Unter dem Namen OpenStreetMap entsteht eine frei verfügbare Karte der Welt, die teilweise bereits einen erstaunlich hohen Detailgrad erreicht hat. Aber was steckt eigentlich hinter dem Projekt und wie kann man die Karte nutzen? Dieser Beitrag gibt einige wesentliche Einblicke für Anwender, Unternehmer und Entwickler.
Inhaltsverzeichnis
Hintergrund OpenStreetMap
Landkarten wie die von Google Maps, werden gern für „location based services“ eingesetzt, die seit vielen Jahren nun schon in aller Munde sind. Zudem zeigte es sich im Zuge des Web 2.0, dass Nutzer auch sehr viel einfacher und intuitiver Zugang zu georeferenzierten Daten erhalten können, als es mit professionellen Desktop-Geoinformationssystemen (GIS) zuvor möglich war. Das eigentliche Kartenbild wird dazu individuell um Informationen ergänzt. Einige Beispiele dazu folgen noch.
Doch damit wurden auch Probleme der bisherigen Onlinekarten offensichtlich, wie etwa die sehr restriktiven Lizenzen und mangelnder Zugriff auf die Geodaten – also jene Rohdaten, die die eigentlichen Straßen, Gebäude und wichtige Bezugspunkte („Point of Interests“) enthalten. Da die Erhebung und Pflege so eines weltweiten Datenbestandes hohen finanziellen Aufwand bedeutet, hatten sich bis dahin nur einige wenige Firmen in diesem Geschäftsfeld positioniert.
Dass es auch anders gehen kann, zeigte das OpenStreetMap-Projekt (OSM), das seit 2004 auf ein Heer von Ehrenamtlichen setzt, die mit GPS-Geräten durch die Straßen laufen. Aufgrund der wachsenden Anzahl von Beitragenden (aktuell etwa 20.000 mtl.), ist es heute ein Paradebeispiel für so genannte „volunteered geographic informations“. Dadurch konnte bereits eine enorme Abdeckung erzielt werden, auch wenn die Qualität durchaus variiert. So sind auf Dörfern bisher meist nur die Straßen rudimentär erfasst worden, aber in den meisten Städten sind darüber hinaus häufig schon die Gebäude und viele filigrane Details eingetragen, die teilweise sogar bei kommerziellen Karten fehlen. Und das, obwohl die „Mapper“ genannten Freiwilligen bei Null anfangen mussten, denn Abpausen von anderen Karten ist tabu. Ortskenntnis, GPS und einige wenige Luftbilder sind die einzigen Hilfsmittel für ihre gemeinsame Mission.
OSM selbst nutzen
Die meisten werden vermuten, dass es bereits mit einem Besuch auf openstreetmap.org getan ist, doch das Projekt bietet viel mehr. Zunächst nochmals eine Klarstellung: Es geht bei dem Projekt gar nicht um eine einzige Karte, weshalb es vielleicht eher OpenStreetMap(s) hätte heißen müssen. Neben der Standard-Karte gibt es welche, die für Radfahrer, für Wanderer oder sogar für Wassersportler optimiert sind. Sie werden „Kartenstile“ genannt. Denn trotz der Flexibilität, die Onlinekarten ermöglichen, muss immer noch jede Darstellung zugleich für einen bestimmten Anwenderkreis optimiert sein. Erst dann erfüllt sie ihren Zweck wirklich gut, durch Reduktion die Orientierung zu verbessern.
Durch das anpassbare Datenschema von OpenStreetMap ist es möglich, für fast jeden Anwendungsfall Daten zu erfassen und darzustellen, was die Liste der Online-Karten im Wiki eindrucksvoll zeigt. Damit wird klar, dass die Darstellung auf der offiziellen Webseite nur ein Showcase ist, der zeigt, was möglich ist. Er beabsichtigt hingegen nicht, eine direkte Alternative zu Angeboten à la Google Maps für Konsumenten zu sein. Dazu fehlen zahlreiche Features, wie einfach zu nutzende Marker, Infos zu Points of Interest oder Navigation, die allerdings über viele der verlinkten Seiten separat angeboten werden.
