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Beschwerden, Trolle, Shitstorm: Was tun, wenn’s im Social Web brennt?

Kommt es einem nur so vor oder ist der Ton im Social Web tatsächlich rauer geworden? Wir wollten es genau wissen und haben dazu eine Befragung veröffentlicht. Viele Antworten haben wir darauf bekommen, die interessante Einblicke geben und praktische Ratschläge mitliefern. Außerdem haben wir mit dem WWF und der Deutschen Bahn zwei Organisationen befragt, die in der Vergangenheit bereits medienwirksam im Kreuzfeuer der Kritik standen. Was haben sie aus dem Shitstorm gelernt und wie erleben sie das Social Web heute?

(Quelle: Gunshow, KC Green. Siehe auch „This is fine“)

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Befragung

A N Z E I G E

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Ergebnisse der Befragung

Wie hat sich das Thema in den letzten Jahren verändert?

Tanja Huber: Ich stelle schon fest, das der Ton rauer geworden ist, die Reaktionen ungefiltert kommen und Diskussionen sehr emotional geführt werden. Auch wenn man im Namen einer Firma antwortet, wird man persönlich angegriffen. Menschen, die im Social Web kommentieren und diskutieren fühlen sich mächtig, weil sie dort oft Gleichgesinnte finden und trotzdem einigermaßen anonym auftreten können.

Fritz Iversen: Die Bedeutung ist etwas gesunken. Die Menschen springen nicht mehr auf jede kleine Empörung auf, seit Empörung der Grundton zu vieler Social-Media-Beiträge ist. Zudem gibt es durch die politische Polarisierung mit ihrem ganzen Themenfächer von „Migration“, „Rechtsextremismus“, „Heimat“ bis „Gender“ eine Art Dauer-Shitstorm, der viel Empörungsenergie aufsaugt und z.B. auch ein Thema wie „Dieselabgase“ oder „Traditionshase“ in seine Atmosphäre zieht.

Dr. Kerstin Hoffmann: Mit dem Ansteigen der Informationsflut steigt natürlich auch die Zahl der negativen Äußerungen. Andererseits kommen und vergehen viele Phänomene schneller. Was früher vielleicht für eine große und lange Empörungswelle gereicht hätte, versendet sich heute schneller. Das gilt aber nicht in allen Fällen.

Insgesamt habe ich schon manchmal den Eindruck, dass der Ton harscher wird und viele Hemmschwellen gefallen sind. Wenn es um die Unternehmenskommunikation geht, müssen wir, denke ich, alle mehr und mehr akzeptieren, dass unsachliche, beleidigende Äußerungen mehr oder weniger an der Tagesordnung sind und dass wir das gar nicht verhindern können. Das stellt auch eine große Herausforderung für die interne Argumentation dar, etwa gegenüber der Geschäftsleitung. Es hat halt auch der Letzte gemerkt, wie einfach es ist, einfach mal irgendwas im Internet beizutragen.

Der Arbeitsaufwand für Community Manager ist zweifellos gestiegen. Man sieht das ja schon daran, dass viele Online-Publikationen sich nicht mehr anders zu helfen wissen, als ganze Kommentarstränge zu schließen. Das halte ich aber weniger für ein Internetphänomen als ein Symptom der politischen Entwicklungen, denen wir momentan in Deutschland und weltweit ausgesetzt sind.

Aber das ist nur meine persönliche Wahrnehmung. Da eine annähernd belastbare Aussage zu treffen, halte ich für sehr schwierig.

Peter Diekmann: Die Trolle haben an Menge zugenommen, allerdings stark abhängig vom Thema. Hatespeech und reflexhafte Beschimpfungen sind inzwischen an der Tagesordnung bei uns.

Christa Goede: Der Ton ist rauer geworden, es gibt mehr Kommentare im strafrechtlich relevanten Bereich. Auch die Zahl der trollenden Fakeprofile hat sich noch weiter erhöht.

