Gated Content vs. Ungated Content: Eine Frage der Perspektive

Gated Content wird seit vielen Jahren als Methode zur Lead-Generierung im Marketing eingesetzt, auch im Content Marketing. Während Marketer auf diese Methode schwören, sieht es aus der Content-Perspektive ganz anders aus. Falk Hedemann diskutiert in diesem Artikel, welche Probleme es mit Gated Content gibt und wie man es dennoch im Content Marketing einsetzen kann.

Symbolfoto zeigt ein geschlossenes Tor mit Vorhängeschloss und Kette
(Foto: © ustudent, depositphotos.com)

Zusammenfassung

Die wichtigsten Punkte auf einen Blick …
  • Gated Content sind Inhalte, die nur nach Registrierung zugänglich sind. Dies dient der Leadgenerierung, entspricht aber nicht der Erwartung von Nutzern.
  • Aus Content-Sicht gibt es viele Nachteile: Oft werden die besten Themen „verriegelt“, es braucht separate Budgets und Qualität leidet. Auch SEO profitiert nicht.
  • Gated Content kann aber mit passenden Themen und in fortgeschrittenen Sales-Phasen funktionieren. A/B-Tests helfen, die Wirkung zu prüfen.
  • Insgesamt sollten nur wenige Inhalte „verriegelt“ werden. Die Mehrheit sollte frei zugänglich sein, um Interessenten nicht abzuschrecken.

Einführung

Das World Wide Web besteht zu einem großen Teil aus frei verfügbaren Inhalten, zu denen es keine oder nur bedingte Zugangsbeschränkungen gibt. Das ist die Natur digitaler Inhalte seit den Anfängen des Internets. Daran ändern auch die Bezahlschranken vieler Verlage nichts.

Irgendwo zwischen Gratis- und Bezahlinhalten liegt der Gated Content. Vereinfacht ausgedrückt handelt es sich dabei um Inhalte, die nur konsumiert werden können, wenn zuvor das Gate passiert wurde. Das Gate besteht in der Regel aus einem Formular, in das wir persönliche Daten eingeben müssen, wenn wir den Inhalt konsumieren wollen.

Das Formular kann sehr unterschiedlich gestaltet sein. So kann sich eine Minimalvariante auf den Namen und eine E-Mail-Adresse beschränken, während eine Maximalvariante viele weitere Informationen abfragt. Dies kann beispielsweise eine Telefonnummer sein oder in welchem Unternehmen man in welcher Position arbeitet.

Mit den eigentlichen Inhalten, auf die man zugreifen möchte, haben diese Angaben zunächst nichts zu tun. Den Unternehmen geht es vor allem um neue Kontakte: Gated Content gilt als Lead-Magnet.

Gated Content widerspricht allerdings nicht nur der Natur des Internets, sondern auch den Erwartungen der Nutzerinnen und Nutzer.

A N Z E I G E

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Wenn schon Gated Content, dann bitte mit Kontext: Ein Erfahrungsbericht

Bevor wir tiefer ins Thema einsteigen, hier ein relevantes Beispiel: Neulich erhielt ich eine klassische E-Mail aus der Lead-Qualifizierung. Ich hatte mich für ein Webinar angemeldet, dessen Thema mich interessierte. Zeitlich passte es dann aber doch nicht und ich wählte mich nicht in das Webinar ein. Auch die im Nachhinein zur Verfügung gestellte Aufzeichnung hatte ich mir nicht angesehen und auch keinen Link in der E-Mail angeklickt.

Dennoch ging man in der nächsten E-Mail an mich sehr selbstverständlich davon aus, dass ich entweder das Webinar oder die Videoaufzeichnung gesehen hätte. Man freue sich über mein Interesse und wolle nun den nächsten Schritt gehen. Ich solle mir doch einfach auf der Website einen passenden Termin aussuchen und eine Demonstration buchen. 

Ich selbst musste jedoch ein paar Schritte zurückgehen, um mir die Zusammenhänge zu vergegenwärtigen. Denn Webinare und andere virtuelle Kurzformate gibt es jede Woche zuhauf, so dass potenziellen Teilnehmern nicht immer sofort klar ist, um welches Angebot es eigentlich geht, wenn sie eine solche E-Mail erhalten.

In der E-Mail hieß es dann aber unbeirrt weiter: „Das […] wäre doch sicher für Ihr Unternehmen interessant“. Nun ist es leider so, dass ich gar keine Firma habe und als Freiberufler auch kein Angestellter einer Firma bin. Das mag in diesem Fall für den Absender etwas unglücklich gelaufen sein, zeigt mir aber vor allem eines: Hier wurde eine unpersönliche Massenmail verschickt, die einzig über meinen Namen versucht, Nähe herzustellen. Die absendende Firma hat offensichtlich nicht einmal eine ungefähre Ahnung, wen sie da anschreibt und auch nicht die Absicht, diese Unklarheit zu beseitigen. 

