design-orientierte Unternehmen setzen den Kunden bewusst an die erste Stelle, um eine emotionale Bindung aufzubauen. Sie bemühen sich aber gleichermaßen um ein „solides Marken-Management und eine starke Markenkonsistenz über Touchpoints hinweg“.
  2. Design-orientierte Unternehmen wissen, dass „Forschung und die Fähigkeit, den Kunden wirklich zu verstehen, wichtig sind“. Sie nutzen entsprechende Tools, um Ideen an Kunden zu erproben und bemühen sich um die Weitergabe von Erkenntnissen zur Ausarbeitung der allgemeinen Strategie und ihrer Umsetzung. 
  3. Design-orientierte Unternehmen erkennen, dass Altsysteme und -prozesse sowie eine fragmentierte Technologie-Landschaft die Optimierung der Customer Experience behindern. Sie priorisieren die Überwindung derartiger Hindernisse und pflegen eine kohärente und vernetzte Kultur, die es ihnen ermöglicht, Kundenerlebnisse ganzheitlich zu betrachten.
  4. Design-orientierte Unternehmen fokussieren sich auf die Weiterentwicklung eigener interner Talente und Qualifikationen – und zwar auf sämtlichen Ebenen, sowohl auf der taktischen als auch der visionären und strategischen. Entscheidend ist, dass jeder Mitarbeiter den Wert von Design erkennt und ihn nach innen wie außen propagiert. Ein gutes Beispiel für die Wertschätzung und Investition in die eigenen Mitarbeiter ist SAP: Waren an die tausend Autoren ursprünglich nur für die schriftliche Produktdokumentation zuständig, haben sich ein Teil von ihnen inzwischen (freiwillig) die Fähigkeiten zur Bild- und Videokreation angeeignet, sodass das gesamte Team nun Multimediainhalte produziert – zugunsten der unterschiedlichen Zielgruppen, deren bevorzugtes Format nicht zwangsläufig Text war.
(Grafik: © Robert Weller)

Designmethoden im Geschäftsbetrieb zu integrieren führt demnach zu einer nachhaltigen Wertsteigerung sowohl für den Konsumenten beziehungsweise Kunden als auch das Unternehmen selbst. Denn Design Thinking hilft Unternehmen, bessere – das heißt vor allem relevante – Dienstleistungen und Erlebnisse zu gestalten. Und nicht zuletzt stößt es eine organisatorische Wandlung an, damit das Unternehmen diese neuen Angebote auch an die Zielgruppe abliefern kann.

Customer Experience erfordert einen organisatorischen Wandel

Dieser Wandel ist wichtig, denn das Kundenerlebnis macht einen immer größer werdenden Teil einer Marke aus. Es kommt die Zeit, zu der „äußerliche Veränderungen“ nicht mehr ausreichen. Unternehmen müssen vielmehr persönliche und intuitive Dienstleistungen anbieten, dynamisch auf Kundenpräferenzen reagieren und deren Anforderungen besser vorhersagen können.

Laut Engine Group formen die folgenden vier Bereiche den Kern dieser organisatorischen Veränderung („Design-led Change“):

1. Experience Design

Dem Change-Prozess sollte eine konkrete Vision der zukünftigen Customer Experience zugrunde liegen, durch die interne Treiber (siehe nächster Punkt) den Wert dieser Veränderung kommunizieren können. Auf operativer Ebene beinhaltet das beispielsweise die Durchführung qualitativer Designstudien, die Entwicklung von Personas, die Ideenfindung und Prototyping bzw. die Umsetzung einzelner Ideen in Pilotprojekten zum Zweck der Schaffung erster Business Cases, die als rationales Argument für weitere Veränderungen dienen.

2. Definition der Enabler

Veränderung benötigt – gerade zu Beginn – immer jemanden, der sie anstößt und vorantreibt. Unternehmen tun sich einen Gefallen, wenn sie dafür eine Art „Taskforce“ ins Leben rufen, deren Mitglieder motiviert sind und das erforderliche Wissen beziehungsweise die erforderlichen Fähigkeiten besitzen oder erhalten (siehe Punkt 4 der vorherigen Liste oben), um die geplante Customer Experience in die Tat umzusetzen. Wichtig dabei ist das Verständnis über die internen Beziehungen und Einflussbereiche der Enabler sowie die Definition ihrer jeweiligen Rolle innerhalb der Taskforce und des gesamten Change-Prozesses. Auch das Management hat diesbezüglich eine Vorbildfunktion als „CX Leader“ und die Aufgabe, unverkennlich klarzumachen, dass der Fokus auf die Kunden kein Testprojekt, sondern eine Investition in die Zukunft ist. 

3. Kontinuierliche Skalierung

Um die Enabler bei ihrer Mission zu unterstützen, immer mehr Mitarbeiter von der Veränderung zu überzeugen, bieten sich regelmäßige CX-Trainings sowie ein Angebot allgemein zugänglicher Ressourcen und Tools an (Literatur, Schulungsunterlagen, Methoden etc.). In der Umsetzung sieht das zum Beispiel bei IBM so aus, dass bestimmte Personen diesbezüglich eine Doppelfunktion innehaben: Zum einen produzieren sie selbst Trainingsvideos für Support-Mitarbeiter, zum anderen Unterstützung sie diese Mitarbeiter bei der Nutzung bestimmter Tools und dem Erwerb spezieller Fähigkeiten, sodass diese langfristig autonom arbeiten und wiederum selbst eine Funktion als Enabler übernehmen können.