Oliver Engelbrecht: Gerade in den Kommentarspalten der Zeitungen ist es schlimmer geworden – bei den Themen Politik und Sport gibt es eigentlich nur noch Streit. In der Marketing-Szene geht es meistens sehr gesittet und hilfsbereit zu (und in vielen anderen Nischen ist es sicher ähnlich).

Silke Bicker: Es gibt mehr Aufregung und mehr „Fake-News“. Es fällt besonders in Kommentaren unter Zeitungsbeiträgen auf.

Dr. Christian Salzborn: Die grundsätzlichen Themen „Shitstorm“ und „Trolling“ wurden um Hatespeech und Fake-News-Debatten ergänzt. Im Kern haben alle Phänomene aber die selbe DNA und Anforderungen wie die richtigen Plattformen online, Akteure, Themen … Die Quantität der Fälle ist dabei gleich geblieben. Die Qualität schwankt von kleinen Aufregern, die es kaum an die Öffentlichkeit schaffen bis zu großen Fällen wie Fakes im US-Wahlkampf oder die Shitstorm-Welle gegen H&M.

Die Qualität schwankt von kleinen Aufregern, die es kaum an die Öffentlichkeit schaffen bis zu großen Fällen wie Fakes im US-Wahlkampf oder die Shitstorm-Welle gegen H&M.

Skadi Richter: Wir merken in der Kommunikation deutliche Veränderungen in letzter Zeit. Konstruktive Kritik wird sehr ausführlich und deutlich geäußert und es wird erwartet, dass man als Unternehmen umgehend reagiert. Zum anderen gibt es vermehrt kurze kritische Kommentare, die bewusst auf der persönlichen Ebene passieren und sehr harsch formuliert sind.

Fazit: Wenn Sie das Gefühl haben, dass die Beschimpfungen im Social Web zunehmen, sind Sie damit bei weitem nicht alleine. Die gute Nachricht: Es liegt nicht an Ihnen. Die schlechte Nachricht: Sie werden kaum etwas dagegen unternehmen können.

Wie sorgen Sie dafür, dass Sie über negative Äußerungen Bescheid wissen?

Tanja Huber: gezieltes Monitoring vom Markennamen, passenden Begriffen rund um die Marke, Präsenz im Social Web.

Dr. Kerstin Hoffmann: Mit einem gründlichen Monitoring und einer guten Vernetzung.

Peter Diekmann: Strategisch aufgesetztes Social-Media-Monitoring mit internem Berichtswesen.

Christa Goede: Durch eine aktive Betreuung der Kanäle.

Silke Bicker: Indem ich Kommentare lese oder auch mal dementiere.

Dr. Christian Salzborn: Ich lese zahlreiche Medien und folge vor allem in Twitter nicht nur interessanten Leuten aus dem PR Bereich, sondern habe mir eine Suche „#Shitstorm“ angelegt.

Skadi Richter: Monitoring-Tools wie Fanpagekarma oder diverse Alerts spielen bei der Beobachtung der sozialen Kanäle und im Netz eine große Rolle für uns. Zudem sind bei uns mehrere Mitarbeiter in diese Prozesse eingebunden. Sollte einmal jemand durch Krankheit oder Urlaub ausfallen, ist das Beobachten, aber auch die zeitnahe sowie entsprechende Reaktion abgesichert.

Fazit: Ohne aktive Betreuung und gezieltes Social-Media-Monitoring geht heute nichts mehr. Wenn Sie mehr dazu erfahren möchten, können wir Ihnen diese drei UPLOAD-Artikel ans Herz legen:

Worauf kommt es an, wenn sich eine Welle an negativen Kommentaren aufbaut?

