Was man aus "6 vor 9" lernen kann

„6 vor 9“ ist ganz offensichtlich die beliebteste Rubrik des Blogs Medienlese aus dem Hause Blogwerk. Denn nachdem bekannt wurde, dass das Blog aus wirtschaftlichen Gründen nicht mehr über den April hinaus betrieben werden soll, formierte sich schnell um Sachar Kriwoj von Massenpublikum eine Runde von Unterstützern, die vor allem „6 vor 9“ behalten wollen. Jetzt wird Geld gesammelt: Kommen 2.000 Euro zusammen, läuft „6 vor 9“ bis Oktober weiter. Plötzlich finden sich also Leser, die bereit sind, für Inhalte zu bezahlen. Wie kommt das zustande?

Screenshot medienlese.com

Manche sagen, dass Information im Internet an sich keinen Wert mehr habe, weil sie ja nahezu unbegrenzt vorhanden sei. Und was es nahezu unbegrenzt gibt, hat (rechne, rechne) einen Wert nahe Null.

Das stimmt nur solange, wie ich die einzelne Information allein betrachte.

Eine Zusammenstellung und Aufbereitung von Informationen kann hingegen sehr wohl wertvoll sein – wenn die Zielgruppe einen entsprechenden Nutzen daraus zieht. Das ist übrigens gar nichts Neues und anderswo leben viele Menschen ganz prächtig davon.

Das Modell „6 vor 9“

„6 vor 9“ selbst ist keine rasend neue Idee. Es sind sechs Linktipps zu einem bestimmten Themenbereich, die morgens erscheinen. Aber es lassen sich daran einige Erfolgsfaktoren ablesen.

Ein Faktor ist Verlässlichkeit. Unter dem Titel „Erfolgsfaktor Verlässlichkeit“ habe ich darüber schon einmal geschrieben.

Ich meine damit vor allem inhaltliche und konzeptionelle Verlässlichkeit. Schaut Euch in der Medienlandschaft um: Alles ist auf Verlässlichkeit programmiert. Der Spiegel erscheint montags, die Tagesschau kommt um 20.00 Uhr, die Serie XY immer am Dienstag um 21:15 Uhr usw. Warum machen die das? Weil sich die Leser, Zuschauer und Zuhörer daran gewöhnen und es nach und nach in ihren Tagesablauf einbauen. Man ist es gewöhnt, dieses Medium zu diesem Zeitpunkt zu konsumieren.

Sicher: Das Internet ermöglicht es mir glücklicherweise, aus solchen starren Formaten auszubrechen. Das ist auch wunderbar so – aber das ist eben nicht alles. Menschen mögen es, wenn sie sich auf etwas verlassen können und sie gewöhnen sich daran. Solche Grundpfeiler zu haben, ist immer eine gute Idee.

Konzeptionelle Verlässlichkeit bedeutet hierbei zudem, dass ich als Nutzer weiß, was ich vorfinde. Die „6 vor 9“-Links sind eine Quelle für interessante Links aus dem Medienbereich. Darauf kann ich mich verlassen. Sie sind immer morgens da. Auch darauf kann ich mich verlassen. Bei vielen Lesern sind sie offenbar so alltäglich geworden wie es bei anderen Menschen heute noch die morgendliche Tageszeitung ist (ein Effekt, von dem die Zeitungen noch sehr lange zehren werden – aber das nur nebenbei).

Ein weiterer Faktor kommt hinzu: Es wird über die Information hinaus eine eigene, möglichst einzigartige Leistung erbracht. Hier ist es das Zusammenstellen der Links. So viele Feeds zu verfolgen und daraus jeden Werktag die interessantesten Tipps zusammenzustellen, ist eine Leistung. Und es ist eine Leistung, die die Leser wertschätzen, weil sie selbst die entsprechende Zeit nicht investieren möchten.

Sie sparen Zeit, sie gewinnen wichtige Einsichten – also sind diese Informationen eben nicht wertlos.

Es muss natürlich eine Zielgruppe geben, die bereit ist, für eine solche Leistung zu bezahlen. Idealerweise bedeutet es für sie „geldwerte Vorteile“ darüber informiert zu sein.

Das ließe sich noch weiter ausbauen, aber das habe ich in dem Beitrag „Warum bezahlte Inhalte ihren großen Auftritt noch vor sich haben könnten“ schon getan. Da spreche ich auch noch weitere Faktoren an, die bezahlte Inhalte ermöglichen können.

Fazit

Welches Fazit ziehen wir daraus? Machen wir jetzt alle Linktipps? Nein. Verlangen wir jetzt alle Geld von unseren Lesern oder bitten um Spenden? Nein, nein. Darum ging es mir nicht.

