Ihr kennt das ja: An jeder Ecke stolpert man über den neuen, vermeintlich revolutionären Trend, aber irgendwie fehlt die Zeit, sich in die Details einzulesen. Ähnlich ging es auch mir bei der Vorbereitung dieses Beitrags, und so wurde aus dem Problem der Vielen die Lösung für den Einen: Ein kurzer Workshop für alle, die trotz fehlendem Halbwissen über den neuen Hype (in diesem Fall 3D-Printing) in unterschiedlichen Gesprächssituationen einigermaßen schlau aussehen wollen …
Inhaltsverzeichnis
3D-Druck auf der Vernissage
Intellektuelle und Künstler sind kein leichtes Metier, schon weil sich Geist und Bildung mit einer Handmade- und Do-It-Yourself-Mentalität mischen, die ja auch die „Maker“-Generation der 3D-Print-Community für sich beansprucht. Am elegantesten zieht man sich mit einem kurzen Streifzug durch die Literaturgeschichte aus der Affäre: Cory Doctorow, William Gibson oder Philip K. Dick.
Philip K. Dick dürfte mit seiner Kurzgeschichte „Pay for the Printer“ von 1956 einer der Ersten gewesen sein, die sich mit einer Art 3D-Druck literarisch auseinandergesetzt haben: In einer post-nuklearen Welt verfügt die außerirdische Spezies der Biltong über die Fähigkeit, Gegenstände identisch zu replizieren und sogenannte „prints“ herzustellen. Die Prints wiesen allerdings schon damals gewisse Qualitätsmängel auf, insbesondere wenn es sich um Kopien von Kopien handelte. Das Sujet wurde unter Anderem als Bild für die Entfremdung durch die Massenproduktion gedeutet.
William Gibson hat sich als zeitgenössischer SF-Autor ebenfalls mit dem 3D-Druck beschäftigt: In seinem Roman „All Tomorrow’s Parties“ von 1999 wirbt die Firma Nanofax AG damit, Gegenstände per Digital-Technik physisch und über räumliche Entfernungen hinweg zu (re-)produzieren. Vorbild für Gibson war das damals in der Industrie bereits verbreitete Rapid Prototyping mit Hilfe der Stereolithographie, die eine Variante der 3D-Druck-Techniken darstellt.
Cory Doctorow hat mit seiner Novelle „Makers“ 2009 endlich die Bibel der 3D-Druck-Evangelisten verfasst: Zwei Nerds, die – bewaffnet mit 3D-Printern, wirren Ideen und allerley Gadgets – einer Maker-Subkultur fröhnen und die „New Work“-Ökonomie feiern.
Bei dem anschließenden Literatur-Diskurs sollten die Gesprächspartner möglichst nicht merken, dass man keinen blassen Schimmer von Literaturgeschichte hat und auch die zitierten Bücher eigentlich nicht kennt …
3D-Druck auf der Verleger-Messe
Moment, irdendwas hast du jetzt missverstanden. Klar, der Vergleich mit der Erfindung des Buchdrucks, aber das war doch eher eine Analogie, der gesellschaftlich-wirtschaftliche Impact und so … Naja, wo du schonmal hier bist, kannst du auch gleich ein paar Fürsprecher gewinnen. Und die Chancen stehen nicht schlecht, denn Drucken ist in diesen Kreisen ja grundsätzlich en vogue. Gerade recht kommt da ein aktuelles Zitat von Chris Anderson, ehemaliger Chief-Editor vom Wired Magazine und Autor von „Free“, der vor wenigen Tagen verlauten ließ: „… printing will be bigger than the web„. Ein Fanal, zumal der Journalist und Web-Evangelist erst kurz zuvor das Handtuch geworfen und die Wired verlassen hatte. Dass Anderson nicht vom „… printing…“ sondern vom „3D-printing…“ sprach und seine Aussage passend zum Erscheinungstermin seines neuen Buchs „Makers: The New Industrial Revolution“ terminierte (übrigens als Hardcover im Crown-Business-Verlag erschienen), kann man vielleicht zu späterer Stunde noch einmal fallen lassen.