Tanja Huber: schnell reagieren, sachlich aber menschlich bleiben (kein Roboter ähnliches Verhalten), Verständnis für das Anliegen zeigen (sofern vorhanden), Ehrlichkeit, Ausdauer und Geduld

Fritz Iversen: Die Empörung gilt immer in erster Linie dem unterstellten Motiv, weniger einem Sachverhalt. Dies war z.B. exemplarisch sichtbar bei dem Traditionshasen-Shitstorm gegen REWE. Unterstellt wurde eine vorauseilende Anpassung an „Islamisierung“, während der Sachverhalt völlig belanglos war. Es müssen dementsprechend schnell glaubwürdige Erklärungen her, warum etwas geschehen ist – die Erklärung der Motive und Absichten. Einen Sachverhalt korrekt darzustellen hilft nur, wenn er sich zweifelsfrei und überzeugend richtig stellen lässt. Idealerweise anhand von Dokumenten oder Demonstrationen (Video!). Ansonsten gelten die Standards der guten Kommunikation: Es sollte nicht institutionell PR-haft, sondern mit menschlicher Stimme gesprochen werden – klar, einfach, natürlich. Selbstbewusst, aber gelassen und bescheiden.

Es sollte nicht institutionell PR-haft, sondern mit menschlicher Stimme gesprochen werden – klar, einfach, natürlich.

Dr. Kerstin Hoffmann: Zügig zu reagieren, aber nicht vorschnell. Wichtig ist es, einzuschätzen, welche Bedeutung und welche mutmaßlichen Folgen dieser spezifische Fall haben könnte. Das erfordert gute Vorbereitung. Über ein Konzept zur Krisenkommunikation sollte man nicht erst nachdenken, wenn es zur Krise kommt. Das gehört in die Kommunikationsplanung jedes Unternehmens. Andererseits ist nicht jede Welle negativer Kommentare gleich eine Kommunikationskrise. Es gilt also, genau zu beobachten und aufmerksam zu bleiben.

Zunächst einmal sollte man jede/n Kritiker/in bis zum ausdrücklichen Beweis des Gegenteils ernstnehmen und wertschätzen. Wie und ob man im Einzelfall reagiert, lässt sich aber auch nur im Einzelfall entscheiden.

Peter Diekmann: Schnelle sichtbare Reaktion, gut überlegte aber starke Reaktion in der Sache.

Christa Goede: Auf frühzeitiges Einschreiten – am besten nicht nur von den Betreibern einer Fanpage, sondern auch von den echten Fans. Denn je früher und intensiver sich diese engagieren, um so kleiner fällt meiner Erfahrung nach ein Shitstorm aus.

Oliver Engelbrecht: Empathie und Verständnis. Man soll den Leuten nicht nach dem Mund reden, aber auf ihre berechtigten Beschwerden eingehen. Wenn man nichts falsch gemacht hat, sollte man aber auch dazu stehen.

Dr. Christian Salzborn: Ruhe bewahren und erstmal das kritische Thema/Themen, die betroffenen Plattformen und beteiligten Akteure identifizieren (Fans, Kunden, …). Danach strukturiert vorgehen und immer im Kopf haben, dass jede Krise auch eine Chance sein kann.

Skadi Richter: Wir reagieren möglichst zeitnah und konstruktiv auf negative Kommentare oder Einträge, damit sich eben nicht so eine Vielzahl an Kommentaren anhäuft und im schlimmsten Fall der Dialog eskaliert. Dafür haben wir uns für solche Situationen intern eine Art Maßnahmeplan zurechtgelegt, der uns als Leitfaden dient. An oberster Stelle steht dabei für uns individuell und überlegt auf negative Äußerung oder Beschwerden einzugehen und dabei im Tonfall sachlich und freundlich zu bleiben.

Fazit: Um gut und vor allem schnell reagieren zu können, sollten Sie sich idealerweise bereits vorab Gedanken dazu gemacht haben. Sie brauchen einen Plan für passende Abläufe und Zuständigkeiten. Wir haben einen Artikel genau dazu für Sie: Krisenkommunikation: Tipps zur Vorbereitung und für den Ernstfall

Was sollte man auf jeden Fall vermeiden?

