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TikTok für Unternehmen: Lohnt sich das?

Es wird Zeit, TikTok als Plattform auch für Unternehmen ernst zu nehmen. Das gilt selbst für Nischenthemen und B2B-Angebote. Paul Lanzerstorfer stellt dir TikTok in diesem Artikel genauer vor und zeigt dir mehrere spannende Beispiele. Nicht zuletzt erfährst du, wie du den Anfang schaffst und welche Faktoren zum Erfolg beitragen.

(Illustration: © irinashatilova, depositphotos.com)

Ein Netzwerk für kurze Videos

Im Jahr 2014 launchte musical.ly als App für „Lipsync“-Videos, also kurze Clips, in denen die User*innen ihre Lippen passend zu verschiedenen Songs bewegten. Der Erfolg war groß, die Anzahl der Nutzer*innen stieg.

Drei Jahre später kaufte das chinesische Medienunternehmen ByteDance die App und änderte den Namen auf TikTok. Mit der Übernahme veränderten sich auch die Inhalte des Netzwerkes und der inhaltliche Fokus wurde breiter.

Nicht mehr nur für Jugendliche

Über 1 Milliarde Nutzer*innen laden heute neben Tanz- und Musikvideos unter anderem Comedy-Inhalte, Do-It-Yourself-Videos, Rezept- oder Beauty-Clips, Reiseberichte oder Wissensbeiträge hoch. Der Großteil davon kommt von Jugendlichen Content Creators. Aber nicht nur. In den USA sind bereits mehr User*innen über 30 Jahre alt und TikTok-Inhalte genießen bei allen Altersgruppen eine hohe Sichtbarkeit. 

A N Z E I G E

neuroflash

 

Gen Z nutzt TikTok als Suchmaschine

Die Gen Z nutzt die Plattform aber nicht nur für den Upload eigener Videos, sondern auch als Suchmaschine. Während die Suche nach Restaurant-Empfehlungen zum Beispiel auf Google eine Karte mit allen Lokalen in der Nähe plus Empfehlungen von TripAdvisor anzeigt, findet man auf YouTube zahlreiche 20-Minuten Videos zu den besten Restaurants. Auf TikTok aber bringt die Suche eine Vielzahl von 1-minütigen Clips mit allen wesentlichen Infos und meistens einer sehr aktuellen, persönlichen Empfehlung. Das kommt bei der jungen Zielgruppe gut an. 

Dadurch wird die Plattform zunehmend auch für Agenturen und Marketing-Abteilungen relevant. Während die einen nur sinnlose Unterhaltung darin sehen, verorten andere neue, ungeahnte Chancen und starten ihre eigenen Channels.

Was also ist dran an TikTok? Lohnt es sich, als Unternehmen einzusteigen? Und wenn ja, was kann man sich erwarten? Und für welche Zwecke kann TikTok genutzt werden? 

Was macht TikTok besonders?

Für den Laien erschließt sich der Zauber der App nicht sofort. Im Kern bietet TikTok eine Funktion an, die viele anderen Plattformen auch integriert haben: kurze Videos, die mit verschiedenen Effekten wie Filter, Zeitraffer oder einer eigenen kreativen Bearbeitung hochgeladen und mit den anderen User*innen geteilt werden können.

Die vielfältigen Interaktionsmöglichkeiten rund um diese Clips aber haben TikTok zu einer Verbreitung verholfen, bei der die Konkurrenz nur schwer mithalten kann.

Der Algorithmus spielt die zentrale Rolle

Der große Unterschied zu allen bisherigen Netzwerken steckt zugleich in der Art und Weise, wie diese Videos ausgespielt werden: Während Instagram oder Facebook auf das Follower-Prinzip setzen und Inhalte nur jenen User*innen vorschlägt, die aktiv bestimmten Accounts, Personen oder Marken folgen, beschreitet TikTok hier einen anderen Weg. 

Inhalte werden vom Algorithmus rein anhand von Interessen ausgespielt, die dieser auf Basis des Verhaltens der User*innen identifiziert hat. Vereinfacht ausgedrückt bedeutet das folgendes: Der Algorithmus merkt sich, wenn sich Nutz*innen z.B. für Rezeptvideos interessieren, aber Sportclips beim Scrollen übergehen und zeigt dann in Zukunft weniger Sportvideos an. Das System lernt ständig dazu und optimiert den Content auch dahingehend, ob sich etwa die Interessen der jeweiligen Nutz*innen über die Zeit verändern, wie lange die Videos angesehen werden, wie oft und wann die Nutzer*innen kommentieren und interagieren etc. 

Andere Messzahlen sind relevant

Während also bisher die Follower-Zahlen als relevante Größe im Marketing genutzt wurden, zählen auf TikTok Views und Interaktionen. Diese Veränderung im Verständnis von Social Media zwingt Agenturen und Entscheider*innen dazu, ihre Strategien zu überdenken. Reine Follower-Zahlen rücken in den Hintergrund und die Inhalte werden plötzlich wieder wichtiger.

