Erfolgreiche Zusammenarbeit auf Zeit ist ein Thema, mit dem sich fast alle Unternehmen einmal auseinandersetzen müssen. Leider ist dies nicht immer ein reibungsloser Prozess. Aber mit der richtigen Herangehensweise und einem Bewusstsein für die Fallstricke kann sich daraus für alle Beteiligten eine gute und lohnende Erfahrung entwickeln, wie Jeanette Wygoda in ihrem Beitrag aufzeigt. Sie erklärt es aus Sicht der Verantwortlichen und der externen Kräfte.
Inhaltsverzeichnis
Einführung
Flexibel Unterstützung ins Team zu holen, ist für Unternehmen inzwischen Alltag geworden. Auch bei selbstständig Arbeitenden ist die „Gig Economy“ oder „Plattformökonomie“ eine feste Säule um an Jobs zu kommen. Teams auf Zeit sind damit auch ein Zeichen der Zeit und fester Bestandteil von New Work.
Unterschiedliche Beschäftigungsverhältnisse, wie Festanstellung, Freelance, Interim Management, Werksverträge, oder Beratung, in einem Unternehmen zu vereinen, ist nicht erst seit Corona eine Antwort auf die komplexen und schnell wechselnden Herausforderungen in der Wirtschaft – Tendenz steigend.
Die befristeten Verträge haben vielfältige, oft unterschätzte Auswirkungen auf Unternehmen, Teams und jede*n Einzelne*n. Veränderungen in der Team-Zusammensetzung sowie den Arbeitsbeziehungen wechseln in immer kürzeren Abständen. Freelancer oder Interim Manager laufen dabei Gefahr zu gesichtslosen, austauschbaren Teammitgliedern zweiter Klasse zu werden. Das sorgt nicht nur für Frustration bei den Externen, es gefährdet auch den Erfolg der gemeinsamen Arbeit.
Folgend zeige ich auf, welche Herausforderungen es gibt und wie sie sich bewältigen lassen.
Die Herausforderungen für Führungskräfte und Teammitglieder
Ein Team, das ständig wechselnde Mitarbeiter*innen begrüßen darf, ist kaum in der Lage inhaltlich zu arbeiten, kreativ und produktiv sein. Stattdessen wird viel Zeit und Energie darauf verwendet die „Neuen“ einzuarbeiten, und die Beziehungen zu den neuen Kolleg*innen zu gestalten.
Bei ständig wechselnder Zusammensetzung innerhalb der Gruppen oder Abteilungen fehlt die Historie zum Projekt oder dem Produkt. Tradiertes Wissen über Zusammenhänge, Werte und Schnittstellen geht verloren – und das kostet am Ende nicht nur Nerven, sondern auch bares Geld.
Unterschiedliche Rahmenbedingungen erhöhen die Komplexität
In Teams auf Zeit bestehen unterschiedliche Absprachen und Vertragsarten nebeneinander, so dass auch vermeintlich gleiche Rollen im Team wie beispielsweise Layouter in einer Agentur oder Redakteurinnen bei einem Content-Anbieter, verschiedene Rahmenbedingungen haben können.
Da gibt es zum einen die administrativen Verträge, die regeln, wer zu welchen Konditionen bis zu welchem Datum für das Team tätig ist.
Zum zweiten definieren die inhaltlichen Rahmenbedingungen, wer welche Aufgabe übernimmt. Oft sind diese wichtigen Informationen mehr lose besprochen als schriftlich und nachvollziehbar definiert.
Und zum dritten gibt es die psychologische Dimension der Erwartungen und Annahmen von beiden Seiten – Führungskraft und externer Kraft. Was erwartet die Führungskraft? Was die Freelancer? Mit welchen Vorstellungen und Erwartungen starten beide in die Zusammenarbeit? Welche Hoffnungen und – leider oft unausgesprochenen – Annahmen haben die Teams als auch die Fachkräfte? Gerade diese psychologische Dimension wird oft unterbewertet und birgt viel Potenzial für Konflikte.
Die Hebel um als Team auf Zeit erfolgreich zu sein
Die fünf häufigsten Fehler von Führungskräften und was du stattdessen tun kannst
- Unterschiede in Rollen und Bedürfnissen nicht anerkennen und nicht berücksichtigen.
Mach’s besser: Sei Dir der Komplexität der Rahmenbedingungen in Deinem Team bewusst. Und verhandele mit jedem neuen Teammitglied einen „psychologischen Vertrag“. - Glauben, dass sich neue Menschen schon von selbst ins Team integrieren.
