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Thought Leadership als Branding-Strategie

„Thought Leadership“ ist zwar im Prinzip keine neue Idee, bekommt aber durch die vielfältigen Möglichkeiten des Social Web neuen Schwung. Außerdem ist es angesichts zunehmender Werbemüdigkeit ein wichtiges Mittel, die erhoffte Zielgruppe doch noch zu erreichen und eine Marke zu etablieren. Falk Hedemann erklärt in diesem Beitrag, welche Rolle Thought Leadership heute spielen kann und wie es sich umsetzen lässt.

(Illustration: © mangsaab, depositphotos)

Einführung

Branding, oder zu deutsch Markenbildung, ist ein weites Feld, das Unternehmen schon seit vielen Jahrzehnten beschäftigt. Dabei haben sich die Inhalte, Methoden und Strategien immer wieder den neuesten Trends und dem Markt anpassen müssen. Das scheint auch aktuell wieder der Fall zu sein. Zum einen sorgt das Content Marketing für neue Impulse, die von den Unternehmen ausgehen. Zum anderen zwingt die gesunkene Markenloyalität der Konsumenten die Unternehmen zum Handeln. Thought-Leadership könnte diese beiden Trends zu einer starken Branding-Strategie verschmelzen.

Das klassische Branding bezeichnet eine Strategie zur Entwicklung einer Marke. Sie soll die Leistung eines Unternehmens von Wettbewerbern abgrenzen und für eine wohlwollende Differenzierung sorgen. Die Aufladung der Marke mit Emotionen spielt dabei genauso eine Rolle, wie eine starke Corporate Identity, ein Logo mit Wiedererkennungswert und andere Dinge mehr. Viele Jahre kämpften Marken mit diesen Mitteln um die Gunst der Konsumenten. Sie wollten als sympathisch und vertrauensvoll wahrgenommen werden und ihre Produkte sollten diese Wahrnehmung entsprechend widerspiegeln und bestenfalls auch verstärken.

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Das Ende von Don Draper

Das Branding, wie wir es vielleicht von Don Draper aus der Serie Mad Men kennen, ist heute allerdings an seine Grenzen angekommen. Die Globalisierung mit ihren freien Märkten hat in vielen Bereichen für eine so enorme Markenvielfalt gesorgt, dass eine Differenzierung allein über die Produkte und die dazugehörigen Markenbildung nicht mehr für alle funktioniert. Es gibt zwar noch einige Top-Marken, aber die Masse verschwimmt in der Wahrnehmung der Kunden zu einem Einheitsbrei.

Dazu kommt, dass die Konsumenten heute viel weniger werbeaffin sind. Sie fühlen sich im Gegenteil sogar genervt, wenn ihnen Werbung begegnet. Im Internet lässt sich das sehr schön an der steigenden Beliebtheit von AdBlockern erkennen. Laut einer Erhebung vom Bundesverband Digitale Wirtschaft e.V. stieg die AdBlocker-Rate im vierten Quartal 2017 auf 24,74 Prozent. Das bedeutet konkret: Etwa jede vierte Online-Display-Werbung wird von den Nutzern blockiert. Und auch in anderen Medien sieht es langfristig gesehen nicht viel besser aus. Im Printbereich schrumpfen die Auflagen von Zeitungen und Magazinen weiter und das lineare Fernsehen verliert das umkämpfte junge Publikum an Streamingdienste.

Was also tun, wenn Werbung nicht mehr nach den alten Mustern funktioniert und sich die Produkte auf dem Markt kaum noch voneinander unterscheiden?

Paradigmenwechsel: Vom Produkt zum Wissen

Wenn etwas nicht mehr funktioniert, sollte man nach den Ursachen forschen. Herkömmliche Branding-Strategien basierten vor allem auf Werbeeffekte in den verschiedenen Medien. Dass das heute nicht mehr funktioniert liegt aber nicht an den Medien, sondern zum einen an der Form der Werbung. Sie ist heute vielfach sehr plump und zeichnet oft ein eher unmündiges Konsumentenbild, mit dem sich die anvisierte Zielgruppe nicht identifizieren kann. Zum anderen liegt es aber auch an den Konsumenten. Sie konsumieren Medien heute mit anderen Ansprüchen und Erwartungen, bei denen Werbung kaum noch Platz hat. Sie möchten vielmehr informiert, beraten und unterhalten werden. Werbung dagegen hat in der Regel nur ein Ziel: Produktverkäufe.

