Workaround für die Online-PR: Medienkontakte mit Spreadsheet verwalten

Die Blogszene ist voll mit hochwertigen Tipps, wie man sein Webprojekt oder sein Startup richtig pitcht und welche Tech-Medien und Journalisten die richtigen Ansprechpartner sind. Hinweise, wie man seine Medienkontakte dabei praktisch organisiert und nachverfolgt, findet man dagegen nur selten, auch weil es für solche Aufgaben – bis auf wenige Ausnahmen – nur teure spezialisierte Enterprise-Lösungen auf dem Markt gibt. Experimentiert man jedoch mit Google Spreadsheet als Alternative, stellt man schnell fest: Die profane Tabelle eignet sich garnicht so schlecht.

Online-PR mit Google Spreadsheet
Medien-Pitches sind auch eine Frage der Organisation – und Spreadsheet kann helfen. Foto von Nat Buckley auf Flickr, Lizenz CC BY-NC-SA 2.0

Bei einem Beitrag über die Organisation von Medienkontakten sollte natürlich auch ein Wort über das richtige Pitchen von Tech-Journalisten fallen, denn das Eine ohne das Andere macht wenig Sinn. An dieser Stelle können wir das Wort allerdings Mike Butcher von TechCrunch Europe übergeben, der in einem 15-minütigen Vortrag  auf einem HackFwd-Event im Sommer 2011 die Grundlagen des richtigen Medien-Pitchs sehr unterhaltsam und anschaulich vermittelt hat:

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Wer diese Grundlagen verinnerlicht hat und anschließend einmal versucht, in – sagen wir mal – 500 ausgewählten Online-Medien gezielt Berichterstattung zu generieren, dürfte ohne Hilfsmittel relativ schnell im Chaos versunken sein: Wen habe ich jetzt schon angeschrieben? Was hat er geantwortet? Wann soll ich wen nochmal kontaktieren? Bekomme ich von TechCrunch jetzt gerade zum dritten Mal eine Absage mit dem Hinweis, dass ich auf der Spam-Liste gelandet bin?

Im Vertriebsbereich werden solche Problem mit CRM-Systemen (Customer Relation Management) gelöst, und möglicherweise kann man sich mit den kostenfreien Varianten auch bei der PR-Arbeit behelfen (Zoho, Sugar-CRM etc.). CMR-Abwandlungen, die speziell für die Anforderungen der Pressearbeit entwickelt wurden, sind dagegen fasst immer Enterprise-Lösungen und für kleine Projekte oder Startups völlig unerschwinglich. Ob darüber hinaus all diese Engerprise-Lösungen auch den Wandel von der alten Push-PR hin zur dialogorientierten Kommunikation nachvollzogen haben, kann ich nicht beurteilen.

Fest steht, dass es sich für viele kleine Startups und vor allem für private Webprojekte einfach nicht lohnt, Unsummen in PR-Tools zu investieren. Ich selbst habe mal kurzzeitig das online-basierte Tool BuzzStream getestet, das sich von der Preisgestaltung eher auf dem Level von Highrise und Co. bewegt. Wer es also schon ernster meint und eine gewisse Summe investieren will, kann BuzzStream mal testen. Hier soll es aber in erster Linie als Vergleich dienen und die Grenzen und Möglichkeiten von Google Spreadsheet veranschaulichen.

BuzzStream – Ein dialogorientiertes PR-Tool aus dem SEO-Umfeld

Mit BuzzStream lassen sich die Kontakte sehr komfortabel organisieren und die Macher haben sich sichtlich bemüht, die angebotenen Features in den normalen Arbeitsprozess und das Surfverhalten zu integrieren. Man merkt auch, dass der Anbieter aus dem SEO-Bereich kommt und es versteht, die ohnehin verwandte SEO- und Online-PR-Denke zu verschmelzen.

buzzstream
Mit Buzzstream für PR und Social-Media lässt sich der Kommunikationsprozess schon sehr gut organisieren.

Man kann das BuzzStream-Konto direkt mit seinem Mail-Konto (Gmail, Yahoo etc.) verbinden, E-Mail-Templates anlegen und die Konversation darüber tracken. Man kann sowohl Medien, als auch Journalisten erfassen, taggen und ranken. Sehr nützlich ist das Bookmarking-Tool, mit dem man auch während des Surfens neue interessante Kontakte hinzufügen kann, wobei BuzzStream mit gemischten Erfolg versucht, die Kontaktdaten automatisch von der jeweiligen Webseite zu scrapen.  Und schließlich kann man  Suchbegriffe abonnieren und erhält einen recht anständigen Stream relevanter Beiträge, mit denen man wiederum die Datenbasis relevanter Zielgruppen bzw. Zielmedien nach und nach erweitern kann.

Trotz dieser Vorteile bin ich bei meinem Projekt vor zwei Jahren nach ein paar Tagen wieder zu Excel zurückgekehrt. Die Gründe waren eher individuell: Ich stand kurz vor dem Launch meines Projekts und die Umstellung auf ein neues Tool war in der Phase zu aufwändig. Gleichzeitig eignet sich BuzzStream aus meiner Sicht eher für ambitioniertere Projekte, bei denen sich bereits ein eigener Mitarbeiter um Kommunikation und Marketing kümmert.

Kleine Alternative: Google Spreadsheet für die PR

Vermutlich greifen viele Macher bei der Organisation der Online-Kommunikation auf Excel zurück, weil Tabellen nun einmal schnell erstellt sind, sich relativ flexibel an den eigenen Workflow anpassen lassen und kaum Beschränkungen bei der Organisation vorgeben. Allerdings stößt man bei vielen Anforderungen schnell an die Grenzen.

