Die Zukunft scheint gerade bei technischen Innovationen immer noch so weit weg zu sein, dabei stimmt das eigentlich nicht wirklich. Wir leben in einer Zeit, in der der technologische Fortschritt so schnell vonstatten geht, dass wir neue Technologien von der ersten Idee bis zur Marktreife aktiv begleiten dürfen. Nehmen wir nur einmal das Internet oder die mobile Kommunikation. Beides sahen wir zuerst in Science-Fiction-Filmen und benutzen es heute wie selbstverständlich.
Always Connected
Oft wird uns das aber erst dann wirklich bewusst, wenn wir darauf verzichten müssen — so wie ich im Flieger auf dem Weg zur Elektronikmesse CES 2014. Wobei das eigentlich nicht mehr nötig sein sollte, denn mittlerweile gibt es auch über den Wolken zumindest in der Theorie schon eine schnelle Internetverbindung, aber auf meinem Flug gab es leider Verbindungsprobleme. Okay, kein Problem, das gibt es beispielsweise im Zug ebenfalls. Oder auf der Autobahn, wenn die Netzabdeckung nicht ausreichend ist, außerhalb der Ballungsräume. Für solche Fälle bin ich vorbereitet, kein Problem. Dennoch wäre es für mich als Journalist schon sehr erfreulich, wenn ich mir auf meinen Reisen einfach keine Gedanken mehr über eine Verbindung zu meinem Arbeitsplatz Internet machen müsste, egal mit welchem Verkehrsmittel ich gerade unterwegs bin. Und ich bin mehr denn je davon überzeugt, dass wir diesen Zustand schon bald erreichen werden. Wir müssen uns nur einmal ansehen, wie sich die Automobilindustrie als neuer Antreiber dieser flächendeckenden Versorgung positioniert.
Connected-Car-Systeme sind schon keine Zukunft mehr, sondern werden mehr und mehr zum Standard. Niemand muss mehr während einer Autofahrt auf den Kontakt zur digitalen Kommunikationswelt verzichten. Moment mal, werden jetzt sicher einige Leser sagen, das geht doch über ein Smartphone ohne zusätzliche Technik, was brauche ich denn da spezielle Ausstattungen im Auto? Ja, das geht, keine Frage, aber mit integrierten Systemen, wie sie von vielen Automobilherstellern bereits angeboten werden, wird das nächste Level in Sachen Komfort und Sicherheit erreicht. Und mehr noch: Integrierte Systeme sind besser auf die Anforderungen der „mobilen Mobilität“ angepasst, sie fungieren zudem als Hotspot für alle Geräte der Mitreisenden.
Intelligente Assistenzsysteme ebnen den Weg
Für mich ist das ein erster erfreulicher Schritt, doch eine andere Entwicklung ist sogar noch spannender, da ich unterwegs gerne mit dem Laptop oder dem Tablet arbeite. Die Rede ist vom pilotiertem Fahren und in nicht allzu ferner Zukunft auch vom autonomen Fahren, also das, worüber wir in den letzten Jahren schon unter der Bezeichnung Selfdriving Cars mehrfach gehört haben: Man setzt sich ins Auto, gibt das Ziel an und wird dann vom Bordcomputer sicher dorthin gefahren. Ganz komfortabel und ohne Staugefahr. Theoretisch bräuchte man dafür noch nicht mal ein eigenes Auto, doch das ist dann wohl die nächste Ausbaustufe. Bis dahin sind aber auch so noch genügend Probleme zu umkurven. Doch die liegen weniger im Aufgabenbereich der Automobilhersteller, als vielmehr bei der Politik und den Kommunikationsversorgern.
Die unmittelbare Zukunft gehört aber zunächst dem pilotierten Fahren. Dabei handelt es sich um hochentwickelte Fahrerassistenzsysteme, die in bestimmten Situationen auf Wunsch des Fahrers die Kontrolle über das Fahrzeug komplett übernehmen können. Kommt es auf der Autobahn beispielsweise zu einem Stau oder dem berüchtigten Stop & Go, so bietet das System die Übernahme der Fahrkontrolle an. Mit einem simplen Knopfdruck kann der Fahrer dann das nervige Anfahren, Abbremsen, wieder Anfahren und wieder abbremsen an den Fahrassistenten übergeben und sich anderen Dingen widmen. Da auch die nötigen Lenkbewegungen übernommen werden, kann der Fahrer die Hände vom Lenkrad nehmen. Dadurch ergeben sich ganz neue Möglichkeiten solche Situationen produktiv oder unterhaltend zu nutzen, die ansonsten nur einen ärgerlichen Zeitverlust bedeuten würden. Ein Geschäftsreisender, der auf dem Weg zu einem Meeting ist, könnte bei einer längeren Verspätung aufgrund eines Staus beispielsweise über die integrierten Systeme per Videokonferenz an dem Meeting teilnehmen, statt es einfach zu verpassen.
