Gerade für Unternehmen stellt sich die Frage, inwiefern sich ein Engagement auf Twitter („X“) heute noch lohnt oder ob es nicht sogar rufschädigend sein kann. Glücklicherweise gibt es mehrere Alternativen. Jan Tißler stellt dir drei wichtige in diesem Beitrag vor: Threads, Bluesky und Mastodon. Er gibt dir jeweils einen Überblick dazu, wer und was hinter diesen Angeboten steckt, was sie bieten und nicht zuletzt, welche Vor- und Nachteile sie haben.

Inhaltsverzeichnis
Zusammenfassung
- Die Übernahme von Twitter (nun „X“) durch Elon Musk hat zu einer Verschlechterung des Umfelds für Unternehmen geführt, mit sinkender Nutzung.
- Threads hat sich als stärkste Twitter-Alternative mit über 320 Millionen monatlich aktiven Nutzern etabliert, bietet mehr Engagement und profitiert von der engen Verzahnung mit Instagram, was es für Unternehmen besonders attraktiv macht.
- Bluesky Social, ursprünglich von Twitter-Mitgründer Jack Dorsey initiiert, wächst rasant und zeichnet sich durch seine dezentrale Ausrichtung, linkfreundliche Struktur und hohe Konversionsraten aus.
- Mastodon bietet als quelloffene, dezentrale Plattform die Möglichkeit für Unternehmen, eigene Angebote zu betreiben, erreicht jedoch nur spezifische Zielgruppen und erfordert mehr technisches Verständnis.
Diesen Artikel vom April 2024 haben wir zuletzt im März 2025 aktualisiert.
Warum nach einer Alternative zu Twitter („X“) umsehen?
Auch wenn Twitter nie zum Superstar im Social Web geworden ist, hatte es einen Platz ausgefüllt, den viele Nutzer:innen zu schätzen wussten: kurze und simple Posts, oft mit aktuellem Bezug. Hier ging es um die schnelle Info, den spontanen Gedanken, den einen Witz, die eine Frage.
Twitters eigenwilliges Format hatte deshalb seinen Platz. Das gilt heute sogar noch mehr als früher, denn kurze Contentformate sind besonders angesagt. Man denke nur an TikTok. Elon Musk hat das allerdings anders gesehen und den Dienst inzwischen in eine ganz neue Richtung gelenkt.
Zugleich ist das Umfeld für Unternehmen schwieriger geworden und die Nutzung des Dienstes ist zugleich deutlich gesunken. Zwar ist „X“ weiterhin größer als seine Konkurrenten wie etwa Threads. Es kann auf gut 600 Millionen monatlich aktive Nutzer verweisen. Aber wie wir wissen: Es kommt nicht allein auf die Nutzerzahl an. Die Art und Qualität der Konversationen kann und sollte wichtiger sein.
Alles in allem gibt es also gute Gründe, dem ehemaligen Twitter den Rücken zu kehren.
Wer es sich einfach machen will, kann natürlich schlicht den eigenen Account dort ruhen lassen. Ab und zu solltest du dennoch aktiv sein. Andernfalls könnte „X“ ihn automatisch schließen. Behalten solltest du ihn ebenfalls, damit der Name nicht in falsche Hände gerät.
Wer hingegen Twitters ursprüngliches Format mochte und nun vermisst, findet verschiedene Alternativen. Ich stelle dir folgend die drei wichtigsten vor.
Threads

Was steckt dahinter?
Threads ist seit Juli 2023 am Start und direkt mit Instagram verbunden. Es ist damit ein Bestandteil des Facebook-Meta-Universums. Dieses Unternehmen hat sich seinen schlechten Ruf rund um Privatsphäre und Datenschutz über die Jahre hart erarbeitet.
Unbestritten ist zugleich der anhaltende Erfolg: Facebook, Instagram, WhatsApp sind Internetgiganten. Threads scheint sich ähnlich zu entwickeln: Innerhalb von fünf Tagen erreichte die App 100 Millionen Anmeldungen – Rekord. Bis Ende 2024 wuchs Threads auf über 300 Mio. monatlich aktive Nutzer, und laut Instagram-Chef Adam Mosseri Anfang 2025 sogar 320 Mio. MAUs und 100 Mio. tägliche Nutzer. Damit wäre Threads in etwa halb so groß wie „X“. Täglich kommen über 1 Mio. neue Anmeldungen hinzu.