Google Spreadsheet bietet im Gegensatz zu Excel einige Vorteile, die sich bei der PR-Arbeit als sehr nützlich erweisen können. Und damit ist nicht nur die Möglichkeit zur kollaborativen Zusammenarbeit in der Cloud gemeint.

Bei BuzzStream ist zum Beispiel die Gewichtung bzw. die Anzeige der Reichweiten von Online-Medien sehr nützlich. Ganz so komfortabel geht das bei Spreadsheet zwar nicht. Allerdings kann man über die XML-Import-Funktion mit einer Formel immerhin das Alexa-Ranking zu einer URL abrufen. Danach lässt sich eine Medienlisten relativ schnell in „Reichweiten“ klassifizieren (natürlich unabhängig von der Frage, ob reichweitenstarke Webseiten tatsächlich immer auch den wertvollsten Traffic bzw. die treuesten User für ein Projekt liefern).

In meinem Spreadsheet lautet die entpsrechende Formel wie folgt (das „&A3“ muss natürlich die Zelle mit der URL im Spreadsheet sein und dementsprechend angepasst werden) :

=value(importXML("http://www.alexa.com/search? 
q="&A3,"//div[@class='row']/span/a[@href][1]"))

Da Google die Verwendung von XML-Importe auf maximal 50 pro Spreadsheet begrenzt, ist man gezwungen, seine Kontakte in verschiedene Spreadsheets aufzusplitten. Man kann es aber auch als Segen bezeichnen, da man sich automatisch Gedanken über eine mehr oder weniger sinnvolle Klassifizierung der Kontakte machen muss:

spreadsheet
Aufgrund der Begrenzung für XML-Import-Formeln (Alexa-Ranking) muss man seine Kontakte über verschiedene Spreadsheets verteilen.

Der nächste Aha-Effekt stellte sich bei einem Artikel von seomoz ein, in dem sehr ausführlich beschrieben wurde, wie eine Digital-Agentur mit Google Spreadsheet seine Projekte organisiert und damit das allseits beliebte Basecamp abgelöst hat. In dem Artikel wurde sogar eine zumindest marginale Anbindung an Dropbox und das hier bereits vorgestellte Organisations-Tool Trello beschrieben.

Ich hab mal in aller Eile ein paar von den Tipps übernommen und so ein Spreadsheet gebaut, mit dem sich schon einige Bedürfnisse für die Kontaktpflege abdecken lassen, auch wenn es optisch natürlich nicht sehr ansprechend ist:

PR-Tabelle mit Spreadsheet
Mit der Alexa-Integration, dem Conditional Formatting und der Regelprüfung lassen sich Rankings, Auswahlfelder und Deadlines darstellen.

In Spalte B wird über die oben genannte Formel das Alexa-Ranking der Seite angezeigt. In Spalte F wird das Datum für die nächste geplante Kontaktaufnahme mit einem Conditional Formatting hinterlegt: Je nach Entfernung des Datums wird die Signalfarbe stärker. In Spalte G kann man über eine Auswahlliste (realisiert über die Form-Validierung) den Status eintragen (in diesem Fall „Zusagen“, „Absage“ oder „unsicher“).

PR mit Spreadsheet
Nützliche Funktionen wie Datepicker oder Kommentare sind bereits bei Spreadsheet integriert.

Den Datepicker liefert Google gleich mit, sofern das Feld mit einem gültigen Datum vorbelegt ist. Um das aktuelle Datum per Knopfdruck einzufügen, gibt es unter „Tools“ entsprechende Scripte von anderen Anwendern, die man aktivieren kann. Auch die Kommentarfunktion ist bereits integriert, man kann also relativ leicht das Ergebnis einer Kontaktaufnahme festhalten. Außerdem kann man über die Kommentarfunktion andere Leute per „+“ und „@“-Zeichen referenzieren bzw. benachrichtigen und so auch kollaborativ mit der Tabelle arbeiten. Über die Filter-Funktion und ein paar Schlagwörter könnte man sich sicher auch recht schnell Verteiler für bestimmte Interessengebiete generieren.

Dieser schnelle Nachbau ließe sich noch deutlich verfeinern und verbessern. Wen dieser Workaround interessiert, sollte sich in jedem Fall die Anleitung von seomoz genau durchlesen. Ich hab mich jetzt nicht mit den Scripten beschäftigt, kann mir aber vorstellen, dass auch da – bei entsprechenden Programmier-Kenntnissen – noch sehr viel herausgeholt werden kann.

Fazit: Eine schnelle, flexible Alternative

Natürlich lässt sich so ein Workaround nicht mit der Funktionsfülle und dem Reifegrad von BuzzStream oder anderen spezialisierten Tools vergleichen: Es gibt kein Bookmarklet, keine Nachverfolgung von Konversationen, das Anlegen von Projekten und Verteilern dürfte eher mühsam sein und schon bei mittelgroßen Verteilerlisten dürfte das ganze unübersichtlich werden.

Auf der anderen Seite lässt sich Spreadsheet sehr individuell anpassen, sodass man sich nicht in einen ungewohnten Workflow zwängen muss. Nicht zuletzt ist eine solche Tabelle sehr schnell aufgesetzt und natürlich kostenfrei. Für kleine Privatprojekte oder für kleine Startups, die sich in der Anfangsphase befinden, könnte Spreadsheet genau der richtige Workaround sein, um ohne lange Einarbeitung oder Investitionen etwas auszuprobieren.

Tipp zum Weiterlesen

Im April 2017 haben wir unseren Themenschwerpunkt „Digitale Pressearbeit“ veröffentlicht.