Corporate Publishing: Unternehmens-Website als Online-Magazin

Nach dem Test im Heimatland geht Coca Cola nun auch bei der deutschen Unternehmens-Website einen neuen Weg: Sie ist seit wenigen Tagen in ein Online-Magazin namens „Coca Cola Journey“ umgewandelt. Solches „Corporate Publishing“ ist dabei im Print-Bereich alles andere als neu, könnte im Internet aber aus seiner Nische herauskommen – herausragende Inhalte vorausgesetzt.

Coca-Cola Journey Startseite
Die Startseite von „Coca Cola Journey“ zeigt bereits den Themenmix.

„Coca Cola Journey“ als digitales Kundenmagazin

Dass ein Unternehmen wie Coca Cola eigene Medien herausbringt, ist nicht das Besondere. Wir alle kennen wahrscheinlich die Kundenmagazine von Fluggesellschaften, Autoherstellern oder der Bahn. Manche davon sind so interessant und gut gemacht, dass man sie sogar freiwillig zur Hand nimmt und nicht nur, weil man gerade nichts Besseres zu tun hat. Ein Online-Magazin ist da im Prinzip erst einmal nur die digitale Entsprechung solcher Publikationen.

Interessant ist allerdings, dass Coca Cola sein Online-Magazin nicht zu einem zusätzlichen Produkt macht, sondern damit seine bisherige Unternehmenswebsite ersetzt. Warum das in diesem Fall eine sinnvolle Idee ist, ist gleich noch das Thema. Die Websites zu den einzelnen Produkten und Untermarken des Unternehmens bleiben derweil aber erhalten.

In den USA hatte Coca Cola dieses Experiment bereits Ende 2012 gestartet. „Mehrere Millionen Dollar“ wollte das Unternehmen in den Auftritt investieren, heißt es beispielsweise bei Meedia. Allerdings werden in dem Post keine Vergleichszahlen genannt, denn auch die vorherige Website war schließlich erheblich mehr als eine Webvisitenkarte. Insofern ist nicht klar, ob Coca Cola hier mehr Geld als zuvor investiert oder eben schlichtweg in anderer Form einsetzt.

Die Zugriffszahlen hätten sich seit der Umstellung „rasant gesteigert“, berichtet Meedia weiter – auch diesmal leider wieder ohne konkrete Zahlen. Auch die Angabe, Coca Cola sei innerhalb eines halben Jahres kurz davor, die „Sechs-Millionen-Visits-Marke zu knacken“ ist ohne Vergleichszahlen wertlos. Insofern lässt sich der Erfolg des Online-Magazins schwer beurteilen.

Die "Stories" zeigen, was Coca Cola auf der Seite alles gleichzeitig unter einen Hut bringen möchte.
Die „Stories“ zeigen, was Coca Cola auf der Seite alles gleichzeitig unter einen Hut bringen möchte.

Dennoch bleibt festzuhalten, dass das „Journey“-Konzept nun von den USA auf Deutschland übertragen wird. Insofern kann man wohl die Vermutung anstellen, dass das US-Vorbild gut genug funktioniert hat. Die Inhalte werden laut Horizont „mit einem gemischten Team aus Mitarbeitern der Kommunikationsabteilung sowie eigens engagierten Freelancern“ erstellt.

Acht bis zehn Beiträge pro Monat sollen laut Meedia auf der deutschen „Journey“-Website künftig erscheinen. Dazu gehören auch Übersetzungen von Artikeln der US-Seite. Coca Cola selbst betont, dass das deutschsprachige Journey speziell für den hiesigen Markt gemacht sei.

Beiträge sollen zum Diskutieren und Sharen anregen

Schon auf der Startseite wird der Themenmix deutlich. Selbstverständlich dreht sich auf Coca Colas Website vieles um die eigenen Produkte, aber man möchte ganz offensichtlich mehr bieten. Man möchte sich als verantwortungsbewusstes Unternehmen präsentieren, das nicht nur jede Menge Geld scheffelt, sondern sich mit diesem Geld beispielsweise auch für Hilfsprojekte einsetzt. Und natürlich möchte man das positive Lebensgefühl transportieren, das das Unternehmen gern mit den eigenen Produkten verknüpft sehen möchte.

