Schüler, Studenten und andere interessierte Menschen aus aller Welt haben inzwischen über 220 Millionen kostenlose Lektionen auf der Website der Khan Academy abgerufen. Sie wird dabei von manchen als Vorbote eines grundlegenden Umbruchs in der Bildungslandschaft angesehen, bei dem sich digitale und persönliche Lernangebote auf ideale Weise miteinander verbinden. Dass es die Khan Academy überhaupt gibt, verdanken die Nutzer dabei vor allem YouTube – und der Cousine des Gründers Salman „Sal“ Khan.
Inhaltsverzeichnis
Leidenschaft für Mathematik
Die Leidenschaft für Mathematik zieht sich durch das Leben von Salman Khan, aber er hätte wohl selbst nicht geglaubt, dass er einmal Menschen in aller Welt beim Lernen und Verstehen helfen würde.
Er wurde 1976 in New Orleans in den USA geboren. Sein Vater stammt aus Bangladesh, aufgezogen wurde er von seiner indischen Mutter, die sich mit verschiedenen Jobs über Wasser hielt. Salman Khan ging auf eine öffentliche Schule, wo der eine Teil der Klassenkameraden frisch aus dem Gefängnis kam und bei anderen der Weg zur Elite-Universität schon vorgezeichnet war, wie er sich gegenüber der New York Times erinnert. Nicht gerade ideale Voraussetzungen, aber Salman Khan hat inzwischen Bachelor-Abschlüsse in Mathematik und Computerwissenschaften sowie einen Master in Computerwissenschaften vom Massachusetts Institute of Technology und einen Master von der Harvard Business School. Mit anderen Worten: Er hat seine Leidenschaft für Mathematik trotz schwieriger Ausgangsposition in Abschlüsse verwandeln können.
Er arbeitete schließlich als Analyst für einen Hedgefonds, als er 2004 eine zunächst harmlos scheinende Aufgabe bekam: Seine Cousine Nadia brauchte Hilfe in Mathe. Wer wäre dafür wohl besser geeignet als ihr Cousin Sal? Er machte es und das offenbar so erfolgreich, dass bald auch andere Verwandte und Freunde anfragten.
Die Geburt der Khan Academy auf YouTube
Am 16. November 2006 fasste er dann einen Entschluss, der heute im Rückblick als die Geburtsstunde der Khan Academy angesehen werden kann: Sal Khan legte einen YouTube-Account an. Er nahm seine Mathelektionen mit einfachen Mitteln auf und lud sie dort hoch. Da er keinen Grund sah, sie auf privat zu stellen, gab er die Videos öffentlich frei.
Im sehenswerten TED-Talk erklärt er, dass er zwei Dinge bald mitbekam: In Videoform funktionierten seine Erklärungen sogar noch besser, schließlich kann man sie anhalten oder auch mehrfach anhören. Man kann sich eine frühere Lektion noch einmal ansehen – alles ohne irgendjemanden darum bitten zu müssen. Zum anderen merkte Salman Khan, dass seine Videos nicht nur in seinem Freundes- und Verwandtenreis bestens ankamen. Die Abrufzahlen stiegen und stiegen.
Drei Jahre später warf Salman Khan seinen Job beim Hedgefonds hin. „Es war ein vollkommen neues Gefühl für mich, etwas gesellschaftlich Sinnvolles zu tun“, scherzt er im TED-Talk.
Gates Foundation und Google sind Unterstützer
Die Khan Academy ist heute eine Non-Profit-Organisation, die u.a. von der Bill and Melinda Gates Foundation sowie Google finanziell unterstützt wird. Die Zahl der Videos ist enorm angewachsen und es werden inzwischen viele weitere Themen neben Mathematik abgedeckt: Biologie, Chemie, Physik, Computerwissenschaften und neuerdings auch Kunstgeschichte. Allen Videos gemein ist, dass sie in etwa 10 Minuten langen Portionen daherkommen. Man kann also recht einfach bestimmen, wie viel man sich ansehen möchte. Zudem ist der Lehrer, der in der Regel Salman Khan selbst ist, nur aus dem Off zu hören. Er zeigt stattdessen auf seinem Bildschirm, worum es geht. Das funktioniert vor allem deshalb oftmals recht gut, weil Salman Khan eine lockere und sympathische Art hat, sein Thema zu erklären. Er kann sich hörbar für viele Dinge enorm begeistern und es ist schwer, sich dem zu entziehen.
Ergänzt werden die Videos inzwischen von praktischen Übungen, die man direkt am Rechner absolviert. Die bewegen sich derzeit noch hauptsächlich im Bereich Mathematik.