Selbst wenn ich kein Freelancer wäre, würde ich aber mit hoher Wahrscheinlichkeit aus dem Sales-Funnel fallen, da die angebotene Dienstleistung nur in einem sehr dünnen Kontext zum Thema des Webinars stand. Offensichtlich wurde hier bewusst ein Thema gewählt, das in erster Linie viele Interessenten generiert.

Aus meiner Sicht als potentieller Kunde wurden hier einige gravierende Fehler gemacht. Ich hatte schnell das Gefühl, dass meine Erwartungen und Bedürfnisse keine Rolle spielten und es nur um das Interesse des Unternehmens ging, mich zu einem zahlenden Kunden zu machen. Besonders befremdlich war für mich die Tatsache, dass ich bereits eine Geschichte mit der Marke hatte. Das Unternehmen weiß, dass ich Freelancer bin und mit welchen Themen ich mich beschäftige. Daraus hätten man sehr leicht mein wirkliches Interesse an dem Webinar einschätzen können und mich dementsprechend aus dem Nurturing herausgenommen. 

Offensichtlich gibt es hier verschiedene Datensilos und anstatt diese zusammenzuführen, um eine erste interne Lead-Qualifizierung durchzuführen, hat man sich für den weniger aufwendigen Weg entschieden. 

Natürlich ist dies eine einzelne Fallbeschreibung ohne zwingende Evidenz für die Methode „Gated Content“. Es gibt aber sicherlich weitere Beispiele, in denen eine Lead-Qualifizierung aus ganz anderen, aber ebenso vermeidbaren Gründen ins Leere läuft. Wir können hier wohl davon ausgehen, dass dies keinen besonders positiven Eindruck hinterlässt.

Eignet sich Content Gating für Content Marketing?

Diese Frage mag zunächst verwirren, da Content Marketing mit Gated Content einen messbaren Beitrag zum Unternehmenserfolg verspricht. Aus Unternehmenssicht ist der Einsatz von Gated Content also eine sinnvolle und ökonomisch zielführende Methode.

Im Content Marketing stehen jedoch die Interessen, Bedürfnisse und Erwartungen der Zielgruppen im Mittelpunkt. Ein Content Gate ist in diesem Zusammenhang ein schwieriges Signal, da den Interessenten in der Regel durchaus bewusst ist, dass es sich um eine Leadgenerierung handelt und sie anschließend im Sales-Trichter landen.

Auch für die Content-Planung kann der strategische Einsatz von Gated Content problematisch sein. Oft werden die interessantesten Themen ausgewählt, so dass für die Erstellung von freien Inhalten nur die weniger spannenden Themen übrig bleiben. Für die Außendarstellung einer Marke kann dies negativ sein, da so nur ein weniger relevanter Teil der Inhalte für alle sichtbar ist. Damit ist eigentlich schon klar, dass der überwiegende Teil der Inhalte frei verfügbar sein muss, um die Außendarstellung nicht zu gefährden.

Ein weiteres Problem ist das Budget. Gated Content muss höchsten Ansprüchen genügen und möglichst einzigartig sein. Dies führt in der praktischen Umsetzung zu Mehrkosten, wenn beispielsweise externe Dienstleister beauftragt werden, um den Anforderungen gerecht zu werden. Wird die Erstellung von Gated und Free Content aus dem gleichen Budget finanziert, kann es zu einem Ungleichgewicht kommen: Der Gated Content benötigt zu viele Ressourcen und für den Free Content bleibt zu wenig übrig.

Es bedarf also einer besonderen Planung und im Idealfall eines separaten Budgets, um die Ressourcen nicht zu überlasten. Gelingt dies nicht, kann es im schlimmsten Fall zu einer Konkurrenz zwischen den Content-Typen kommen.

Sollte man nun ganz auf Gated Content verzichten?

Bei den vielen Nachteilen und Argumenten gegen Gated Content könnte der Eindruck entstehen, dass diese Marketingmethode grundsätzlich schlecht ist und besser nicht eingesetzt werden sollte. Das muss aber nicht so sein. Mit der richtigen Einstellung kann Gated Content auch erfolgreich sein – und zwar für beide Seiten.

Der wichtigste Aspekt ist das gewählte Thema. Anstatt ein populäres Thema zu wählen, das zunächst möglichst viele Besucherinnen und Besucher anzieht, sollte der Inhalt in einem möglichst klaren Kontext zur späteren Lead-Qualifizierung stehen und eine klare, spitze Zielgruppe ansprechen. So wird der Relevanzfilter bereits im Vorfeld verfeinert und es kommen vor allem die Personen durch das Gate, die wirklich Bedarf haben.

