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Hangout on Air: Live auf Sendung bei YouTube

Hangout on Air ist ein verkanntes Internetmedium: Schon der Name macht das Format in deutschen Gehirnen nicht eben fürs Business tauglich. Was steckt aber wirklich an Potential und Möglichkeiten in diesem Format? Was braucht es an Technik, Know-how und rechtlichen Voraussetzungen? Alles das soll dieser Beitrag aufzeigen. Es gibt schon sehr erfolgreiche Beispiele dafür, wie man das Zwitterformat aus Google+ und YouTube einsetzen kann.

Hangout on Air Studio
Hangout on Air Studio im Pressezentrum Hannover auf der Agritechnica 2013. (Foto: Tobias Hoops)

Google+ und YouTube

Hangout on Air, das klingt nicht nach einem seriösen Dienst in deutschsprachigen Ohren. Es hört sich eher wie Abhängen oder Herumhängen an. Das hat etwas Flegelhaftes. Ins Deutsche übersetzt bedeutet Hangout soviel wie die Bude, der Lieblingstreff oder das Stammlokal. Es liegt sicher nicht nur an dem flapsigen Namen, dass der Google-Dienst auch nach fast zwei Jahren immer noch wenig genutzt wird. Google+, die Plattform, auf welcher der Dienst zur Hälfte läuft, soll ja auch bald tot sein. Aber YouTube erfreut sich allerbester Gesundheit und ist die zweite Hälfte, auf der dieser kostenlose Livestreaming-Dienst aus Mountain View läuft.

Schnell und einfach Livestreamen

Aber warum soll Hangout on Air ein „Hidden Champion“ sein? Es ist die Einfachheit und Schnelligkeit: So einfach, wie man mit diesem Dienst Videos erstellen und als multimedialen Inhalt auf seiner Seite einbetten kann, gibt es das sonst nirgends im Internet. Warum die YouTube-Stars noch nicht darauf gekommen sind, fragt man sich schon lange. Bisher nutzen sie Hangout on Air lediglich um ihre Fans zu pflegen. Das liegt vielleicht auch daran, das man bei einer Livesendung hinterher nichts mehr rausschneiden kann und das sind die YouTuber nicht gewohnt. Was viele nicht wissen: Mit der entsprechenden Software oder Hardware kann man aber auch live schneiden.

Aber der Reihe nach. Wir machen einmal ein ganz einfaches Beispiel.

A N Z E I G E

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Hangout on Air versus Aufzeichnung

Wir wollen das Unboxing eines neuen Gadgets auf YouTube hochladen – klassisch mit Aufnahme, Schneiden und Hochladen. Das dauert bei einem fünfminütigen Clip mindestens eine Stunde oder länger. Die Zeit geht dabei an vielen Stellen verloren. So muss man als erstes das Equipment aufbauen. Dann nimmt man das Unboxing auf. Patzer werden ausgebessert und die Fehler später herausgeschnitten. Bei der klassischen Aufnahme muss man das Material aus der Kamera in den Computer einspielen, sofern man nicht direkt am PC oder Mac aufnimmt. Schließlich lädt man das Material in die Schnittsoftware, bearbeitet und rendert es. Dann noch auf YouTube hochladen. Nur wenn der Ersteller beim Schneiden kein bisschen pingelig ist, schafft man das in weniger als einer halben bis dreiviertel Stunde. Auf YouTube muss der Clip noch mit einer Beschreibung und Schlagwörtern versehen werden. Dann noch den Einbettungscode (Iframe) kopieren und im Backend des Blogs einfügen. Endlich fertig!

In der gleichen Zeit habe ich allerdings zwei Unboxing-Clips mit Hangout on Air abgedreht. Der „Trick“: Der Livestream landet nach Ende der Sendung automatisch als Video auf YouTube. Den Titel hatte man im Zweifel schon vergeben. Fehlen noch Beschreibung und Schlagwörter. Aber alle anderen Arbeitsschritte fallen weg und das ist eine erhebliche Erleichterung.

Welche Hardware braucht man?

Beispiel-Setup
Mikrofon, Webcam und Laptop für Hangout on Air. (Foto: Hannes Schleeh)

Was braucht man an Hardware um loslegen zu können? Nicht viel: einen Computer, eine Webcam (HD mit 720p reicht), ein ordentliches Mikrofon und einen schnellen Zugang ins Internet. Laptops neueren Datums und ab der mittleren Preisklasse haben das teilweise für Skype und Facetime schon fest eingebaut. Die MacBooks von Apple haben inzwischen zwei Mikrofone mit Geräuschunterdrückung und eignen sich deshalb nicht nur für Videotelefonate, sondern auch für das Livestreamen via Hangout on Air. Der Sound ist wichtiger als das Bild, deshalb sollte man viel Wert auf einen sauberen und klaren Ton legen. Falls das mit den eingebauten Mikros nicht klappt, kann man den Sound auch mit einem Smartphone-Headset oder einem externen USB-Mikrofon für 50 Euro verbessern. Einen oder mehrere Tests sollte man vorher auf alle Fälle machen. Die Wahrscheinlichkeit, dass dabei jemand zuschaut, ist relativ gering und man kann das hinterher auf YouTube auch sofort wieder löschen.