Die Khan Academy ist zugleich eine Community, in der Nutzer Fragen stellen können oder versuchen, anderen eine Antwort zu geben. Zu jedem Video gibt es einen entsprechenden Diskussionsfaden.
Auch ein wenig „Gamification“ gehört dazu: Man sammelt verschiedene virtuelle Belohungen ein, wie man sie aus Computerspielen kennt.
Für Lehrer gibt es einen eigenen Bereich, in dem sie genau sehen können, wie weit jeder Schüler gerade ist. Welche Inhalte wurden angesehen? Welche Übungen wurden absolviert und wie erfolgreich? Die Schülerinnen und Schülern können dank Khan Academy ihr Lerntempo selbst bestimmen. Sie müssen auch keine Scheu haben, etwas noch einmal nachzusehen oder länger üben zu müssen.
Die Vision von Salman Khan reicht noch viel weiter
Wohin die Reise der Khan Academy noch gehen könnte, kann Salman Khan wahrscheinlich am besten erklären. Er hat dazu das folgende Video aufgenommen:
Dies ist ein Video von YouTube. Um es ansehen zu können, musst du eine der Schaltflächen unten anklicken. Bitte beachte, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Die Idee hinter der Khan Academy sei es, „Meisterschaft“ in jedem Thema zu erlangen, erklärt Salman Khan. Das sieht er als Gegenentwurf zur heutigen Schule. Die funktioniere so, als gebe man einem Kind ein Fahrrad, erkläre wie man Fahrrad fährt und benote zwei Wochen später, wie gut es klappt. Sein Ideal aber ist, dass die Schüler jedes Thema meistern, ebenso wie man erst aufhört mit einem Kind das Fahrradfahren zu üben, wenn es Fahrrad fahren kann.
Das Modell der Khan Academy hat dabei das Interesse von Schulen in den USA geweckt, in denen getestet wird, wie sich ein solches Portal in den Unterricht integrieren lässt. Und es zeigt sich, dass sich in manchen Fällen eine interessante Umkehr der bisher üblichen Verteilung von Lernen und Üben ergibt. Heute ist es so, dass in der Schule in den Unterrichtsstunden der Stoff vermittelt wird und zu Hause sollen die Hausarbeiten dann das Erfahrene vertiefen und einüben. Warum aber die Schüler gerade dann allein lassen, wenn bei ihnen die meisten Fragen aufkommen und sie die meiste Hilfe bräuchten? Mit einem Angebot wie der Khan Academy wird es umgekehrt: Die Schüler bekommen die Hausaufgabe, sich die nächsten Lektionen anzusehen und im Unterricht wird dann gemeinsam geübt.
Die Khan Academy und ähnliche Projekte sind damit kein Ersatz für den klassischen Unterricht. Aber sie können ihn auf eine solche Weise verbessern, dass alle Beteiligten davon profitieren. Und nicht zuletzt erreichen die kostenlosen Lektionen der Khan Academy generell alle interessierten Menschen überall auf der Welt, unabängig davon, wie gut sie sonst mit Bildungsinhalten versorgt werden. Für Regionen ohne den notwendigen Internetzugang gibt es eine Offline-Version der Inhalte. Computer werden zwar dennoch gebraucht, aber hier gibt es bekanntlich immer mehr Projekte, sie so erschwinglich wie möglich zu machen.
Eine Gleichung, die aufgeht
Was als Mathe-Nachhilfe für die Cousine von Salman Khan begann und sich zu einem YouTube-Account weiterentwickelte, ist heute zu einem Bildungsprojekt mit globalem Ausmaß geworden, das zudem allen kostenlos zur Verfügung steht. Angetrieben wird es von der Leidenschaft des Gründers und seiner Entscheidung, auf Profit zu verzichten. Nicht schlecht für jemanden, der noch vor wenigen Jahren mit Börsenspekulationen sein Geld verdient hat.
Aber da sich Salman Khan bestens mit Mathe auskennt, kann man von einer Sache ausgehen: Diese Gleichung ganz offenbar für ihn auf.
Jan hat mehr als 20 Jahre Berufserfahrung als Online-Journalist und Digitalpublizist. 2006 hat er das UPLOAD Magazin aus der Taufe gehoben. Seit 2015 hilft er als CONTENTMEISTER® Unternehmen, mit Inhalten die richtigen Kunden zu begeistern. Und gemeinsam mit Falk Hedemann bietet er bei UPLOAD Publishing Leistungen entlang der gesamten Content-Marketing-Prozesskette an. Der gebürtige Hamburger lebt in Santa Fe, New Mexico.
Toller Artikel. Ich finde den echt interessant und ebenso die Khan Videos. Sie sind wirklich sehr sympathisch aufgenommen und gut erklärt, weil er sich, glaube ich, gut in die Rolle des Lernenden hinein versetzen kann.