Beim Engagement übertrumpft Threads den Konkurrenten X: Eine Analyse von Buffer ergab, dass Threads-Posts 2024 im Median eine Engagement-Rate von 6,25 % erzielten, gegenüber 3,6 % bei X-Posts. Summa summarum ergibt das 73,6% mehr Engagement. Ein Grund dafür ist die geringere Konkurrenz, da die Plattform noch neu ist und weniger überlaufen. Hinzu kommt ein Algorithmus, der ähnlich wie auf Instagram stark auf Interaktionen optimiert ist, sodass Posts häufiger im Feed landen, die Diskussionen anregen.
Mit anderen Worten: Threads hat sich in kürzester Zeit als feste Nummer im Social-Media-Zirkus etabliert. X hat zwar mit ca. 548 Mio. monatlich Aktiven noch die größere Nutzerbasis, doch Threads holt rapide auf.
Für Unternehmen gibt es nicht zuletzt eine umfangreiche Suite an Werkzeugen, um die eigene Präsenz zu pflegen und Anzeigen zu schalten.
Was bietet es?
Threads ist weiterhin stark mit Instagram verknüpft. Vorhandene Profilinfos oder auch die Verifizierung lassen sich einfach übernehmen. Zudem kannst du Threads-Beiträge mit wenigen Klicks in der Instagram-Story teilen oder als Posts übertragen.
Das Angebot ist in vielerlei Hinsicht ähnlich zum klassischen Twitter. Die Posts können aber bis zu 500 Zeichen lang sein. Die namensgebende Threads-Funktion war von vornherein dabei: Damit verkettest du mehrere Beiträge.
Umfragen, GIFs, eine Web-Version sowie die Planung von Beiträgen sind inzwischen hier zu finden. Hashtags bzw. „Tags“ funktionieren ebenfalls, um Inhalte auffindbar zu machen. Eine erweiterte Suche (z.B. nach Stichwort oder Datum) ist jetzt auch vorhanden.
Welche Vorteile hat es?
Die Verknüpfung zum bereits erfolgreichen Instagram ist ein Pfund und durchaus überlebensnotwendig für Threads: Selbst für ein mächtiges Unternehmen wie Meta ist es nicht einfach, eine lebendige und einladende Community aufzubauen. Das hat etwa der gescheiterte YouTube-Konkurrent IGTV gezeigt.
Wer als Instagram-Nutzer:in ignoriert oder vergisst, dass Threads existiert, wird etwa in den Benachrichtigungen immer wieder daran erinnert. Threads hat deshalb eine gute Chance, weiter zu wachsen. Das gilt vor allem dann, wenn das Team gute Ideen hat, auf der grundlegenden Idee aufzubauen und passende Features ergänzt.
Die schiere Größe und Wachstumsdynamik von Threads (siehe oben) macht die Plattform attraktiv für Unternehmen. Als Meta-Plattform ist Threads zudem kommerzieller ausgerichtet als die Alternativen Bluesky und Mastodon. Inhalte von Marken werden hier tendenziell besser akzeptiert.
Die enge Verzahnung mit Instagram macht es interessierten Unternehmen zudem recht einfach, auf beiden Plattformen präsent zu sein.
Alles in allem scheint Threads die schwierige Anfangsphase gut überstanden zu haben, auch wenn es beispielsweise immer mal wieder Anzeichen für nachlassendes Interesse gibt. Es wirkt von außen so, als stünde Meta voll hinter dem Produkt.
Welche Nachteile hat es?
Es ist ein Produkt aus dem Facebook-Universum. Für viele Unternehmen und Organisationen wird das kein Nachteil sein. Sie nutzen, was sie voranbringt. Und das ist auch in Ordnung so. Aber für manche andere ist das ein Grund, sich andernorts umzuschauen.
Der Funktionsumfang von Threads ist weiterhin kleiner als er bei Twitter war. So fehlen etwa Direktnachrichten. Aber das Team hat seit Start fleißig Features ergänzt und es scheint, als würde sich das so fortsetzen.
Generell ist die Nutzerschaft in Europa noch kleiner als etwa in den USA. Das Angebot ist hierzulande erst im Dezember 2023 an den Start gegangen.
Praktische Tipps für Threads:
- Zeige deine Markenpersönlichkeit: Ein persönlicher, nahbarer Ton hilft, um aus der Masse hervorzustechen. Authentizität schafft Sympathie und Bindung.