Software für die Livesendung

Da sind wir bei der Software. Es reicht ein gängiger Internetbrowser, ein Konto bei Google+ und ein mit dem Konto verknüpfter YouTube-Kanal aus, um senden zu können. Den YouTube-Kanal muss man vor der ersten Sendung noch mit einer Telefonnummer verifizieren. Wenn man vorher noch nie einen Hangout oder Hangout on Air gemacht hat, muss noch das Google Talk Plugin installiert werden. Dann kann es losgehen! Es gibt zwei Wege einen Hangout on Air zu starten.

Für den spontanen Weg klickt man einfach auf diesen Link.

Hat sich jemand getraut zu klicken? Zur Beruhigung: Damit ist man noch nicht sofort live auf Sendung! Zuerst befindet man sich in einem ganz normalen Hangout. Dort kann man in Ruhe seine Teilnehmer einladen und vor der Sendung noch Inhalte absprechen. Selbst wenn man dann den Button „Übertragung starten“ drückt, muss man erst noch auf ein Popup Fenster mit OK bestätigen. Erst dann geht es wirklich los.

Ankündigung und Bewerbung der Sendung

Der bessere Weg ist es allerdings, eine Sendung vorher anzukündigen, um damit mehr Zuschauer zu bekommen. Das macht man in Google+ über die Menüauswahl „Hangout“ in der linken Menüleiste. Dann den grünen Button „Hangout on Air starten“ klicken und über den Button „Später“ das gewünschte Sendedatum auswählen. Google+ erstellt eine Veranstaltungsseite für die Sendung. Unter „Links“ kann man schon im Vorfeld den Einbettungscode für die Sendung erhalten und auf beliebig vielen Seiten und Blogs per iframe einbetten. Die Sendung läuft dann gleichzeitig live auf allen eingebetten Seiten, sowie auf Google+ und YouTube. Nach der Ausstrahlung bleibt die Sendung als ganz normales YouTube Video auf den eingebetteten Seiten stehen. Einfacher geht es wirklich nicht.

Wichtig ist, die Sendung am geplanten Datum direkt aus der Event-Seite in Google+ zu starten. Nur dann ist es der vorher eingebettete YouTube Clip. Wenn man nichts macht zum Sendetermin, passiert auch nichts. Die Sendung lässt sich nur manuell vom Ersteller starten.

Know-how: Ein paar Tipps und Tricks

Hier noch einige Tipps aus der Praxis für die Praxis:

  • Was die Zuschauer am schnellsten in die Flucht schlägt, sind langatmige Vorstellungsrunden und das Lösen von technischen Problemen zu Beginn einer Livesendung. Empfehlenswert ist ein Test mit allen Teilnehmern vor der Sendung, denn ein einziger mit schlechtem Ton kann eine ganze Sendung mit seinen Rückkopplungen stören.
  • Bauchbinden über die kostenlose App Hangout Toolbox von Moritz Tolxdorff machen die Sendung professioneller.
  • Über die App Regisseur kann man als Operator des Hangout on Air Teilnehmer lauter oder leiser stellen oder Ton und Bild komplett ausschalten. Die Apps finden sich im Hangout auf der linken Menüleiste.
  • Eine passende Beleuchtung und ein guter Bildausschnitt sind Kriterien mit denen die Teilnehmer im Hangout glänzen können. Dazu reicht oft eine Sitzposition mit dem Gesicht zum Fenster oder zwei Schreibtischlampen von vorne links und rechts. Damit kann man jeden Talkgast ins rechte Licht rücken. Der richtige Bildausschnitt lässt über dem Kopf noch etwas Platz und hat zwischen dem Kinn und der Bauchbinde noch Luft. Ein Notebook steht am Besten leicht erhöht auf einer kleinen Kiste, damit wird eine oft unschöne Perspektive von unten vermieden.
  • Wer hinter sich ein grünes Tuch oder grüne Wand gleichmäßig ausgeleuchtet hat, kann mit der kostenlosen Software Camtwist sogar seinen Hintergrund wie im Fernsehstudio virtualisieren.
  • Mit Liveschnitt-Programmen wie BoinxTV oder Wirecast besteht die Möglichkeit zwischen mehreren Kameras und Bildquellen während der Sendung zu wechseln.