Auch ein weiterer Aspekt des 3D-Printings dürfte der Verleger-Welt bekannt vorkommen: Das Urheberrecht bzw. Patent- und Markenrecht. Denn was derzeit vor allem den chinesischen Firmen vorgeworfen wird, könnte durch das Sharen von 3D-Print-Modellen über entsprechende Plattformen bald zum Massenphänomen werden. Tatsächlich sind inzwischen einige rechtliche Auseinandersetzungen bekannt: In einem Fall ging es um den Film Super8 bzw. um einen dort gezeigten extraterrestrischen Würfel, dessen Druckdaten von einem User auf der Plattform shapeways verbreitet wurden. In einem anderen Fall bastelte ein Nerd ein paar Figuren aus dem Spiel Warhammer nach und verteilte die Druckdaten über die Plattform Thingiverse. Es sind noch weitere Fälle dokumentiert und auch untereinander wird geklagt: Erst vorige Woche hat das Unternehmen 3D Systems Klage wegen Patentrechtsverletzungen gegen das Unternehmen Formlabs und seinen 3D-Drucker Form 1 eingereicht.
Nicht wenige sagen, dass die Auseinandersetzungen der Verlagsszene um das Urheberrecht im Vergleich zur anstehenden Diskussion im Zuge des 3D-Printings kaum mehr als ein Vorgeplänkel war …
3D-Druck auf dem Industrie-Kongress
Unter Industriellen das Thema Rapid-Prototyping und 3D-Printing anzuschneiden ist ungefähr so originell wie ein Vortrag über Lean-Startups auf der Weihnachstfeier von Toyota. Rapid-Prototyping gibt es in der Industrie-Produktion bereits seit den 1980er Jahren und auch die dazugehörigen 3D-Print-Verfahren sind dort in ihren verschiedenen Ausprägungen hinlänglich bekannt. Einen speziellen Anwendungsfall stellt zum Beispiel das Bio-Printing in der Medizin-Technik dar: In schöner Regelmäßigkeit werden mindestens seit 2003 diverse Gewebeklumpen ausgedruckt und auf nahende 3D-Herzen, -Ohren oder -Nieren verwiesen. Den aktuellen Organspende-Skandal konnte uns diese Technologie allerdings noch nicht ersparen.
Falls der 3D-Druck in Industrie-Kreisen also zur Sprache kommt, sollte man am besten vielsagend die Augen verdrehen und demonstrativ das Thema wechseln, denn die Technologie ist dort schon einigermaßen etabliert. Das Revolutionäre an der aktuellen Entwicklung ist eher der Übergang des Prototypings und des 3D-Drucks in den Hobby- und Konsumentenbereich.
3D-Druck auf der Studenten-Party
Auf der Studenten-Party dürfte man Vertreter aller Fachrichtungen begeistern können, insbesondere die Architekten und Ingenieure, die mit dem 3D-Printing ihre Ideen und Konzepte auch im Wohnzimmer statt nur am Arbeitsplatz verwirklichen können. Ähnlich dürften auch angehende Künstler und Kreative den 3D-Druck für ihre Arbeit entdecken. BWLer sollten schließlich durch den Hinweis auf das Billion-Dollar-Business (laut Forbes $3,1 Milliarden weltweit im Jahr 2016 and $5,2 Milliarden 2020) zu beeindrucken sein, während sich Politik-Wissenschaftler für das Investment der britischen Regierung in den 3D-Druck interessieren dürften (ok, 7 Mio. Pfund klingen in diesem Zusammenhang eher nach Peanuts).
Die meisten Punkte kann man vermutlich bei Sozial- und Geisteswissenschaftlern sammeln: Wann ließ sich seit Marx jemals so trefflich über die Demokratisierung der Produktionsverhältnisse und die Befreiung des Individuums (zumindest der Maker-Bewegung) aus den Zwängen der industriellen Massenproduktion diskutieren? Und wer hätte gedacht, dass trotz der beschleunigten globalen Kapital-Akkumulation nicht die Massen auf die Barrikaden strömen, sondern stattdessen die Produktionsanlagen verproletarisieren?