- Setze auf Humor und Lockerheit: Witzige, unterhaltsame Inhalte erzielen viel Engagement auf Threads. Schlagfertige Antworten und Memes, passend zur Marke, laden zum Interagieren ein.
- Nutze visuelle Elemente: Visueller Content erhöht die Aufmerksamkeit und kann deine Markenwelt transportieren.
- Fördere Interaktion: Stelle Fragen, führe Umfragen durch und gehe aktiv in die Kommentare. Beiträge, die Diskussionen anregen, werden vom Threads-Algorithmus bevorzugt ausgespielt.
- Achte auf Timing und Frequenz: Regelmäßige Posts (mehrmals pro Woche) können organisch hohe Reichweiten erzielen. Experimentiere mit Postingzeiten, bis du die besten Engagement-Zeiten deiner Zielgruppe findest.
Bluesky Social

Was steckt dahinter?
Hinter Bluesky Social steht eine gemeinnützige Gesellschaft mit Sitz in den USA. Bluesky wurde ursprünglich 2019 von Twitter-Mitgründer Jack Dorsey angekündigt, um ein dezentrales System für Social Media zu entwickeln. Das Ziel war, dass mehrere soziale Netzwerke mit jeweils eigenen Kurations- und Moderationssystemen über einen offenen Standard interagieren – ähnlich dem Fediverse. Das hört auf den Namen „Authenticated Transfer Protocol“ oder auch AT Protocol. Twitter sollte ursprünglich ein Teil davon werden. Das ist heute natürlich kein Thema mehr.
Die Plattform hat seit ihrer Öffnung für die breite Öffentlichkeit Ende 2024 ein rasantes Wachstum verzeichnet. Im Januar 2025 hatte Bluesky bereits über 31,7 Millionen registrierte Nutzer – ein deutlicher Sprung, denn allein in den letzten sechs Wochen des Jahres 2024 kamen 13 Millionen neue Nutzer hinzu. Dieser Anstieg wurde vor allem durch die Diskussionen rund um die US-Wahlen angetrieben. An manchen Tagen im November 2024 waren sogar über 1 Million Nutzer täglich aktiv.
Was bietet es?
Bluesky ähnelt in Look and Feel am stärksten dem klassischen Twitter und legt großen Wert auf Dezentralität und Nutzerkontrolle. User können zwischen verschiedenen Algorithmen wählen oder sogar eigene Feeds erstellen. Dadurch gibt es nicht nur einen zentralen „For You“-Feed, sondern zahlreiche Custom Feeds (z.B. Themen-Feeds, kuratierte Listen).
Ähnlich wie Twitter können Nutzer auf Bluesky kurze Textbeiträge veröffentlichen, diese liken, rebloggen (das entspricht einem Retweet) und mit anderen interagieren. Das Interface und die Post-Formate (Text, Bilder, Links, Videos bis 5 Min.) entsprechen weitgehend den Twitter-Standards, wobei auch Umfragen möglich sind.
Eine Besonderheit aus Marketersicht: Bluesky zeigt sich linkfreundlich, denn Outbound-Links werden nicht gedrosselt. Marken können also ohne Reichweitenangst auf Blogposts, Produktseiten oder Artikel verlinken, um Traffic zu generieren. Der Boston Globe etwa berichtete, Bluesky generiere dreimal so viel Website-Traffic wie Threads und 4,5-mal mehr zahlende Abo-Konversionen – ein Hinweis darauf, dass Bluesky-Nutzer (wenngleich weniger an der Zahl) sehr engagiert und konversionsfreudig sein können.
Allerdings fehlen noch einige Funktionen, die auf Twitter vorhanden waren, wie zum Beispiel Direktnachrichten.
Welche Vorteile hat es?
Die dezentrale Ausrichtung von Bluesky mit dem AT Protocol ist ein Hauptvorteil, da sie künftig eine größere Kontrolle über Daten und Inhalte ermöglichen könnte. Transparenz und Datenschutz stehen im Vordergrund.
Auf Bluesky tummeln sich viele Multiplikatoren wie Journalist:innen und Brancheninsider. Für Unternehmen bietet sich die Chance, diese Meinungsführer:innen direkt anzusprechen und Medien-PR zu platzieren. Zahlreiche Medienschaffende und Unternehmen sind in den vergangenen Monaten von X zu Bluesky migriert. Ähnlich wie auf Twitter dominieren oft politische und gesellschaftliche Diskussionen das Geschehen.
