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Entscheidungshilfe: Digitalkamera-Typen im Vergleich

Wer sich heute eine Digitalkamera anschaffen will, hat eine ungeheure Auswahl und Vielfalt vor sich. In diesem Artikel möchte ich Euch die grundlegenden Typen „Kompaktkamera“, „Bridgekamera“ und „Spiegelreflexkamera“ vorstellen und erklären, welche für wen geeignet ist. Meine Beobachtung: Die meisten Leute geben viel zu viel Geld für eine Digicam aus, die am Ende gar nicht kann, was sie soll und auch keine besseren Bilder macht als das Modell zu einem Bruchteil des Preises. Gerade die großen Hersteller wie Canon und Nikon fahren da eine ganz eigene Taktik, um die teureren Kameras zu verkaufen.

Der aktuelle Markt

Digitalkameras haben in den vergangenen 15 Jahren eine enorme Entwicklung durchgemacht. Waren sie anfangs eher belächelte Spielzeuge, die sich laut einiger Experten „niemals“ gegen Filmkameras durchsetzen würden, haben sie heute sogar weite Teile des Profimarktes erobert. Nur noch Nischen wie Mittel- und Großformatkameras und bestimmte Einsatzgebiete wie die Naturfotografie überlassen sie (noch?) den klassischen Kameras und ihren Chemie-Filmen.

Wahrscheinlich werden Filme in bestimmten Nischen auch sehr lange erhalten bleiben. Die breite Masse aber fotografiert schon heute digital.

Festzuhalten bleibt dabei gleich zu Beginn: Die Qualität aller Kameras am Markt hat sich so enorm gesteigert, dass für den Privatgebrauch kaum noch Unterschiede festzustellen sind. Wenn schlechte Bilder herauskommen, hat es häufiger mit dem Fotografen, einem ungünstigen Bildausschnitt und falschen Einstellungen als den Fähigkeiten der Kamera zu tun.

Achtung: Megapixel-Wahn

Da sich die meisten Kunden ähnlich wie bei Computern nicht genau genug mit der Technik auskennen, lassen sie sich gern von falschen Versprechungen überrumpeln. Wenn Aldi seinen neuen PC bewirbt, lesen wir beispielsweise groß, wie schnell der Prozessor ist, aber sicherlich nicht, dass er wegen des lahmen Datenbusses 90 Prozent der Zeit mit Warten verbringt und wir von seiner Geschwindigkeit in der Realität nichts haben.

Ebenso verhält es sich mit der Megapixel-Angabe bei Digitalkameras. Sie ist das, was groß beworben wird. Und sie ist das, wonach Laien immer als erstes fragen. Dabei zeigen Tests, dass viele Megapixel zu schlechteren Bildern führen können. Das gilt insbesondere für die günstigen Digicams.

Der Grund: Die Hersteller quetschen immer mehr Bildpunkte auf eine viel zu kleine Fläche. Dadurch kann beispielsweise die  Lichtempfindlichkeit rapide abnehmen. Die Folge: Schon bei normalen Lichtverhältnissen werden die Fotos „verrauscht“, also Pixel mit falschen Farben tauchen auf.

Ob es nun sieben oder zehn Millionen Pixel sind, macht in der Praxis für den Fotografen keinen Unterschied. Auch alle wichtigen Vegrößerungen bis hin zum Poster sind mit beiden möglich. Aber das Bild mit zehn Megapixel kann schon sichtbar schlechter sein als das mit sieben.

Neben der reinen Pixelanzahl bestimmen vor allem die Größe und Güte des Bildsensors, die interne Weiterverarbeitung des Bildes und vor allem auch das Objektiv, wie hoch die Qualität der Fotos ist.

