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Leitfaden zur Agenturauswahl

Die passende Digital-Agentur für eine Aufgabe im Online-Bereich zu finden, ist nicht immer ganz einfach. Vor allem, wenn man die Gepflogenheiten nicht kennt und mit dem Gegenstand nicht so recht vertraut ist. Dieser grobe Überblick soll eine mögliche Richtung markieren und mit ein paar praktischen Hilfestellungen die Suche und die Anfrage erleichtern.

Agentursuche: Die Stecknadel im Heuhaufen
Agentursuche: Die Stecknadel im Heuhaufen. Foto: Kellermeister / photocase.com

Auch wenn dieser Leitfaden vielen Profis recht banal erscheinen mag, so spiegelt er dennoch eine Realität wider: Zum einen ist der Online-Bereich immer noch sehr jung und entwickelt sich dynamisch, sodass die nötige oder wünschenswerte Professionalisierung gerade bei kleineren Unternehmen noch nicht stattfinden konnte. Zum anderen haben sich in den letzten Jahren zunehmend IT-Themen mit Marketing- und jüngst auch mit Kommmunikations-Themen durchmischt, sodass oft auf allen Seiten Verständnislücken klaffen. In vielen Fällen werden diese dann mit den typischen Abwehrreaktionen übertüncht, womit man aus meiner Sicht jedoch nichts gewinnt. Von daher hoffe ich, dass der Beitrag trotz mancher Banalität dem ein oder anderen etwas bringt.

Agenturauswahl: Wann ist sie relevant?

Die mehr oder weniger freie Auswahl einer Agentur bei der Erteilung eines Auftrags ist nicht immer die Regel: Zum Beispiel ist im öffentlichen Sektor die Auftragsvergabe gesetzlich klar geregelt (VOB, VOL etc.), sodass ab bestimmten Schwellenwerten offene Verfahren bzw. öffentliche Ausschreibungen zum Tragen kommen. Das heißt, der Auftrag wird europäisch oder national über die entsprechenden Publikationen und Portale veröffentlicht und jeder, der sich berufen fühlt, kann sich um den Auftrag bewerben. Auch in der Privatwirtschaft gibt es ab bestimmten Größenordnungen die Tendenz, sich an den gesetzlichen Verfahren zu orientieren. Damit soll auf der einen Seite der größtmögliche Wettbewerb und damit die Wirtschaftlichkeit sichergestellt werden, auf der anderen Seite soll durch diese Praxis natürlich auch die Korruption erschwert und die Compliance erhöht werden, also die Einhaltung aller Regelungen inklusive gesetzlicher Vorgaben, freiwilliger Unternehmensverpflichtungen und so weiter. Darüber hinaus erübrigt sich ab bestimmten Größenordnungen ohnehin die Frage der Agenturauswahl, da es in der oberen Liga grob geschätzt nur etwa zwei Dutzend Agenturen mit den notwendigen Kapazitäten gibt.

Auch im öffentlichen Bereich ist es allerdings so, dass unterhalb bestimmter Schwellenwerte oder bei besonderer Begründung die Auftragsvergabe nicht öffentlich stattfindet, sondern nur eine begrenzte Anzahl von Unternehmen zur Abgabe eines Angebotes aufgefordert werden. In der Privatwirtschaft ist dieses Vorgehen die Regel, und wenn es eher um kleinere Summen geht, ist eine mehr oder weniger informelle Anfrage und das Einholen einiger Vergleichsangebote gängige Praxis. In all diesen Fällen stellt sich natürlich die Frage, welche Agenturen man zur Abgabe eines Angebots sinnvollerweise auffordern will.

Auftraggeber: IT, Marketing oder Kommunikation

Um einen groben Überblick zu gewinnen, würde ich im Online-Bereich vier Auftragsfälle unterscheiden:

