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"Wir müssen weg von der Klickschinderei"

Christiane Schulzki-Haddouti ist eine neue Stimme im deutschsprachigen Internet, die in den vergangenen Wochen viel Aufmerksamkeit für ihr KoopTech-Blog bekommen hat. Die IT- und Medien-Journalistin sieht große Chancen für Blogs und ähnliche neue Publikations-Medien. „Die Entwicklung wird weggehen von den Newsportalen und hingehen zu sehr kleinen, spezialisierten Seiten“, prognostiziert sie. Umso unverständlicher sei es, dass Journalisten aber auch Werbetreibende „wie erstarrt“ die aktuellen Umwälzungen verfolgen.

Screenshot KoopTech

Das KoopTech-Blog entstammt der BMBF-Studie „Kooperative Technologien in Arbeit, Ausbildung und Zivilgesellschaft“, an der Christiane Schulzki-Haddouti gemeinsam mit Prof. Dr. Lorenz Lorenz-Meyer, dem Leiter des Studiengangs Online-Journalismus an der Hochschule Darmstadt, gearbeitet hat.

Die Geschichte des KoopTech-Blogs entspringt dabei typischerweise der Suche nach der alten Sinnfrage: „Wozu eigentlich ein Blog?“ – Christiane Schulzki-Haddouti hat für sich eine klare Antwort gefunden: „Analyse, Zusammenfassung und Kommentar sind sinnvoll mit einem Blog zu transportieren“, hat sie festgestellt. Bloße Linktipps landen hingegen bei del.icio.us/kooptech. „Ich bin überzeugt, dass ein Blog ein sehr gutes Vernetzungsinstrument ist und ideal für sachbezogene Debatten geeignet ist.“

Gut ein Jahr ist das Blog alt. Jetzt bekommt es eine Menge Zuspruch. Dabei kam der Erfolg erst, als die Zukunft des Blogs in Frage stand: Die Studie ist abgeschlossen – weiterführen oder schließen? Die Antwort war ganz klar: Weiterführen! „Inzwischen habe ich ein Gefühl dafür bekommen, wie ich damit umgehen soll. Deshalb macht es auch jetzt erst wirklich Spaß.“

Auch wenn sie mit einem Artikel bei Heise.de sehr viel mehr Menschen erreichen kann, möchte sie auf ihr Blog nicht verzichten. Schließlich seien ihre Leser eine enger gefasste Zielgruppe. „Sie interessieren sich spezieller für das Thema und das ergibt eine ganz andere Diskussionskultur“, erklärt sie. Bei Heise.de hingegen sind es leicht hunderte von Kommentaren auf einen einzigen Beitrag. Darunter seien zwar auch viele interessante Hinweise zu finden. Aber in eine solche Masse könne man natürlich nur stichpunktartig hineinschauen. Bei großen Blogs sieht sie eine ähnliche Tendenz. „Ich bin mir nicht sicher, wie sinnvoll das noch ist“, sagt sie vorsichtig.

Zukunft des Journalismus

Was sie besonders bewegt: Wie entwickelt sich der Journalismus weiter? „Für mich ist das eine beunruhigende Entwicklung. Aber ich kann mich nicht einfach hinstellen und lamentieren. Die Debatte zeigt im Moment, dass sich der Journalismus in manchen Punkten entschleunigen muss, um wieder Qualität zu finden. Er muss weg von der Klickschinderei. Man braucht die entgegengesetzte Bewegung, die Entschleunigung.“

Eine Ursache für aktuelle Fehlentwicklungen im Online-Journalismus sieht Christiane Schulzki-Haddouti auch im Verhalten der Werbewirtschaft. Sie belohne es derzeit, wenn viele Nutzer viel klicken, nicht aber, welche Bedeutung ein Medium für eine bestimmte Zielgruppe hat. Die Rivva-Leitmedien beispielsweise versuchen dies abzubilden. Viele Blogger könnten demnach Top-Verdiener sein, weil sie zentrale Debatten anstoßen. Ein Traum?