Grundsätzliche Entscheidungskriterien

Es gibt eine Reihe von Gründen, sich für die eine oder andere Kamera zu entscheiden. Die Eckdaten sind oftmals ähnlich und die im Testlabor zu findenden Unterschiede spielen in der Praxis nur selten eine Rolle. Es ist zwar auf jeden Fall eine gute Idee, sich Testergebnisse beispielsweise der Stiftung Warentest anzusehen. Vorher aber sollte man wissen, welchen Kameratyp man überhaupt haben möchte und welche Features und Daten einem besonders wichtig sind. Hier eine Auswahl:

  • Größe: Wer seine Kamera immer dabei haben möchte, wird hier wenig Kompromisse machen. Digicams können wesentlich kompakter gebaut werden, als das mit Filmkameras jemals möglich gewesen wäre. Nachteile, die man sich einkauft: kleine Tasten und eventuell fummelige Bedienung, Kamera liegt schlecht in der Hand, eingeschränkte Flexibilität und Qualität beim Objektiv.
  • Gewicht: Auch das wird eine große Rolle spielen, wenn die Kamera möglichst immer dabei sein soll. Leichte Kameras liegen allerdings schlechter in der Hand – es kommt eben darauf an, was man fotografieren will. Das soll nicht heißen, dass man mit einer leichten Kamera nur Partyfotos und Schnappschüsse machen kann, wie es bisweilen zu lesen ist. Ich kann auch beeindruckende Landschaftsaufnahmen und Portraits damit machen. Aber wenn das mein liebstes Foto-Thema ist, wird ein geringes Gewicht vermutlich nicht das wichtigste Kriterium sein.
  • Speicherkarten: Die Preise für Speicherkarten haben sich in den vergangenen Jahren enorm verringert. Trotzdem gibt es hier noch gewisse Unterschiede. Zu bedenken ist auch: Wie groß sind die Karten dieser Art maximal? Wie schnell sind die Karten? Bekomme ich sie auch dann, wenn ich im Urlaub plötzlich eine brauche? Habe ich evtl. bereits ein anderes Gerät mit diesem Typ?
  • Akkuart und -laufzeit: Ein großes Manko der Digitalkameras gegenüber ihren Vorgängern ist das Stromproblem. Bei meinen Film-Spiegelreflexkameras habe ich die Batterie so selten ausgetauscht, dass ich heute nicht mehr sagen kann, ob sie ein oder zwei Jahre gehalten hat. Man hat sich darüber jedenfalls nie Gedanken gemacht. Bei den Digitalkameras geht das alles wesentlich schneller und kann entsprechend den Spaß verderben. Mein persönlicher Favorit sind dabei Geräte, die Akkus in einer der Standard-Batteriegrößen wie AA oder AAA nutzen. Dann kann ich zur Not auch normale Batterien reintun und ich bekomme die Akkus und passende Ladegeräte für kleines Geld in jedem Elektrohandel. Bei vielen Kameras hat man es allerdings mit Spezialakkus zu tun.
  • Objektiv: Die Qualität des Objektivs wird man selbst kaum beurteilen können. Die Lichtstärke wie zum Beispiel 1:2,6 ist ein Anhaltspunkt. Sie sagt aus, wie viel Licht durch das Objektiv verloren geht. Je näher an 1:1, desto besser. Lichtstarke Objektive zu konstruieren ist eine Kunst – entsprechend teuer sind sie. Wichtig ist daneben noch die Brennweite: In der Praxis wirkt sich das auf den möglichen Bildausschnitt aus. Mit einem „Weitwinkel“ bekomme ich links und rechts sehr viel mehr drauf – ideal für Landschaften, Architektur, Gruppenfotos. Mit einem Tele oder Zoom kann ich entfernte Objekte optisch heranholen. Ohne Stativ funktioniert das allerdings nur bis zu einem gewissen Grad sinnvoll. Hier sollte man sich von den Zahlen (10-fach, 20-fach…) nicht zu sehr beeindrucken lassen. Im Alltag spielt das selten eine Rolle. Da bearbeitet man den Bildausschnitt oftmals besser hinterher am Computer.
  • Flexibilität: Was fotografiere ich normalerweise? Was möchte ich gern auf Fotos festhalten? Darüber sollte man sich zunächst klar sein. Eine Kamera, bei der man das Objektiv auswechseln kann, bietet einem die größte nur denkbare Flexibilität. Dafür ist das aber auch die teuerste Variante, die zudem noch schwer an der Schulter hängt und vor dem Fotografieren erst das Objektiv wechseln zu müssen, ist äußerst umständlich. Beim Kindergeburtstag kann ein geschickter Fotograf mit einer Kompakten mehr einfangen, obwohl die „weniger kann“.
  • Features: Auch wenn Spiegelreflexkameras teuer sind, können sie nicht alles besser als billigere Kameras. Video ist ein Beispiel: Hier ziehen die teuren Kameras erst langsam nach. Ebenso gibt es gerade in den Kompakten typische „Party-Features“ wie Lächel- oder Gesichtserkennung. Die klingen zunächst albern, können aber tatsächlich bei Schnappschüssen helfen.
  • Kreative Freiheit: Manche Kameras nehmen dem Fotografen alles ab und machen das sogar sehr ordentlich. Wenn es darum geht, Eindrücke und Momente festzuhalten, können sie einem komplizierten „Profi-Gerät“ haushoch überlegen sein, vor allem dann, wenn man sich nicht wie ein Profi Tag und Nacht mit den vielen Menüpunkten, Einstellmöglichkeiten und Schaltern beschäftigt. Andererseits ist man in den kreativen Gestaltungsmöglichkeiten eingeschränkt. Wer sich auskennt, umgeht die Automatik und fotografiert bewusst mit „falschen“ Einstellungen. Denn die Möglichkeiten einer Kamera und ihrer Automatik sind immer begrenzt. Ein guter Fotograf weiß, was sein Arbeitsgerät kann und was nicht und arbeitet gezielt damit.