Dass hier vor allem mit viel Kreativität und Authentizität gepunktet werden kann und nicht unbedingt hochprofessionelle Produktionen notwendig sind, das beweisen einige Marken-Accounts bereits recht eindrucksvoll. 

Was ist auf TikTok möglich?

Beispiel Weber Grills

Die Marke Weber Stephen etwa ist mit dem internationalen @webergrills Account auf TikTok aktiv, im DACH-Raum wurde erst vor wenigen Monaten mit @webergrill_official ein deutschsprachiger Account gestartet. Beide stellen vor allem den Spaß am Grillen in den Vordergrund und zelebrieren Grillen als Lifestyle. Grillfans werden mit kurzen Clips und Rezeptvideos unterhalten und auf diese Weise zielgruppengerecht abgeholt.

Dass dabei die Marke Weber nicht zu kurz kommt, versteht sich von selbst. Regelmäßig erreichen die Videos beider Accounts Zahlen jenseits der 200.000 Views und diese Reichweiten wirken sich zumindest positiv auf die Brand Awareness aus. 

Weber Grills zelebriert Grillen als Lifestyle. Beispiel auf TikTok ansehen …

Beispiel Rosenbauer Group

Vor allem der direkte Draht zur Community auf TikTok ist für Brands spannend, auch dann,  wenn sich eine Marke in einer scheinbaren Nische befindet. So etwa hat sich Feuerwehr-Content als unglaublich geeignet für TikTok erwiesen. Nur wenige Wochen nach dem Start auf TikTok verzeichneten die Videos des Feuerwehrgeräteherstellers Rosenbauer mehrere Millionen Views und der Account @rosenbauergroup über 100.000 Likes. Mit teils vorproduzierten Clips bringt sich das Unternehmen in die Community ein, erhält dort direktes Feedback und wird von den Fans als Marke gehyped – und das ganz ohne Werbebudget. 

Dass kaum ein*e Bürgermeister*in oder Verantwortliche*r nur aufgrund dieser Videos die örtliche Feuerwehr mit Rosenbauer Fahrzeugen ausstatten wird, ist dem Unternehmen klar. Aber es stellen sich immer wieder auch indirekte Effekte ein, etwa wenn die Community von sich aus die Marke empfiehlt und so den Wert steigert. 

Die Rosenbauer Group gewinnt Bekanntheit über die Begeisterung für Feuerwehr-Fahrzeuge. Beispiel auf TikTok ansehen …

Konkrete Auswirkungen auf Verkaufszahlen bzw. direkte Conversions sind noch schwer nachweisbar, da das Hinterlegen eines Links bisher nur in Ads, nicht in organischem Content möglich ist. Wenn man sich in diesem Zusammenhang jedoch die Reichweiten des Tags #TikTokMadeMeBuyIt ansieht, wird zugleich schnell klar, wohin die Reise geht: Der Tag kommt immer dann zum Einsatz, wenn Nutzer*innen über eine Video-Empfehlung ein Produkt erworben haben und dieses dann auf TikTok präsentieren. Nicht selten bewegen sich Videos mit dem Tag im mehrstelligen Millionen Views-Bereich. 

Beispiel GlobeAir

Dass es dennoch direkte Zusammenhänge zwischen TikTok und steigenden Verkaufszahlen geben kann, hat unlängst ein Mitarbeiter des Charterflug-Unternehmens GlobeAir geliefert. Auf seinem privaten Account mit rund 2.400 Followern hat Johannes A. Skrivanek (VP Digital der Fluglinie) einen Clip veröffentlicht, in dem man ihn beim Boarden eines Privatjets sieht. Das Video hat er mit dem beliebten Audiofile „I am José Morrinho“ hinterlegt und als Caption ergänzt: „When you book a private jet flight for just € 150 with the ,ferry‘ trick“. Hintergrund: Die Privatjet-Airline vergibt günstige Tickets, anstatt ihre Flugzeuge leer wieder zurück zu fliegen. 

GlobeAir zeigt, dass sich auch mit kleinen Followerzahlen eine enorme Reichweite erzielen lässt. Beispiel auf TikTok ansehen …

Das Video erreichte 220.000 Views. Generell kein schlechter Wert, andererseits auch keine Seltenheit auf TikTok. Der eigentliche Effekt: Den im Video genannten „Trick“ haben dann andere Content Creator mit weitaus höherer Reichweite auf TikTok aufgegriffen, darunter zum Beispiel @noahxboa mit 1,8 Millionen Followern. Dessen Video verzeichnete über 1,5 Millionen Views und über 120.000 Likes. Weitere Creators folgten seinem Beispiel und der Zugriff auf die GlobeAir-Website explodierte. 

In der Statistik der Seitenaufrufe ergab sich dadurch ein massiver Peak, demgegenüber frühere Peaks – beispielsweise Kooperationen mit Top-Influencer*innen wie Chiara Ferragni oder Tom Claeren – nur noch einer Flatline ähneln. Und der Hype nach den Billigtickets hört nicht auf. Denn immer wieder greifen TikToker*innen den „Trick“ auf und bescheren dem Unternehmen neue Suchanfragen, Traffic und direkte Conversions.