Aber es ist generell eine gute Idee, sich erfolgreiche Medienprodukte anzuschauen und zu überlegen, welche allgemeinen Grundregeln sich davon ableiten und im Fall von TV, Radio, Zeitung, Zeitschrift, Buch usw. auf ein Angebot im Internet übertragen lassen. Verlässlich zu sein und einen Mehrwert zu bieten, gehört beispielsweise dazu.

Was aus Medienlese und „6 vor 9“ wird, muss man sehen. Ich fand es aber sehr interessant, dass sich spontan recht viele Leser zu Wort gemeldet haben, die etwas bezahlen würden – und es hier bei betterplace auch schon getan haben.

Dienste wie iBusiness beispielsweise zeigen bereits seit Jahren, wie man mit Informationen Geld verdienen kann – wenn sie zielgruppengerecht und medienadäquat aufbereitet werden. Ob das nur für spezielle Zielgruppen funktioniert oder sich auch auf eine breitere Masse übertragen lässt, ist heute noch nicht abzusehen.

Eins ist allerdings auch klar: So wie nicht jedes Magazin am Kiosk überlebt, kann auch nicht jedes Webprojekt überleben. Das ist eine Tatsache, an die wir uns ebenso werden gewöhnen müssen.

Links zum Thema

Nachtrag vom 27. April: Nach drei Tagen ist die fragliche Spendensumme von 2.000 Euro zusammengekommen. Die Rubrik „6 vor 9“ wird nun wohl bis Oktober fortgeführt.

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SEO Frankfurter Medienhaus

 

12 Gedanken zu „Was man aus "6 vor 9" lernen kann

  1. Naja, ich sehe auch so gut wie keine Monetarisierungsanstregungen auf medienauslese.com. (Adsense, Banner, Affilliatelinks?!?) Einen werbefreien Blog aufzubauen ist zwar schön und für den Nutzer angenehm, wenn sich aber keine weiteren Monetarisierungsmodelle überlegt werden, brauch man sich nicht zu wundern, dass keine Einnahmen entstehen. Medienauslese.com hat so viel wiederkehrende und neue Leser, wieso werden nicht einfach die Leads eingesammelt und anschließend in Autorespondern attraktive Angebote beworben? Das ganze kann man zu 100% auf Autopilot stellen und es ist eine hervorragende Monetarisierungsform.

  2. Die von Dir wahrgenommene Werbefreiheit ist mit Sicherheit unfreiwillig. Hinter Medienlese steht schließlich Blogwerk und das ist ein Verlag für Online-Angebote und dementsprechend darauf ausgerichtet, mit seinen Blogs Geld einzufahren. Mit manchen geht das halt einfacher als mit anderen, so traurig das im Einzelfall ist.

    Dieses Phänomen kennt man aus anderen Medienbereichen allerdings auch.

    Was Deinen Vorschlag angeht: Kannst Du die „attraktiven Angebote“ genauer benennen? Was würdest Du denn den Medienlese-Nutzern anbieten wollen? Also: In welcher Branche gäbe es denn aus Deiner Sicht interessierte Werbekunden und passende Angebote?

    Ich bin mir auch nicht sicher, ob die Idee eines solchen Autoresponder-Werbemailings zur Leserschaft passt, die man auf einer Seite wie Medienlese antrifft.

  3. Hmm interessantes Konzept und sehr interessante Reaktion der Leser. Anscheinend handelt es sich um so ein gutes Projekt, dass es wohl einen deutlichen Mehrwert bietet.

    Was mich wundert: Dass niemand das Blog kaufen möchte. Dann hätte sich das Problem erledigt.

  4. Diese Spendenbereitschaft ist in meinen Augen eine Ausnahme. Interessant wird in paar Monaten, wenn das „Geld“ wiedermal ausgeht, ob sich dann noch Spender finden.

    Anderseits muss sich eine Verlag doch im klaren sein, dass 99 Prozent der Blogs wirtschaftlich mehr als unrentabel sind, weil sich grundsätzlich mit Blogs kein Geld zu machen ist, auch wenn das Wenige anders behaupten.

  5. Ja, es glauben viele nicht an bezahlte Inhalte und ziehen das deshalb leider auch gar nicht erst in Betracht.

    Ob an dem Projekt dann „Blog“ oder sonstwas steht, ist aus meiner Sicht egal. Es muss eine zahlungsbereite Zielgruppe haben und deren Bedürfnisse bedienen. Dann kann es klappen.

    Spenden halte ich allerdings auch nicht für ein gangbares Modell mit Zukunft. Man sollte aus den Spendern am besten gleich Abonnenten machen – so nennt sich nämlich das seit Jahrzehnten bewährte „paid content“-Modell.

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