Web 3.0 – Zurück in die Zukunft

Web 2.0 ist immer noch in. Aber langsam wird es wieder Zeit für etwas Neues. Daher warten alle gespannt auf das Web 3.0. Was mag es bringen? Was wird es sein? In diesem Artikel wollen wir dazu etwas orakeln. Das machen wir aber nicht mit Zukunftsstudien, Trendanalysen oder ähnlichem – nein – wir blicken einfach zurück. Denn irgendwie war ja alles schon mal da.


US-Robotics HST
Früher war nicht alles schlecht. Das US-Robotics HST zum Beispiel war einige Zeit das schnellste Modem der Welt.

Am Anfang war …

Am Anfang war – nicht das Internet. Nein, am Anfang war das Modem. OK, manchmal war es auch der Akustikkoppler, aber da wollen wir mal nicht so kleinlich sein. Und ganz stimmt es auch nicht. Denn bereits Anfang der 80er war da der Videotext. Man konnte einseitig Informationen abrufen, aber nichts selbst dazu beitragen.

Nicht viel später kamen die Mailboxen auf. Im Englischen eher als BBS (Buletin Board System) bezeichnet, konnte man sich mit seinem Computer dorthin verbinden. Den guten alten Bildschirmtext wollen wir hier auch einfach mal als eine große Mailbox betrachten. Engagierte Privatleute und Firmen erkannten schnell das Potential. Ende der 80er gab es Mailboxen, die den Support von Firmen entlasten sollten. Dort wurden Informationen zu Produkten und Downloads bereit gestellt. Das war richtig klasse. Statt aufwendig Updates per Diskette zu versenden, konnten die Kunden diese selber runterladen. Natürlich gab es auch private Mailboxen. Dort war der Hauptzweck die Unterhaltung. Technisch nicht unähnlich dem was man heute im Internet als Foren kennt. Irgendwie klingt doch das genau wie Web 1.0, oder?

Wie ging es weiter? Die Mailboxen wurden größer und die Benutzer anspruchsvoller. Manche hatten dann auch mehr, als einen Anschluss. Ja genau, damals spielte ja noch die Telefonleitung eine Rolle. War einer online, hatten alle anderen ein Besetztzeichen. Erst wenn eine Mailbox mehrere Telefonnummern hatte, konnten auch mehrere Benutzer gleichzeitig online sein. Dann war es sogar möglich, miteinander zu Chatten. Es gab Online-Spiele, wo man gegeneinander antreten konnte. Alles wurde ein wenig interaktiver. Irgendwie – hmmm – irgendwie Web 2.0 halt.

Und weiter ging es. Es kamen die Netzwerke. Mehrere Mailboxen verbanden sich und tauschten regelmäßig Daten aus. Also meist nachts, da waren die Gebühren der Post niedriger. Genau, die Gebühren der Deutschen Bundespost, die Telekom gab es noch nicht. Entgegen anders lautender Gerüchte waren aber sowohl die Farbe Magenta als auch der Buchstabe „T“ bereits bekannt. Jedenfalls tauschten sich die Computer untereinander aus, deswegen konnte man in jeder der teilnehmenden Mailboxen an den Diskussionen teilnehmen. Man war nicht mehr auf die Einzelne angewiesen. Das ging dann sogar so weit, dass irgendwie plötzlich alle Computer ständig miteinander verbunden waren. Das nannte man dann Internet. Wobei man damals noch eher das Usenet meinte, wenn man Internet sagte. OK, E-Mail hatte man auch schon, aber ehrlich gesagt habe ich mit meinem ersten Mail-Konto über all die Jahre nie eine einzige Mail geschrieben oder empfangen. Aber das ist eine andere Geschichte.

Das World Wide Web kannte man noch nicht. Mittlerweile hat sich ja das zum Inbegriff des Internet gewandelt. Eigentlich ist es nur ein Dienst von vielen, aber man muss zugestehen, dass die Erfindung des WWW sicher zum großen Durchbruch des Internets deutlich beigetragen hat. Alle damaligen Konkurrenztechniken zur grafischen Benutzerführung durch Online-Systeme wurden aus dem Feld geschlagen. Davon gab es in der Mailbox-Szene durchaus einige. Nicht zu vergessen sind dabei die großen kommerziellen Netze wie Compuserve. Mitte der 90er überlegte man sich als Firma, ob man eher auf das Web setzen sollte oder nicht besser seine Seiten beim bewährten und überaus erfolgreichen Compuserve-Dienst einstellt. Solche Überlegungen hatten sich mit der schnellen Verbreitung und vor allem günstigen Hosting-Angeboten für Web-Angebote aber schnell erledigt. Mit der neuen Technik wurden viele bereits bekannte Dinge dann nochmal erfunden.

Und nun?

Worauf will ich nun hinaus? Nun, Web 2.0 mag eine schöne Bezeichnung sein, aber so richtig Sinn hat sie nicht. Es gibt kein Web 1.0 und wird kein Web 3.0 geben. Alles ist in ständiger Entwicklung. Es gibt keine klaren Grenzen. Der „User Generated Content“, den viele am Web 2.0 so wichtig finden, den gab es bereits vor dem Web. Ebenso persönliche Profile in „Social Networks“. Das waren eben die Mailbox-Systeme. Wenn man einen Trend sehen will, dann ist es schlicht die Vernetzung und Unabhängigkeit vom einzelnen System. Das hat man aber im Internet sowieso. Ich kann auf meiner Homepage problemlos Widgets, Blogs, Foren oder was auch immer einbinden, was von einem anderen Server kommt. Die Zerstücklung in einzelne Informationshappen ist also eindeutig Web 3.0.