Dass das pilotierte Fahren bereits bestens funktioniert, hat Audi auf der CES 2014 in Las Vegas der Presse vorgeführt. Ein künstlicher Stau auf dem Highway in der Nähe von Las Vegas sorgte für eine sichere, aber auch reale Umgebung für die Live-Vorführung. Sobald die Geschwindigkeit einen definierten Grenzwert für eine bestimmte Zeit unterschreitet, bietet der Staupilot seine Dienste über eine Einblendung im Armaturenbereich an. Nach einem Knopfdruck übernimmt das System die Lenkung und die Geschwindigkeitsregulation in beide Richtungen. Der Abstand zum vorausfahrenden Auto bleibt dabei immer konstant auf sicherem Niveau. Für den Einsatz in Deutschland könnte sich hier übrigens noch eine Problematik ergeben, die in den USA nur selten zu beobachten ist. Da es in den USA kein Rechtsfahrgebot gibt und die Fahrstreifen autark voneinander betrachtet werden, sind Spurwechsel eher selten und fast schon verpönt. So gab es während der Testfahrt auch nur einmal die Situation, dass sich jemand in die Testkolonne einordnete und damit die Abstandsregulierung erschwerte. In Deutschland wäre die Lücke zum vorausfahrenden Auto quasi eine Einladung zum Einscheren, auch wenn oder gerade weil der gehaltene Abstand den gesetzlichen Regeln entspricht. Verringern wird sich diese Problematik aber automatisch, wenn erst genügend Autos mit solchen Systemen ausgestattet sind.
Wer jetzt glaubt, er könne sich komplett zurückziehen und schlafen, der irrt sich. Die Ingenieure von Audi sehen den Schlaf als problematisch an, weil es immer wieder Situationen geben kann, in denen die Fahrer eingreifen müssen. Dafür reichen in der Regel etwa zehn Sekunden aus, d.h. stellt das System eine Situation fest, die ein Eingreifen des Fahrers nötig macht, hat dieser noch zehn Sekunden Zeit die Kontrolle zu übernehmen.Tut er dies dann nicht, wird der Wagen kontrolliert und sicher zum Stillstand gebracht. Die zehn Sekunden reichen laut der gewonnenen Erkenntnisse aus der Experimentalphase dazu aus, eine sichere Übergabe der Kontrolle zu gewährleisten. Einzige Ausnahme: Schläft der Fahrer und wird dann vom System geweckt, reichen die zehn Sekunden unter Umständen nicht aus. Zudem könnten aus dem Schlaf gerissene Fahrer zu fehlerhaften Reaktionen neigen. Um solche Situationen zu vermeiden, behält eine Kamera im Rückspiegel den Fahrer buchstäblich im Auge. Dabei werden die Augenbewegungen beobachtet und sollte der Fahrer diese länger als zehn Sekunden schließen, so wird er vom System per Warnsignal (hier sind unterschiedliche Systeme in der Erprobung) von einem Tiefschlaf abgehalten.
Pilotiertes Fahren ist keine Frage der Technik mehr
Nicht nur Audi hat auf der CES 2014 neue Systeme auf dem Weg zum Auto der Zukunft vorgestellt. Gleich neben dem Stand von Audi positionierte sich auch Mercedes mit einem imposanten Messestand. Vielleicht hilft die zeitliche Nähe zur bedeutenden Automesse in Detroit, zu der die Automobilhersteller gleich im Anschluss an die CES weiterreisten, der Elektronikmesse dabei, Automotive als starkes Thema zu verankern. Allerdings haben sich in den letzten Jahren auch die Grenzen zwischen der digitalen Konsumentenwelt und der Herstellung von Autos stark angenähert. Autofahren soll zum Erlebnis werden und nicht mehr nur zum Fahrerlebnis. Die Revolution der mobilen Kommunikation endet dabei keinesfalls mit dem Einsteigen ins Auto, im Idealfall funktioniert sie dort gerade besonders gut. Wer viel mit dem Auto unterwegs ist, sei es auf dem Weg zur Arbeit oder auch zum Kunden, der kann es sich heute kaum erlauben oder vorstellen für die gesamte Fahrzeit von der Kommunikation abgeschnitten zu sein. Zukünftige Autogenerationen werden an dieser gesellschaftlichen Entwicklung kaum vorbei kommen und mehr als die heute bekannten Funktionen bereitstellen.
