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"Garfield Minus Garfield": Buch statt Abmahnung

Mit einer schlichten wie genialen Idee sorgt der Ire Dan Walsh für Aufsehen: Er entfernt aus den Garfield-Comicstrips den scheinbaren Hauptdarsteller und alle Nebenfiguren – nur Jon Arbuckle bleibt übrig. Damit verwandelt sich die Serie in einen absurden, abwegigen und auf vollkommen neue Art komischen Comic. Wird Walsh nun vom Rechte-Inhaber abgemahnt? Nein. Stattdessen wird seine Idee jetzt als Buch gedruckt – mit dem offiziellen Segen der Garfield-Macher. Ein Modell mit Zukunft?


Screenshot "Garfield Minus Garfield"

Die Musikindustrie versucht es bekanntlich eher mit einer Art Abmahnungs-Flächenbombardement: Musikfans werden so lange verklagt, bis sie endlich wieder kaufen, bevor sie etwas hören. Erfolg hat die Industrie damit keinen. Runtergeladen wird wie eh und je, wie eine Studie gerade zeigte. Ähnlich gilt es für Filme. Nur Bücher haben es etwas leichter, weil sie derzeit eben doch am liebsten auf Papier gelesen werden – wobei ich mir gerade bei den sehr teuren Fachbüchern gar nicht so sicher wäre.

Nun kommt also mit Dan Walsh jemand daher, der sich ein weithin bekanntes Werk wie Garfield greift, es kongenial abwandelt und wieder veröffentlicht. Seit Februar dieses Jahres gibt es „Garfield Minus Garfield“ und offenbar ist es ein riesiger Erfolg. Kein Wunder: Durch Walsh‘ kleinen Kunstgriff wird aus dem niedlichen und amüsanten Comic um einen Katzenbesitzer und sein Haustier die tragisch-komische Story eines einsamen, seltsamen und mit sich selbst sprechenden Kauzes am Rande der Stadt.

Bis hierhin ist „Garfield Minus Garfield“ eine Geschichte, die das Internet häufiger schreibt. Nur oft fehlt das Happy End. Diesmal nicht. Der märchenhafte Teil beginnt, als der Garfield-Erfinder Jim Davis ins Spiel kommt. Er ist ganz offensichtlich begeistert davon, wie seine Arbeit weiterverwendet wird. Wie es in der offiziellen Mitteilung heißt, habe er sich bei David Walsh sogar dafür bedankt. Ergebnis: Bei Ballentine Books kommt nun zeitgleich mit dem Band zu Garfields 30. Geburtstag „Garfield Minus Garfield“ als Buch heraus.

Das ist bemerkenswert, weil sonst alles irgendwem gehört, dieser Besitz eine Grundlage unserer Gesellschaft ist und er entsprechend verteidigt wird. Ohne Urheberrecht gäbe es keine Werke, weil ihre Erschaffer nicht mehr davon leben könnten – so eine These. Aber ist das wirklich nur so denkbar?

Was wäre das wohl für eine Welt, in der Werke frei zirkulieren können? Wie würde es sich auf unsere Kultur auswirken, könnte jeder alles jederzeit verwenden, wie er wollte? Jedes Bild, jeder Text, jede Musik, jede Skulptur: Alles stünde allen zur Verfügung und jeder könnte es nehmen, um etwas Neues daraus zu erschaffen oder es einfach weiterzuverbreiten.

"Garfield Minus Garfield"

Heute darf ich hingegen nicht einfach Musik im Podcast spielen. Und wenn ich hier „Garfield minus Garfield“ abbilde, dann berufe ich mich dabei auf das Zitatrecht und drücke die Daumen, dass es heute noch gilt. Selbst Videos ins eigene Blog einzubinden, kann eine erhebliche Gefahr darstellen.

Die dahinterstehenden Industrien glauben, dass sie nur so sicherstellen können, auch morgen noch Geld zu verdienen.

Tatsächlich aber gibt es immer wieder Beispiele, bei denen kostenlos und ohne Einschränkungen veröffentlichte Inhalte am Ende zu mehr Umsatz geführt haben: Das E-Book ist kostenlos, das gedruckte Buch hingegen nicht. Der MP3-Download ist kostenlos, die CD mit Booklet und Extras nicht. Sogar vollkommene Freiwilligkeit kann Geld einbringen, wie Radiohead mit ihrem Album „In Rainbows“ gezeigt haben. Aber alle diese Beispiele stammen von kleinen Unternehmen, Einzelkämpfern und Idealisten.

Ob Fälle wie „Garfield Minus Garfield“ in Zukunft häufiger auftreten oder genauso selten bleiben – niemand weiß es. Ich würde nicht einmal Wetten darauf abschließen, dass jetzt jeder Garfield nehmen, verändern und veröffentlichen darf. Aber es ist ein interessantes Beispiel. Und vielleicht bringt es wieder etwas Bewegung in die Diskussion.