Konkrete Auswirkung: Die Zahl der Abonnent*innen für den Leerflugkalender steigerte sich um 5.000% und sogar eine Preisanpassung der Tickets von 100% brachte keinen Einbruch der Conversions. 

Beispiel Sepp Schellhorn

Ein weiteres Beispiel für wirkungsvolle Kommunikation und gelungenes Employer Branding via TikTok ist der Account des Salzburger Hoteliers und Gastronomen Sepp Schellhorn mit über 42.000 Followern und Millionen von Views – erreichbar via @seppschellhorn.

Seine Videos beginnen immer mit der Frage des Kameramanns: „Sepp, was machst du?“ Daraufhin zeigt Sepp Schellhorn, was er heute kocht: vom Apfelstrudel, über Schnitzel bis zum Eierschwammerlgröstl. Mit seinen sympathischen und authentischen TikTok-Videos hat sich der Salzburger in die Herzen vieler Menschen gekocht und darf sich über unzählige Bewerbungen freuen. Und das in einer Branche, die händeringend nach Fachkräften sucht. 

Sepp Schellhorn begeistert auf TikTok mit seinen sympathischen und authentischen TikTok-Videos.

Wie also auf TikTok (durch-)starten? 

Auf TikTok kann man aktuell nicht viel falsch machen. Wichtig ist jedoch, sich mit der Plattform auseinanderzusetzen und selbst aktiv zu sein. Im ersten Schritt gilt es also, herauszufinden, ob die App und ihre Funktionsweise überhaupt für die eigenen Bedürfnisse geeignet sind. Am besten geht das zum Beispiel mit einer kleinen Einstiegsübung: 

  • Wenn du 100 Ideen für kurze TikTok Videos hast und dir diese schnell einfallen, dann bist du generell richtig.
  • Produziere im ersten Schritt 10 Videos, lade fünf in der ersten Woche hoch, den Rest in einem wöchentlichen Rhythmus.
  • Auf diese Weise bekommst du ein Gefühl, wie die Community tickt und was gut oder schlecht funktioniert.
  • Analysiere deinen Account und deine Inhalte laufend und lerne dazu, um eine längerfristige Strategie zu etablieren.
  • Vergiss dabei nicht, immer wieder auch Call-to-Actions unterzubringen und dich auch selbst an der Kommunikation mit anderen TikTok.-Nutzer*innen zu beteiligen. 

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Bedenke aber: Erfolg kommt nicht (immer) über Nacht! Er ist im Wesentlichen von drei Faktoren abhängig.

  1. Der erste Faktor ist Konsistenz, sowohl in Bezug auf die Regelmäßigkeit als auch inhaltlich. Versuche daher, Videos mit hohem Wiedererkennungswert zu produzieren, etwa in dem eine bestimmte Person, ein Thema, ein Produkt oder auch ein bestimmter Stil immer wieder darin vorkommt. Diese als „Lenses“ bezeichneten Werkzeuge liefern eine Strategie für vorproduzierbare Inhalte und helfen beim Community-Building.  
  2. Ein weiterer Faktor ist Spontanität. TikTok ist eine schnelllebige Plattform, immer wieder kommen neue Trends auf und sogenannte „Challenges“ werden gestartet. Diese kannst du nutzen, um mehr Reichweite zu bekommen. Produziere im besten Fall rund 50% deiner Inhalte vor und plane die restlichen 50% als spontanen Content in deine Strategie ein. 
  3. Der letzte Erfolgsfaktor ist Community Management. Viele deiner Fans werden die Kommentarfunktion nutzen, um ihre Begeisterung festzuhalten, dir Feedback zu geben und mit dir zu interagieren. Anstatt hier einfach reine Textantworten zu schreiben, antworte mit einem Video und nutze dabei die Sound/Song-Library der Plattform. Dadurch werden die Autor*innen eines Kommentars markiert und das trägt wieder zu mehr Sichtbarkeit bei. 

Kurz gesagt: Wenn du TikTok machen willst, musst du TikTok sprechen! Dann stellt sich der Erfolg (fast) von selbst ein.


Dieser Artikel gehört zu: UPLOAD Magazin 105

Lernen und Weiterbildung sind in unserem Berufsfeld besonders wichtig. Die Internetlandschaft ist im stetigen Wandel und das gilt ebenso für spezialisierte Disziplinen wie etwa das Content-Marketing. Im Schwerpunkt dieser Ausgabe liest du, warum Unternehmen eine Lernkultur brauchen, wie du besser lernst und wie Organisationen staatliche Förderungen für Weiterbildungen bekommen. Damit nicht genug: In weiteren Artikeln und Kolumnen geht es um die DSGVO im 5. Jahr, digitale Markenbildung, TikTok für Unternehmen und wie du Daten effektvoll für Social Media aufbereitest.

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