Als Open-Source-Projekt mit prominenter Unterstützung durch Jack Dorsey hat Bluesky zudem Potenzial für langfristige Innovation. Die Transparenz des AT-Protokolls und die Vision einer interoperablen Social-Media-Zukunft könnten Bluesky zum Vorreiter machen.
Welche Nachteile hat es?
Obwohl Bluesky auf einem dezentralen Protokoll basiert, ist die Bluesky Social Plattform zum heutigen Stand zentralisiert. Kritisiert wird darüber hinaus bisweilen, dass Bluesky hier etwas erneut erfindet, das es in Form des Fediverse bereits gibt.
Die Nutzerbasis ist mit rund 30 Millionen Nutzern deutlich kleiner als Threads oder das alte Twitter. In vielen Zielgruppen (insbesondere außerhalb Tech/Media) ist Bluesky noch unbekannt. Unternehmen erreichen hier also nur einen Bruchteil ihres Publikums.
Die lange Invite-Only-Phase hat das Wachstum gebremst. Zwar ist Bluesky jetzt offen, aber der Hype kam schubweise, z.B. rund um einzelne Ereignisse wie Twitter-Skandale oder Wahlen. Im Dezember 2024 flachte das Wachstum wieder ab (weniger als 10%) nach einem Sprung von +189% im Vormonat. Diese Volatilität macht die Planung unsicher.
Einige Komfortfunktionen fehlen noch, wie etwa Direct Messages, was die 1:1-Kommunikation mit Kunden erschwert. Auch Features wie Gruppen, erweiterte Analytics oder Social Listening-Tools sind rudimentär. Das Ökosystem (API, Third-Party-Tools) befindet sich noch im Aufbau.
Nicht zuletzt hat Bluesky klar kommuniziert, werbefrei bleiben zu wollen. Für viele Nutzer ist dies ein Plus, für Marketer heißt es jedoch: keine bezahlte Reichweite. Wachstum und Sichtbarkeit müssen komplett organisch erfolgen, was Zeit und kontinuierlichen Content-Einsatz erfordert.
Praktische Tipps für Bluesky:
- Baue Thought Leadership auf: Als Früheinsteiger kannst du den Ton angeben, an dem sich Nachzügler orientieren werden. Teile Insights, Branchen-News und Meinungen, die Diskussionen anregen.
- Vernetze dich mit Medien und Influencern: Bluesky wird stark von Medienleuten genutzt. Folge relevanten Journalist:innen und Branchenexperten. Nutze „Starter Packs“ (kuratierte Listen), um schnell die wichtigen Stimmen deiner Branche zu finden.
- Sprich Nischen-Communities an: Finde heraus, welche thematischen Communities es auf Bluesky gibt, die zu deiner Marke passen. Tritt diesen bei oder starte eigene Feeds für spezifische Themen.
- Setze auf Dialog statt Broadcast: Plane mehr echten Austausch und weniger Marketing ein. Frage dein Publikum nach Meinungen, starte Diskussions-Threads und reagiere aktiv auf Kommentare.
- Übe Zurückhaltung bei Promo-Aktionen: Hard Selling kommt nicht gut an, Soft Selling schon eher. Kreative Ansätze wie spielerische Gewinnspiele oder Challenges, die zum Produkt passen (aber nicht plump wirken), funktionieren besser.
Mastodon

Was steckt dahinter?
Mastodon ist eine freie und quelloffene Software zum Betrieb dezentraler sozialer Netzwerke. Sie bietet ähnliche Microblogging-Funktionen wie Twitter, die jedoch von einer Vielzahl unabhängig betriebener Instanzen oder Server angeboten werden. Du bist hier also Mitglied einer spezifischen Mastodon-Instanz und kannst zugleich mit Nutzern anderer Instanzen interagieren.
Das klingt kompliziert und technisch und ist für viele erst einmal ungewohnt. Wahrscheinlich ist auch das ein Grund, warum es Mastodon in der breiten Masse weiterhin schwer hat. Der Einstieg ist holpriger. Und auch manche Funktionen sind umständlicher, etwa wenn man einen Mastodon-Post von einer anderen Instanz mit seinem eigenen Netzwerk teilen will.