Damit ist klar: Nach diesem Modell liegen die Erwartungen und Zielsetzungen von Kunden und Marken weit auseinander. Darauf wird sich die Unternehmenskommunikation insgesamt einstellen müssen, was an vielen Stellen auch schon geschieht. Auch in Sachen Markenbildung setzen schon einige Unternehmen auf neuere Strategien, die vor allem mit Inhalten spielen. Content Marketing ist auch deshalb zu einem so großen und langfristigen Trend geworden, weil damit sowohl die Ziele der Unternehmen als auch die Erwartungen der Kunden erfüllt werden können. Auch Influencer Marketing gehört heute schon oft zum Marketing-Mix, auch wenn sich hier der Markt gerade erst zu setzen beginnt und noch an Professionalität dazu gewinnen muss.

Nimmt man diese beiden Trends und schaut sich deren Erfolgskriterien genauer an, kommen folgende Faktoren zusammen:

  • Beim Content Marketing geht es nicht um die Produkte, sondern um die Welt und das Wissen drumherum.
  • Beim Influencer Marketing nutzen Personen ihr Gesicht und ihre Persönlichkeit, um Einfluss auszuüben.

Beides für sich ist noch keine moderne Branding-Strategie, die besser als das ist, was Don Draper für seine Kunden kreierte. Doch wenn wir die beiden Ansätze geschickt miteinander kombinieren, entsteht plötzlich ein neuer Branding-Ansatz, der für beide Seiten, Marken wie Konsumenten, funktionieren kann. Dann geht es um informierende Inhalte, die von Personen mit Einfluss erstellt werden: Thought-Leadership-Content.

Die Herkunft von Thought Leadership

Auch Thought Leadership ist keine neue Disziplin, wie auf der amerikanischen Website „Language Log“ anekdotenreich beschrieben wird. Interessant ist dabei vor allem der erste bekannte Bezug von Thought Leadership zur Werbung und damit auch zum Branding. Am 20. Mai 1961 stand in „The New Yorker“ unter dem Titel „The Talk of the Town“:

A while ago, intelligence was received by the American Association of Advertising Agencies that some people in this country are not tremendously keen on advertising. The Association was much upset by the news. In the first shuck of dismay, the group planned a sweeping campaign of advertising to change the public’s mind about advertising. This announcement filled us with interest. We began searching the highways for new billboards, the skies for skywriting, and the magazines for colorful illustrations. We watched and waited. But now we learn, to our regret, that the campaign has been postponed. The Association, upon reflection, has decided to withhold its big guns until it has executed a „definitive depth-attitude survey,“ which is intended to „explore further the premise that the principal problem of advertising is not with the general public but with criticism of it that stems through thought-leader groups. We gather that the general public, in its natural state, likes advertising unreservedly, and grows restless only when thought leaders stir it up.

Well, as it happens, we had lunch last week with the Thought Leader Group for West Forty-third Street and heard another side of the story . The chairman of the Group, who wears a little red fez and is known as the Thought Leader Leader, opened the session by observing that the proposed survey attacks the very foundations of Thought Leadership. „There was a time, gentlemen, when those whom we criticized could be counted on to respond in simple ways,“ he said. „They might, for example, declare that the faults we mentioned had never existed, and besides, a committee had been appointed to correct them. Alternatively, they might merely urge us, with maximum publicity, to go back where we came from, Russia being most commonly mentioned as our suppositional homeland. Thought Leadership was a lively game then, and followed elementary rules. But now the sport, I fear, has become infinitely more complex, not to say baroque.“

Spannend ist daran einerseits, dass schon damals von einer Werbemüdigkeit bei den Konsumenten gesprochen wurde – sehr schade, dass es dann doch nicht zur gedachten Werbekampagne gegen die Werbemüdigkeit gekommen ist. Zum anderen ist interessant, dass Thought Leadership damals offensichtlich keinen besonders guten Ruf hatte.