  • Es geht allein um die Erneuerung der technischen Basis, d.h. es soll aus welchen Gründen auch immer ein neues CMS, PIM, CRM, Portal oder was auch immer angeschafft werden. Solche Projekte werden fast immer von der IT-Abteilung angestoßen, und natürlich liegt die Federführung dann auch bei der IT, d.h. sie tritt als Auftraggeber auf und stellt das Budget.
  • Es geht um einen Relaunch oder ein Redesign, das ist natürlich der Klassiker für Marketing- und Kommunikations-Abteilungen.
  • Beides wird kombiniert, d.h. mit dem Relaunch wird auch die technische Basis erneuert und umgekehrt. In der Tendenz wird die Federführung dann ebenfalls bei der Marketing- oder Kommunikations-Abteilung liegen, nicht zuletzt, weil der Return on Investment ja nur über die Steigerung des Verkaufs oder der Erhöhung der Reichweite generiert werden kann. Wie gesagt, das muss nicht immer so sein, dahin geht aber nach meiner Erfahrung ganz überwiegend die Tendenz.
  • Neben solchen Groß-Aufträgen gibt es natürlich eine unüberschaubare Anzahl an kleineren Detail-Aufträgen: die unterschiedlichsten Kampagnen, Feature-Entwicklung, technische Maintenancen und so weiter. Auch hier kann die Federführung und damit die Auftragserteilung bzw. Budget-Hoheit sehr unterschiedlich verortet sein, ich habe es durchaus schon erlebt, dass eine recht techniklastige Maintenance über (Online-)Marketing- und Kommunikations-Abteilungen lief. Vermutlich gibt es auch den umgekehrten Fall, je nachdem, wie das Unternehmen aufgestellt und organisiert ist.

Neben diesem groben Querschnitt sollte man natürlich auch die historische Entwicklung im Hinterkopf behalten: Online-Marketing und vor allem die Online-Kommunikation sind als professionelle Disziplinen ja noch recht jung, sie haben in den letzten Jahren allerdings einen rasanten Aufstieg erlebt, dessen Ende aktuell noch nicht absehbar ist. Das ging natürlich auch mit einer Verlagerung der Budgets von Print in Richtung Online einher, womit Marketing- und Kommunikations-Abteilungen als Auftraggeber im Online-Bereich zusätzlich an Bedeutung gewonnen haben. Und um wieder auf unser Thema zurückzukommen: Das alles hat natürlich auch zu einer starken Dynamik im Agenturbereich geführt.

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Agenturen: Von Full-Service und den Spezialisten

Auftraggeber haben es heute nicht nur mit einer unüberschaubaren Anzahl an Agenturen zu tun, sondern auch mit extrem unterschiedlichen Spezialisierungen und Entstehungshintergründen. Die oben umrissenen Trends haben zum Beispiel dazu geführt, dass ehemals IT-lastige Agenturen heute überwiegend auch einen Kommunikations- und Marketing-Arm haben, eben weil Budget und Einfluss dort stetig gewachsen sind und darüber viele lukrative Aufträge gewonnen werden können. Auf der anderen Seite stehen die einst klassischen Marketing- und Kommunikationsagenturen, die in den letzten Jahren natürlich alle bemüht waren, einen Digital-Arm aufzubauen. Und natürlich unterscheiden sich die Agenturen in ihrer Größe und Ausprägung.

Die großen Agenturen sind in der Regel Full-Service-Agenturen, das heißt sie bieten in ihrem Portfolio so ziemlich alle Leistungen von der Kommunikations-Beratung über das Design bis hin zur technischen Umsetzung an. Viele mittlere und kleinere Agenturen versuchen ebenfalls, ein möglichst breites Spektrum abzudecken, aber natürgemäß findet man unter den kleinen Agenturen auch viele Spezialisten. Zum Beispiel gibt es Spezial-Agenturen, die sich ausschließlich mit Themen wie Social-Media, Suchmaschinenoptimierung, Web-Design, E-Commerce, Direktmarketing oder App-Entwicklung beschäftigen, um mal einen bunten Strauß zu binden.

Die Agenturauswahl lässt sich schon deutlich vereinfachen, wenn man sich über die Natur seines Auftrags und seines Unternehmens klar wird. Am besten fängt man mit drei Fragen an:

  • Wie groß ist mein Unternehmen und wie hoch sind insgesamt die Jahres-Budgets im Online-Bereich?
  • Wie hoch ist das Budget für den konkreten Auftrag?
  • Handelt es sich um ein Spezial-Thema, für das eine Spezial-Agentur in Frage kommt, oder ist der Auftrag eher etwas für Generalisten?