4. Formen der Unternehmenskultur

Es erfordert ein „neues“ Mindset, sodass sich jeder Mitarbeiter im Unternehmen kundenorientierter verhält. Ein solches Mindset ergibt sich aus der gemeinsamen Vision und der grundlegenden Überzeugung, dass sich der Fokus auf Kundenbedürfnisse lohnt, sowie entsprechenden Arbeitsweisen und einem passenden Wertesystem. Nur wenn jeder Mitarbeiter den (persönlichen) Wert der Veränderung erkennt und versteht, welchen Beitrag er selbst leisten kann (und will), wird er in dieselbe Richtung rudern.

Lesetipp: In zwei weiteren UPLOAD-Artikeln bekommen Sie praktische Tipps für erfolgreiche Change-Prozesse. Ingo Sauer erklärt Ihnen, wie Sie die betroffenen Menschen mit einbeziehen – denn die entscheiden zu zwei Dritteln über den Erfolg oder Misserfolg des Vorhabens. Und Pia Kleine Wieskamp zeigt Ihnen auf, wie Sie Storytelling für einen solchen Wandel einsetzen.

Schlusswort: Ein Prozess, kein Projekt

Das alles ist als Prozess zu verstehen und nicht als Projektplan, dessen ultimatives Ende eine abgeschlossene Transformation beschreibt. Vielmehr befinden sich Unternehmen dauerhaft im Wandel, denn wie sagte es der Designer Robert L. Peters so schön:

„Design creates culture, culture shapes values, and values determine the future.“

Nichts davon ist statisch, schließlich haben wir es insgesamt mit einem sehr „menschlichen“ Konstrukt zu tun. Die Diskussion um herausragende Kundenerlebnisse beginnt also eigentlich mit der Gestaltung herausragender Mitarbeitererlebnisse! Es spielt letztlich keine Rolle, ob wir über Nutzer, Kunden oder Mitarbeiter sprechen. Entscheidend ist, dass Erlebnisse etwas sehr Persönliches und Menschliches sind. Es ist wie bei künstlicher Intelligenz: Wir bevorzugen Interaktionen, die sich persönlich anfühlen, egal ob sie von einem Menschen oder einer Maschine stammen.

Doch die technische Kompenente ist eben nur ein Element, das Design ist ein anderes. Durch gutes Design werden die gewünschten emotionalen Reaktionen und Verhaltensweisen der Nutzer erzeugt – davon ist Lara Plaxton, Head of HR bei der FDM Group, überzeugt.

Aus Unternehmenssicht sollten daher zunächst einzigartige und unvergessliche Erlebnisse für die eigenen Mitarbeiter das oberste Ziel sein – im positiven Sinne natürlich. Das stärkt nicht nur die Arbeitgebermarke, fördert die Kultur und den Wertewandel sondern projiziert sich auf lange Sicht eben auch nach außen auf die Kundenerlebnisse.

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So geht’s: Erlebnisse für Mitarbeiter und Kunden schaffen

  1. Zuallererst gilt es, jedem Mitarbeiter aufzuzeigen, wie sie ihren eigenen Beitrag zur Unternehmenswachstum leisten können und ihnen Wertschätzung entgegenzubringen. Modelle wie das OKR-Prinzip sind ein probates Mittel.
  2. Genauso wichtig ist es, jedem Mitarbeiter direkten Kontakt zu Kunden zu ermöglichen. Das muss nicht auf Dauer sein, aber er soll dadurch ein Gefühl für die Bedürfnisse und Wünsche der Kunden erhalten, an denen er sich bei seiner Arbeit künftig orientieren kann.
  3. Unternehmen, die noch keine definierte bzw. dokumentierte Vision haben, sollten diese spätestens jetzt formulieren und ihre Mitarbeiter darauf „einschwören“. Gemeinsam sind Werte zu erarbeiten, aus denen sich eine allgemeine Haltung ableiten und damit die Grundlage für das Verhalten eines jeden Einzelnen – nach innen und außen – bestimmen lässt.
  4. Während alldem tun sich höchstwahrscheinlich einige Personen hervor, die sich als „Experience Enabler“ eignen. Diese gilt es fortan zu fördern und sowohl als „Missionare der Veränderung“ sowie als so genannte Kundenanwälte einzusetzen.
  5. Der Schritt hin zum Design-orientierten Unternehmen im Sinne der Design Thinking-Methodik oder allgemein agileren, kundennäheren Prozessen ist von hier aus ein verhältnismäßig kleiner, wenngleich nicht weniger wichtig.

Dabei dürfen Unternehmen niemals vergessen, dass nichts vom ersten Tag an perfekt laufen wird und auch nicht vom zweiten an. Wer den Willen und die Entschlossenheit hat, diesen Weg zu gehen, braucht Durchhaltevermögen, wird auf lange Sicht aber auch reichlich dafür belohnt – durch eine niedrige Fluktuationsrate, ein hohes Motivationsniveau und gute Arbeitsleistung bei steigender Kundenzufriedenheit und kontinuierlichem Unternehmenswachstum. 


Dieser Artikel gehört zu: UPLOAD Magazin 60

Das Thema Customer Experience ist so wichtig wie vielseitig und unübersichtlich. In dieser Ausgabe erklären wir Ihnen nicht nur, was hinter dem Begriff steckt, sondern auch, was Sie konkret ableiten können. Wir zeigen, was Kunden laut einer aktuellen Studie begeistert und was sie abschreckt. Wir schauen uns an, wie Customer Experience im B2B-Umfeld aussieht. Und wir erklären, warum gutes Customer Experience Design bei den eigenen Mitarbeitern beginnt. Außerdem in dieser Ausgabe: Wir erklären die Folgen aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs zu Facebook Fanpages und werfen einen Blick auf Influencer-Relations für B2B.

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1 Gedanke zu „Gutes Customer Experience Design beginnt bei den eigenen Mitarbeitern

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