Blogger wollen (meistens) keine Journalisten sein. Journalisten sehen (meistens) nicht ein, was an Bloggern so toll sein soll. Und doch werden beide immer wieder in einen Topf geworfen. Kein Wunder, dass es da zu Streitereien kommt. Dieser Artikel wirft den einen oder anderen verspäteten Blick auf den Schlagabtausch der vergangenen Wochen und Monate und liefert die Erklärung, warum Blogger ebensowenig Journalisten wie Journalisten Autoren sind. Zu kompliziert? Stimmt.
Stefan Kornelius hatte es in einem Kommentar in der Süddeutschen Zeitung gar nicht speziell auf Blogger abgesehen. Er wagte den Präventivschlag gegen einen Distributionsweg für Informationen und sprach von der „Seuche Internet“. Das klingt nach Quarantäne-Station, Ärzten im Dauerstress, einer humanitären Katastrophe und einer Verfilmung mit Brad Pitt und Robert DeNiro.
Da scheint Stefan Kornelius ein wenig übers Ziel hinausgeschossen zu sein. Vielleicht ist es reine Polemik gewesen. Vielleicht hat Stefan Kornelius auch zu oft heimlich bei DonAlphonso reingeschaut und wollte jetzt auch mal so richtig vom Leder ziehen. Wir wissen es nicht. Wir werden es nicht erfahren. Und letztlich ist das auch vollkommen egal. Stefan Niggemeier (Bildblog) schrieb ihm eine Mail und bekam sogar eine Antwort.
Wie auch immer. Hängen bleibt nur: Dieser Mann bewertet das Internet irgendwie nicht sonderlich positiv. Man könnte sagen: Er mag es nicht. Und vielleicht würde er sogar sagen: Es gehört wieder abgeschafft. Oder um im Bild der Seuche zu bleiben: ausgerottet. Wer weiß.
Aus der anderen Richtung wird aber auch nicht immer nur Liebe verströmt. Amerikas Selfmade-Online-Newsmakerin Arianna Huffington ließ beispielsweise bei Spiegel Online nicht viele gute Haare an den klassischen Medien. „Blogger und die ganze Online-Community zeigen den Mainstream-Medien im Augenblick, wo es langgeht“, erklärt sie dort. Tatsächlich gaben sowohl Barack Obama als auch Hillary Clinton ihre Interesse an einer Präsidentschaftskandidatur übers Internet bekannt. Dem Fernsehen blieb nichts anderes, als die Websites abzufilmen. Soweit ist es schon – zumindest in den USA. Das Problem der alten Medien sieht Arianna Huffington in den eingefahrenen Denk- und Verhaltensmustern: „Die Mainstream-Medien formulieren immer nur Gemeinplätze, sie sehen alles durch einen Rechts-gegen-links-Filter.“ Den Bloggern falle unter anderem die Aufgabe zu, die Mainstream-Medien aufzurütteln. Eine Situation, von der wir in Deutschland allerdings noch ein gutes Stück entfernt sind.
Hier versuchen sich Zeitungen wie die Frankfurter Allgemeine an der Erklärung, warum Weblogs so großer Mist sind und werden dann auch noch von bloggenden Journalistenkollegen öffentlich seziert. Sowas.
Derweil versuchte man es bei der Sonntagsausgabe der FAZ einmal mit Print 2.0 und lässt Artikel online korrigieren und ergänzen, bevor sie dann gedruckt werden. Mancher fand es interessant, andere haben es ausprobiert und wurden enttäuscht. Mir kommt es so vor, als würde man auf der Brücke eines Containerfrachters mal die Fenster öffnen, um ein bisschen Sportboot-Feeling zu bekommen. Sprich: Da passt was nicht zusammen. Sehr schön wurde es bei heise.de kommentiert:
Partizipativ mit P wie Prometheus meint hier, dass sich ein richtiger Journalist einen von der Palme wedeln kann, wie gut Journalisten doch sind (breites Allgemeinwissen, professionelle Recherche, ein gewisses Arbeitsethos). Beflissen dazu gesellen sich die besten Kommentare braver Musterschüler aus dem Leistungskurs Gemeinschaftskunde, die eine Chance haben, im Blatt abgedruckt zu werden.
Ein bisschen streiten Blogger und Journalisten hin und her, beide verwahren sich (meistens) dagegen, mit dem jeweils anderen in einen Topf geworfen zu werden. Blogger seien keine Journalisten und Journalisten keine Blogger.
Stimmt.
Die Frage ist nur, warum das so besonders erwähnenswert ist. Auch Romanautoren sind keine Journalisten und Journalisten keine Romanautoren. Jedenfalls meistens, manchmal eben doch.
