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Die Zukunft des Journalismus: Automaten, Amateure und ein paar Profis

Seit 15 Jahren bin ich jetzt Journalist und in dieser Zeit hat mein Beruf eine Menge Wandlungen erfahren. Für die Zukunft des Journalismus zeichnen sich aber aus meiner Sicht Veränderungen ab, gegen die die letzten Jahre wie ein mäßig aufregendes Vorspiel wirken. Der klassische Journalist wird zwar nicht aussterben. Seine Rolle aber wird sich weiter ändern. Eine Frage dabei ist vor allem: Wie viele Profi-Journalisten werden eigentlich noch gebraucht?

Automaten statt Journalisten

Seien wir doch mal ehrlich: Längst nicht alle Aufgaben des Journalisten sind glorreich. So manches erledigt er mit Routine und nach Schema F. Kein Wunder, dass einiges davon in Zukunft von Automaten erledigt wird.

So gibt es z.B. ein sehr interessantes Projekt, das anhand einer Spielstatistik automatisiert den dazu passenden Bericht generiert. Und das ist nur der Anfang.

Zudem gibt es Projekte, die beispielsweise Texte kürzen können, weil sie die wesentlichen Inhalte erkennen. Mit einem Schieberegler bestimmt man, wie viel man lesen möchte.

Ein weiterer Bereich ist das semantische Web. Hier wird an vielen Stellen geforscht, damit Computer nicht nur Nullen und Einsen sehen, sondern Zusammenhänge erkennen – und beispielsweise herausfinden, ob es sich bei „Golf“ gerade um die Sportart, das Auto oder die Landschaftsformation handelt.

Wie gesagt: Alles am Anfang. Aber die Techniken werden ausgefeilter und die Computer immer leistungsfähiger. Wer hätte vor ein paar Jahren noch Gesichtserkennung für etwas gehalten, was auf jedem PC funktioniert? Heute ist es so.

Es ist absehbar, dass Automaten so manchen Job übernehmen werden.

Sie werden bemerken, wenn ein Thema „hochkocht“. Sie werden die zentralen Informationen finden. Sie werden die wichtigen Beiträge zum Thema heraussuchen.

Und dabei sind sie unermüdlich.

Natürlich kann der Mensch Dinge, die eine Maschine nicht kann. Die Frage ist hier (wie anderswo) allerdings: Werden diese Dinge in Zukunft noch nachgefragt und bezahlt?

Banales Beispiel: Ein Schuh in Handarbeit ist vielleicht besser als einer vom Fließband. Aber was wird heute gekauft?

Ähnlich unemotional muss man den Journalismus sehen. Für die meisten Leser, Zuhörer und Zuschauer ist er eine Dienstleistung. Nur für eine Minderheit ist er mehr als das.

Amateure statt Journalisten

Nun könnte man denken: Aber das Material, das diese Automaten künftig verwerten, das haben doch sicherlich Journalisten erstellt.

Auch hier muss ich leider enttäuschen. Das ist schon heute nicht mehr der Fall und wird künftig noch weniger der Fall sein.

Es kursiert unter schlecht informierten Kollegen beispielsweise immer die Behauptung, Blogs würden nur auf alte Medien verweisen und von ihnen abschreiben. Sicher gibt es ein Spektrum der Blogosphäre, das klassische Medien liest und auf sie verweist. Die überwiegende Mehrheit der Blogs aber lebt komplett ohne die Vorarbeit von Journalisten – weil es einfach keine gibt.

Viele Bereiche werden überhaupt nicht oder längst nicht in der Tiefe bearbeitet, wie es interessierte Laien und Experten unter sich tun. Das ist auch kein Wunder, kann man doch mit Medienprodukten zu diesen Themen ganz offensichtlich kein Geld verdienen.

Journalisten sehen allerdings oftmals nur das, was sich in ihrem Themenbereich bewegt oder sich auf sie bezieht. Insofern ist es gut nachvollziehbar, dass sie den Eindruck haben, Blogs seien nur Sekundärmedien.

Darüber hinaus entstehen auch in Social Networks immer mehr Inhalte, die wertvolle Informationen enthalten und sich automatisiert auswerten lassen. Aber das führt jetzt sicher zu weit. Dazu demnächst mehr.