Tanja Huber: Gleich emotional reagieren, wie das Gegenüber, falsche Versprechungen machen, ausweichend antworten

Fritz Iversen: Streit und Tadel. Streit entsteht durch Gegenangriffe und adversative Redeformen. Streit führt dem Shitstorm zusätzliche Energie zu. Ferner unbedingt vermeiden: Unwahrhaftigkeit. Notlügen und Falschdarstellungen fliegen in Social Media ähnlich leicht auf wie in Polizeiverhören, sobald Widersprüche entstehen. Drittens wäre das Einbunkern zu vermeiden („dazu äußern wir uns nicht“). Einbunkern ist eine passive Abwehrhaltung, die unvermeidlich Unterstellungen und Vermutungen blühen lässt. Schweigen und formelhaftes Ausweichen „riechen“ nach schlechtem Gewissen, Geheimnis, Unaufrichtigkeit.

Dr. Kerstin Hoffmann: Die Debatte zusätzlich anzuheizen. Selbst ausfallend zu werden. In Schuldzuweisungen oder Rechtfertigungen zu verfallen.

Peter Diekmann: Ignorieren, ausweichen oder anderen die Diskussionshoheit überlassen.

Oliver Engelbrecht: Bloß nicht einfach alles löschen, wenn es nicht zu beleidigend ist.

Silke Bicker: Ins gleiche Horn tuten und Trolle anpöbeln.

Dr. Christian Salzborn: Aggressionen und Ignoranz sind völlig fehl am Platz. Selbst wenn es noch so emotional hergeht, sollte der Betroffene immer objektiv bleiben und nicht selbst einer der stürmenden Akteure werden.

Skadi Richter: Solange die Kommentare inhaltlich frei von rassistischen Äußerungen, bösartigen Beleidigungen, Spam oder anderen Äußerungen sind, die gegen Gesetze verstoßen, löschen wir keine Kommentare oder negative Bewertungen. Wenn diese aber gegen die rechtlichen Richtlinien verstoßen, sperren wir den Nutzer und melden ihn zudem beim jeweiligen Portalbetreiber.

Fazit: Egal, wie harsch und unberechtigt Sie angegriffen werden, müssen Sie selbst einen kühlen Kopf bewahren. Das ist nicht immer einfach, muss aber sein. Auch hier hilft Ihnen ein Konzept zur Krisenkommunikation.

Wann sollte man einlenken und wann standhaft bleiben?

Tanja Huber: Schwierig, das so pauschal zu beantworten. Man sollte grundsätzlich sachlich bleiben. Wenn man was ändern kann am Problem und das auch vor hat, kann man schon einlenken. Einfach pauschal stur zu bleiben ist sicher ungeschickt.

Fritz Iversen: Beides sind keine guten Grundmuster, weil sie ungute Gefühle erzeugen können. Ziel ist die Wiederherstellung der Sympathie. Es geht daher immer darum, wie man kommuniziert. „Einlenken“ muss absolut unverkrampft und souverän geschehen und darf nicht wirken, als würde man widerstrebend dem Druck nachgeben – da hängt viel von den richtigen Formulierungen ab. „Standhaft bleiben“ muss nachvollziehbar sein – egobetonte Vorstände neigen zu verhängnisvoller Trotzigkeit, zumal wenn ihnen jedes Verständnis für die nicht-sachlichen, emotionalen Komponenten der Kommunikation fehlen. Den Überzeugungen treu bleiben wird geschätzt, Uneinsichtigkeit nicht.

Beides sind keine guten Grundmuster, weil sie ungute Gefühle erzeugen können. Ziel ist die Wiederherstellung der Sympathie.

Peter Diekmann: Wenn Fehler gemacht wurden, sollte man dazu stehen. Wo es um Diskriminierung, Beleidigung oder einfache Falschbehauptungen geht, geben wir eindeutig Rückmeldung.