OpenStreetMap für unterwegs
Neben der Nutzung zu Hause für die Planung, ist heute insbesondere die mobile Nutzung auf Reisen ein häufiger Anwendungsfall. Auch hier gibt es für die verschiedensten Plattformen ein breites Angebot. Für Android und iOS sind dabei zahlreiche Anwendungen teilweise kostenlos oder offen erhältlich, die Onlinekarten ergonomisch auf dem Gerät anzeigen und weitere Dienste zusammenfassen. Die Finanzierung erfolgt dabei meist über den Zukauf von ergänzenden Features wie alternativen Ansage-Stimmen, oder durch Zahlung bei Aktualisierung der Offline-Kartenpakete. Denn mit OSM ist es problemlos möglich, ein ganzes Land so aufzubereiten, dass in einem Gigabyte Daten alles enthalten ist, was zum Zeichnen der Karten, der Adresssuche, oder Routenberechnung auf dem Gerät notwendig ist. Neben Skobbler und Mapfactor sind insbesondere OSMand und Navit beliebte Apps für Smartphones.
Wer es etwas solider mag, der wird OSM auch auf (Outdoor-)Navis nutzen, doch das ist je nach Gerät schon schwieriger. Am einfachsten ist es derzeit für Garmin-Geräte, und auch Magellan bietet fertige Pakete, die man nur auf die GPS-Geräte kopieren muss. Bei anderen kann ein Austausch der Software erforderlich sein (TomTom), oder es ist derzeit schlicht unmöglich.
Zu guter Letzt sei noch erwähnt, dass auch Print-Produkte mit den freien Geodaten möglich sind. Noch ist es jedoch etwas mühselig, Vektordateien für die Druckvorstufe zu bekommen. Eine freie Möglichkeit ist hier das MapOSMatic Portal, ähnliche kommerzielle Portale lassen sich auch finden. Wer sich mehr Flexibilität wünscht, kommt leider um die Installation eines Renderers und Herunterladen der Karten-Extrakte nicht herum. Für den ersten Einstieg hat sich hier die .NET Anwendung Maperitive bewährt, die bereits zahlreiche Kartenstile mitbringt. Doch Vorsicht, zahlreiche DTP-Tools kommen mit den so erzeugten großen Grafikdateien nicht auf Anhieb klar und häufig sind die Elemente sehr feingliedrig modelliert und können effektiv nicht mehr bearbeitet werden. Wer sich da mehr Kontrolle wünscht, sollte den Aufwand nicht scheuen und sich in ein professionelles Desktop-GIS wie etwa das freie QGIS einarbeiten, das deutlich mehr Freiheit und Performance ermöglicht.
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Mit OSM entwickeln
Vielleicht überlegt der ein oder andere App-Entwickler oder Webdesigner, ob er von seinen bisherigen geschlossenen Lösungen hin zu OSM wechseln sollte. Die Frage, ob und warum man etwas verändern sollte, lässt sich meist nicht einheitlich beantworten, da im konkreten Fall unterschiedliche Aspekte wichtig erscheinen.
Für die Firmen, die Anfang 2012 im Laufe der #switch2osm-Bewegung von Google Maps wechselten, war der Grund recht einfach: Geld. Zu diesem Zeitpunkt hatte Google angekündigt, für die Nutzung seiner Schnittstellen Geld zu nehmen, was sich insbesondere kleinere kommerzielle und private Projekte nicht leisten konnten und sich so der Dominanz des Anbieters entzogen. Bei OSM haben diese im Gegenzug keine Werbung zu befürchten und können zugleich auf eine deutlich höhere Updaterate des Kartenmaterials setzen. Außerdem stehen die Daten unter einer freien Lizenz und daraus generierte Endprodukte können beliebig lizenziert werden.
Wenn man möchte, kontrolliert man selbst jeden einzelnen Schritt bei der Auslieferung der Webmap und kann so eine angepasste Lösung für sein eigenes Portal schaffen. Man ist nicht auf die jeweiligen Anbieter-APIs eingeschränkt, sondern kann im Notfall selbst aktiv werden und eigene Lösungen entwickeln, die direkt auf den Rohdaten des Projektes arbeiten. Allerdings gibt es bei OSM keine Luftbilder und auch die zentralen Kartenserver dürfen nur sehr eingeschränkt genutzt werden.
