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Die Macht der Blogs

Weblogs werden von Unkundigen gern mit dem Begriff „Online-Tagebuch“ abgetan und belächelt. Dabei können Sie Informationen demokratisieren. Im Gegensatz zu großen Medien sind Blogger schwerer fassbar und rutschen Einflussnehmern durch die Hände. Die Gemeinschaft der Blogs ist wie ein Schwarm und wehe, man hat sie gegen sich. Bei uns in Deutschland betrifft das vor allem Händler und Hersteller. In anderen Regionen der Welt sind sie den Herrschenden ein Dorn im Auge. Die Frage ist nur: Wann wird auch diese Internet-Utopie zerstört?

Das weltweite Datennetz ist ein Informationsmeer. Dieser Tage erhielt ich beispielsweise eine Einladung, schaute mir den Ort des Geschehens wie selbstverständlich bei Google Maps im Satellitenbild an und ließ mir eine Wegbeschreibung geben. Neulich ging ich mit Google Earth auf Entdeckungstour und las Wissenswertes zum Beispiel über Angkor Wat in Wikipedia nach. Genial. Wer will, hat mit dem Internet heute einen mächtigen Verbündeten an seiner Seite.

…oder gegen sich. Manche Informationen sind unbeliebt. So wurde die Vita von Siemens-Chef Klaus Kleinfeld in der Wikipedia geschönt. Der Manipulationsversuch flog auf. Pech, denn nun ist der Manager erst recht der Buhmann.

Die Wirtschaftswoche widmet dem Thema „Karrierekiller Google“ eine ganze Titelgeschichte. Und gerade jetzt las ich: 30 Prozent der deutschen Internetnutzer haben ein Produkt schon einmal nicht gekauft, weil sie im Internet negative Kommentare oder Kritiken gelesen haben. Vor allem Weblogs werden hier als Informationsquelle genannt.

Dass das Internet inzwischen eine immense Bedeutung hat, fällt auch in Büros und Etagen auf, die sich bislang wenig dafür interessiert haben. Anfang 2006 gab es gleich mehrere spektakuläre Abmahnversuche, weil eine kritische Berichterstattung bei Google auf der ersten Suchergebnisseite zu finden war, teilweise noch vor der offiziellen Homepage der Betroffenen. Wie Firmen solche Äußerungen entdecken und darauf reagieren können, hatte ich hier einmal in einem Artikel zusammengefasst.

Das Internet hat Macht. Blogger gestalten einen immer größer werdenden Teil des Internets. Blogger gewinnen Macht.

Das geht auch aus einem Artikel des Spiegel hervor. Dort dreht es sich weniger um monetäre Nachteile für schlecht bewertete Shops als mehr um herrschende Klassen, die sich in ihrer Macht bedroht fühlen. Während sich große Seiten wie Google oder Nachrichtenredaktion vergleichsweise leicht sperren oder gleichschalten lassen, ist das mit den Weblogs kaum möglich. In weniger als zwei Minuten lässt sich ein Blog starten – kostenlos, ohne Spezialkenntnisse. Und sofort kann ich meine Meinung hinausposaunen und weltweit abrufbar machen.

Die Frage ist hier aber: Wie lange bleibt uns die Utopie vom demokratischen Medium Internet?

Schon früher mussten wir Träume aufgeben. Das Internet wird kommerzieller. Und: Macht korrumpiert. Solange ich einfach nur meinem Bedürfnis nachgehe, meine Meinung zu äußern, ist die Welt noch in Ordnung. Sobald ich meine Macht begreife, verändert sie sich. Sobald andere entdecken, wie sie auf mich Einfluss nehmen können, ist sie nicht mehr dieselbe.

Schon heute gibt es diverse Versuche, die Berichterstattung in Blogs zu lenken. Firmen haben sich gar auf diese Dienstleistung spezialisiert. Die harmlose Variante: Spezielle Internetseiten werden erstellt, die nur dazu dienen, Nutzer neugierig zu machen und von Blogs verlinkt zu werden.

Weniger harmlos: Weblogger werden gekauft oder belohnt, damit sie über bestimmte Produkte berichten. Oder Firmen stellen gefälschte Blogs ins Netz, um gezielt gegenzusteuern. Wehe, wenn das auffliegt…

Vertreter der alten Medien sehen in der Subjektivität der Weblogs aber bisweilen ihren entscheidenden Nachteil. „Spätestens bei der Frage nach der Richtigkeit der Information, kann man diesen interessengeleiteten Informationen nicht mehr trauen. Deswegen glaube ich, dass der öffentlich-rechtliche Journalismus Konjunktur haben wird und die journalistische Aufgabe wichtiger wird als jemals zuvor“, sagt ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender gegenüber dem Handelsblatt.

Aber dieses Interview ist noch einmal eine eigenen Auseinandersetzung wert.