Bei der ersten Frage kann man bereits gut aussieben, denn der Markt ist relativ klar aufgeteilt: Große Agenturen arbeiten in der Regel auch nur für große Unternehmen und mit Vorliebe für große Aufträge. Kleine Aufgaben und Aufträge werden dann entweder für Bestandskunden im Rahmen der Betreuung erledigt oder sie sind ein Mittel der Akquisition, um bei attraktiven Neu-Kunden den berühmten Fuß in die Tür zu bekommen. Wenn man schon von der Unternehmensgröße her nicht passt, sollte man sich solche Anfragen aus meiner Sicht sparen.

Zur Orientierung schlage ich folgend einige absolut subjektive, fiktive und an den Haaren herbeigezogene Werte vor. Erster Punkt: die Größe der Agentur. Lässt man die Spezial-Agenturen mal weg, dann subsummiere ich unter “klein” und “mittel” solche Online- und Full-Service-Agenturen, die zwischen 10 und 50 Mitarbeitern haben, wobei 50 Mitarbeiter dann wirklich schon ein großes “mittel” sind. Die Größenordnung 50 bis 100 Mitarbeiter empfinde ich immer als eine Art Übergangszone: Man kann auch noch kleinere Unternehmen sinnvoll bedienen, ist aber auch schon in der Lage, Großaufträge abzuwickeln und steht damit im Wettbewerb mit überall und nirgens. Als richtig groß empfinde ich Online-Agenturen ab 100 Mitarbeitern. In diesem Segment mag es im deutschsprachigen Raum vielleicht zwei Dutzend geben und die Auftraggeber kommen in der Regel aus der Dax-Welt.

Durch die hohe Aufgaben-Spezialisierung kommt es durchaus vor, dass große Konzerne eine kleine flinke Agentur engagieren. Der umgekehrte Fall, dass ein kleines Unternehmen eine große Agentur engagiert, dürfte die absolute Ausnahme sein, weil es ökonomisch für beide Seite eigentlich keinen Sinn macht. Aus dem Bauch heraus würde ich ein Zehntel der Mitarbeiter auf Agenturseite im Verhältnis zum Unternehmen als Grenze sehen. Hat die Agentur mehr Mitarbeiter als das eigene Unternehmen, ist man ganz sicher auf dem falschen Weg.

Um das Ganze vielleicht noch am Auftragswert oder dem gesamten Online-Budget festzumachen (und jetzt wird es richtig fiktiv und aus dem Bauch heraus): Aus meiner Sicht macht es wenig Sinn, bei einem Jahres-Budget im Online-Bereich von unter 100.000 Euro bei einer großen Agentur anzuklopfen. Das ist jetzt  sehr vorsichtig und allgemein formuliert, weil es natürlich auch große Agenturen geben mag, die neben dem Großkunden-Geschäft Lösungen für kleinere Unternehmen anbieten oder durch Klein-Aufträge die Agentur-Auslastung erhöhen wollen.

Noch ein Versuch: Ein Unternehmen plant einen Relaunch mit Konzeption, Design und technischer Umsetzung des Backend plus Frontend und verplant dafür ein Budget von 20.000 bis 30.000 Euro. Wenn man dort noch eine Null anhängt, würde der Auftrag langsam für eine Groß-Agentur interessant werden. Das heißt, mit diesem Budget und dem beschriebenen Leistungspaket bewegt man sich im ganz kleinen Bereich, vielleicht eher eine Agentur mit zwei oder drei Personen oder sogar ein Freiberufler-Netzwerk, wobei sich das aus den wenigen Angaben natürlich nicht so klar ableiten lässt. Ich denke beispielsweise an den Relaunch eines One-Pagers mit WordPress, der ebenfalls mit dem oben beschriebenen Leistungspaket gemeint sein könnte. Dafür wären 30.000 Euro schon wieder sehr üppig.

Man sieht also, dass es schwer ist, bei fehlenden Detail-Kenntnissen eine Einschätzung vorzunehmen, und genau vor diesem Problem stehen ja viele Unternehmen (und dann ebenso die Agenturen).

Man kann seinen Standort als Kunde darüber hinaus anhand von Akquise- und Werbemaßnahmen bestimmen: Welcher Agentur-Typ ruft bei mir an oder sendet mir Werbe-Post zu? Agenturen kennen in der Regel ihren Kundenkreis, und wenn man noch nie in den Genuss von Akquise- oder Werbemaßnahmen eines bestimmten Agenturtyps gekommen ist, dürfte die Wahrscheinlichkeit gering sein, dass man der richtige Kundentyp ist.

