In meiner Kolumne „ENTER“ schreibe ich in jedem UPLOAD Magazin über das Titelthema der jeweiligen Ausgabe. Oder auch nicht. Diesmal erkläre ich, wie man ganz einfach ein super erfolgreicher Tech-Schreiberling wird. Achtung: Kann Spuren von Humor enthalten.
Seit inzwischen 20 Jahren bin ich Journalist und schreibe seit etwa 15 Jahren über Tech-Themen. Ich musste zum Beispiel Lesern erklären, was es mit „Windows Mobile 2003 for Smartphone“ und „Windows Mobile 2003 for Pocket PC Phone Edition“ auf sich hat. Ich glaube, selbst Microsoft hat damals nicht so genau gewusst, was das alles sollte.
Aber ich schweife ab. Das waren jedenfalls noch die harten Zeiten! Ich bin so etwas wie ein Veteran. Ich habe alles gesehen und das meiste davon schon mehrfach. Jawohl.
Na, okay, das ist jetzt vielleicht ein wenig übertrieben. Aber bevor das zu sehr auffällt, leite ich flugs zum eigentlichen Thema dieses Beitrags über: Wie man Leser auf seine Tech-Newsseite oder sein Techblog zieht.
Dabei ist die perfekte Techseite natürlich werbefinanziert. Solche Sperenzchen wie bezahlte Inhalte oder Sponsorings überlassen wir gern den intellektuellen Spinnern. Solchen Kaspern wie die beim UPLOAD Magazin. Halten sich wohl für was Besseres. Pffft.
Die Rechnung ist ganz einfach: Möglichst viele Leser + möglichst viel Werbung = möglichst viel Knete, Zaster, Penunze, [anderes inzwischen veraltetes Synonym für Geld].
Jetzt haben wir aber ein Problem, über das Tech-Schreiberlinge nicht gern reden: Es gibt nicht jeden Tag etwas über Alltagselektronik zu berichten. Im Grunde würde es reichen, die jeweils empfehlenswerten Geräte für verschiedene Nutzergruppen einmal zusammenfassen. Und das würde man dann bei Bedarf aktualisieren.
Aber das bringt nicht möglichst viele Leser. Und damit nicht möglichst viel Werbung. Und das nicht möglichst viel Knete, Zaster, Penunze, [anderes inzwischen veraltetes Synonym für Geld].
Wir müssen also zwingend jeden Tag schreiben. Und nicht nur einen Artikel. Viele Artikel. Viele, viele Artikel! Und die müssen alle geklickt werden wie wild. Was tun?
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Inhaltsverzeichnis
1. Konstruiere einen Konflikt, wo keiner ist
Android vs. iOS. Xbox vs. PlayStation. Canon vs. Nikon. Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Wo auch immer man schaut: Konflikte und Kämpfe. Da „wehrt“ sich das eine Unternehmen. Das andere „geht zum Angriff über“. Da gibt es „XY-Killer“. Und irgendwas „droht“, irgendwas muss irgendwer „fürchten“ etc.pp.
In Wirklichkeit sehen wir hier verschiedene Produkte aus dem Bereich der Gebrauchs- und Unterhaltungselektronik mit jeweils unterschiedlichen Stärken und Schwächen. Was man davon kauft, hat mit den eigenen Bedürfnissen, Vorlieben und Erfahrungen zu tun. Hersteller bringen deshalb verschiedene Modelle heraus. „Konkurrenz“ ist ein wesentlicher Bestandteil unseres Wirtschaftssystems. Aber das ist natürlich langweilig und bringt keine Klicks.
Praktischerweise „hassen“ Leute Apple oder Windows oder was auch immer. Klingt absurd, aber uns als Tech-Schreiberling sollte das nicht nur herzlich egal sein, wir sollten es im Gegenteil so gut es nur geht ausnutzen!
Neue Geräte werden dann zur „Reaktion“ auf etwas, was der Konkurrent letzte Woche vorgestellt hat – auch wenn jeder weiß, dass solche Produkte leicht für viele Monate oder manchmal auch Jahre in der Entwicklung sind. Da werden Geräte zu Konkurrenten gemacht, die aufgrund vieler Unterschiede in Wirklichkeit ganz andere Zielgruppen ansprechen. Oder da werden Firmen zu erbitterten Feinden stilisiert, die in Wirklichkeit eng zusammenarbeiten (man denke hier nur an Apple und Samsung). Kampf! Konflikt! Oder gleich in die Vollen: Krieg!
Also: Ein neues Samsung Smartphone ist nicht einfach irgendein neues Samsung Smartphone. Es ist Samsungs Antwort auf Apples „Angriff“ und soll das iPhone „zerstören“. Ja, das hat doch gleich einen anderen Klang. Und das nächste iPhone ist dann natürlich der „Gegenschlag“.
So wird das was mit den Klicks. Informationsgehalt gleich null, aber wen interessiert’s?
2. Mache etwas nieder, was viele lieben
Ist gerade kein Konkurrenzkampf zur Hand, hetzt man einfach gegen etwas, was viele Fans hat. Das Tolle daran: Das funktioniert doppelt: Alle Fans des Produkts/des Unternehmens/des Dienstes klicken und alle Hasser des Produkts/des Unternehmens/des Dienstes klicken auch. „Was für ein blödes Bashing“ rufen die einen. „Ha, endlich sagt mal einer die Wahrheit“ rufen die anderen. Und das rufen sie dann alles fein hin und her, kriegen sich in den Kommentaren gegenseitig in die Haare und wir als Websitebetreiber sehen die Zugriffszahlen steigen.
