Was haben Tchibo, Runtastic, Ritter Sport, T-Mobile Austria, RTL II und Notebooksbilliger.de gemeinsam? Sie setzen auf Corporate Blogs als Kommunikationskanal. Warum eigentlich? Welche Ziele verfolgen sie damit? Und wie viel Aufwand betreiben sie dafür? Unser Autor Jürgen Kroder hat die Blog-Verantwortlichen der Firmen befragt und daraus interessante Erkenntnisse gewonnen.
Trotz des Erfolgs von Facebook, YouTube, Twitter, Instagram und Snapchat setzen Firmen vielfach auf einen weiteren Kommunikationsweg, der in der Vergangenheit schon mehrmals als überholt bezeichnet wurde: Blogs. Doch weder sind Blogs ein Ding von gestern, noch dem Untergang geweiht. Ganz im Gegenteil: Content Marketing ist gerade „in“ und im Zuge dessen erleben auch Corporate Blogs eine Renaissance, die Falk Hedemann hier schon 2013 beschworen hatte.
In diesem Themenschwerpunkt des UPLOAD Magazins können Sie viel darüber erfahren: Wie Sie eine Erfolg versprechende Kommunikationsstrategie entwickeln, wie Sie Ihre Mitarbeiter zum Mitmachen motivieren oder wie Sie die besten Themen finden. Und Michaela Brandl zeigt Ihnen schließlich, wie Unternehmensblogs auch im B2B-Bereich funktionieren können.
Jetzt und hier wollen wir aber einmal hinter die Kulissen einiger Beispiele schauen. Dazu haben wir den Machern einen kleinen Fragebogen zugeschickt und fassen hier die interessantesten Erkenntnisse für Sie zusammen.
Inhaltsverzeichnis
Motivation: Warum betreiben Unternehmen eigene Blogs?
Da Corporate Blogs gerade wieder einen gewissen Boom erleben, kommt natürlich die Frage nach dem Warum auf. „Wir wollen einen Mehrwert bieten“, sagt Vera Schwaiger von Runtastic. „Das heißt, hilfreiche, motivierende, inspirierende Inhalte, die unsere Nutzer zusätzlich auf ihrer Reise zu mehr Gesundheit, Fitness und Bewusstsein unterstützen.“ Besondere Inhalte, die stehen auch bei der T-Mobile Austria ganz oben auf der Liste. Der österreichische Ableger der Deutschen Telekom bzw. T-Mobile betreibt nicht nur einen einzelnen Blog, sondern gleich fünf. Dazu gehört unter anderem der 0676-Blog. Der wird zur Unternehmenskommunikation genutzt, um über Apps, Sicherheit im Netz, Studien oder Trends zu informieren.
Wenn man sich die Blogs der Telekom und die anderer Firmen betrachtet, sieht man, dass die Unternehmen hier recht locker über Themen schreiben. Eben so, wie es sich aus klassischer Sicht für Blogs gehört: frisch, fromm, fröhlich und frei – um mal Theo Lingen zu zitieren. Lother Derichs von RTL II bestätigt das: Im Blog des TV-Senders geht es um spannende und auch amüsante Dinge, die nicht gleich eine Pressemitteilung rechtfertigen. Um derartigen Content zu verbreiten sei ein Blog ein guter Weg, so Derichs, da man auf keine medialen Mittler angewiesen sei.
Ein Blog als eigenständige Kommunikationszentrale für Unternehmen – das ist eine wichtige Grundidee von Corporate Blogs. So sieht das auch Tchibo. Das Unternehmen besitzt mit seinem Blog eine Plattform mit ihren eigenen Spielregeln, so die Sprecherin Sandra Coy. Zudem könne man darüber Kontakt zu Bloggern und anderen Influencern aufnehmen. Und natürlich sei der Dialog mit den Verbrauchern auf Augenhöhe wichtig, meint Meike Heitker. Die Produktmanagerin ist unter anderem für den Blog der Alfred Ritter GmbH & Co. KG, besser bekannt als Ritter Sport, zuständig. „Im Gegensatz zu klassischer Werbung entscheidet der Verbraucher beim Blog aktiv mit unserer Marke und uns in Verbindung zu treten“, so Heitker, „Wir versuchen daher, diese User permanent zu involvieren und nehmen ihre Wünsche ernst.“
KPI: Was sind die Ziele der Corporate Blogs?
Wir merkten bei unserer Recherche schnell, dass die Unternehmen nicht „einfach so“ bloggen, weil es gerade „en vogue“ ist, sondern weil sie damit Ziele verfolgen. Gibt es dafür auch KPI, also Leistungskennzahlen, die streng verfolgt werden? Jein. Die Lager sind offenbar gespalten: Während die einen bloggen, ohne bestimmte Reichweiten erfüllen zu wollen, setzen sich die anderen harte Ziele in Sachen Klicks und Leser.