Nicht immer ganz leicht ist die Abgrenzung bei kleineren und mittelgroßen Agenturen, denn es gibt durchaus kleinere Premium-Agenturen, die beispielsweise ein hohes technisches Spezial-Know-How mitbringen und dann beim Honorar in einer anderen Liga spielen. Hinzu kommt die bereits beschriebene Durchmischung von Branchen und Leistungen in den letzten Jahren, wodurch sich eben auch Honorarvorstellungen vermischt haben. Was aus meiner Sicht keinen Sinn macht: Preisverhandlungen, wenn man bereits vorher merkt, dass man vom Kundentyp her eigentlich nicht passt. Das bringt in der Regel keiner Seite etwas.

Auftragsanfrage: Was will ich überhaupt?

“Wir bräuchten mal einen Kostenvoranschlag für eine iPhone-App”. Onliner oder Profis mögen jetzt lachen oder weinen, aber nach meinem Wissensstand sind Anfragen dieser Art auch heute noch durchaus noch möglich. Natürlich haben sich viele große Konzerne oder online-affine Unternehmen inzwischen ein enormes Wissen aufgebaut, mit dem sie nicht selten sogar den Agenturen überlegen sind. Doch was ist mit den kleineren Unternehmen, für die der Online-Bereich nicht unbedingt geschäftskritisch ist? In vielen Fällen kann man aus Sicht der Agentur schon froh sein, dort überhaupt eine Marketing- oder Kommunikationsabteilung vorzufinden.

Bevor man auf Unternehmensseite also auf Agentursuche geht, sollte man sich seiner Rolle bewusst werden und die Anfrage gründlich vorbereiten. Grundsätzlich gibt es drei Strategien:

  1. Man stellt sich absichtlich unwissend oder hält sich zumindest bedeckt und schaut, wie die Agentur reagiert. Damit kann man einmal den Beratungsansatz bzw. die Beratungsqualität testen und vergleichen. Zum anderen lässt man der Agentur zugleich freies Spiel und schränkt sie nicht von vornherein ein. Wenn man tatsächlich viel Fachwissen in einem Bereich mitbringt, finde ich das Vorgehen allerdings nicht so ganz redlich bzw. wenig vertrauensbildend.
  2. Man hat tatsächlich keine Ahnung. Angesichts der Breite und Komplexität des Online-Bereichs ist das zweifellos der Normalfall und wenn man bereits eine Hausagentur hat, sehe ich darin auch kein Problem. Wenn man allerdings eine neue Agentur sucht, sollte man sich vorher schon ein wenig aufschlauen, allein schon um die Aussagen der Agenturen einigermaßen einsortieren und vergleichen zu können. Wenn man allerdings keinerlei Grundlagenkenntnisse im Online-Bereich hat, halte ich das immer für ein Problem.
  3. Man hat Ahnung und demonstriert das auch mit einer adäquaten Anfrage.

Die Vorteile der dritten Methode liegen aus meiner Sicht auf der Hand, auch wenn sie einige Gefahren mit sich bringt:

  • Man läuft natürlich immer Gefahr, falsch zu liegen, und in aller Regel wird die Agentur deutlich tiefer in der Materie stecken, als man selbst.
  • Man schränkt die Agentur möglicherweise ein und zerstört Gestaltungsspielräume, die man schlichtweg noch nicht kennt.
  • Es kann außerdem sein, dass die Agentur dann zu sehr der Kunden-Expertise vertraut und die Beratung zurückfährt. Damit tut man sich natürlich ebenfalls keinen Gefallen.

Auf der anderen Seite steht der klare Vorteil, dass eine präzise und halbwegs kenntnisreiche Anfrage von einer Agentur leicht und schnell bearbeitet werden kann, kalkulierbar ist und eine erste kleine Vertrauensbasis schafft. Denn das Schlimmste dürften aus Agentursicht Kunden sein, die keine Fachkenntnis besitzen und zudem noch beratungsresistent und sprunghaft sind. Das ist für eine Agentur kaum noch kalkulierbar. Hinzu kommt, das die Angebote umso vergleichbarer werden, je präziser die Anfrage ist. Dazu später noch mehr.

Übrigens ist es nicht unüblich, dass auch Agenturen das Fachwissen des Kunden mit ein paar Rückfragen abklopfen, damit sie ungefähr wissen, wo sie dran sind und wo die Grenzen liegen. Wenn sich beide Seiten einordnen können, ist das für alle Beteiligten das Beste.