Mastodon basiert auf dem ActivityPub-Protokoll und ist Teil des umfassenderen „Fediverse“-Netzwerks. Dort gibt es nebenbei bemerkt auch Angebote, die man als Alternativen zu Diensten wie Instagram, Reddit oder YouTube ansehen kann. Es ist eine dezentrale Parallelwelt.
Mastodon ist bereits 2016 gestartet und erlebte Ende 2022 nach Elon Musks Twitter-Übernahme einen deutlichen Popularitätsschub. In der Hochphase hatte Mastodon rund 2,5 Millionen monatlich aktive User. Allerdings ist das Interesse inzwischen zurückgegangen: Seit Dezember 2022 sank die Zahl der aktiven Nutzer kontinuierlich auf etwa 900.000 monatlich aktive Nutzer Anfang 2024. Gleichzeitig stieg die Gesamtzahl der registrierten Accounts weiter und liegt Anfang 2024 bei ca. 15 Millionen Accounts, allerdings mit langsamerem Wachstum. Das bedeutet: Viele haben Mastodon ausprobiert, aber nur ein Teil blieb aktiv.
Was bietet es?
Auf Mastodon können Nutzer Textbeiträge veröffentlichen, diese liken, sharen und kommentieren. Der Funktionsumfang kann sich je nach konkretem Angebot unterscheiden.
Mastodons Community setzt sich aus vielfältigen, meist themenspezifischen Gruppen zusammen, die auf unterschiedlichen Servern zuhause sind. Jede kann eigene Moderationsregeln haben: Es gibt z.B. Server für Journalismus, für Techies, für LGBTQ-Communities, lokale Stadt-Instanzen usw. Dementsprechend gibt es nicht die „eine“ Timeline, sondern u.a. eine lokale Timeline (Posts der eigenen Instanz) und die föderierte Timeline (Posts aller verfolgten Accounts und deren Follower).
Es gibt zahlreiche Datenschutz- und Moderationsoptionen wie Content-Warnungen, Sichtbarkeitseinstellungen oder die Möglichkeit für Administratoren, andere Instanzen auszuschließen. Jedes Angebot kann seine eigenen Regeln, Konten-Privilegien und Richtlinien für die Inhaltsmoderation festlegen. Technisch versierte Nutzer:innen können im Prinzip sogar ihre eigene, ganz persönliche Version anlegen und so am Fediverse teilnehmen. Damit ist man dann also wirklich 100% unabhängig.
Auf Mastodon gibt es keine Algorithmen, welche die Haupt-Timeline kuratieren. Die Beiträge erscheinen chronologisch. Hashtags spielen eine wichtige Rolle, um Inhalte über Instanz-Grenzen hinweg sichtbar zu machen. Funktionen wie Umfragen oder Content Warnings (Inhaltswarnungen für sensitive Themen) sind integriert, Direktnachrichten existieren ebenfalls, sind aber im Grunde nur halb-privat (da für Server-Admins einsehbar).
Welche Vorteile hat es?
Die dezentrale Natur von Mastodon ist einer der Hauptvorteile und ermöglicht mehr Kontrolle über Daten, Inhalte und Moderationsregeln. Es ist quelloffen, werbefrei und wird durch Crowdfunding finanziert. Mastodon hat sich zu einer lebendigen Community entwickelt, die sich für freie Meinungsäußerung und Datenschutz einsetzt.
Ein einzigartiger Vorteil: Unternehmen können auf Wunsch einen eigenen Mastodon-Server betreiben. Darauf könnten sie z.B. ihre Mitarbeiter, Partner und interessierte Kunden versammeln. Das schafft eigene Community Spaces unter voller Kontrolle der Marke. So etwas ist auf zentralisierten Plattformen nicht möglich. Einige große Organisationen (z.B. die EU-Institutionen) haben eigene Instanzen gestartet, um unabhängig von kommerziellen Netzwerken zu sein.
Mastodon ermöglicht zudem den Zugang zu sehr spezifischen Zielgruppen. Eine Marke im Tech-Bereich kann z.B. auf großen Tech-Instanzen (wie mastodontech.de im deutschsprachigen Raum oder fosstodon.org für Open-Source-Fans) genau die Hardcore-Techies erreichen, die anderswo untergehen.
