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Was ist „User Powered Journalism“?

Die Suche nach „User Powered Journalism“ bringt aktuell bei Google keinen Treffer. Das möchte ich ändern. Denn nachdem das Thema der durch Nutzer erstellten Inhalte seinen Höhepunkt erreicht hat, stellt sich die Frage nach dem nächsten Schritt. Und der kann nur sein: Mach was aus diesen vielen, vielen Inhalten. Und mach es wie ein Profi.

Die Zeiten der Einweg-Kommunikation scheint in den Medien vorbei. Kaum vorstellbar, dass diese Wandlung vom Monolog zum Dialog jemals wieder rückgängig gemacht werden kann. Jeder hat heute die Möglichkeit, seine Informationen, sein Wissen und seine Meinung für alle gut sichtbar zu publizieren. Sei es nun in Form eines Weblogs, eines Podcasts, eines Wikis oder auch eines PDF-Magazins. Die klassischen Medien und mithin ihre Journalisten sind nicht mehr allein die Wächter am Informationstor.

Unbestreitbar werden heute außerdem mehr Inhalte produziert als jemals zuvor.

Das Problem ist nicht mehr, etwas veröffentlichen zu können. Das Problem ist vielmehr, gefunden, gehört und beachtet zu werden.

Wenn wir uns die aktuelle Medienlandschaft im Internet ansehen haben wir grob gesprochen zwei Gruppen:

  • Die klassischen Medien. Sie drängen mit ihren Inhalten ins Netz, nutzen es aber meist lediglich als weiteren Verbreitungsweg. Eigene Inhalte werden kaum produziert, exklusive Online-Dienste sind rar. Obwohl man in den Verlagshäusern und Sendeanstalten eigentlich weiß, wie man erfolgreiche Medienprodukte aufzieht und was Leser, Hörer und Zuschauer anzieht, ist man mit den besonderen Gegebenheiten des Internets oftmals überfordert.
  • Die privaten Seiten. Vor allem Blogger sind es heute, die in Sachen Inhalt mit klassischen Medien konkurrieren können – zumindest wenn man sich die schiere Masse an Informationen und Meinungen ansieht. Diese engagierten Leute sind meist Einzelkämpfer, haben ein gewisses Sendungsbewusstsein oder einen anderen Antrieb, sich in die Öffentlichkeit zu begeben. Nur leider haben sie meist keine Ahnung, wie man ein erfolgreiches Medienprodukt aufzieht. Folglich sind sie zwar engagiert und ihre Inhalte sind gerade bei Fachblogs von Anwälten & Co. sehr wertvoll und interessant, nur werden sie nicht gefunden und kaum gelesen.

Dieses Nebeneinander wird auf Dauer keinen Bestand haben. Beide Seiten lernen in den kommenden Jahren voneinander. Die Grenze zwischen einem privaten Blog und einem professionellen Newsdienst verwischt zunehmend.

Natürlich wird es weiterin viele, viele private Blogs geben. Natürlich wird es weiterhin viele, viele Newsseiten klassischer Medien geben. Aber zwischen ihnen wird sich nach meiner Meinung etwas Neues entwickeln: User Powered Journalism.

User Powered Journalism meint:

  • Leser und Hörer tragen mit ihren Äußerungen, Meinungen und Kommentaren direkt dazu bei, welche Themen wie behandelt werden. Redakteure und Leser wechseln immer wieder die Rollen von Sender und Empfänger.
  • Die Nutzer werden aktiv eingebunden und schreiben und produzieren selbst im Rahmen eines professionellen Produkts.
  • Journalisten bringen ihr Fachwissen über das Recherchieren und Aufbereiten von Informationen ein und formen aus der Vielzahl von Inhalten etwas Neues, das einer breiten Masse von Lesern wiederum zugänglich ist.

Anstatt dass die Redaktion produziert und dann die Kommentare der Empfänger entgegennimmt, ist es ein fortdauerndes Geben und Nehmen, eine Arbeit an einem gemeinsamen Produkt.