Heute sieht das allerdings ganz anders aus. Vor allem großen Unternehmen schätzen das Thought-Leadership-Modell als Strategie zur Besetzung von Themen und Kompetenzen. Sie wollen bewusst eine Vordenkerrolle einnehmen und sich dadurch von Wettbewerbern differenzieren. Der von der Digitalisierung stammende Innovationsdruck wirkt als zusätzlicher Beschleuniger, denn Meinungsführer werden in der Regel mit innovativer Kraft assoziiert. Sie beschäftigen sich mit neuen Ideen und diskutieren offen Lösungsansätze für aktuelle und zukünftige Probleme. Das schafft Vertrauen in das geschäftliche Wirken eines Unternehmens und hilft bei der Etablierung neuer Geschäftsmodelle.

Thought Leadership erzeugt eine inhaltliche Nähe zwischen Marken und Stakeholdern, während plumpe Werbung eher eine Distanz erzeugt.

Viel wichtiger ist aber noch, dass dieses Marketing-Modell nicht nur beim Erreichen der Unternehmensziele hilft, sondern gleichzeitig die Bedürfnisse und Erwartungen der Stakeholder in den Mittelpunkt rückt. Statt diese mit immer neuen Werbebotschafter zu nerven, bekommen sie tiefgehende Informationen und zukunftsweisende Denkanstöße, mit denen sie sich beschäftigen können. Hier zeigt sich der große Vorteil von Thought Leadership im Vergleich zum klassischen, werbebasierten Marketingmodell:

Thought Leadership erzeugt eine inhaltliche Nähe zwischen Marken und Stakeholdern, während plumpe Werbung eher eine Distanz erzeugt.

Wie? – Verschiedene Ansätze für die Meinungsführerschaft

Bei der Umsetzung des Thought Leaderships gibt es verschiedene Modelle. Das verbreiteste Modell stellt das gesamte Unternehmen in den Mittelpunkt der Meinungsführerschaft. Alle beteiligten Kräfte agieren weniger als Person, sondern positionieren sich eher hintergründig als Teil der Marke. Das funktioniert besonders dann gut, wenn das Unternehmen einen klaren Fokus hat und für einen speziellen Themenkomplex steht, beziehungsweise stehen möchte. Gibt es dagegen mehrere Themen, ist der Einzelpersonen-Ansatz zielführender.

Nicht immer muss die Marke oder das Unternehmen direkt zum Meinungsführer aufgebaut werden. Es kann auch ein Produkt oder eine Dienstleistung im Mittelpunkt stehen, wenn daran ein großes Interesse bei den Stakeholdern besteht. Ein gutes Beispiel dafür ist IBM Watson, mit dem sehr früh das Thema Künstliche Intelligenz besetzt wurde. Watson demonstrierte seine Leistungsfähigkeit unter anderem als Teilnehmer der Quizsendung Jeopardy, die Watson gegen zwei menschliche Konkurrenten gewann. Viel höher als der monetäre Gewinn war für IBM aber der Imagegewinn: Für die nächsten Jahre war Watson nicht nur eine funktionierende KI, sondern IBM wurde zum Thought Leader für die KI-Entwicklung.

Ein anderer Ansatz positioniert dagegen Einzelpersonen als Thought Leader. Das bietet größeren Unternehmen mit einem breiten Spektrum unter anderem den Vorteil, dass sie verschiedene Personen für unterschiedliche Unternehmensbereiche aufbauen können. Zudem interagieren viele Menschen lieber mit anderen Menschen, anstatt mit gesichtslosen Unternehmen und Marken. Ein weiterer Vorteil von Mitarbeitern als Thought Leader: Sie können ihre Persönlichkeit und ihr eigenes Netzwerk einbringen und müssen ihre Rolle nicht so sehr mit anderen Mitarbeitern absprechen und koordinieren, denn sie sprechen für sich. Allerdings kann dieses Modell auch Nachteile haben. Dann beispielsweise, wenn der Thought-Leader das Unternehmen verlässt. In diesem Moment zeigt sich dann meist auch sehr schnell, wie gut es gelungen ist, bei den Stakeholdern für eine Transferleistung vom Meinungsführer auf die Marke zu initiieren.