Die Inhalte von Journey sollen bei alldem „unterhaltsam, informativ und diskutierbar“ sein, wie Patrick Kammerer, PR-Chef bei Coca-Cola Deutschland via Pressemitteilung wissen lässt. „Wir möchten die Nutzer inspirieren, mit uns und untereinander zu diskutieren und die Themen in den sozialen Medien zu teilen.“

Im Willkommens-Beitrag schreibt er:

Auf Journey bieten wir Ihnen Aktuelles aus der Welt von Coca-Cola, Geschichten über unsere Marken und Hintergrund zum Mythos, der sie umgibt. Wir widmen uns dem Thema Lebensfreude und berichten über unser Engagement für Gesellschaft und Umwelt. Regelmäßig laden wir Experten aus unterschiedlichen Lebensbereichen ein, ihre Ansichten auf Journey mit Ihnen zu teilen. Außerdem fragen wir unterschiedlichste Zeitgenossen nach ihrer persönlichen Vorstellung vom Glück.

Mit dieser Mischung soll es gelingen, im laufenden Überangebot an Informationen aufzufallen – ein nicht gerade einfaches Unterfangen. Es müssen schon herausragende Inhalte sein, die man auf Journey findet, sollen diese Leser zur Seite bringen.

Coca Cola Journey Meinungen
Die Meinungsbeiträge sollen sich idealerweise im Social Web verbreiten.

Allerdings hat Coca Cola Journey natürlich einen klaren Startbonus: Das Unternehmen Coca Cola muss man niemandem mehr vorstellen. Insofern ist die Idee hinter dem Online-Magazin wahrscheinlich: Wenn jemand auf die Seite kommt, soll diese Person etwas finden, was interessant ist, sie auf der Seite hält und im Idealfall dafür sorgt, dass diese Person es per Social Media weitergibt. Zudem verstärkt Coca Cola mit dem Schwerpunkt auf „Lebensfreude“ etc. die Werbebotschaft, dass das eigene Leben schöner, erfüllter und fröhlicher ist, greift man nur zum richtigen Erfrischungsgetränk.

Dieser Schritt ist dabei zumindest für Coca Cola keine Revolution, denn schon früher wurden auf der Unternehmenswebsite Themen abseits der eigenen Produkte behandelt. Was sich mit dem Wechsel zum „Journey“-Magazin geändert hat, ist die Darstellung und folgend die Schwerpunktsetzung. Standard-Inhalte wie die Übersicht zur Markenwelt oder Job-Angebote sind weiterhin vorhanden, rücken aber in den Hintergrund. Das ist auch logisch, denn wer sich dafür interessiert, muss nicht erst dafür begeistert werden.

Für die Selbstdarstellung und die Markenbotschaft aber kommt niemand auf eine Unternehmenswebsite. Deshalb werden diese Inhalte bei „Journey“ so verpackt, dass man sie nebenbei mitbekommt.

Das ist das klassische Trojanische Pferd der Unternehmenskommunikation, das man wie eingangs erwähnt im Corporate Publishing schon bestens kennt.

Frage 1: Vorbild für alle Unternehmens-Websites?

Wenn ein Unternehmen sein Geld hauptsächlich außerhalb des Internets verdient, stellt sich schnell die Sinnfrage bei der eigenen Website. Was genau möchte man dort machen, das der Kunde oder Interessent nicht schon aus anderen Quellen kennt? Die eigenen Werbematerialien einfach noch einmal digital anzubieten, ist da zwar eine Möglichkeit, nur sollte man sich davon sicherlich kein zusätzliches Geschäft versprechen.

Richtet man sich an den Konsumenten und nicht etwa an Businesskunden, kann ein „magaziniges“ Auftreten wie bei Coca Cola Journey durchaus eine Option sein. Die Frage ist allerdings, wie viel Aufwand man sich leisten kann und möchte. Ein Online-Magazin, das nur selten neue Inhalte bekommt und bei dem die Nutzer vor Langeweile auf der Tastatur einschlafen, ist wenig zielführend. Meine Meinung: ganz oder gar nicht. Entweder habe ich den Willen und das Potenzial, über meine Unternehmenswebsite etwas zu bewegen. Dann kann ich das machen und habe heute etliche Möglichkeiten dazu. Dazu gehören nicht nur Texte, sondern natürlich auch Fotostrecken oder Videos als denkbare Inhalte – je nach Thema. Unser Special „Screencasting für Einsteiger“ behandelt u.a. auch die Frage, wie man sich über solche Videos bekannt machen kann.