Vielleicht einmal an einem konkreten Beispiel. Ein Dienst wie Blog.de stellt eine Plattform bereit, auf der jeder Interessierte sein eigenes Weblog anlegen und Inhalte produzieren kann. Das ist der bekannte „User Generated Content“ – von Nutzern erstellte Inhalte. Das Prinzip funktioniert prima: Man muss als Anbieter lediglich die Grundlage entwickeln und pflegen, den Rest erledigen die Nutzer. Finanziert wird das Ganze größtenteils über die eingeblendete Werbung.

Ansonsten wird mit den unglaublich vielen Artikeln, Bildern, Links und Diskussionen aber überhaupt nichts angestellt. Jeder neue Beitrag erzeugt einen neuen Werbeplatz. Das reicht.

Jedenfalls heute.

Aber in der Zukunft reicht das nicht mehr. Denn Inhalte haben sie alle. Und nur wenige der vielen Communitys werden überhaupt überleben. Irgendwann ist die Grenze erreicht und neue Projekte werden nicht mehr genug Mitglieder bekommen. Selbst große Unternehmen wie United Internet haben trotz ihrer Macht durch enorme Nutzerzahlen bei GMX.de und Web.de nicht automatisch genug Interessenten, um eine Plattform wie Unddu.de aus dem Stand zum Erfolg zu führen.

Nur über die schiere Masse allein kann es also nicht gehen. Es kann auch nicht sein, einfach nur Inhalte zu produzieren, um viele Seitenabrufe zu generieren. Es geht um Exklusivität, um Leserbindung, um interessante Inhalte.

Natürlich: Die Qualität der Inhalte ist sehr unterschiedlich. Und vieles davon dürfte nur einen sehr kleinen Kreis von Lesern überhaupt interessieren. Aber es wird eine beachtenswert große Gruppe von Weblogs innerhalb von Blog.de geben, die sehr lesenswerte Artikel produziert: interessante Meinungen, Fachwissen, aktuelle Diskussionen, Kurioses, echte Gefühle, Schicksale.

User Powered Journalism würde nun bedeuten, eine Redaktion darauf anzusetzen mit der Aufgabe: Lies diese Blogs und stell aus ihnen ein neues Produkt zusammen.

Nennt es meinetwegen das Blog.de-Magazin. Dieses Magazin gibt allen Interessierten einen Einblick, welche Themen gerade besonders intensiv diskutiert werden, stellt interessante Weblogs vor, fischt lesenswerte Artikel heraus und präsentiert sie in einer neuen, professionelleren Umgebung. Zugleich setzt die Redaktion eigene Themen, die dann im Idealfall wieder die Blogger anregt, etwas zu schreiben.

Dieses Magazin würde, bei entsprechend gut gemachter Aufbereitung, sicher auch von Leuten gelesen, die mit Blogs sonst nichts am Hut haben und denen es viel zu aufwändig wäre, diese Perlen selbst zu suchen und vielleicht nie zu finden.

Aber auch aus einer anderen Richtung gedacht wird ein Schuh daraus. Zeitungen und Zeitschriften sind ideale Keimzellen einer Community. Genau genommen haben Zeitungen und Zeitschriften schon eine Gemeinschaft und die Mitglieder zahlen sogar Geld dafür, um dabei zu sein. Man nennt es Abonnement. Warum sollte ein Zeitung das nicht nutzen? Muss sie es nicht eigentlich sogar, um auf lange Sicht selbstständig zu bleiben und nicht von einem Großverlag geschluckt zu werden?

Und natürlich könnte sich diese Zeitung in ein Gespräch mit ihren Lesern begeben. Sie sollte ihnen nicht nur gnädig das Recht einräumen, sich zu äußern. Sie sollte ihnen aktiv zuhören, sie einbeziehen, auf sie reagieren.

Bislang sind solche Versuche sehr halbherzig abgelaufen, nie im großen Stil. Da gab es einmal bei der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ die Aktion, einen Artikel von den Lesern korrigieren und ergänzen zu lassen. Ein guter Ansatz, aber eben doch nur eine Art Sandkasten für Leser. Eine verpasste Chance, denn unter den Lesern sind meist Fachleute, die viele Themen tatsächlich besser beurteilen können als ein Journalist. Ich habe einige Jahre bei einer Lokalzeitung gearbeitet und es ist erstaunlich, welches fundierte Fach- und Detailwissen einen per Leserbrief erreicht. Genutzt wird es bislang kaum.