Wer sich jedenfalls im Netz von heute umschaut, wird feststellen, dass die Mehrheit der Informationen schon jetzt nicht von Journalisten stammt. Privatleute sind unter den Info-Lieferanten, Freischaffende, Experten, Firmen. Sie alle veröffentlichen.

Automaten werden uns in Zukunft auch wichtige Informationen aus diesen Inhalten liefern. Nun mag man entgegenhalten, dass diese Informationen oft genug nicht objektiv sind, im Falle von Firmen sogar bewusst subjektiv. Allerdings sollte man auf der anderen Seite nicht so naiv sein und annehmen, dass solche Informationen nicht auch heute in journalistischen Texten landen. Nach der Lehre sollten sie entsprechend gekennzeichnet sein, aber werden sie das immer? Wie objektiv kann ein Journalist überhaupt sein? Und ist es für mich als Leser nicht besser, wenn ich wie bei einer Pressemitteilung eindeutig weiß, dass der Text durch Interessen beeinflusst ist?

Aber das ist eine Diskussion, die man tagelang führen könnte…

Und die Profis?

Natürlich wird es weiter professionelle und berufsmäßige Journalisten geben. Davon bin ich überzeugt. Und zwar immer dann, wenn der menschliche Faktor zum Tragen kommt. Immer dann, wenn ich wissen möchte, was eine bestimmte Person über das Thema denkt oder wie sie es vor dem Hintergrund ihres Wissens und ihrer Erfahrungen aufbereitet. Vielleicht möchte ich als Leser auch einen direkten Ansprechpartner haben – zum Beispiel im Lokaljournalismus.

Es ließen sich noch einige Nischen finden, in denen klassische Journalisten ihren Platz finden. Gerade wenn es nicht nur um Texte geht, sondern auch um Bild und Ton.

Klar ist aber auch, dass die Arbeitsmöglichkeiten in diesem Beruf eher schrumpfen als wachsen werden. Wer sich nicht spezialisiert, wer seine besonderen Fähigkeiten nicht ausbaut, wer sich als Mensch nicht unersetzbar macht, wird es künftig noch schwerer haben als heute.

A N Z E I G E

 

12 Gedanken zu „Die Zukunft des Journalismus: Automaten, Amateure und ein paar Profis

  1. „Ähnlich unemotional muss man den Journalismus sehen. Für die meisten Leser, Zuhörer und Zuschauer ist er eine Dienstleistung. Nur für eine Minderheit ist er mehr als das.“

    Ich glaube, dass in diesem Satz das eigentliche Problem steckt. Eine Dienstleistungsgesellschaft muss nicht unbedingt eine Demokratie sein.

  2. Nein, lieber Jan, du schreibst nicht zu „nett“. Ich denke, der Widerspruch bleibt aus, weil du dein Thema differenziert betrachtest, mögliche Veränderungen im Berufsfeld Journalismus beschreibst und nicht dessen kompletten Untergang – statt zu polemisieren, hast du Argumente.
    Außerdem benennst du Nischen, in denen einige JournalistInnen weiter existieren (und sich finanzieren) können – und lässt damit Hoffnung zu. Man könnte ja zu den „paar Profis“ gehören.;-)

    Aber vielleicht – dieser Gedanke ist allerdings nicht nett – denken ja auch viele angesichts der Berichterstattung über das Zeitungssterben bloß ähnlich wie über Meldungen zu Schweinegrippe oder Online-Betrug: Schlimme Sache, die armen Leute, aber mich erwischt es bestimmt nicht.

  3. Spannend ist ja die Frage wie man Mensch und Maschine nutzvoll so zusammen bringen kann, dass alle Beteiligten etwas davon haben und das ganze nicht wie ein ungewollter eckiger Hybrid wirkt. Wie schafft man hier also Mehrwerte?

    Zeitungen und anscheinend viele Journalisten dort, begreifen zu langsam und stehen neuen Technologien oft skeptisch gegenüber. Offene, webaffine Journalisten mit Interesse für Informationsmanagement, Semantic Web, Aggregation und User Generetated Content dürften aus meiner Sicht extrem gefragt sein.