Nicht zuletzt ist eine Präsenz auf Mastodon kostenlos. Gerade für Non-Profits, lokale Unternehmen oder Organisationen mit kleinem Marketingbudget kann Mastodon attraktiv sein, um ohne Werbebudget Reichweite aufzubauen.
Welche Nachteile hat es?
Mit unter 1 Million monatlich aktiven Nutzern global ist Mastodon derzeit kein Reichweitenkanal für die breite Masse. Wer primär Marketingziele wie Leadgenerierung oder Abverkauf verfolgt, wird hier kaum die Zahlen erreichen, die z.B. Instagram oder Threads liefern.
Die dezentrale Infrastruktur stellt zudem ungewohnte Anforderungen. Marken müssen zunächst die passende Instanz für ihren Account finden (oder sich für einen eigenen Server entscheiden). Monitoring ist komplexer: Es gibt kein zentrales Dashboard, man muss eventuell händisch Hashtags durchsuchen, um alle Erwähnungen zu sehen. Analysen (Follower-Wachstum, Impressions) sind rudimentär. Es gibt keine umfassende Analytics-Plattform wie z.B. Twitter Analytics. Die Suchfunktionen sind im Vergleich zu zentralisierten Plattformen eingeschränkt.
Die Nutzer auf Mastodon sind stolz auf die werbefreie, nicht-kommerzielle Kultur. Marken, die plump werben oder nur Eigenpromo betreiben, werden ignoriert oder stoßen auf Kritik. Unternehmen müssen hier subtiler und geduldiger agieren als auf werbefreundlichen Plattformen.
Falls mal ein Post oder Event besonders wichtig ist, kann man nicht wie auf Facebook „schnell Geld draufwerfen“, um Reichweite zu steigern. Man ist komplett auf die organische Verbreitung angewiesen, was in zeitkritischen Fällen hinderlich sein kann.
Obwohl dezentral, kann die unterschiedliche Auslegung der Regeln zu Unterschieden in der Nutzererfahrung und Moderation führen. Einige Instanzen stehen etwa in der Kritik, kontroverse Inhalte wie Rechtsextremismus zuzulassen.
Praktische Tipps für Mastodon:
- Wähle die passende Instanz: Suche eine Mastodon-Instanz, die zu deiner Branche oder Region passt. Die Wahl der Instanz beeinflusst die initiale Community um dich herum. Halte die Regeln der Instanz ein.
- Entscheide: Mensch oder Marke? Auf Mastodon kommen persönlich geführte Accounts oft besser an als anonyme Corporate-Accounts. Überlege, ob du eine:n Mitarbeiter:in als Gesicht der Marke auftreten lässt.
- Biete Mehrwert statt Marketing: Stelle den Informationsnutzen in den Vordergrund. Teile Branchentrends, beantworte häufige Fragen oder gib einen Blick hinter die Kulissen deines Unternehmens.
- Bleib kontinuierlich aktiv: Regelmäßige Aktivität (mehrmals pro Woche) ist nötig, um sichtbar zu bleiben – die Timeline ist chronologisch, ein Post ist schnell nach unten gerutscht.
- Beziehe die Community ein: Frage offen nach, was sich die Community von dir wünscht. Lade zu gemeinsamen Aktionen ein und interagiere auch außerhalb deines eigenen Profils mit relevanten Beiträgen anderer.
- Erwäge eine eigene Instanz (fortgeschritten): Wenn deine Organisation über die Ressourcen verfügt und Mastodon strategisch wichtig wird, ziehe in Betracht, eine eigene Instanz zu betreiben. Das bietet maximale Kontrolle und Anpassungsmöglichkeiten.
- Definiere deinen Erfolg neu: Statt reiner Follower-Zahlen könnten Interaktionen pro Post, qualitative Kommentare oder das Knüpfen konkreter Kontakte (z.B. zu Journalist:innen oder Expert:innen) ein Erfolg sein.
Und dann waren da noch …
Die Landschaft der Twitter-Alternativen ist tatsächlich noch vielfältiger und dynamischer. Neben den schon genannten Plattformen gibt es zahlreiche weitere Dienste, die sich bemühen, eine Twitter-ähnliche Erfahrung zu bieten oder Lücken zu füllen, die „X“ hinterlassen hat.