Alle drei Ansätze haben eine grundlegende Gemeinsamkeit: Es geht nie unmittelbar um die Vermarktung eines Produkts oder einer Dienstleistung!

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Wo und womit? – Kanäle und Formate

Wenn klar ist, welcher Ansatz strategisch umgesetzt werden soll, stellt sich als nächstes die Frage nach den Kanälen. Die meisten Möglichkeiten bietet der Einzelpersonen-Ansatz. Soll beispielsweise der Chefentwickler zum Thought Leader aufgebaut werden, können seine Social-Media-Kanäle sehr genau darauf abgestimmt werden. Beim Unternehmensansatz ist das weitaus schwieriger, denn hier haben die Kanäle meist verschiedene Zielsetzungen, die eine Reduzierung auf die Meinungsführerschaft erschweren. Bleiben wir also bei den Personen.

Bei den digitalen Kanälen bieten sich Twitter, LinkedIn und in Deutschland auch Xing an. Ist zudem noch ein Corporate Blog im Einsatz, ist das ein sehr guter Kanal für ausführlichere Inhalte. Mit leichten Abstrichen geht das zwar auch bei LinkedIn und Xing. Besser ist es aber, diese Netzwerke eher als Satelliten für längere Beiträge auf einer eigenen Plattform zu nutzen.

Wenn keine eigene Plattform vorhanden ist, kann Medium eine gute Alternative zu umfangreichen Beiträgen auf LinkedIn und Xing sein. Während Content auf den beiden Business-Netzwerken vor allem das bereits bestehende Netzwerk bedient, ist die Sichtbarkeit der Inhalte auf Medium offener. Gerade bei thematisch gut greifbaren Inhalten sorgen die Algorithmen der Plattform für zusätzliche Leser. Zudem lässt sich der Auftritt dort auch mit einem eigenen Design versehen. Gute Beispiele kommen unter anderem von Siemens, deren HR-Abteilung mit den „Future Makers“ persönliche Geschichten der Mitarbeiter erzählt. Auch das Social-Media-Tool Buffer setzt Medium ein und hat dazu passenderweise auch noch einen Medium-Guide für Marketer veröffentlicht. Zu einer weiteren interessanten Option sind nicht zuletzt Podcasts geworden.

Vergessen werden sollten aber auch nicht die analogen Formate. Neben Statements für Fachmagazine aus dem Printbereich bieten sich auch Keynotes, Vorträge oder Podiumsdiskussion auf einschlägigen Fachveranstaltungen an. Besonders interessant ist hierbei, dass die Zielgruppe bereits vorhanden ist und nicht erst gesucht werden muss.

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Der Haken zum Schluss: Wer erstellt die Inhalte?

Eine der größten Schwierigkeiten für die praktische Umsetzung ist fehlende Zeit bei den potenziellen Thought Leadern. Sie besetzen in der Regel eine wichtige Funktion im Unternehmen und sind zeitlich stark eingespannt. Umfangreiche Inhalte wie Blogbeiträge, Analysen oder Gastartikel für Fachmedien können sie oftmals nicht selbst beisteuern. Viele gute Ansätze, die zunächst von einer Anfangseuphorie getragen werden, schlafen daher aus zeitlichen Gründen recht schnell wieder ein. Nur relativ selten „brennt“ ein C-Level-Mitarbeiter so sehr für seine Inhalte, dass er sich dafür überdauernd und regelmäßig Zeit nimmt. Genauso selten wird das Thought-Leadership-Projekt intern so hoch priorisiert, dass dafür immer genügend Zeit zur Verfügung steht.

Und selbst wenn die Priorisierung stimmt, kann immer noch eine falsche zeitliche Erwartungshaltung den Erfolg erschweren. Die Wirkung wird sich wie bei anderen contentbasierten Strategien eher langfristig zeigen und nicht schon nach wenigen Monaten. Durchhaltevermögen und ein langfristiges Konzept sind gefragt, denn alles andere geht zu sehr in Richtung Kampagnendenken.


Dieser Artikel gehört zu: UPLOAD Magazin 61

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