Kreatives Schreiben (1): Garantiert Texte erstellen dank Clustering

Was tun „Schreiberlinge“ wie Journalist/innen oder Blogger/innen, wenn sie vor dem berühmt-berüchtigten weißen Blatt oder dem Bildschirm sitzen? Schreiben natürlich! Leichter gesagt als getan, denn oft ist der Wille da, das Blatt bzw. der Bildschirm bleibt dennoch leer. Was tun? Mein Tipp: Probieren Sie doch einmal Clustering aus – eine kreative Schreibmethode, die von der deutsch-amerikanischen Dozentin Gabriele L. Rico Mitte der 70er Jahre entwickelt wurde. Der Begriff „cluster“ (engl.) bedeutet soviel wie Bündel, Büschel, Traube, Häufchen. Es geht also darum, Informationen und Gedanken anzuhäufen und zu bündeln.

Wie wird ein Cluster erstellt?

Im Gegensatz zur linearen Aufzeichnung von Notizen steht beim Clustern ein Wort oder eine Aussage in der Mitte des Papiers. Das kann beispielsweise ein Thema sein, über das Du in Deinem Blog berichten willst oder über das Du recherchieren musst – etwa „Weihnachtsgeschenke per Internet“.

Dieses Thema wird nun ins Zentrum eines Blatts Papiers geschrieben und umkreist. Ausgehend von diesem Cluster-Kern (= Thema) werden nun alle Assoziationen notiert. Jede Assoziation wird ebenfalls umkreist und durch einen Strich mit dem nächster Wortassoziation verbunden. Ebenso verfährst Du mit dem nächsten Gedanken, der Dir durch den Kopf geht. Er wird umkreist und mit einem Strich wiederum zum nächsten Wort verbunden. Bereits nach wenigen Minuten entsteht so eine Gedankenkette, die sich aus vielen Kreisen zusammensetzt.

Rico, die sich intensiv mit den Erkenntnissen moderner Hirnforschung auseinandersetzt, erklärt dies in ihrem Buch „Garantiert schreiben lernen“ wie folgt:

Sie beginnen immer mit einem Kreis, den Sie auf eine leere Seite schreiben und mit einem Kreis umgeben. Dann lassen Sie sich einfach treiben… Folgen Sie dem Strom der Gedankenverbindungen, die in Ihnen auftauchen. Schreiben sie ihre Einfälle rasch auf, jeden in einen eigenen Kreis, und lassen Sie die Kreise vom Mittelpunkt aus ungehindert in alle Richtungen ausstrahlen, wie es sich gerade ergibt. Verbinden Sie jedes neue Wort oder jede neue Wendung durch einen Strich oder Pfeil mit dem vorherigen Kreis. Wenn Ihnen etwas Neues oder Andersartiges einfällt, verbinden Sie es direkt mit dem Kern und gehen von dort nach außen, bis diese aufeinander folgenden Assoziationen erschöpft sind. Dann beginnen Sie mit der nächsten Ideenkette wieder beim Kern…

aus: Rico, „Garantiert Schreiben lernen“, S. 35

Was tun mit einem fertigen Cluster?

Idealerweise sollte man so viele Clusterassoziationen aufschreiben bis das Blatt Papier voll ist. Natürliche Begrenzung ist dabei der Blattrand. Jetzt geht es darum, zügig einen kurzen Text zu erstellen. Lass das fertige Cluster kurz auf Dich wirken. Irgendeine Aussage wird Dich zum ersten Satz anregen. Schreib fünf bis zehn Minuten einen kleinen, zusammenhängenden Text. Du musst dabei nicht alle „Assoziationsblasen“ verwenden. Dazu ein Beispiel: Vor einigen Jahren habe ich in einem Schreibseminar Clustering zum Thema „Menschen ohne Wohnung“ eingesetzt. Der kurze Text, der dabei entstand und übrigens später als Radiofeature eingesetzt wurde, lautete:

Eine Wohnung zu haben bedeutet, die Tür hinter sich zu schließen, die Beine hochzulegen, Musik zu hören und ein Bett zum Schlafen zu haben. Eine Wohnung zu haben ist etwas Selbstverständliches. Platz, um abzuhängen, sich auszuruhen oder auch wilde Party zu feiern. Niemand redet einem rein, man kann machen, was man will. Vielleicht die einzige Freiheit, die man hat. Und doch sind viele Menschen von dieser selbstverständlichen Sache ausgeschlossen – auch hier in Deutschland…

Welche Vorteile bietet Clustering?

Clustering setzt als „Kurzschrift des Denkens“ einen automatischen Schreibvorgang frei. Das Schreiben aus sich selbst heraus ermöglicht einen ersten, intuitiven Kontakt mit einem Thema. Die spontanen Gedankenketten setzen sich als „Bildmuster“ zusammen, in denen sich Fachwissen, Erfahrungen und Gefühle widerspiegeln. Clustering kann als Schreib-Start-Technik in ein Thema benutzt werden oder auch dann, wenn man mit Schreibblockaden zu kämpfen hat. Darüber hinaus bietet diese Methode jedoch noch folgende Vorteile:

  • Clustering kostet wenig Zeit (ca. fünf bis zehn Minuten)
  • Clustering fördert den Spaß am Schreiben
  • Clustering ist unaufwendig: Man braucht nur Papier und Stift und kann sofort loslegen.