Spoutible etwa startete Anfang 2023 und wurde vom Macher des Bot-Sentinel-Projekts (Christopher Bouzy) gegründet. Die Plattform verspricht eine toxikfreie Twitter-Erfahrung mit strenger Moderation gegen Hass und Desinformation. Trotz einer verhältnismäßig kleinen Nutzerbasis im sechsstelligen Bereich findet sie Zuspruch bei Nutzern, die Wert auf Höflichkeit legen.
Spill wurde 2023 von ehemaligen Twitter-Mitarbeitern entwickelt und richtet sich vor allem an kreative Communities und die Black Community. Die App fokussiert sich auf Kultur-Trends und Memes und nutzt KI zur Erkennung beliebter Inhalte. Nach anfänglichem Nutzeransturm ist das Interesse etwas abgeflaut, aber die Plattform zeigt interessante Ansätze in Sachen Community-Moderation.
Nostr ist anders als die anderen Beispiele kein Dienst, sondern ein offenes Protokoll für dezentrale, Twitter-ähnliche Netzwerke. Jack Dorsey unterstützt Nostr finanziell und propagiert es als radikal dezentralen Weg ohne Server, der abgeschaltet werden kann. Nutzer erstellen einen kryptographischen Schlüssel als Identität und können damit über beliebige Clients (Apps wie Damus) Nachrichten posten. Nostr ist besonders in der Bitcoin- und Tech-Community beliebt, bleibt aber für den Mainstream bislang zu technisch.
Etablierte Netzwerke erweitern ebenfalls ihre Mikroblogging-Funktionen: Substack Notes ermöglicht Autoren, kurze Updates an Abonnenten zu schicken. Tumblr erlebte einen kleinen Revival durch Twitter-Aussteiger und integriert inzwischen ebenfalls die Protokolle des Fediverse. Sogar LinkedIn gewann durch die Twitter-Krise neue Nutzer für fachliche Diskussionen.
Für Unternehmen gilt: Es lohnt sich, die neuen Netzwerke im Blick zu behalten, aber wohlüberlegt zu investieren. Ein Profil auf jeder neuen Plattform zu erstellen, ist selten sinnvoll. Stattdessen solltest du prüfen, wo die eigene Zielgruppe aktiv ist und welches Netzwerk zur Markenstrategie passt. Die großen Alternativen Threads, Bluesky und Mastodon decken bereits unterschiedliche Ansätze ab. Weitere spezialisierte Netzwerke können als Ergänzung dienen, wenn sie genau auf deine Nische zugeschnitten sind.
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Schlusswort
Ich persönlich mag Mastodon, aber ich verstehe, warum viele Menschen damit nichts anfangen können. Und für mich ist das auch vollkommen in Ordnung. Mir gefällt an Mastodon gerade, dass es eben nicht versucht, auf Teufel komm raus zu wachsen. Es geht vielmehr darum, einen Twitter-ähnlichen Dienst zu ermöglichen, der maximale Freiheiten bietet. Für mein privates Profil ist es mir egal, wie groß eine Plattform ist, solange ich mich dort wohlfühle.
Blueskys Stärke wiederum ist seine große Ähnlichkeit zum klassischen Twitter. Viele Nutzer:innen scheinen das zu mögen, aber ich bin mir nicht sicher, ob hier nicht auch nostalgische Gefühle mitschwingen. Die Grundidee eines dezentralen Social Networks begrüße ich persönlich und hoffe, dass den Worten auch noch mehr Taten folgen.
Threads hat das größte Potenzial, Twitters Platz einzunehmen. Meta ist als Unternehmen zwar ebenfalls nicht sonderlich beliebt, aber im Vergleich zu Elon Musk wirkt es weitgehend akzeptabel. Die Verknüpfung mit Instagram ist ein starkes Argument. Zahlreiche Unternehmen, Influencer und Prominente sind hier bereits aktiv.
Dieser Artikel gehört zu: UPLOAD Magazin 113
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Jan hat mehr als 20 Jahre Berufserfahrung als Online-Journalist und Digitalpublizist. 2006 hat er das UPLOAD Magazin aus der Taufe gehoben. Seit 2015 hilft er als CONTENTMEISTER® Unternehmen, mit Inhalten die richtigen Kunden zu begeistern. Und gemeinsam mit Falk Hedemann bietet er bei UPLOAD Publishing Leistungen entlang der gesamten Content-Marketing-Prozesskette an. Der gebürtige Hamburger lebt in Santa Fe, New Mexico.