Rechtliches

Kommen wir zur leidigen Frage der Rechtslage: Sie ist schwierig. Der Rundfunkstaatsvertrag ist Länderrecht und stammt aus der analogen Zeit. Da waren Frequenzen knapp und es war für einzelne Bürger viel zu teuer und aufwändig, selbst auf Sendung zu gehen. Wir von Bloggercamp.tv haben uns lange mit der Thematik herumgeschlagen und hatten zeitweilig sogar eine offizielle Sendelizenz der Bayerischen Medienanstalt – bis zum Hangout on Air der Kanzlerin, die als Staatsorgan nach dem Rundfunkstaatsvertrag eigentlich gar nicht senden durfte. Der Vorsitzende der Landesmedienanstalten Dr. Brautmeier war danach bei uns in der Livesendung. Dieses Interview und die Aussagen, die er zum Problem getroffen hat nehmen wir inzwischen als „Freibrief“, so lange zu senden, bis die Medienanstalt auf uns zu kommt und eine Sendelizenz einfordert.

Wer ganz sicher gehen will, fragt vorher bei seiner Landesmedienanstalt nach. Wir halten das aber für überflüssig. Seit fast zwei Jahren besteht die Möglichkeit über Hangout on Air live zu senden. Bisher ist uns noch kein einziger Fall bekannt, wo jemand deshalb mit dem Gesetz in Konflikt gekommen wäre. Wenn das wider Erwarten doch passieren sollte, dann wird sich die Community hinter denjenigen stellen und ihn unterstützen.

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Beispiele für gelungene Hangout on Air

Unsere eigenen Sendungen findet man auf Bloggercamp.tv und es kann sich jeder selbst ein Bild machen. Wir freuen uns über Anregungen und Verbesserungsvorschläge. Hier einige Beispiele, die wir gut finden:

Ein sehr schöner Bericht von Anna-Katrin Keller über das Wagnis Hangout on Air findet sich auf dem Blog von Immobilienscout24.

Gerhard Schröder hat auf dieser Seite sehr schöne Bilder und Thesen zu Problemen im Hangout on Air veröffentlicht.

Andreas Graap hat sich viel Mühe gemacht und die wichtigsten Daten und Fakten zu Hangout on Air in einem Handbuch zusammengestellt, das man sich kostenlos auf seiner Seite Webvideo.com herunter laden kann. Dort findet man auch eine sehr nützliche Checkliste für die Durchführung.

Wer sich besonders gut vorbereiten möchte, kann auch das Videoblogging Seminar von Gunnar Sohn und mir bei der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft besuchen, das am 23. September 2014 in Frankfurt/Main stattfindet.

Fazit:

Hangout on Air ist ein faszinierendes und dazu noch kostenloses Tool, um selbst zum Fernsehsender zu werden. Google und vor allem YouTube könnte viel mehr daraus machen. Damit dieses Tool bald bekannter wird, schreibe ich mit meinem Bloggercamp.tv-Partner Gunnar Sohn beim Hanser Verlag gerade an einem ausführlichen Buch zu diesem Thema.

Mein Rat: Einfach machen! Live zu senden ist kein Hexen- sondern ein Handwerk. Am Anfang braucht es etwas Mut und man erlebt garantiert Pannen und Sendungen gehen in die Hose. Aber wie bei jedem Handwerk lernt man aus seinen Fehlern und wird immer besser. Die perfekte Live-Sendung gibt es nicht und kleine Pannen machen den Clip sympathischer. Man muss es wie die Topmodels auf den Laufstegen machen: Hinfallen, aufstehen und einfach weiter gehen, als wenn gar nichts passiert wäre. Am Ende denken die Zuschauer noch, dass es dazugehört.

Wer ein interessantes Thema hat und einfach mal in einer Livesendung mitmachen möchte, darf sich gerne an uns wenden. Bloggercamp.tv sendet immer mittwochs um 11:00 und 16:00 Uhr live in diesem Internet.


Dieser Artikel gehört zu: UPLOAD Magazin 12

„On Air“ ist das Thema dieser Ausgabe des UPLOAD Magazins. Daran dreht sich alles darum, wie man per Audio oder Video auf Sendung gehen kann – sogar unterwegs. Wir stellen Software, Hardware und Tools vor, verraten Tipps und Tricks und zeigen in einem Portrait, das man sich heute sein eigenes Medienunternehmen aufbauen kann.

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4 Gedanken zu „Hangout on Air: Live auf Sendung bei YouTube

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