Christa Goede: Wenn man in der Sache richtig liegt, sollte man immer standhaft bleiben. Wichtig ist hier die Diskussionsbereitschaft – aber nur bis zu einem gewissen Punkt. Beleidigungen oder strafrechtlich Relevantes werden ohne Diskussion, aber mit einer Erklärung gelöscht. Sollte einem selbst jedoch ein Fehler unterlaufen sein, sind Einlenken und Diplomatie gefragt – und auch eine Entschuldigung. Transparenz und Hintergrundinformationen können hier ganz besonders wichtig sein.

Dr. Christian Salzborn: Einlenken ist immer zu empfehlen, selbst wenn keine Schuld vorliegt. Denn sichtbar auf die Akteure einzugehen bringt viel und kann dazu beitragen, dass sich die Kritik schnell wieder abbaut. Zu vermeiden ist jedoch der pauschale „Kniefall“ vor der Masse, obwohl keine Fehler gemacht wurden.

Einlenken ist immer zu empfehlen, selbst wenn keine Schuld vorliegt. Zu vermeiden ist jedoch der pauschale „Kniefall“ vor der Masse, obwohl keine Fehler gemacht wurden.

Skadi Richter: Einlenken sollte man als Unternehmen immer dann, wenn sich während des Dialogs herauskristallisiert, dass der Fehler oder die Ursache des Kommentars auf Seiten des Unternehmens liegt. Das ist sicherlich menschlich nicht immer leicht, aber eine Entschuldigung und eine Wiedergutmachung bzw. das Anbieten einer Lösung ist in diesem Fall doch angebracht. Gegebenenfalls sollte man dann aber den persönlichen Dialog suchen.

Fazit: Die wahre Antwort auf diese Frage liegt nicht in den Extremen. Vielmehr müssen Sie in der jeweiligen Situation entscheiden, ob und inwieweit Sie sich einsichtig zeigen wollen oder ob Sie Ihren Standpunkt verteidigen.

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Wie unterscheidet man zwischen einem Troll und einem echten verärgerten Kunden?

Tanja Huber: Ein Troll kommt immer wieder, zeigt sich grundsätzlich unzufrieden und mischt sich auch in Themenbereiche ein, die ihn selbst gar nicht betreffen. Er greift nicht nur die entsprechende Firma an, sondern auch andere „Gesprächsteilnehmer“. Ein Troll provoziert wo er kann und hofft auf möglichst viel Gegenreaktionen. Im Gegensatz zu einem verärgerten Kunden ist er nicht an der Lösung des Problems interessiert. Es geht ihm nur um die Diskussion/Provokation. Dadurch fühlt er sich unterhalten.

Fritz Iversen: Zunächst gar nicht, soweit der Troll tatsächlich Kunde ist. Grundsätzlich sind Querulanten mit der gleichen gelassenen Höflichkeit zu behandeln wie enttäuschte Kunden. Das Weitere regelt der Kommunikationsverlauf. Echte Trolle werden meistens schon von anderen Teilnehmern bearbeitet – bei denen kann man sich bedanken.

Dr. Kerstin Hoffmann: Das kann man schwierig allgemein fassen, aber relativ leicht einschätzen. Nicht jeder, der einmal etwas Unsachliches, Beleidigendes äußert, ist gleich ein Troll. Auch jemand, der sehr verärgert ist, kann ausfallend werden, und die Fähigkeit zur sachlichen Diskussion ist nicht jedem gegeben. Der echte Kunde hat oder hatte in der Regel ein Interesse an einer Lösung oder zumindest an einem Dialog. Er will Recht bekommen oder recht behalten. Der Troll will nur Aufmerksamkeit und hat gar kein Interesse an einem Dialog – und das in der Regel wiederkehrend. Aber auch hier gilt: Es gibt nicht den einen typischen Troll, den man mit einem Begriff fassen und behandeln kann. Deswegen braucht man erfahrene Community Manager; Menschen, die sich mit Kommunikation auskennen und Signale einschätzen können.