Natürlich haben diese Leser in der Regel keine Erfahrung damit, wie man einen spannenden Artikel schreibt, der zugleich alle Fakten korrekt wiedergibt, allgemeinverständlich bleibt und auch noch exakt den vorgegebenen Platz auf der Zeitungsseite ausfüllt. Das wiederum kann der Journalist ausgezeichnet. Er hat es auch gelernt, Informationen von Meinungen und Meinungen von Vermutungen zu unterscheiden, Fakten zu hinterfragen und zu überprüfen. Das hat er den Lesern meistens voraus.

Aber warum nicht beides verbinden? Das wäre ideal: Das Wissen der Leser, verknüpft mit dem Können der Journalisten, begutachtet durch einen Experten.

Das meine ich mit „User Powered Journalism“.

Also kein Gegeneinander von Journalisten und Bloggern beispielsweise. Sondern ein Miteinander, ein Zusammenarbeiten, ein gegenseitiges Fördern und Fordern.

Träumerei? Oder bald Realität?

A N Z E I G E

 

15 Gedanken zu „Was ist „User Powered Journalism“?

  1. Hi,
    schön das endlich mal jemand die „Marktlücke“ entdeckt und füllt. Wir hatten auch schon mehrfach das Thema.
    Toll!
    Beste Grüße Michi

  2. Wir machen sowas. Ähnliches (in klein und als non-profit Projekt) . Dein Satz: „Das Wissen der Leser, verknüpft mit dem Können der Journalisten, begutachtet durch einen Experten.“ war für uns der Ansatz als komplette Gartenlaien ein „Gartenmagazin“ für die Großstadt herauszugeben und das klappt ganz wunderbar.

  3. Die drei Punkte vom UPJ hören sich für mich an, wie jedes Magazin im Grunde arbeitet. Da kommen Leserbriefe, man filtert die Information, recherchiert nach und schreibt daraus Artikel. Also gibts das alles schon.

    Viele User werden sich eh nie beteiligen. Der Großteil will lieber nur konsumieren statt zu produzieren. Daran sind auch schon viele Ideen mit interaktivem Fernsehen gescheitert.

  4. @Martin: Was ich oben beschrieben habe, geht weit darüber hinaus, Leserbriefe zu verarbeiten. Stell Dir eher etwas wie eine Zeitung oder ein Magazin vor, das zur Hälfte oder sogar komplett aus dem besteht, was die Leser beitragen – aufbereitet, sortiert und bearbeitet durch die Redaktion. Dass nur ein kleiner Teil der Nutzer etwas beiträgt, ist oftmals so, aber nicht immer. Wenn ich in der Masse untergehe, habe ich beispielsweise keine Motivation mitzumachen. Wenn ich mit meinem Artikel und meinem Namen und/oder meinen Fotos in einem gedruckten Magazin auftauche, sieht das schon ganz anders aus. Deshalb kann man „interaktives Fernsehen“ oder auch die Wikipedia nicht damit vergleichen.

    @Anke: Interessantes Projekt. Ihr scheint ziemlich genau das zu machen, was ich meine. Sehr spannend.

  5. „…oder sogar komplett aus dem besteht, was die Leser beitragen – aufbereitet, sortiert und bearbeitet durch die Redaktion“. So ist das bei uns, 2/3 Beiträge von Experten, Interessierten, 1/3 redaktionell. Wir gestalten jedes Heft neu und können uns so auf die Beiträge einstellen, kein Zeichenzählen, keine Matrix. Aber es gibt natürlich auch Fragen, zB die nach dem Honorar, wie auch in der User Generated Web Debatte.

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  7. genau das hat SPIEGEL ONLINE mit einestages umgesetzt!!! gutes geschäftsmodell…einfach mal reinschauen einestages.spiegel.de

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