So geht‘s: Bereite Dein Team auf die zusätzliche Kraft vor und gib dem Team Raum den oder die Neue kennenzulernen. - Erst sprechen, wenn es Konflikte gibt.
Das kannst du tun: Mach deine inhaltlichen Erwartungen explizit und sprich auch scheinbar Selbstverständliches aus. So entwickelt ihr eine gemeinsame Diskussionsbasis. Das zahlt sich aus, wenn es Konflikte gibt, denn dann habt ihr eine belastbare Beziehung, wenn es darauf ankommt. - Onboarding ist nicht der Zugang zur Dokumentenablage.
Mach’s besser: Onboarding funktioniert nicht ohne aktive Unterstützung. Neben technischen Infos oder Prozessen sind auch die kulturellen Regeln im Team entscheidende Informationen, damit der oder die Externe sich gut ins Team einfinden kann. - Freelancer grußlos verabschieden.
Stattdessen: Auch wenn du ehemalige Freelancer vielleicht nie wieder siehst, dein Team registriert durchaus, ob es eine gemeinsame Kultur des Verabschiedens gibt. Dank und Wertschätzung für einen Projekt-Manager, dessen Vertrag ausläuft, ist für die bleibenden Kolleg*innen ein Anzeichen dafür, wie viel sie selbst am Ende von ihrer Führungskraft erwarten können.
Teams auf Zeit mit Freelancern, Berater*innen oder Interim Managern sind auch für die Führung kein Selbstläufer. Die Führungskraft ist oft nur teilweise oder gar nicht weisungsbefugt. Dieser Führungsstil, auch laterale Führung genannt, bezeichnet die Leitung von Teams ohne die Beteiligung eines traditionellen Chefs.
Die reine „Befehlskette“ funktioniert nicht. Daher müssen Führungskräfte umdenken: Effektiver werden Teammanager, wenn sie sich auf Gespräche und zielorientierte Zusammenarbeit konzentrieren. Ihre erste und wichtigste Aufgabe ist, die einzelnen Teammitglieder zu befähigen und zu unterstützen, selbständig zu denken und kreative Problemlösungen zu entwickeln.
Laterale Team-Leiter*innen müssen noch mehr als traditionelle Chefs in der Lage sein, die Dynamik in ihrer Mannschaft genau einzuschätzen. Für die Head-ofs solcher Crews geht es eher darum, Beziehungsarbeit zu leisten als Aufgaben erledigen zu lassen.
Die goldene Regel für Führungskräfte von Teams auf Zeit: Nehmt nichts als selbstverständlich! Gerade bei Teams mit wiederkehrendem „Ablaufdatum“ könnt Ihr kaum zu viel über die Prozesse, Team-Werte und die gemeinsame Zusammenarbeit sprechen.
Checkliste für Führungskräfte
- Zielvereinbarungen und Auftragsklärung: Die richtigen Absprachen zu Beginn bilden die Basis für den Erfolg. Definiert gemeinsam mit den Freelancern, was soll wann wie laufen?
- Psychologischer Vertrag: Klärt Eure Erwartungen, wie Ihr im Alltag miteinander arbeiten wollt. Welche No-gos gibt es bei Euch im Unternehmen? Habt Ihr kulturelle Besonderheiten, wie einen monatlichen Team-Lunch?
- Transparenz gewinnt: Bereite mit einer Vorstellungsemail an alle Kolleg*innen und interne Stakeholder den Erstkontakt mit den „Neuen“ vor.
- Das Prinzip „Kalbshaxe Florida“: Restaurants machen es vor und Du kannst es auch. Zwischendrin mal nachfragen, wie es läuft und ob alles in Ordnung ist. Das hilft Probleme zu Beginn aus dem Weg zu räumen und nicht bis zur Eskalation zu warten.
- Wertschätzung geht immer: Wir alle wünschen uns Wertschätzung und Lob, wenn es gut läuft. Und Wertschätzung ist nicht zuletzt ein Schmiermittel für eine erfolgreiche Zusammenarbeit.