Auch jemand, der sehr verärgert ist, kann ausfallend werden, und die Fähigkeit zur sachlichen Diskussion ist nicht jedem gegeben.

Peter Diekmann: Dafür haben wir Entscheidungsbäume gebaut, die passen hier nicht rein. ;-)

Christa Goede: Trolls gehen nicht auf Vermittlungsangebote ein und sind auch nicht zu einem Gespräch bereit – es geht nur um Hass und Disserei. Oft ist es so, dass sich Trolls an einen echten verärgerten Kunden anhängen – hier muss man sehr genau aufpassen. Im Zweifel entscheide ich nach dem Mehraugenprinzip und meinem Bauchgefühl ;o)

Oliver Engelbrecht: Ist die Aussage Likebait oder nicht? Kann man bisherige Kontakte zu der Person nachvollziehen? Sieht das Profil echt aus?

Silke Bicker: Trolle pöbeln, um zu pöbeln. Verärgerte Kunden wollen Verbesserung und arbeiten ggf. mit, wenn sie spüren, dass sich dadurch etwas verbessern könnte – sprich: sie sich ernst genommen fühlen

Dr. Christian Salzborn: Trolle ärgern des Ärgerns wegen, lassen sich damit kaum beruhigen. Kunden haben ein Anliegen. Wenn ich dieses erkenne und darauf eingehe, wird der Kunde sich auch wieder zurück ziehen.

Skadi Richter: „Don´t feed the troll!“ ist in letzter Zeit leichter gesagt, als getan. Uns fällt es zunehmend schwerer, Trolle zu identifizieren, weil man erst im fortlaufendem Dialog mit ihnen merkt, wie sie einen persönlich aufs Korn nehmen wollen. Ich habe den Eindruck, dass auch Trolle dazu lernen und sich bewusst spät zu erkennen geben – da braucht es einiges an Erfahrung, um klar zwischen Troll und kritischem Kommentargeber zu trennen. Wir empfehlen auch unseren Kunden, denen wir im Social Media beratend zur Seite stehen, die richtigen Beschwerden anhand der Auftrags- bzw. Vorgangsnummer zu erfragen. Dann kann auch eine gezielte Rücksprache mit den jeweiligen Ansprechpartnern im Unternehmen stattfinden.

Ich habe den Eindruck, dass auch Trolle dazu lernen und sich bewusst spät zu erkennen geben – da braucht es einiges an Erfahrung, um klar zu trennen.
Fazit: Grundsätzlich gesehen geht es einem Troll also eher um den Streit und die Aufregung, während ein verärgerter Kunde wahrscheinlich Interesse an einer Lösung zeigen wird. Die Grenzen sind aber fließend und man braucht einiges an Erfahrung für eine gute Einschätzung. In den Antworten zu dieser Frage finden Sie weitere Anhaltspunkte.

Was haben WWF und Deutsche Bahn gelernt?

Beispiel WWF

Die Vorgeschichte: 2011 geriet der WWF durch die WDR-Dokumentation „Der Pakt mit dem Panda“ in die Kritik. Darin hieß es, die Organisation sei durch Spendengelder von Unternehmen beeinflusst. Vor allem auf Facebook reagierte das Team damals zu spät auf die folgende Empörungswelle. Aus diesem Erlebnis heraus wurde der Fachbereich Digitale Kommunikation gegründet. Mehr darüber erfahren Sie in einem Artikel der Zeitschrift „Horizont“.

Unsere Fragen beantwortet Melanie Goemmel, Senior Social Media Managerin WWF Deutschland

Was haben Sie aus Ihrem Shitstorm gelernt und welche Maßnahmen wurden daraus abgeleitet?