Ein Bereich, in dem es künftig große Veränderungen geben wird, ist das Cockpit. Statt hier nur die Geschwindigkeit und die Drehzahl anzuzeigen, wird der ganze Bereich hinter dem Lenkrad zu einem Bildschirm mit vielfältigen Funktionen. Dafür kann dann auf das von der Position her ungünstig gelegene Display über der Mittelkonsole ganz verzichtet werden. Neben intelligenten Navigationssystemen können hier auch Kommunikationssysteme integriert werden, die beispielsweise Zugriff auf die E-Mail-Inbox oder die Teilnahme an Videokonferenzen erlauben. Letzteres wird dabei nicht permanent zur Verfügung stehen, sondern nur in Fahrsituationen, die nicht die Aufmerksamkeit des Fahrers benötigen – beispielsweise, wenn ein Fahrassistent die Kontrolle übernommen hat, weil man sich in einem Stau befindet. Wie das kündig aussehen könnte, zeigte Audi mit dem Cockpit für den neuen TT, der noch 2014 auf den Markt kommen wird.
Weitere Assistenzsysteme, wie beispielsweise automatisiertes Einparken, ohne dass der Fahrer im Auto verbleiben muss, befinden sich ebenfalls schon in der praktischen Erprobung und könnten schon bald die Serienreife erlangen. Pilotiertes Fahren ist also rein technisch gesehen keine Zukunftsversion mehr, sondern bereits erlebbare Technik. Bis zur Einführung solcher Systeme gibt es für die Automobilhersteller aber noch eine ganze Reihe von Problemen zu lösen. Im Wesentlichen lassen sie sich in zwei Bereiche einteilen: rechtlich und gesellschaftlich. Dass rechtliche Aspekte erörtert und geklärt werden müssen, ist schnell einsehbar. Es geht hier immerhin um das Bewegen von Fahrzeugen, die in der Lage sind, erhebliche Schäden zu verursachen. Ein normaler Unfall mit Blechschaden wird von den KfzVersicherungen geregelt, doch wie ist das, wenn der Unfall von einem Assistenzsystem verursacht wird? Geht das überhaupt? Und ist dann der Fahrer, der ja die Kontrolle an das System abgegeben hat, dafür verantwortlich? Oder ist dann der Hersteller verantwortlich? Und wie verhält es sich bei Unfällen, bei denen Fahrzeuge mit und ohne Assistenzsystemen zum pilotiertem Fahren beteiligt sind? Hier werden sich die Autohersteller noch intensiv mit den Gesetzgebern auseinandersetzen müssen und zwar sehr wahrscheinlich in jedem Land gesondert.
Dazu kommen gesellschaftliche Fragen. Wie wird beispielsweise eine flächendeckende Akzeptanz dieser Systeme erreicht? Mit zunehmender Technologisierung unseres Alltags steigt auch die Zahl derer, die den neuen Technologien wenig bis gar nichts abgewinnen können. Vermutlich wird es auch hier wieder größere Unterschiede in den verschiedenen Ländern geben, mit denen sich die Autohersteller auseinandersetzen müssen. Helfen können da sicherlich Pilotprojekte aus Ländern mit geringen rechtlichen Hürden. Sicher ist das aber keinesfalls, denn sollten sich dabei Probleme manifestieren, wäre die Wirkung verheerend ins Gegenteil verkehrt. Dazu kommt noch die Frage, was diese Systeme den Konsumenten letztlich kosten werden. Sind sie zu teuer, bleiben sie der Luxusklasse vorbehalten, was eine flächendeckende Verbreitung langfristig stören würde. Dass Systeme zum pilotiertem Fahren ohne Aufpreis zu haben sein werden, ist allerdings kaum vorstellbar. Immerhin sind die Entwicklungskosten nicht gerade gering, da es sich um sicherheitsrelevante Systeme handelt, die fehlerfrei und redundant funktionieren müssen.