    In der Definition „Journalist“ heißt es ja u.a. „… Journalist [ʒʊrnaˈlɪst] ist, „wer hauptberuflich an der Verbreitung von Informationen…“ usw…

    Webentwickler und Blogger scheinen sich aktuell, zunehmend und sehr viel stärker mit der Verbreitung von Informationen zu befassen als Journalisten.

    In den nächsten Wochen und Monaten wird es immer mehr Berührungspunkte zwischen diesen beiden Lagern geben und geben müssen. Hier gibt es kein entweder oder sondern nur ein Zusammen. Alles andere ist unlogisch und würde den angeschlagenen Verlegern weiter schaden.

    Unverständlich ist für mich die „ich bin etwas besseres“ Journalisten-Atidüde…

  4. Ein weiterer klasse Artikel. Danke dafür! Die angesprochenen Projekte (automatischer Bericht und Text kürzen) hören sich ja sehr spannend an. Da muss ich mich gleich noch etwas mehr mit beschäftigen.

  5. Hm, manchmal ist es besser, nen Artikel von nem Amateur zu lesen, als einem von nem Profi. Der Amateur fiebert einfach viel mehr mit und wirkt eben besser auf die Masse, da er großteils selbst zur Masse gehört.

    Das macht es denk ich einfach aus.

    Nur schon Magazine alleine.
    Wer kauft noch irgendwelche Computer Magazine? Die Zahlen sinken und sinken. Kein Wunder, da es immer mehr tolle Blogs zu dem Thema gibt.

    Ebenso in punkto Sport.

    Viele sind eben zu überheblich um anzuerkennen, dass viele Blogger tolle Arbeit leisten und dies großteils unendgeldlich. Da liegt eben dann auch der Hund begraben. Blogger bloggen großteils, weil ihnen das taugt was sie schreiben. :-)

  6. So gut und differenziert die gegenwärtigen Strömungen beschrieben sind, so sehr beschränkt sich die Analyse notwendigerweise auf das Bekannte. Wir wissen, was war und was davon gerade untergeht, wir erkennen Tendenzen der Veränderung, aber wir sehen noch nicht, was morgen neu entstehen wird.

    Wandlungen machen Angst. Wird die Maschine in einem weiteren Bereich den Menschen überflüssig machen? Bin ich, ist eine ganze Branche dem Untergang geweiht? Sehr unwahrscheinlich. Das eine geht, das andere kommt. In den 80-er Jahren gab es eine allgegenwärtige Angst vor dem Jobkiller Computer. Und? Wie viele Angestellte gab es damals und wie viele gibt es heute in der „Verwaltung“ von Unternehmen? So sehr dürfte sich das nicht unterscheiden. Früher musste vieles stupide getippt werden, was heute viel schneller mittels intelligenter Programme erzeugt werden kann. Auch die Schneckenpost brauchte mehr Bearbeitungszeit als die entsprechende e-Mail heute. Dennoch ist der Arbeitsaufwand in den Büros nicht gesunken, vielleicht sogar im Gegenteil. Der Computer hat so einiges ermöglicht, an das früher nicht einmal zu denken war, und es wird gemacht. Datensammlungen und Auswertungen aller Art z.B. haben den frei gewordenen Raum mehr als eingenommen.

    Natürlich ist nicht jeder ehemaligen Stenotypistin der Übergang ins Reich der Office-Anwendungen geglückt. Entsprechendes mag auch für manchen Journalisten in der Zukunft zutreffen. Man kann aber auch einfach schlussfolgern, dass zwar das alte Berufsbild verschwinden wird, derjenige, der es ausgefüllt hat, aber nicht – sofern er mit der Zeit geht und sich den neuen Anforderungen stellt. Welche die sein werden? Wer weiß? Sich im Internet auszukennen schadet sicher nicht, Affinität zur Technik ebenfalls nicht. Ich könnte mir aber auch einen neuen Trend zurück zur Reportage vorstellen, authentische Geschichten aufspüren und erzählen. Das war einmal der Mythos des Journalisten, des Reporters – und das tun Blogger (bislang) eher nicht.

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