Wichtig ist, die Ressourcen zur Verfügung haben, um den Shitstorm zu bewältigen. Öffnungszeiten für die Krisen-PR sind keine gute Idee. Man sollte es tunlichst vermeiden, sich aus „personellen“ Gründen um 18 Uhr zurückzuziehen. Ebenso keine Copy & Paste-Antworten für kritische Fans/Follower. Für aufkommende Krisen haben wir nun ein professionelles Monitoring installiert, Shitstorm-Zuständige innerhalb der Organisation definiert und ein Krisenhandbuch vorbereitet, das allen Beteiligten in der Organisation bekannt ist und – je nach Situation – regelmäßig aktualisiert wird.

Wie hat sich das Thema in den letzten Jahren verändert?

Die Beispiele werden gefühlt zahlreicher, wirklich ernsthafte, langfristig reputationsschädigende Shitstorms sind mir aber nur wenige bekannt. Verändert hat sich zum Teil der Umgang mit Trollen: Viele Social-Media-Redaktionen reagieren heute auch auf eine humorvolle, freche Art und Weise auf unerwünschte Kommentare. Diese relativ neue Vorgehensweise erlangt zum Teil sogar Kultstatus. Neu ist auch die Debatte um die so genannte Fake News im Internet, die durch ihr stilistisches Mittel großes Empörungspotential bergen. Das ist kein völlig neues Phänomen, im digitalen Universum haben sich die Kommunikationsbedingungen aber stark verändert.

Wie sorgen Sie dafür, dass Sie über negative Äußerungen Bescheid wissen?

Wir haben ein professionelles Monitoring installiert. Hier gehen alle Anfragen aus Social Media zu den relevanten Kolleginnen und Kollegen.

Worauf kommt es an, wenn sich eine Welle an negativen Kommentaren aufbaut?

Es ist wichtig, sich inhaltlich und logistisch gut vorzubereiten. Auch über interne Kommunikationsprozesse sollte man möglichst transparent informieren und zum offenen Dialog aufgerufen. Dabei hilft Personalisierung. Soll heißen: Menschen/Mitarbeiter werden in der Regel nicht so stark angegriffen wie abstrakte Organisationen und Unternehmen.

Wann sollte man einlenken und wann standhaft bleiben?

Wenn der Empfänger die Antwort des Unternehmens/der Organisation selbst dann nicht annehmen möchte, wenn er über Informationen verfügt, die die Falschmeldung korrigieren könnten, bringt ein weiterer Austausch nichts. Informationen, die nicht zur eigenen Überzeugung oder Erfahrung passen, werden dann wahrscheinlich abgelehnt. Das gilt insbesondere dann, wenn die Einstellung besonders emotional geprägt ist.

Wie unterscheidet man zwischen einem Troll und einem echten verärgerten Kunden?

Ein verärgerter Kunde oder Unterstützer äußert oft berechtigte Kritik. Der Troll provoziert eher hetzerische oder stupide Kommentare, was subtilere Kritiker oft mundtot macht. Die sachliche Auseinandersetzung wird bei Trollen unmöglich.

Beispiel Deutsche Bahn

Die Vorgeschichte: 2010 experimentierte die Deutsche Bahn mit einem reduzierten Ticket-Angebot via Facebook. Was man bei dieser „Chef-Ticket“-Aktion offenbar nicht genügend bedacht hatte: Dass Menschen die Seite zur Aktion auch für Beschwerden und allgemeinen Unmut nutzen würden. Aus diesem Erlebnis heraus entstand letztlich eine sehr umfassende Social-Media-Strategie. Genauer können Sie das in diesem UPLOAD-Artikel nachlesen.

Unsere Fragen beantwortet Svea Rassmus, Leiterin Online-Redaktion und Media-Management, Deutsche Bahn

Was haben Sie aus Ihrem Shitstorm gelernt und welche Maßnahmen wurden daraus abgeleitet?