Also noch einmal: Bevor man eine Auftragsanfrage stellt, sollte man sich aus meiner Sicht erst einmal selbst intensiv mit dem Thema beschäftigen und sich einige Grundlagenkenntnisse aneignen, damit man seine Anforderung präzisiert und die Agentur mit der Anfrage auch etwas anfangen kann. Zum Beispiel sollte man bei der eingangs erwähnten Anfrage wenigstens einmal gehört haben, dass es mindestens drei verschiedene Mobile-Strategien gibt (responsive Webauftritte, separaten Mobile-Versionen und Apps, nativ oder web-basiert). Das heißt man sollte zumindest grob beantworten können, aus welchen Gründen man sich für eine App entschieden hat und in dem Zuge vielleicht definieren, was die App alles machen soll. Auch die Frage, warum man sich auf iOS beschränken will und was das bedeutet, sollte einen nicht überraschen. Natürlich muss man nicht alles wissen, denn genau da ist ja die Beratungsleistung der Agentur gefragt. Nur wenn überhaupt keine Kenntnisse vorhanden sind, kann eine Beratung nur ins Leere laufen.

Um das Ganze noch einmal mit der vorangegangenen Budgetorientierung und der folgenden Beschreibung von Briefing und Lastenheft zu verbinden: Es geht ja bei der Auftragsanfrage nicht immer und überall nur um den günstigsten Preis auf Teufel komm raus, sondern es geht um die beste Qualität zu einem möglichst guten Preis. Die Qualitätskriterien und -anforderungen möglichst klar zu definieren ist eben eine wichtige Aufgabe bei einer Anfrage. Und je schlechter man das macht, desto größer ist die Gefahr, dass man am Ende Äpfel mit Birnen vergleichen muss. Genau das weiß natürlich auch eine Agentur, sodass man sich dort nur ungern mit Anfragen auseinandersetzt, bei denen am Ende offensichtlich nur der Preis verglichen wird, weil die angebotene Leistung eben nicht angemessen beurteilt werden kann.

Briefing oder Lastenheft

„Briefung oder Lastenheft“ ist mein Lieblingsthema, weil genau hier die wachsende Durchmischung verschiedener Branchen am deutlichsten wird und die Grenzen des gegenseitigen Verständnisses zu Tage treten.

Um es noch dazwischen zu schieben: Natürlich braucht man nicht für jede Anfrage ein Briefing oder Lastenheft zu verfassen, bei kleinen Aufgaben reicht aus meiner Sicht eine Mail völlig aus. Hauptsache die Anfrage ist so präzise formuliert und klar abgegrenzt, dass die Agentur damit etwas anfangen und ein Angebot kalkulieren kann.

Im klassischen Marketing und Kommunikations- bzw. PR-Bereich wird die Beschreibung der Anforderungen üblicherweise als “Briefing” bezeichnet. Dieser Begriff dürfte auch bei Online-Marketing- und Online-Kommunikations-Aufträgen geläufig sein und ich halte es sogar für völlig in Ordnung, wenn der Begriff bei einem Relaunch genutzt wird, da er eben eher aus der Marketing- und Kommunikationsbrille abläuft. Auf der Agentur-Seite signalisiert man mit einem “Rebriefing” dem Auftraggeber, dass man die Anforderungen aus dem Briefing verstanden hat.

Im IT-Bereich und auch bei formellen Ausschreibungen sind die Begrifflichkeiten etwas anders. Bei Ausschreibungen spricht man formal von einer “Leistungsbeschreibung”, in der man die gewünschte Leistung möglichst bis ins kleinste Detail definiert. In der IT wird eher das Begriffspaar “Lastenheft” und “Pflichtenheft” verwendet, das gerne verwechselt wird. Korrekt ist, dass der Auftraggeber, also das Unternehmen oder der Kunde, die Anforderungen in ein “Lastenheft” schreibt, da er ja die Last auf den Auftragnehmer, also auf die Agentur abwälzt. Die Agentur wiederum übernimmt Pflichten und beschreibt im “Pflichtenheft”, wie es die Anforderungen erfüllen will.