Hat man aber nicht die Möglichkeit, die Seite so zu gestalten, sollte man es sein lassen. Der UPLOAD-Untertitel „Das Internet im professionellen Einsatz“ meint dabei zugleich: Profis wissen nicht nur was sie tun, sondern auch, was sie lassen sollten – wann und warum.

Frage 2: Chancen von Corporate Publishing im Netz

Aber können journalistisch aufgemachte Produkte unter dem Markendach eines Unternehmens überhaupt funktionieren? Martin Weigert schrieb dazu auf netzwertig.com, dass die Voraussetzungen idealer kaum sein könnten:

Erstens haben die permanenten Einschnitte bei den Verlagen zur Folge, dass sich tausende Journalisten nach neuen Auftraggebern und Einkommensquellen umschauen müssen. Zweitens ist mit den sozialen Netzwerken und ihrer Viralität sowie unzähligen untereinander vernetzten Blogs der Nährboden für neue Medienmarken geschaffen, die sich innerhalb weniger Wochen oder Monate etablieren lassen – ein gutes Beispiel hierfür ist The Verge. Drittens können die initiierenden Marken auf ihrer eigenen Nachrichtensite machen, was sie wollen, solange sie den gesetzlichen Rahmen zur Trennung von redaktionellen und werblichen Inhalten beachten.

Ich kann das nur voll und ganz unterschreiben. Natürlich erwähnt auch Martin Weigert, dass Berichte in einem solchen Unternehmens-Medium von den Lesern kaum als unabhängig wahrgenommen würden. Aber immerhin ist in diesem Fall klar ersichtlich, dass eine Abhängigkeit bestehen könnte – im Gegensatz zu manchem klassischen journalistischen Produkt.

Und Coca Cola hatte zumindest zum Start der US-Ausgabe von „Journey“ betont, dass man auch Meinungsbeiträge zulassen wolle, die nicht der eigenen Unternehmenssichtweise entsprechen.

Aber warum gleich Politik-Journalismus machen wollen? Es gibt jede Menge anderer Geschichten zu erzählen, die ein Unternehmen sogar besser erzählen kann. Thomas Knüwer schrieb zum Start des US-„Journey“:

Theoretisch hat jedes Unternehmen eine gewaltige, vielleicht gar unendliche Menge von Inhalten. Es sind die Geschichten der Produktentstehung, der Mitarbeiter, der Zulieferer, der Kunden. Doch viele Marketeers glauben nicht, dass diese Inhalte für Verbraucher interessant sind. Eine Fehleinschätzung: Wer ein Produkt gerne kauft, wer eine Marke anderen vorzieht, der hat eine schwache Verbindung zu dieser Marke. Deshalb lässt er sie in Form von Social Media gern und freiwillig in sein Leben.

Frage 3: Corporate Publishing als Retter des Qualitätsjournalismus?

Im oben schon zitierten Beitrag hatte Martin Weigert die provokante These aufgestellt, dass Unternehmen künftig nicht nur hauseigene Publikationen herausbringen, sondern ganze Newsrooms betreiben könnten. Unilever beispielsweise gebe 6,6 Milliarden US-Dollar im Jahr für Werbung aus. Die operativen Kosten von Spiegel Online beliefen sich auf 30 Millionen Euro für ein Jahr, rechnet er vor.

Zugleich hat es der vielzitierte „Qualitätsjournalismus“ während des derzeitigen Wandels schwer. Im Internet zählen heute fast ausschließlich die Abrufzahlen, denn sie lassen sich über Werbeeinblendungen zu Geld machen. Versuche mit Paid Content werden bislang nur vereinzelt gewagt, wenn auch teilweise Erfolg versprechend. So lange es aber vor allem darum geht, möglichst viele Leser auf die Seite zu locken und diese möglichst viele Klicks machen zu lassen, ist für Qualitätsjournalismus alter Schule kaum Platz. Zugleich haben zahlreiche klassische Medienangebote mit sinkendem Interesse und folglich sinkenden Einnahmen zu kämpfen – auch das kein idealer Nährboden für unabhängigen und hochwertigen Journalismus.