Es lohnt sich also einen Blick auf den Aufbau einer typischen Webapplikation mit OSM zu werfen:
Das wesentliche Zusammenspiel übernimmt eine JavaScript-Bibliothek, welche im Wesentlichen die Benutzerinteraktion der Karte realisiert. Häufig kommt dafür Leaflet oder bei komplexeren Anwendungen OpenLayers zum Einsatz, welche beide unterschiedliche Kartenanbieter und Overlays unterstützen. Die Grundkarte besteht dann aus einzelnen Bildkacheln (tiles), die beim Bewegen der Karte dynamisch von einem Kartenserver nachgeladen werden. Der Server benötigt für deren Herstellung neben den rohen Geodaten eine passende Rendering Software (meist Mapnik) mit einem entsprechenden Kartenstil. Im Zusammenspiel mit dem Webserver werden dann auf Anfrage oder auf Vorrat Kacheln generiert und ausgeliefert. Parallel wird über sogenannte „diff Files“ die lokale Geodatenbank synchronisiert und die veränderten Areale als veraltet markiert, so dass wiederum die betroffenen Kacheln aktualisiert werden. Da das Abstimmen des Zusammenspiels durch die Vielzahl der Komponenten durchaus kompliziert ist, wird für die Einrichtungen meist auf die Linux-Pakete und Anleitungen von www.switch2osm.org zurückgegriffen. Wer nicht gleich einen eigenen Kartenserver betreiben will, der kann auch auf die zahlreichen kostenlosen und kommerziellen Angebote zurückgreifen.
Proprietäre Location APIs bieten meist noch weitere Dienste, die natürlich auch mit OSM realisiert werden können, allerdings als separate Dienste betrieben werden. Häufig benötigen Entwickler etwa eine Suche nach Adressen, POIs oder der nächsten Straßen in der Umgebung. Für dieses (reverse) Geocoding steht der Dienst Nominatim zu Verfügung, der natürlich auch selbst gehostet und konfiguriert werden kann. Des weiteren wird häufig eine Lösung zur Wegfindung (routing) benötigt, wofür es bereits mehrere verschiedene Projekte gibt, die unterschiedliche Anforderungen erfüllen und sich etwa durch Geschwindigkeit, unterstützte Profile oder andere Features hervortun. Gern genutzt werden die Open Source Routing Machine (OSRM), GraphHopper oder der Yet another OpenStreetMap Route Service (YOURS). Für diverse Content Management Systeme und Web-Frameworks gibt es zahlreiche Addons, die es ermöglichen, all diese Dienste mit wenig Aufwand einzubinden und auch für App-Entwickler gibt es meist passende Widgets und Komponenten. Dass man mit diesem hohem Freiheitsgrad allerlei innovative Anwendungen erstellen kann, zeigt etwa die folgende kleine Auswahl:
Etwas eingeschränkter ist die Auswahl allerdings, wenn man diese gesamte Funktionalität offline bereitstellen möchte. Neben dem enormen Arbeitsaufwand trägt auch die Vielfalt der Zielplattformen dazu bei, dass es nur wenige Frameworks gibt, die für diesen Anwendungsfall „feature complete“ sind und quasi ein vollständiges Navigationssystem realisieren. Hier stehen größtenteils nur libosmscout bzw. mapsforge als freie Lösungen zu Verfügung.
Zu OSM beitragen
Nach dem Lesen dieses Artikels ist wohl jedem klar geworden, dass OSM sich nach und nach zu einer ernstzunehmenden Alternative für die etablierten Kartenportale gemausert hat und insbesondere für solche Szenarios Lösungen liefert, die kommerzielle Anbieter vernachlässigen. Zwar ist das Angebot noch weit davon entfernt, eine Popularität wie Foursquare, Wikipedia oder Flickr zu haben, allerdings nutzen eben diese Dienste OSM als Basiskarte. Für Kunden ist es also durchaus von Interesse, dort ebenfalls präsent zu sein und Destinationen sollten darauf achten, dass Gäste möglichst auch über OSM die nähere Umgebung erkunden können.
Mittlerweile bietet das Projekt eine sehr einfache Möglichkeit, Tipps und Fehler direkt einzureichen. Auf openstreetmap.org befindet sich ein entsprechendes Werkzeug in der Toolbar („Hinweis melden“), mit dem man einen Marker auf der Karte platzieren und kurz beschreiben kann, was warum dort zu sein scheint. Es sei an dieser Stelle aber nochmals darauf hingewiesen, dass sich das Projekt ausschließlich auf objektive Fakten beschränkt („Hier ist Hotel xyz, siehe xyz-hotels.de“) und nicht subjektive Eindrücke erfasst, die niemand überprüfen kann („Bestes Hotel ever! Sehr geile Küche!!!“).