Trotzdem fiel die Schlussfolgerung einheitlich aus: Für die befragten Corporate Blogs gäbe es keine K.O.-Kriterien – also keine streng vorgegebenen Reichweiten-Ziele, bei deren Nichterfüllung das Ende droht. Über eine steigende Anzahl an Lesern freut man sich verständlicherweise. Hierzu Barbara Holzbauer von T-Mobile Austria: „Auch wenn ein Artikel nach der Veröffentlichung nur weniger Leserinnen und Leser hat, heißt das nicht, dass er nicht erfolgreich ist oder wird. Wir sehen, dass manche Beiträge anfangs sehr wenig gelesen werden, über die Zeit aber tausende Views generieren“. Die Pressesprecherin des österreichischen Mobilfunk-Anbieters liefert hierzu ein Beispiel: Ein zwei Jahre alter Beitrag über Phising-Mails brachte es mittlerweile auf 23.000 Views – und das ohne Sponsoring.
Traffic: Wie kommen die Firmen-Blogs zu Lesern?
Reichweite ohne bezahlte Bewerbung, ganz organisch nur durch Weiterempfehlungen und eigene Kanäle und durch SEO – geht das überhaupt? Oder helfen die Unternehmen etwas nach, um den Traffic zu steigern – und damit auch die Relevanz des Corporate Blogs? Ja, selbstverständlich. Alle nutzen vorrangig ihre eigenen, kostenlosen Möglichkeiten. Das heißt: Die Blogposts werden auf der Homepage oder passenden Rubrikseiten beworben sowie auf Facebook, Twitter und anderen passenden Social-Media-Kanälen geteilt. Zudem wird der Firmen-Blog teilweise im Mail-Footer, in Newslettern und in Pressematerialien erwähnt.
Gelegentlich werden die Posts mit einem kleinen Budget auf Twitter, Facebook und Instagram beworben. Allerdings wohl nur recht selten, das ergab unsere kleine Befragung. Eine besondere Ausnahme war Runtastic: Die Fitness-Profis geben ihr Budget auch für bezahlte Influencer aus.
Kosten: Wie teuer sind Corporate Blogs?
Apropos Budget: Bei der Kostenfrage haben wir kein eindeutiges Feedback erhalten. In einigen Fällen war von „gering“ bis „sehr gering“ die Rede. Das sei unter anderem dadurch möglich, dass viele Blog-Inhalte inhouse produziert werden. Das heißt, die Pressestelle bzw. die Kommunikations-Abteilung verfassen die Texte, oft auch Kollegen aus anderen Abteilungen. Bei Runtastic schreiben sogar der CEO und CMO mit. Trotz der internen Unterstützung geht es nicht immer ohne externe Hilfe. Zum Beispiel setzt T-Mobile Austria auf externe Unterstützung, zu der Journalisten und Pädagogik-Experten gehören.
Bei der Technik wird mehr ausgelagert. Die technische Betreuung der Blogs, die übrigens alle auf WordPress basieren, erfolgt durch Agenturen und Dienstleister, nur selten ist jemand im Unternehmen selbst dafür zuständig – zum Beispiel beim Notebooksbilliger.de-Blog.
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Themenfindung: Über was soll/kann geschrieben werden?
Ein Grund, warum manche Firmen noch zurückhaltend in Sachen Corporate Blog sind, ist die große Frage nach dem Inhalt: Was sollen wir der Welt erzählen? Was ist für unsere Kunden wirklich interessant? Darauf haben diejenigen, die bereits erfolgreich einen Blog betreiben, eine Antwort parat.
„Die Blogthemen ergeben sich aus unserer Pressearbeit“, sagte uns gegenüber Sandra Coy von Tchibo. Ins gleiche Horn bläst Lothar Derichs von RTL II: „Ich bin mit Kolleginnen und Kollegen im ganzen Haus, die kommunikationsrelevante Themen behandeln, im ständigen Austausch.“ Ähnlich handhabt es auch Runtastic: Durch die Produkt-Roadmap ergeben sich Themen, ebenso bedenkt das dreiköpfige Blog-Team auch Trends und Jahreszeiten.
Um die Ideen zu sammeln und zu verteilen, setzen die meisten Blog-Betreiber auf einen Redaktionsplan (in der Regel in Excel erstellt), der mehrere Wochen umfasst. Doch ein sklavisches Festhalten an der Planung gibt es selten, Spontanität sei ein wichtiger Aspekt – so das einhellige Feedback unserer Ansprechpartner. Zum Beispiel kommen durch Veranstaltungen und aktuelle Ereignisse neue Themenideen zusammen, die dann kurzfristig umgesetzt werden.