Und so gesehen sind Weblogs und Blogger Vertreter einer anderen Gattung von Schriftlichkeit. Sie sind Varianten eines alten Themas namens „das geschrieben Wort“.
Dass Verlage dereinst den Bloggern die Leser abspenstig machen könnten, wie kürzlich bei off-the-record mit einem Hauch von Provokation behauptet ist daher sehr schnell als Unsinn zu entlarven. Echte Blogs und ihre Leser haben ein eheähnliches Verhältnis miteinander. Das gibt es außerhalb der Blogosphäre kaum. Überhaupt Blogosphäre: Dieses Gefühl einer Gemeinschaft wird man in der gedruckten Welt vergeblich suchen. Die Gründe, warum etwas geschrieben oder gelesen wird sind hier jedenfalls komplett andere als bei den alten Medien. Wie Jan Schmidt kürzlich in einem Artikel schrieb:
Die meisten Blogger, Podcaster oder YouTube-Nutzer wenden sich eben nicht an eine generelle Öffentlichkeit, sondern wollen Gedanken, Informationen und Meinungen mit anderen teilen. „Öffentlich“ heißt im neuen Internet nicht mehr zwangsläufig „gesellschaftsweit relevant“, sondern oft einfach nur: „für alle zugänglich, die es interessiert“.
Blogs sind so anders wie Zeitschriften und Bücher. Niemand würde darüber diskutieren, ob die neue Ausgabe der Brigitte nun einen weiteren Stephen King-Roman überflüssig macht.
Blogger und Journalisten werden sich immer ein wenig übervorsichtig beschnüffeln. Bei Journalisten und Autoren ist es ja ebenso. Aber irgendwann wird das einfach Alltag sein. Und ganz selbstverständlich wird es talentierte Menschen geben, die ebenso zum Bloggen wie zum streng journalistischen Schreiben neigen und nebenbei noch Buchbestseller landen.
Und weil man mit Zahlen immer alles und nichts beweisen kann: In den USA werden vermehrt Zeitungs-Blogs gelesen. Wahrscheinlich nur, bis Blog-Zeitungen kommen.
Jan hat mehr als 20 Jahre Berufserfahrung als Online-Journalist und Digitalpublizist. 2006 hat er das UPLOAD Magazin aus der Taufe gehoben. Seit 2015 hilft er als CONTENTMEISTER® Unternehmen, mit Inhalten die richtigen Kunden zu begeistern. Und gemeinsam mit Falk Hedemann bietet er bei UPLOAD Publishing Leistungen entlang der gesamten Content-Marketing-Prozesskette an. Der gebürtige Hamburger lebt in Santa Fe, New Mexico.
Sehr schöne Zusammenfassung. Allerdings finde ich diesen sympathischen Kleinkrieg sehr lustig und stehe natürlich auf der Seite der Blogger! Trotzdem kaufe ich mir diverse Printprodukte, denn die funktionieren ohne Strom und man weiß vorher, was man bekommt.
Ich gehe fest davon aus, dass es Blogs und Zeitungen auch in Zukunft geben wird und nichts das Andere ersetzt.
Langweilig finde ich es nur, wenn die klassischen Medien auf 2.0 machen. Damit machen sie sich relativ lächerlich, denn es scheint so, als ob sie davon keine Ahnung haben.
Es ist genau die selbe geschichte wie mit den Skifahrern und den snowboardern.
Die Skifahrer verächten die Pistenrowdys.
Und die Snowboarder finden skifahren langweilig, deswegen fahren sie ja Snowboard.
Und ganz viele Snowboarder waren früher einmal Skifahrer.
Genau das selbe ist das mit den Bloggern und den Journalisten!!
Okay..vielleicht nicht ganz..aber dennoch gibt es parallelen.
Alexander Stritt
@Alex: Also ich denke dabei immer an PC oder Mac, Windows und Linux, Macromedia oder Adobe …
Danke für den Hinweis auf diesen Artikel. Finde ich sehr interessant.
Heidi
Ich habe den Verdacht, da lacht sich jemand mächtig ins Fäustchen und denkt, solange sich Journalisten und Blogger (und die dazwischen) behacken, merkt ja keiner, dass die verlorene und/oder sterbende ‚Helden‘, die vielen langweiligen und überflüssigen Medien und Formate sind, welche solange gemolken werden, wie es eben geht und genügend Leute dafür arbeiten oder/und zahlen.
Solange Journalisten sich dazu hergeben, für solche Publikationen zu ’schreiben‘ und Bezieher/Leser sich nicht von lieb gewonnen, aber sinnlos gewordenen Gewohnheiten und Verhaltensschematas lösen können, werden die belohnt, die mitleidslos Journalisten, Redakteure und Leser ausnehmen, solange es sich rechnet.