Letzter Tipp: Wenn Du ein Cluster erstellt hast, solltest Du möglichst rasch einen kleinen Text erstellen, denn es geht ja darum, in den „Schreibfluss“ hineinzukommen. Also nicht lange warten, gleich loslegen. Den Text kannst Du selbstverständlich per PC/Mac oder Laptop erstellen, die „Clusterblasen“ sollte man jedoch vorab auf Papier anfertigen. Damit förderst Du Deine Kreativität gleich auf zweifache Weise: Du wendest eine kreative Schreibmethode (Clustering) an und verwendest unterschiedliche Arbeitsmittel (Papier/Stift und PC).

Nun wünsche ich viel Vergnügen bei Ausprobieren. Du wirst sehen: Dank Clustering hat weder ein leeres Blatt noch eine Schreibblockade irgendeine Chance.

Über die Autorin

Ruth PinkRuth Pink ist Diplom-Politologin und Lehrbeauftragte an der Technischen Universität München und seit vielen Jahren in der journalistischen Aus- und Fortbildung tätig. Zwei Fachbücher von ihr wenden sich speziell an Medienleute: „Kommunikation in Redaktionen“ und „Kreativität im Journalismus“, siehe www.zv-online.de.

Weitere Informationen und einen Podcast zum Thema „Clustering“ finden sich im Kreativblog von Pink & Stock, siehe www.kreativblog.de

Über die Serie „Kreatives Schreiben“

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11 Gedanken zu „Kreatives Schreiben (1): Garantiert Texte erstellen dank Clustering

  1. 1. Nirgends wird behauptet, dass diese Technik gerade gestern erfunden wurde. Genauer gesagt steht oben im Text: „Mitte der 70er Jahre entwickelt“. In dem Sinne: Ja, ein total alter Hut, den aber sicher nicht alle Leser hier kennen. Und für manchen ist es vielleicht eine Anregung, so etwas einmal auszuprobieren.

    2. Bei einer Mindmap steht eine zentrale Fragestellung in der Mitte und von ihr ausgehend gibt es Verästelungen von Antworten, jeweils grob thematisch sortiert. Beim Clustering hingegen geht es um Assoziationsketten – ein Wort ergibt das nächste.

    Während sich Mindmaps gut eignen, um Dinge zu sortieren, ohne dabei schon streng hierarchisch zu arbeiten und aus ersten Ideen weitere zu entwickeln, geht es bei Clustering darum, die Ideenmaschine im Kopf in Schwung zu bringen.

    Insofern sehen die beiden Techniken vielleicht ähnlich aus, haben aber andere Auswirkungen und bieten sich für unterschiedliche Anwendungen an. Mindmaps sind zum Beispiel wunderbar geeignet, wenn man bereits viele Ideen hat, diese aber nicht richtig sortiert bekommt – meine ganz eigene Erfahrung.

    Falls ich Blödsinn erzähle und Ruth hier vorbeischaut, kann sie das gern geraderücken ;-)

  2. Hallo Dieter,
    Jan hat den Unterschied zwischen Clustering und Mind Mapping ganz gut erläutert. Näheres gibt es auch dazu im Kreativblog. Rico, von der die Methode stammt, hat leider Clustering nicht so gut vermarktet wie T. Buzan „sein“ Mind Mapping (er hat ja auch den Begriff schützen lassen).
    Viele JournalistInnen und BloggerInnen verwechseln die beiden Methoden bzw. meinen, dass keinerlei Unterschied besteht. Kurz gesagt kann man sagen: Clustering ist gut für´s Texten und Mind Mapping gut für Projektplanung bzw. Projektmanagement. Alles weitere, siehe Kreativblog bzw. unser Podcast Nr. 5
    Grüße. Ruth Pink

  3. ich weiss schon, warum ich so viel von ruth halte… sehr feiner beitrag! schoene auffrischung, wenn man schon mal die gelegenheit hatte, eine veranstaltung von und mit ruth pink zu erleben.
    danke dafuer!

  4. Ja, dieser „Dreischritt“ ist durchaus eine Möglichkeit, um (Text)Ideen zu bekommen, sie zu visualisieren und umzusetzen. Natürlich gibt es noch andere kreative Schreibmethoden. Dazu mehr im upload-magazin im Jan. und Feb. (Folge 2 und 3).

  5. Sicher sollte man noch unterscheiden in einen Sachtext und einen belletristischen, bzw. sogar Lyrik. Während ersteres sich ja ganz klar am Thema orientiert und sozusagen sein ganz privates Cluster mitbringt, ist das „freie“ Schreiben sicher die hohe Kunst. Aber wenn man dort keine Ideen hat, wird man auch mit Skizzen auf dem Zettel nicht sonderlich weit kommen. Denn Kreativität ist ja mehr als nur ein erstes Zusammentragen von inhaltlichen oder gefühlten Zusammenhängen.

    In diesem Sinne liebe Grüße
    Ralf

  6. Hallo,

    da ich eigentlich etwas „faul“ bin, tippe ich alles Mögliche nur in den PC, auf Plattformen, die man entweder einsehen kann oder auf Seiten, wo nur ich was sehe. Mache mir dann also auch meine Blasen in den PC hinein, löschen kann ich dann immer noch und wie schlecht das aussieht: Kugelschreiber: der nicht mehr schreibt, aber ach, man hat gerade DIE Idee des Jahrhunderts. Beim PC kann der Strom weggehen, aber passiert sehr selten. Und ich kann meine eigene Schrift lesen, handschriftlich habe ich immer Probleme bekommen und mag das auch nicht mehr..

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