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Autonomes Fahren als nächste Evolutionsstufe
Das pilotierte Fahren ist keinesfalls mit den Experimenten im Bereich „Selfdriving Cars“ zu verwechseln. Während das pilotierte Fahren nur eine Zwischentechnologie ist, bei der der Fahrer zeitweise die Kontrolle über das Auto abgeben kann, ist das autonome Fahren die nächste Evolutionsstufe. Autonomes Fahren würde konkret bedeuten, dass ich mich auch nach hinten setzen könnte und das Auto komplett autark vom Fahrer funktionieren würde. Ich könnte mich also zum Arbeiten ins Auto setzen und mich zum nächsten Termin fahren lassen. Alles ohne eigenes Zutun, mal von der Zieleingabe abgesehen.
Querdenker Gunter Dueck hat dazu bei den Kollegen von t3n eine sehr interessante Vision zur Zukunft des Autos gezeichnet:
Selbstfahrende Autos und NUR noch solche, als Taxis „on demand“ per Smartphone: Unsere Autos fahren im Schnitt weniger als zehn Prozent der Zeit. Wenn man alles auf Selbstfahr-Taxis umstellt und ein Jeder eine Flatrate für beispielsweise 20.000 Kilometer pro Jahr kauft, brauchen wir nur noch 15 oder 20 Prozent der Autos, keine Parkhäuser und keine verstreuten Ladestationen. Man könnte mit 90 Jahren in jedem Kleinstdorf wohnen, schließlich hat man ja ein Auto. Nur einen kleinen Haken hat die Sache: Man braucht nicht so viel Autoindustrie.
Funktionieren kann das allerdings nur, wenn alle Autos mit solchen Systemen ausgestattet sind und diese miteinander sowie mit der Infrastruktur kommunizieren können. Dafür ist es dann aber auch nötig, dass sich die Automobilhersteller untereinander auf kompatible Standards verständigen und nicht jeder sein eigenes Süppchen kocht.
Google beispielsweise experimentiert bereits mit selbstfahrenden Autos und hat als Entwickler von Android gleich die passende Plattform für die integrierten Netzwerksysteme. Hier gibt es mit der Open Automotive Alliance jetzt eine neue Initiative, die Automobilhersteller mit den Technologieanbietern zusammen bringen will. Zu den Mitgliedern gehören derzeit Audi, General Motors, Honda und Hyundai auf Seiten der Autohersteller und Google und Nvidia auf der Seite der Technologieanbieter. Für den Start ist das sicher hoffnungsvoll, aber es fehlen noch große Player wie Mercedes-Benz, Toyota, Ford und VW. Auch die Seite der Service-Provider ist noch nicht abgedeckt, obwohl das ein wichtiger Bereich sein wird.
Aber ob die Automobilhersteller wirklich von sich aus die Initiative ergreifen und eine Vision des autonomen Fahrens wahr werden lassen, wie sie Gunter Dueck beschreibt, ist zumindest fraglich. Das Auto wäre dann eben nur noch ein Fortbewegungsmittel, wenn auch ein sehr komfortables. Aber alle anderen Attribute, die uns nicht zuletzt von der Automobilindustrie seit je her eingeimpft werden, würden dann mit einem Schlag wegfallen. Das Auto als Statussymbol? Obsolet, wenn niemand mehr eins besitzen müsste. Das Auto xy sorgt für den besonderen Fahrspaß? Auch das wäre hinfällig, wenn alle Autos eigeständig fahren würden. SUV, Cabrios oder Mini-Vans für unterschiedliche Kundenwünsche? Egal, das würde man dann einfach bei der aktuellen Bestellung angeben – scheint die Sonne, darf es heute mal das Cabrio sein, will man einkaufen, nimmt man ein größeres Modell.
Schöne neue Welt? Wir werden es erleben. Und vermutlich wirklich wir und nicht erst unsere Kindes-Kinder – zumindest das scheint sicher.
Dieser Artikel gehört zu: UPLOAD Magazin 7
Unter anderem geht es in dieser Ausgabe um die Selbstorganisation im Home Office, die Zukunft der Autos und wie man mit Foursquare & Co. eine neue Stadt für sich entdecken kann. Gastautor ist Olaf Kolbrück. Sein Beitrag dreht sich um „die Macht der Daten im Onlinehandel“.
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Falk ist Freier Journalist und Blogger und berät zudem Unternehmen bei ihrer digitalen Kommunikation, der Content Strategie und der Distribution von Inhalten im Social Web. Online zu finden ist er auf seinem privaten Blog, bei Twitter und LinkedIn.
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2 Gedanken zu „Die Zukunft des Autos: Vernetzt, pilotiert, autonom“
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