Der Tool-Koffer für Freelancer
Freelancer, Berater*innen oder Interim Manager können selbst viel zum Gelingen von Teams auf Zeit beitragen. Bevor es zum neuen Kunden geht, hier eine „Packliste“ für deinen Tool-Koffer:
Kenne dein persönliches Prozess-Management
Verschaff dir Klarheit, wie du am besten arbeiten kannst und was du dabei von anderen brauchst, z.B. Deadlines, Feedback oder persönlicher Austausch, um richtig gut zu performen. Bist du mehr der Team-Player und willst erstmal die neuen Mitstreiter*innen kennenlernen, bevor ihr produktiv werdet? Oder bist du eher Typ Emerit*in und bildest gute Beziehungen, indem du fokussiert mit andern an einer Sache arbeitest? Wenn du weißt, wer du bist, gib‘ anderen eine kurze „Gebrauchsanweisung“: „Sorry, Smalltalk erst nach dem zweiten Kaffee!“
Je besser du deinen persönlichen Arbeitsstil kennst oder wie du dein „Prozess-Management“ betreibst, desto schneller und produktiver kannst du dich mit anderen Teams und Prozessen verbinden.
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Nimm deine Auftraggeber beim Onboarding an die Hand
Es ist so weit: Der erste Tag eurer Zusammenarbeit startet. Du bist voller Tatendrang und willst gleich loslegen. Und dann hat dein Kunde keine Zeit für ein richtiges Onboarding eingeplant. Nicht selten heißt es: „Schau Dir mal die Dateien auf dem Server an.“ Oder: „Check mal die Dokumente auf Sharepoint!“
Ohne Plan fühlst du dich jetzt vielleicht orientierungslos, allein gelassen oder einfach wie bestellt und nicht abgeholt.
In solchen Situationen ist es gut, dass du deinen Kunden an die Hand nehmen kannst und ihm beim gemeinsamen Onboarding unterstützt.
Hilf Deinem Auftraggeber, dich ins Team und die Prozesse zu integrieren und sag ihm, was du brauchst und wie du am besten arbeiten kannst.
Teams haben leider oft keinen definierten Onboarding-Prozess. Dann ist es gut, wenn du deine Auftraggeber*innen an die Hand nimmst und einen Fahrplan für einen gemeinsamen Onboarding-Prozess parat hast.
Deine Checkliste für das gemeinsame Onboarding
- Vereinbare so früh wie möglich einen Onboarding-Termin, bei dem ihr besprecht, wie ihr die Startphase gestalten wollt.
- Welche Ziele und Milestones sind für das Projekt relevant?
- Wie ist die Kultur des Teams oder des Unternehmens? Lass Dir davon berichten, wie das Selbstverständnis des Kunden oder des Teams ist.
- Vielleicht kannst du einen Mentor oder eine Mentorin bekommen, um dich über deine Beobachtungen auszutauschen. Du schaust mit frischem Blick auf das Team oder das Unternehmen. Ein Mentoring kann euch helfen, die Beobachtungen zu reflektieren und gewinnbringend einzusetzen.
- Was sind No-Go-Areas in der Zusammenarbeit oder im Team?
- Welche Prozesse müssen eingehalten werden?
- Hast du alle Zugangsdaten für die gemeinsam verwendete Software? Welche digitalen Tools für die Zusammenarbeit wollt ihr nutzen?
- Vereinbart nach drei Monaten einen Feedback- oder Schulterblick-Termin. Gebt euch bei diesem Termin transparent Feedback, wie die Zusammenarbeit läuft und ob ihr noch auf dem vorab vereinbarten Weg seid. Ist das Ziel, das Ihr am Anfang vereinbart habt, noch das aktuelle Ziel? Falls eine der Fragen mit „Nein“ beantwortet wurde, verhandelt am besten gleich über eine Richtungsänderung.
Fazit: Team auf Zeit aktiv steuern
Teams auf Zeit haben sich inzwischen etabliert und werden auch in Zukunft weiter zunehmen. Unternehmen und Führungskräfte tun gut daran, sich auf diese spezielle Form der Mitarbeiterführung vorzubereiten, und Teams auf Zeit aktiv zu steuern.
Doch die Aufgabe, aus wechselnden Freelancer:innen ein schlagkräftiges Team zu entwickeln, ist keineswegs allein die Aufgabe der Auftraggeber. Selbstständige Consultants, Projektmanager und andere Externe haben am besten für sich selbst schon ein Onboarding-Programm entwickelt, um es den Teams bei der Integration so einfach wie möglich zu machen.
Dieser Artikel gehört zu: UPLOAD Magazin 107
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Jeanette Wygoda ist Inhaberin der Organisationsberatung WYGODA – WY to Work. Als Organisations- und Teamentwicklerin berät sie Unternehmen und coacht Führungskräfte zu Collaboration und New Work. Als Fachautorin, Trainerin und Dozentin publiziert sie regelmäßig zu Organisations-, HR- und Governance-Themen.