Wer sich nicht sicher ist, ob ein Content-Gate sinnvoll ist oder nicht, kann diese Unsicherheit mit einem A/B-Test beseitigen. Dabei werden Interessenten an einem hochwertigen Inhalt je zur Hälfte auf zwei verschiedene Landingpages geleitet. Die eine Hälfte A erhält den Content ohne Gate, aber mit einem klaren Call-to-Action. Die andere Hälfte B muss zunächst das Lead-Formular ausfüllen, um den Content zu erhalten.

Nach einer bestimmten Laufzeit und einer definierten Gesamtzahl an Interessenten werden die Ergebnisse ausgewertet. Dabei sollte es nicht bei quantitativen Kennzahlen bleiben, denn der reine Zugriff auf den Content sagt noch nicht viel aus. Vielmehr sollte analysiert werden, wie sich die Kundenbeziehung entwickelt:

  • Gruppe A: Wie hoch ist der Anteil derer, die bei frei zugänglichen Inhalten auf den CTA geklickt und eine Kundenbeziehung begonnen haben?
  • Gruppe B: Wie hoch ist der Anteil derer, die das Formular abgeschickt haben und über Lead-Nurturing eine Kundenbeziehung eingegangen sind?

Natürlich lässt sich kein allgemeingültiges Ergebnis vorhersagen, aber es gibt einige Hypothesen, die mit dem A/B-Test überprüft werden können. Hier zwei Vorschläge von den beiden äußeren Rändern des breiten Spektrums:

  • Hypothese 1: Gated Content funktioniert in der Branche x und zum Thema y sehr gut.
  • Hypothese 2: Freier Content funktioniert deutlich besser und generiert bereits qualifizierte Leads.

Dazwischen gibt es viele weitere mögliche Hypothesen, die durch weitere Experimente bestätigt oder widerlegt werden können. Langfristig könnte sich zum Beispiel herausstellen, dass Gated Content nur in einem speziellen Bereich eingesetzt wird und in anderen Bereichen Free-Content die bessere Wahl ist.

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Vor- und Nachteile von Gated Content auf einen Blick

Hier noch einmal eine Zusammenfassung der diskutierten Aspekte.

Vorteile:

  • Gated Content generiert Kontakte für den Vertrieb (Leads).
  • Wenn der Content nah an den Angeboten des Unternehmens gestaltet ist, kann das Interesse am Content als Interesse am Angebot gewertet werden.
  • Eine Marke kann einen E-Mail-Verteiler mit potenziellen Interessenten aufbauen.

Nachteile:

  • Die Qualität der Daten ist unzuverlässig, was die weitere Nutzung erschwert.
  • Die Absprungrate kann hoch sein, wenn der versprochene Inhalt nicht attraktiv genug ist.
  • Die Absprungrate kann auch steigen, wenn das Gate zu umfangreich ist und zu viele Daten abgefragt werden.
  • Häufig besteht eine Diskrepanz zwischen den Absichten des Absenders und denen des Empfängers.
  • Werden die Daten bei der weiteren Qualifizierung nicht sorgfältig mit bereits vorhandenen Kundendaten abgeglichen, kann dies zu Irritationen führen.
  • Sind die Inhalte zu weit von den Angeboten des Unternehmens entfernt, besteht oft wenig Interesse an den Angeboten des Unternehmens.
  • Gibt es zum gleichen Thema bei einem Wettbewerber frei verfügbaren Content, ist ein Kunde in diese Richtung schnell verloren.
  • Die notwendige Content-Qualität erfordert viele Ressourcen, die möglicherweise an anderer Stelle fehlen.
  • Gated Content ist auch für Suchmaschinen nicht zugänglich und benötigt daher meist kostenpflichtige Distributionen.
  • Gated Content wird in der Regel nicht geteilt, es gibt also keinen Verbreitungseffekt.
  • Nicht frei verfügbare Inhalte führen zu einer höheren Erwartungshaltung bei den Interessenten, da sie mit der Eingabe ihrer Daten bereits eine Vorleistung erbracht haben. Enttäuschende Inhalte hinter dem Gate können daher die Kundenbeziehung nachhaltig beeinflussen.

Fazit: Gated Content für BoFu statt ToFu

Wer Gated Content einsetzen will, sollte dies sehr bewusst tun. Gated Content steht immer in Konkurrenz zu freien Inhalten anderer Anbieter. Sie sollten daher immer nur einen kleinen Teil deiner inhaltsbasierten Kommunikation ausmachen und sich eher an Zielpersonen richten, die bereits wichtige Schritte der Customer Journey hinter sich haben. Sie sind im Sales Tunnel bereits vom Top of the Tunnel (ToFu) zum Bottom of the Tunnel (BoFu) vorgedrungen. Hier besteht die begründete Aussicht, dass die Intentionen von Sender und Empfänger übereinstimmen und eine Lead-Qualifizierung die besten Chancen auf eine Conversion hat.


Dieser Artikel gehört zu: UPLOAD Magazin 109

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