Das Medienprodukt eines Unternehmens muss hingegen überhaupt nicht für sich profitabel sein. „Coca Cola Journey“ wird nur Geld kosten, aber direkt keines einbringen. Und gerade deshalb ist im Corporate Publishing noch Platz für die große Reportage und ähnliche Stücke, die sich klassische Medien gar nicht mehr leisten können oder wollen. Das Unternehmen hingegen möchte sich im Glanz des hochwertigen Magazins sonnen und damit die Kundschaft beeindrucken.

Natürlich stellt sich zugleich die Frage, wie weitgehend Qualitätsjournalismus unter der Flagge eines Unternehmens überhaupt möglich ist. Schließlich verfolgt ein Unternehmen eigene Ziele und das unter dem Blickwinkel der Gewinnmaximierung. Interessenskonflikte sind so gesehen unvermeidlich. Auf der anderen Seite gibt es Firmen, die sich ihrer Verantwortung innerhalb der Gesellschaft bewusst sind und sich dem tatsächlich und ehrlich stellen. Hinzu kommt die für manche Journalisten sicher ketzerische Frage, wie viele Verlage heute noch willens und in der Lage sind, unabhängig von ihren Werbekunden zu agieren.

Letztlich kann man sich wohl darauf einigen: Corporate Publishing kann nicht generell der Retter des Qualitätsjournalismus sein. Aber er könnte so manchem Text und anderen Inhalt eine Chance geben, für den es andernorts keinen Platz mehr gäbe. Und das gilt künftig sicherlich auch zunehmend für den Online-Journalismus.

Tipps zum Weiterlesen

Mehr Informationen und Meinungen rund um Corporate Publishing, den Medienwandel sowie das Projekt „Coca Cola Journey“:

A N Z E I G E

BMA - Business Management Akademie

 

4 Gedanken zu „Corporate Publishing: Unternehmens-Website als Online-Magazin

  1. Lieber Jan, ein inspirierender Artikel zur Technik des Content Marketing. Aber daneben gibt es ja noch eine inhaltliche Seite. Wie du selbst schreibst, ist das Unternehmen hinlänglich bekannt. Das kann kaum Ziel der Seite sein. Was weniger bekannt ist, ist die Marke. Von daher möchte ich, aus meiner bescheidenen persönlichen Sicht heraus, daß Wort „trojanisches Pferd“ revidieren. Dieses Pferd war eine kreative Höchstleistung. Aber die „Creative Exzellenz“ hat Coca-Cola als Ziel beerdigt. Dieses „Pferd“ will nicht erobern. Roß, Reiter und von mir aus auch „der Bauch“ des Pferdes, sind mit Namen und Anschrift benannt. Dieses Pferd ist keine Falle. Es ist ein Angebot.

  2. [ Bitte lösche den einen Kommentar und nimmt den korrigierten Kommentar. Warum entfernst du den Backlink? ;-) ]
    Die Coca Cola-Seite geistert schon länger als Anregung für den Einsatz einer Website im Rahmen der Kommunikation meiner Kunden durch meinen Kopf.
    Du hast den richtigen Punkt zumindest andiskutiert: Das Budget und die relevanten Neuigkeiten.
    Für mich kommt ein derartiger “Newsroom” daher nur für sehr wenige Unternehmen in Frage, die zudem im B2C-Bereich tätig sein müssen.
    Daneben ist der emotionale Nachrichtenwert nicht zu unterschätzen. Dieser liegt nur bei wenigen Branchen vor.
    Ergo: Gute Idee, aber nur eingeschränkt massentauglich.

  3. @Nicolas: Siehe dazu in den Kommentar-Richtlinien: „Als URL ist ausschließlich eine private, persönliche Profilseite bei einem Social Network möglich. Auch dies dient dazu, manuellen Kommentarspam einzudämmen.“

    Deshalb steht im Kommentarformular auch: „Deine Profilseite (Facebook, Twitter, Google+ etc.):“ Sollte eigentlich ziemlich eindeutig sein ;)

    Hintergrund ist: Das ist hier eine Kommentarfunktion und kein kostenloses Backlinkformular :)

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