Wichtig ist natürlich ebenfalls zu prüfen, ob auch die Anfahrt klar aus OSM hervorgeht und etwa mit map.project-osrm.org auch berechnet werden kann. Wer lieber selbst Hand anlegen möchte, kann nach einer Registrierung die Karte über die Webseite bearbeiten. Mit dem dort vorhandenen und auf JavaScript basierenden Editor (iD), lassen sich insbesondere kleinere Änderungen sehr gut einpflegen, da er für Einsteiger optimiert ist und viele Hilfestellungen anbietet. Im Idealfall erstellt man einfach einen Punkt auf der richtigen Stelle des Luftbildes und kann diesem dann eine passende Vorlage zuordnen. Dort werden dann die nötigsten Angaben abgefragt, bei einem Restaurant etwa die Küche, Adresse und Webseite. Sollte man dann langsam den Bogen raus haben und größere Änderungen an den Daten machen wollen, lohnt es sich sicherlich, sich etwas mit dem Datenmodell zu beschäftigen und den JOSM Editor zu testen. Dieser Editor wirkt auf den ersten Blick zwar recht komplex, gerade am Anfang benötigt man aber nur wenige seiner zahlreichen Werkzeuge. Dafür hat man mittelfristig viele Mittel zur Verfügung, die einem helfen, schnell und exakt zu zeichnen und er fasst viele Anlaufstellen des Projektes zusammen, so dass Fortgeschrittene noch effizienter arbeiten können.
Doch OSM ist mehr als nur eine Datenbank, an der Leute isoliert arbeiten. Es ist eine Community, die sich gegenseitig hilft und sich auf Stammtischen oder „Mapping Parties“ anspornt und neue Ideen entwickelt. Es lohnt sich Kontakt aufzunehmen, denn jeder dort kennt das positive Erlebnis das man hat, wenn man zum ersten Mal eine kleine Änderung beigetragen hat und diese dann auf magische Weise auf der Online-Karte erscheint. So trocken das Thema auch klingt, es macht einfach Spaß als Teil einer großen Gemeinschaft an etwas zusammen zu arbeiten und für seinen Ort einen persönlichen Beitrag zu leisten, den kaum ein anderer erbringen kann. Denn niemand von außerhalb weiß von den Schleichwegen und Geheimtipps im eigenen Quartier und wer kennt eine Gegend schon besser als die Leute, die dort wohnen?
Dieser Artikel gehört zu: UPLOAD Magazin 9
Die Themen dieser Ausgabe: Es geht um Social Buzz als Messwert, OpenStreetMap im praktischen Einsatz, E-Mail-Marketing jenseits des Newsletters und die Ära eines „selbstbewussten Digital-Journalismus“.
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Matthias fand während seines Studiums den Weg zu OpenStreetMap und arbeitet seither in Mecklenburg-Vorpommern nicht nur an der Karte, sondern stellt das Projekt auch in der Öffentlichkeit vor.
Guter Artikel, wobei man der Vollständigkeit halber sagen muss, dass es durchaus einige Anbieter und Dienstleister gibt, die ihre Karten als Grundlage für OSM zur Verfügung stellen – sprich zum Nachzeichnen (auch für User ohne GPS-Aufzeichnung und Co).
Zum Beispiel Yahoo, MS, Öffentliche Einrichtungen und diverse Anbieter rund um Satelliten- und orthographische Fotos… hier gibt es eine kleine Übersicht dazu: https://wiki.openstreetmap.org/wiki/Potential_Datasources
Dennoch – ja – ist das meiste Handarbeit und in Eigenregie umgesetzt…. was eine wirklich großartige Leistung ist, vor allem bei dem Umfang den OSM heutzutage bietet. :)
Hi Emanuel, ja das stimmt natürlich, dass mittlerweile Luftbilder und auch einige andere Datenquellen genutzt werden dürfen. Sicherlich kommt dieser Impuls für Open Data im GIS-Bereich auch durch den Siegeszug der OSM Community.
Man darf allerdings nicht vergessen, wie die Anfänge und die Arbeit in der „pre BING“-Zeit aussah. Da gab es eben größtenteils nur die Möglichkeit mit GPS Straßen abzufahren, da Yahoo Bilder sich vielleicht noch gerade so für die Erfassung von Landnutzung geeignet haben, für mehr aber nicht. Deshalb habe ich nicht den Eindruck erwecken wollen, dass der ganze Datenbestand nur durch Armchair Mapping entstanden ist ;)