Egal ob kleines, mittelständige oder großes Unternehmen, ob geliebte Marke oder meist gehasst, jede/r benötigt eine ganzheitliche Kommunikation-, Content- und Social-Media-Strategie. Klare und gut dokumentierte Prozesse, Ansprechpartner, Krisen- und Störungsszenarien. Ein gutes Monitoring und Transparenz und Ehrlichkeit für Kunden und ins Unternehmen hinein. Das gilt auch, wenn man als Unternehmen die Betreuung an Agenturen oder Dritte vergibt. Klare Verantwortlichkeiten, KPIs und Prozesse, Prozesse, Prozesse.

Wie hat sich das Thema in den letzten Jahren verändert?

Wir haben es kaum mit Fakes oder Trollen zu tun. Gleichbleibende Aufregung im Jahresdurchschnitt. Zunahme von sogenannten Influenzern, die ihre Reichweite als mediales (in der Blase oder bei Journalisten in den Medien) Druckmittel aufbauen und nicht vollständig den Verlauf dokumentieren. Tonalität ist gleichbleiben auf eine „anonyme“ Diskussion bezogen.

Wie sorgen Sie dafür, dass Sie über negative Äußerungen Bescheid wissen?

Aktives Community-Management mit Service Level 10-15 Minuten. Social-Media- und Presse-Monitoring. Direkte Vernetzung in die Pressestelle Konzern – Anfragen werden direkt von der 24/7-Bereitschaft an den verantwortlichen Fachbereich übergeben. Klar definierte Eskalationsprozesse und Zuständigkeiten.

Worauf kommt es an, wenn sich eine Welle an negativen Kommentaren aufbaut?

Schnelle erste Reaktion (noch keine fachliche Lösung, sondern Kontakt herstellen) und nach außen die Dokumentation (für Mitlesende) was, wann wie gemacht wird. Ggf. einzelne „private“, dem Kundendatenschutz entsprechende Kontaktaufnahme mit DM, Mail, Telefon etc. Dokumentation in den Konzern und Anfrage einer fachlichen Lösung, einer Sprachregelung etc. Parallel Community Management, um weitere Eskalationen und zusätzliche Diskussionstränge zu vermeiden.

Was sollte man auf jeden Fall vermeiden?

Herausgabe und öffentliche Diskussion von Kundendaten oder internen Information (auch Mitarbeiterdaten). Eine „Ich als Unternehmen habe recht“-Haltung. Keine politische Stellungnahme.

Wann sollte man einlenken und wann standhaft bleiben?

Standhaft: Bei Meinungsmache und nicht nachvollziehbaren Fakten. Einlenken: Gibt es eigentlich nicht, da es nicht um klein Begeben geht, sondern dem Kunden zu seinem Recht, Service verhelfen.

Bonustipp

Als Facebook-Kommentar von Ulf Gimm, Leiter Unternehmenskommunikation bei ProCom-Bestmann: „Hilfreich sind Screenshots! Schließlich sind Trolle schlau und löschen häufig ihre aufheizenden Kommentare, so dass dann Antworten aus dem Zusammenhang gerissen stehen bleiben. Im Schlimmsten führt es zu einem Brief vom Staatsanwalt. Um dann sachgerechte Nachweise zu erbringen, sind Screenshots, die den gesamten Verlauf dokumentieren, sehr hilfreich. Ansonsten kann es übel für die jeweiligen Person (Community Manager, Fans) enden.“


Dieser Artikel gehört zu: UPLOAD Magazin 58

Ob nun ein neues Produkt kläglich scheitert oder sich im Social Web Unheil zusammen braut: Die meisten Menschen (und Unternehmen) möchten Fehler am liebsten ganz vermeiden. Zum einen ist das allerdings gar nicht möglich und zum anderen auch nicht unbedingt erstrebenswert. Das Beste aber ist sowieso die richtige Vorbereitung auf den Fall der Fälle. Nützliche Tipps, Meinungen und Erfahrungen dazu finden Sie in dieser neuen Ausgabe. Plus: Standalone-VR-Headsets versprechen Virtual Reality für alle.

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