Ach, Entschuldigung: Widgets, Blogs, Foren sind doch ein alter Hut. Das ist doch Web 2.0, oder? Naja, schon, aber so richtige Grenzen gibt es eben nicht. Was ist beispielsweise, wenn ich ein Forum in verschiedene Homepages gleichzeitig im jeweils passenden Design einbinden kann? Ist das dann schon Web 3.0? Ich fürchte nicht, diese Funktion hat das mittlerweile leicht angestaubte plaudern.de nämlich bereits seit 1999. Das war eindeutig noch Web 1.0.

Dank des ständigem Zugriffs auf alle Server spielt es eben kaum eine Rolle, woher etwas kommt. Das ändert sich erst, wenn der gewünschte Dienst nicht zuverlässig läuft. Bei Twitter kann man es sehen. Mittlerweile gibt es Ansätze, dass jeder seinen eigenen Twitter-Klon auf seinem Server hat, diese sich aber trotzdem austauschen können. Vorreiter dieser Technik ist Napster gewesen. Heutige Peer-2-Peer-Clients wie BitTorrent sind frei im Netz verteilt. Keine zentrale Instanz hat mehr die Kontrolle.

Dahin wird die Reise gehen. Allerdings nur dort, wo auch der Druck dazu herrscht. Wenn der Dienst unter xy.de zuverlässig läuft, wird sich niemand Gedanken machen, dass man diesen nachprogrammieren und auf vielen Servern verteilen muss. Also auch hier schlicht Evolution statt Revolution. Aufzuhalten ist das aber nicht. Das Stichwort „Grid-“ oder „Cloud-Computing“ haben sicher viele schon einmal gehört. Auch das geht eindeutig in diese Richtung.

Aber wer weiß, vielleicht kommt ja doch noch was, das es wert wäre, die Bezeichnung Web 3.0 zu tragen. Immerhin sind wir an einem Zeitpunkt im Web angekommen, wo die Mailboxen und das frühe Internet langsam vom Web verdrängt wurden.

Über den Autor

Horst Klier ist einer von denen, die am 64er angefangen hatten und der seitdem der Computerei verfallen ist – auch beruflich. Die Brötchen, die er damit verdient wollen natürlich auch richtig gegessen sein. Deswegen bloggt er im Blog ohne Diät über Ernährung und was damit zusammenhängt. Denn auch ein Nerd kann sich richtig ernähren.

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9 Gedanken zu „Web 3.0 – Zurück in die Zukunft

  1. Hehe, vieles davon habe ich als Knirps mitbekommen, aber die gleichen Gedanken kamen mir auch als ich mir dazu mal Gedanken gemacht habe …

    Wenigstens habe ich noch einen 64er hier. :D

  2. Das Web 2.0 gibt es nicht. Schlicht und ergreifend. Es ist einfach der Versuch, die Veränderung in Worte zu fassen. Dabei verändert sich das Web zu jeder Zeit. Aber für eines – und da komme ich zu diesem Thema – war der Schritt der Begriffsbildung „Web 2.0“ doch hilfreich:

    nun kann das Web 3.0 kommen. Und es ist, das liegt ja fast schon auf der Hand, das Web 3D. Nicht Second Life und Konsorten. Die sind so richtig Web 0.0 – zentrale Anbieter. Nein, das 3D-Web wird _eine Erweiterung_ des derzeitigen Webs (oh, hoert sich ja wie TBLs Semantic Web an) – dezentral, frei, optional.

  3. Ob Web 2.0 noch „in“ ist, darüber kann man sich streiten.

    Wie man neue Technologien und Medien letztlich aber bennent ist eigentlich egal. Man sollte sich Gedanken aus der Benutzersicht machen. Der Kunde ist König… und da sind irgendwelche Trends vollkommen egal.

  4. @Siegfried: Klar kenne ich das noch. 8-)

    @NeG: Daran glaube ich nicht so schnell. 3D ist einfach zu aufwändig zum Gestalten. Falls es sich durchsetzt, wird das noch sehr, sehr lange dauern.

    @schnaeppchenblogger: Ja, wobei ein Name und der damit verbundene Buzz helfen kann, damit sich mehr Menschen an neue Techniken überhaupt rantrauen.

  5. @schnaeppchenblogger
    kann dir da nur zustimmen.
    ich finde das wort „Web 2.0“ sollte das unwort der letzten jahre werden. das gleiche gilt für das vielleicht kommende web 3.0

    was soll man sich denn darunter vorstellen ?
    beim web 2.0 ist doch eigentlich alles drin was sich in den letzten jahren getan hat. zum beispiel das imense wachstum von blogs und communities.

    aber was kommt nun ? web 3.0 = semantic web?
    oder einfach nur wieder ein neues wort für irgendwas, was keiner wirklich definieren kann ???

  6. Ich hatte ja in den letzten zwei Jahren den Eindruck, dass sich in punkto Semantic Web / Web 3.0 relativ wenig bewegt… Cuil ist für die deutschsprachige Suche zu vergessen. Aber langsam tauchen immer mehr konkrete Anwendungen am Horizont auf – fürs aktuell Blogpiloten Special habe ich zu diesem Thema ein Interview mit Andreas Blumauer, dem Geschäftsführer des Semantic Web Institute, geführt.

  7. Ich finde Tim Berners-Lee (der Begründer des WWW) hat es einmal passend formuliert: „Ich finde, dass Web 2.0 natürlich ein Jargonausdruck ist, niemand weiß wirklich was er bedeutet“ und ich denke dass dasselbe auch für das Buzzword Web 3.0 gelten wird! Dass die Enwicklung im WWW weiter gehen wird ist klar, wir werden nicht auf dem aktuellen Stand der Dinge stehen bleiben, aber wie man das ganze bezeichnet ist hierbei im Endeffekt total nebensächlich…

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