So simpel. So effektiv. So gut.
3. Lobe etwas in den Himmel, egal wie gut es wirklich ist (oder ob du das überhaupt weißt)
Sozusagen das Gegenteil von Nr. 2. Man schreibt extreme Lobpreisungen über ein neues Gerät oder eine neue Gerätekategorie. Keine Angst vor Superlativen und Übertreibungen! Das ist alles Teil einer größeren Taktik. Denn: Damit hebt man etwas in den Himmel, was man dann ein paar Monate später ebenso wieder krachend zu Boden fallen lassen kann = zweimal gewonnen.
Und, wirklich: Man kann gar nicht genug übertreiben. Das neue Smartphone ist das „mit Abstand“ beste, was man „jemals“ gehabt hat. Da hat „kein anderer Hersteller“ auch nur annähernd eine Chance. Einfach perfekt. Großartig. Atemberaubend. Augenöffnend. Hier das Synonymlexikon abgrasen und in einen einigermaßen lesenswerten Text kleiden. Muss auch gar nicht lang sein. Zugleich Punkt 1 beachten.
Ein paar Wochen bis Monate später dann schreiben, warum das Gerät einen „so bodenlos enttäuscht“ hat und was da alles „verkehrt läuft“. Übrigens: Es ist kein Problem, dann offen zu schreiben, dass man vorher kompletten Unsinn geschrieben hat. Das wirkt ehrlich und die Leute lieben das. Funktioniert wirklich. Man muss das nur mit einem Lächeln verkaufen. „Da bin ich wohl ein bisschen zu euphorisch gewesen – na, so bin ich halt. Kann mich begeistern. Aber nun…“ etc.pp.
Wichtig ist: Klare Aussagen treffen. Schwarz oder Weiß. Super oder Mist.
4. Schüre Angst und Ärger
Hier braucht man etwas Glück und muss darauf warten, dass eine passende Neuigkeit des Wegs kommt. Das Ziel ist es, aus einer Mücke einen Elefanten zu machen und für möglichst viel Angst, Verwirrung und Diskussionen zu sorgen. Datenschutz funktioniert als Thema immer prima, Sicherheit im Allgemeinen sowieso. Keine Scheu vor Stammtischniveau, nur einfache Wahrheiten bringen Klicks. Die bringen sogar richtig viele Klicks. Themen nach dem Motto „Ich hab’s ja schon immer geahnt“ funktionieren super. Zur Not alles ein bisschen zurechtbiegen.
Wenn ein paar Tage später herauskommt, dass das alles halb so wild war, ist die Aufregungskarawane schon weitergezogen. Dann lässt man die Auflösung einfach unter den Tisch fallen. Ist eh langweilig. Merkt niemand.
5. Apple. Apple. Apple.
Und, ganz einfach: Immer Apple einbauen, idealerweise gleich in die Überschrift. Apple muss dabei nicht einmal im Text vorkommen. Das wird vielleicht ein paar Leute nerven, aber wenn die einen Kommentar schreiben, haben sie ja eh schon geklickt. Foxconn ist beispielsweise immer der iPhone-Hersteller, auch wenn zig andere Unternehmen dort ebenfalls Kunde sind. Die Apple Watch ist die Smartwatch überhaupt, auch wenn es hunderte von Alternativen gibt. Und überhaupt geht immer alles gegen Apple oder für Apple oder irgendwie ist Apple involviert oder könnte involviert sein oder sollte involviert sein oder… Apple. Apple. Apple.
Apple.
Ernsthaft: Apple.
Na dann mal los!
Wer diese Tricks beherzigt, kann im Grunde gar nichts falsch machen. Größtes Manko: Es gibt eine Menge Leute, die das schon genau so machen. Da muss man dann noch einen draufsetzen – noch schneller sein, noch radikaler sein usw.
Oder man schlägt sich vielleicht am Ende doch ins Lager der Sandalenträger und Baumumarmer mit ihrem Qualitätsanspruch. Aber nunja, dass muss dann jeder selber wissen…
Dieser Artikel gehört zu: UPLOAD Magazin 25
Die fünf Beiträge des Schwerpunkts drehen sich um Themen wie Schleichwerbung, Datenschutzerklärung oder auch rechtliche Fallstricke bei mobilen Apps. Aber das ist natürlich längst nicht alles, was wir im Angebot haben. Außerdem erfahren unsere Leserinnen und Leser, wie man mit einem Shitstorm umgeht, wie relevant YouTube noch ist oder was es mit der Netzwerk-Illusion auf sich hat.
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Jan hat mehr als 20 Jahre Berufserfahrung als Online-Journalist und Digitalpublizist. 2006 hat er das UPLOAD Magazin aus der Taufe gehoben. Seit 2015 hilft er als CONTENTMEISTER® Unternehmen, mit Inhalten die richtigen Kunden zu begeistern. Und gemeinsam mit Falk Hedemann bietet er bei UPLOAD Publishing Leistungen entlang der gesamten Content-Marketing-Prozesskette an. Der gebürtige Hamburger lebt in Santa Fe, New Mexico.
Es ist wichtig, vor allem die fünfte Regel konsequent durchzusetzen. Auch die Kommentare sollten Apple als Begriff enthalten. Drei bis vier Apple pro Absatz verträgt so ein Kommentarfeld im Normalfall mindestens. Man muss auch nichts Sinnvolles hinzuschreiben, ein Apple Kommentar steht für sich. Support kostet allerdings extra.
(Schöner Artikel, danke!)