„Der Rivva-Leitmedien-Index zeigt strukturelle Verwerfungen auf. Er ist ein Indikator dafür, dass es zu Veränderungen in der Medienlandschaft kommen wird“, sagt die Autorin und Journalistin. Große Newsportale sieht sie auf dem absteigenden Ast, da ihnen in Zukunft hunderte, tausende Mikro-Medien Konkurrenz machen werden, wenn sie sich denn zusammenschließen.

Publikations-Netzwerke statt Portale

Als Beispiel für diese Entwicklung nennt sie die US-Frauenplattform „Glam“. Sie besteht aus einem Kern aus redaktionellen Beiträgen, der um Inhalte ausgewählter Blogs ergänzt wird. „Glam versteht sich nicht als großes Portal, sondern als Publikations-Netzwerk“, erklärt Christiane Schulzki-Haddouti. Die teilnehmenden Blogs bestehen unabhängig davon weiter, profitieren aber vom Traffic durch die gegenseitige Verlinkung. Außerdem teilen sie sich die zentral erwirtschafteten Werbeeinahmen. „Kein Blogger wäre allein in der Lage, sein Blog auf diese Weise zu vermarkten.“

Die Werbewirtschaft werde nicht umhin kommen, diese Netzwerke zu beachten, ist Christiane Schulzki-Haddouti überzeugt. Heute fehlt es in der deutschen Blogosphäre noch an den passenden Tools, um effektiv Werbung für eine Gruppe von thematisch passenden Blogs schalten zu können. Der Blogvermarkter Adnation etwa verfolge zwar „die richtige Idee“, aber sei heute noch viel zu klein und zu unspezialisiert.

Letztlich stellt sich die Frage: Kann man künftig vom digitalen Publizieren leben? „Im Moment machen wir die Blogs in unserer Freizeit und müssen unser Geld in den traditionellen Medien verdienen, die aber selbst im Umbruch sind“, stellt Christiane Schulzki-Haddouti fest. Eine schwierige Situation.

Sie ist der Meinung, dass sich noch viel zu wenige Journalistenkollegen damit intensiv auseinandersetzen: „Es gibt noch zu wenig Diskussion. Eher starrt man wie gebannt auf diese Entwicklung. Dabei ist es jetzt an der Zeit, in Bewegung zu kommen und mit eigenen Arbeiten und Publizieren zu experimentieren. Was wir brauchen sind größere Denkräume und Spielwiesen.“ Ihr Traum wäre es, dass die Debatten in Blogs wie KoopTech tatsächlich Impulse setzen könnten, neue Anstöße für die weitere Entwicklung: „Das wäre aus meiner Sicht optimal.“

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5 Gedanken zu „"Wir müssen weg von der Klickschinderei"

  1. Die bisherige Journalisten und Medien warten eher auf die Zukunft die daherkommen wird. Abwarten und Tee trinken, und schauen wo Sie dann mittmachen können wird und ist aber der falsche weg.

    Man sollte es eher so halten: „Wir/ich warten nicht auf die Zukunft, wir/ich gestalten Sie selber“!

  2. Es ist erstaunlich, welche Bedeutung Blogs in relativ kurzer Zeit gegenüber traditionellen Medien gewonnen haben. Dabei hat sich die Rolle vom passiven Leser hin zum aktiven und häufig auch kreativen Kommentator verändert. Eine Entwicklung, die ich als positiv stimulierend für die klassischen Medien verstehe.

  3. Kann mich da meiner Vorrednerin nur anschließen: wenn man wirklich mal die Statistiken auch aus den letzten Jahren vergleicht, spricht das Bände. Blogs werden einfach von Tag zu Tag beliebter.

  4. @ Ulrike
    Naja, ob die klassischen Medien das als stimulierend empfinden sei mal dahingestellt. Mir kommt es eher so vor als ob die Verlage und deren Heerschar an bezahlten Schreiberlingen Blogs als unprofessionell abstempeln. Was meine Lesegewohnheiten angeht habe ich Online-Magazinen aber schon lange den Rücken gekehrt und vertraue voll und ganz auf meinen Feedreader mitsamt seinen unzähligen Blogs und Bloggern.

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