Begrifflichkeiten hin oder her: Man sollte sie kennen und richtig verwenden, aber sich nicht unbedingt daran hochziehen, zumal Digital-Agenturen mit allen drei Begriffen etwas anfangen können. Allerdings ist der Charakter eben oft etwas unterschiedlich, und daran entzündet sich meist auch das Unverständnis.

Technische Anforderungen oder die Funktionsweisen von Webseiten lassen sich sehr exakt definieren. Daher sind Lastenhefte meist klar aufgebaut und logisch, fast schon juristisch geschrieben. Das hat auf der einen Seite tatsächlich u.a. den juristischen Hintergrund, dass im Streitfall eben nur über das gestritten werden kann, was im Lastenheft, Pflichtenheft oder in sonstigen Vertragsunterlagen klar definiert wurde und nicht über das, was man sich „dabei gedacht“ hat. Wichtiger als dieser Aspekt und damit zusammenhängend ist jedoch die Verständigung und die Vertrauensbasis, durch die sorgfältig verfasste Dokumente entstehen: Auch die Agentur kann sich darauf verlassen, dass der Auftraggeber tatsächlich ein CMS und nicht doch plötzlich ein CRM will, was die Gefahr eines Konflikts beträchtlich verringert.

Für Menschen, die aus der Marketing- und Kommunikationswelt kommen und keinen technischen Hintergrund haben, ist diese Denkweise ab und zu nicht nachvollziehbar. Denn dort wird eher mit der Definition von abstrakten Zielen, Strategien, Trends, Problembeschreibungen, Statistiken und Projektionen gearbeitet, während die konkrete Umsetzung und Ausgestaltung viel kreativen Freiraum lässt, der eben von der Agentur gefüllt werden soll. Für ITler mögen solche Briefings reichlich verschwommen und undefiniert klingen, das liegt aber oft auch daran, dass man mit den Anforderungen und Aufgaben im Marketing- und Kommunikationsbereich nicht vertraut ist und manchmal nicht versteht, dass da am Ende ebenfalls harte Fakten und Zahlen dahinterstehen, nämlich im Zweifel die Verkaufszahlen, die ein Unternehmen am Leben halten. Im gegenseitigen Unverständnis wird dann im Extremfall der Vorwurf laut, dass der eine nicht logisch und der andere nicht selbständig denken kann. Beides ist natürlich Unsinn.

So ein extremer Konflikt zwischen Agentur und Auftraggeber (oder auch innerhalb von Agenturen bzw. Unternehmen) dürfte heute eher selten sein, da mit den Projektmanagern und Produkt-Ownern Vermittler installiert sind, und selbst wenn eine Agentur keinen Marketing- oder Kommunikationshintergrund hat, so sind doch zumindest Konzepter und Designer mit entsprechenden Fragestellungen und Arbeitsweisen halbwegs vertraut. Fehlen solche Vermittlerrollen jedoch, sind Konflikte deutlich wahrscheinlicher. Und das dürfte auf Seiten der Unternehmen noch vielfach der Fall sein, wenn zum Beispiel in Marketing- und Kommunikationsabteilungen keinerlei IT-Kenntnisse vorliegen oder es in der IT keine Projektmanager mit Kommunikationserfahrung gibt. Als etwas paradox empfinde ich dabei die Tatsache, dass trotz zunehmender Interdisziplinarität und der Aufweichung von Branchengrenzen gleichzeitig die Spezialisierung immer weiter voranschreitet, während Generalisten und vermittelnde Rollen nach meinem Empfinden weit weniger boomen, als man eigentlich hätte annehmen können.

Anbieterverzeichnisse

Am Schluss ein paar praktische Tipps zur Agentursuche, wobei diese Auswahl wirklich sehr subjektiv ist. Bevor man aktiv auf die Suche geht, wird man natürlich auch eigene Erfahrungen, Empfehlungen aus dem Netzwerk und Akquise-Aktionen von Agenturen auswerten.

Mit 7.400 Einträgen ist das Anbieterverzeichnis der BITKOM vermutlich eines der größten im ITK-Bereich. Ich muss allerdings gestehen, dass es mir nicht so recht gelingt, dort sinnvolle Ergebnisse herauszufiltern. Man startet mit einer Freitextsuche, bekommt dann durchaus sinnvolle Eingrenzungsvorschläge, nur bei den Ergebnissen wundert man sich etwas. Das mag u.a. daran liegen, dass die Ortsauswahl zumindest bei meinen Tests immer wieder gelöscht wurde. Nun gut: Dennoch ist es grundsätzlich eine sehr tiefe Recherchequelle.