Mitsprache: Wer arbeitet mit und wer darf bestimmen?
Ein Corporate Blog lebt von seiner Pluralität. Damit nicht nur eine Person ihre Sichtweise darstellt, schreiben in der Regel mehrere Personen: Mitarbeiter, freie Journalisten und externe Experten. Die Blogs werden zwar häufig in Absprache mit der Geschäftsleitung umgesetzt, doch diese mischt sich in den seltensten Fällen ein. Selbst bei großen Unternehmen gibt es wohl die Freiheit, dass im Blog eine Sichtweise gebracht werden darf, die nicht unbedingt der Unternehmensmeinung entspricht.
PR-Floskeln erwünscht? Schreibstil und Häufigkeit
Wie sieht es mit dem Schreibstil aus? Wird der von der Chefetage oder von der PR-Abteilung diktiert? „Marketingsprech“ soll es beim Tchibo-Blog nicht geben, stattdessen müssen die Texte mit den eigenen Worten des Autors verfasst werden, wurde uns mitgeteilt. Ähnlich sieht es RTL II: „Die Posts sollten möglichst authentisch sein und nicht den Duktus klassischer Unternehmens-PR haben.“
Daraus resultiert auch eine gewisse Freiheit in der Länger der Texte. Und den Veröffentlichungs-Rhythmus sieht man ebenfalls recht locker: Es gibt eine grobe Fahrtrichtung, die durchschnittlich bei zwei bis fünf Posts pro Woche liegt. Selbstverständlich gibt es Ausnahmen nach oben und unten. Beispielsweise erscheinen im Blog des Hardware-Anbieters Notebooksbilliger.de in der Regel drei Beiträge pro Tag. Dieser Rhythmus ist der „magazinigen“ Aufmachung des Blogs geschuldet.
Obwohl hier und dort Tools und Plugins wie Yoast zum Einsatz kommen, scheint das Thema SEO nicht an erster Stelle zu stehen. Manch ein Team verzichtet sogar ganz darauf, sich über Suchmaschinen-Optimierungen Gedanken zu machen. SEO-Spezialisten mögen da die Hände über dem Kopf zusammenschlagen. Doch man kann es auch so sehen: Es geht in erster Linie um die Leser.
Fazit
Ich bin positiv überrascht. Bislang dachte ich, dass viele Blogs einem strengen Diktat der Geschäftsführung oder zumindest der Marketing-Abteilung unterliegen. Dem scheint zumindest in dieser Befragung nicht so. Viele Verantwortliche haben wohl erkennt, das Blogs sich nicht so gut in das enge Korsett anderer Marketing-Maßnahmen pressen lassen. Löblich!
Passend dazu möchte ich mit einer Aussage von Meike Heitker des Ritter-Sports-Blogs abschließen: „Der Blog ist eine Möglichkeit, um mit der Community zu kommunizieren, Ideen auszutauschen, ja, auch mal Kritik zu üben. Das ist unbezahlbar“.
Dieser Artikel gehört zu: UPLOAD Magazin 42
Vier angesehene Fachleute haben in dieser Ausgabe wertvolle und praktische Tipps rund ums Thema Unternehmensblogs für Sie: Michaela Brandl, Dr. Kerstin Hoffmann, Meike Leopold und Falk Hedemann. Sie erfahren, wie Sie eine Erfolg versprechende Kommunikationsstrategie finden, auf Themenideen kommen, Mitarbeiter motivieren und wie das alles auch im B2B-Bereich funktionieren kann. Dazu hat Jürgen Kroder einen Blick hinter die Kulissen einiger bekannter deutschsprachiger Corporate Blogs werfen können.
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Der studierte Film- und Mediendesigner ist bereits seit rund 20 Jahren in der IT- und Medienbranche tätig. Jürgen unterstützt mit seiner Marketing-Agentur JK Media Consulting Startups und mittelständische Unternehmen. Nebenher arbeitet er als freier Journalist für zahlreiche Technik- und Business-Magazine, veröffentlicht als Self-Publisher eBooks und kommt gelegentlich als Gast-Dozent zum Einsatz.
Ich muss auch sagen, dass mich die Unternehmensblogs positiv überraschen, besonders von Ritter Sport und Tchibo. Während die Blogposts vieler anderer Unternehmen eher Pressemitteilungen ähneln und angestaubt wirken, ist es hier ein erfrischende Art, neue Inhalte zu teilen. Auch das Aufgreifen eines Themas wie Nachhaltigkeit, das eine große Rolle bei den Produkten der beiden Unternehmen spielt, ist sehr interessant und informativ gemacht. Und wenn dies wirklich nur mit geringem Budget umgesetzt wird, ist es umso beeindruckender.