3D-Druck auf dem FabLab
Wir sind unter Profis, jetzt müssen ein paar Fakten her. Die derzeit vielleicht hippste 3D-Company sitzt in New York und heißt MakerBot, die größte dürfte 3D Systems sein, die einzigen sind die beiden jedoch bei Weitem nicht: Aus den Niederlanden stammt der Ultimaker, der einigen Kultstatus zu genießen scheint und auf dem RepRap basiert, ein 3D-Drucker, der sich selbst reproduzieren kann. Die Plattform 3d-print-news listet unter der Kategorie Personal 3D-Printers knapp 30 Modelle auf, und dabei sind kommende Highend-Modelle wie von Formlabs oder extrem günstige Einsteigermodelle wie die MakiBox noch nicht aufgeführt.
Digitale Baupläne für die 3D-Printings werden über Plattformen wie Thingiverse verbreitet. Wer keinen eigenen 3D-Drucker hat, kann über Auftragsplattformen wie shapeways, i.materialise oder sculpteo seine individuelle 3D-Anfertigung bestellen oder sein Design anbieten. Die 3D-Print-Szene trifft sich gerne auf FabLabs, von denen es inzwischen auch hierzulande in vielen großen Städten Ableger gibt …
Wie man sieht ist die Szene schon recht groß und ein Überblick fällt in 5 Minuten schwer. Auf einem FabLab sollte man im Kreise der Experten also nicht zu viel Halbwissen vortäuschen und sich besser etwas von den Makern und Bastlern abschauen…
3D-Druck für Pessimisten
Wie überall gibt es auch beim 3D-Printing einige Pessimisten, und auch wenn ihre Argumente gewichtig sein mögen, klingen sie irgendwie nicht sonderlich neu oder inspiriert:
- Rapid-Prototyping und 3D-Printing blicken bereits auf eine lange Geschichte zurück und die größten Auswirkungen werden innerhalb und nicht außerhalb der Fabriken zu beobachten sein, prophezeit Christopher Mims in Technology Review.
- Ein Allgemeinplatz ist, dass sich mit Plastik – das (derzeit noch) das Material der Wahl im Hobby-3D-Print-Bereich ist – eine industrielle Revolution nur schwer produzieren lässt.
- Zu Material und Kosten sagt Tom Foremsky auf zdnet: „I must admit I don’t understand how printing plastic things at home disrupts anything beyond my local ’99 cent‘ store that has lots of plastic things that now I might choose to print at home, and it would probably cost me more than 99 cents“.
3D-Druck für Optimisten
Der Optimisten gibt es viele und tatsächlich kann der 3D-Druck wie kaum eine andere aktuelle Technologie die Phantasien beflügeln:
- Paul Markillie glaubt im Economist an die Dritte Industrielle Revolution, weil die Ökonomie der Skalierung (Senkung des Stückpreises analog zur produzierten Menge) beim 3D-Druck kaum noch gilt: Der Drucker kann mehr oder weniger zum Nulltarif (bzw. per Software/Modelle) für neue Produkte eingerichtet werden und produziert dann zum immer gleichen Stückpreis, egal ob 1 oder 1000: „It will allow things to be made economically in much smaller numbers, more flexibly and with a much lower input of labour, thanks to new materials, completely new processes such as 3D printing, easy-to-use robots and new collaborative manufacturing services available online. „
- Tim Maly sagt sinngemäß auf Heise, dass der 3D-Druck derzeit zwar noch eine Übergangstechnologie sei. Vor dem Hintergrund ähnlicher Entwicklungen z.B. bei Heimdruckern (vom Nadel-Drucker zum Laser-Printer) sehe man jedoch, dass bereits ein relativ geringer Nutzen für eine Verbreitung sorgen kann, was wiederum zu technologischen Fortschritten und fallenden Preisen führt.
Sebastian ist Senior Product Owner und Web-Entwickler. Seit 2017 entwickelt er das kleine Open Source CMS Typemill und betreibt damit unter anderem cmsstash.de, eine Fach-Publikation zum Thema Content Management Systeme.
A N Z E I G E
1 Gedanke zu „In 5 Minuten: Was Schlaues zum 3D-Druck sagen“
Kommentare sind geschlossen.