Nach eigenen Angaben umfasst das Dienstleisterverzeichnis von iBusiness über 3.600 digitale Dienstleister. Hilfreich ist auch die Sortiermöglichkeit nach Mitarbeiterzahl, sodass man relativ schnell eine Bandbreite ermitteln kann, die zur Unternehmensgröße grundsätzlich passt. Die Datenbank listet darüber hinaus Freelancer auf, unter den knapp 400 gelisteten Anbietern in Berlin sind es gut 50. Über die Freitextsuche kann man spezielle Dienstleistungen herausfiltern wie SEO, Webdesign oder Mobile. Klar ist, dass man die Datenbank nicht als einzige Quelle nutzen sollte, sondern nur als Basis.

Deutlich kleiner, aber dafür übersichtlich und gut verschlagwortet ist das Anbieterverzeichnis des BVDW (Bundesverband Digitale Wirtschaft).

Es gibt natürlich noch zahlreiche weitere Verzeichnisse, zum Beispiel von der bekannten Branchenpresse wie Horizont, W&V, Internet World Business oder dem t3n Magazin. Außerdem gibt es zahlreiche Spezial-Verzeichnisse, als Beispiel sei das Branchen-Verzeichnis von SEO-united erwähnt, wobei man gerade bei SEO-Dienstleistungen etwas vorsichtig sein muss, wenn man selbst keine Ahnung hat.

Es ist übrigens auch keine Schande, die Google-Suche anzuwerfen – schon um zu sehen, wie die Agenturen ihre eigene Darstellung und Präsenz im Web pflegen.

Rankings und Awards

Eine weitere Recherche-Möglichkeit bietet das Ranking digitaler Agenturen, das der BDVW jährlich durchführt und über Kooperationspartnern wie Horizont, iBusiness und W&V veröffentlicht. Gut aufbereitet ist es unter der Seite www.internetagentur-ranking.de einsehbar. Das Ranking ist unter großen Agenturen zwar beliebt, als Auftraggeber sollte man sich aber klar machen, dass die Teilnahme natürlich freiwillig ist und viele Agenturen, insbesondere mittlere und kleine, nicht mitmachen. Vollständig ist es also auf keinen Fall, allerdings kann man sich ein wenig über die Branchengrößen informieren. Hilfreich ist auch, dass es verschiedene Rankings nach unterschiedlichen Disziplinen gibt. Wie gesagt, als Ranking kann es einem ziemlich egal sein, weil einem die Umsätze von Digital-Unternehmen nicht interessieren müssen (bis auf die Einschätzung der ungefähren Agenturgröße vielleicht). Aber als Recherchequelle für Dienstleister generell kann es taugen.

Ähnliches gilt natürlich für Awards wie RedDot und Co. Ich selbst interessiere mich für solche Awards ehrlich gesagt überhaupt nicht und es gibt genug Agenturen, die auf die Teilnahme verzichten. Trotzdem kann man solche Awards für die Recherche nutzen, ebenso wie man die Agentur-Meldungen in der Fachpresse verfolgen kann oder einfach ins Impressum von Webseiten schaut, die einem gut gefallen. Dabei merke ich immer wieder, dass es völlig unbekannte Agenturen gibt, die wirklich gute Arbeit machen.

Hat man eine Liste von Agenturen zusammengestellt, die grundsätzlich zu einem passen könnten, sollte man noch etwas tiefer recherchieren und die angebotenen Leistungen, die Kundenliste, die Referenzen und Projekte ansehen. Über dieses Vorgehen hatte ich in der Vergangenheit immer eine recht passgenaue Trefferquote gehabt, oft sogar so genau, dass die Auswahl extrem schwer fiel. Damit könnte man schon wieder das nächste Fass aufmachen, denn wie bewertet man ein Angebot eigentlich? Dazu vielleicht irgendwann in einem weiteren Beitrag einmal mehr…


Dieser Artikel gehört zu: UPLOAD Magazin 6

Themen der Ausgabe: wie man die passende Agentur für einen Auftrag findet, wozu Social Media Monitoring wirklich gut ist, was man aus den Crowdfunding-Gehversuchen von Promis lernen kann und warum das Thema „Virtual Reality“ vor einem Comeback steht.

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