Das sind einige der Kriterien, die für eine Entscheidung wichtig sind. Für manchen kann auch wichtig sein, ob die Kamera ein Stativgewinde hat und ob das aus Plastik (schlecht) oder Metall (gut) ist. Wie man aber sieht: Megapixel spielen dabei zunächst keine Rolle. Ist man sich einmal darüber klar geworden, worauf es einem ankommt, kann man sich für einen Kameratyp entscheiden. Im Wesentlichen gibt es drei Modellarten, deren Vor- und Nachteile ich hier noch kurz vorstellen möchte.

Kompaktkamera

Sony Cyber-shot S950
Typische Kompakte: Sony Cyber-shot S950. Foto: Sony

Bei ihr kommt es vor allem darauf an, dass sie klein ist. Die Miniaturisierung wurde hier inzwischen an ihre Grenze getrieben. Sehr viel mehr werden wir hier auch in den nächsten Jahren nicht mehr sehen. Die Frage ist: Wie klein darf die Kamera sein, damit man sie auch noch gut bedienen kann? Andererseits braucht man oftmals nicht mehr als das Display und den Auslöseknopf, denn diese Kameras sind auf Automatiken aller Art spezialisiert.

  • Klein, leicht, man hat sie immer dabei
  • Preisgünstig
  • Oft viele Automatiken für Standardsituationen
  • In der Regel einfache Bedienung
  • Wenig kreativer Gestaltungsspielraum
  • Bedienung kann fummelig sein
  • Profi-Funktionen (Beispiel: Manueller Modus) nicht vorhanden oder tief in den Menüs versteckt

Bridgekamera

Fujifilm Finepix S2000hd
Typische Bridge-Kamera: Fujifilm Finepix S2000hd. Foto: Fujifilm.

Sie bilden eine „Brücke“ zwischen den Kompakten und den Spiegelreflexkameras. Sie sehen aus wie kleine Spiegelreflexkameras, das Objektiv aber ist fest verbaut. Sie liegen oft gut in der Hand, bieten mehr kreativen Spielraum als die Kompakten und sind dabei deutlich billiger als Spiegelreflexkameras.

  • Viel kreativer Spielraum durch flexible Objektive
  • Gelegentlich auch mit Profifunktionen (Manueller Modus, RAW-Format)
  • Bedienung bei einigen mit einer Spiegelreflex vergleichbar
  • Kann guter Kompromiss aus Kompaktheit und Leisungsfähigkeit sein
  • Bei manchen Kameras Technologie aus dem Premiumbereich verbaut (Bildsensor z.B.)
  • Größer als die Kompakte, sperriger, nicht so einfach immer dabei
  • Man ist auf das mitgelieferte Objektiv festgelegt. Als Ausgleich dafür gibt es gelegentlich Aufsätze für Weitwinkel etc.

Spiegelreflexkamera

Canon EOS 5D Mark II
Typische Spiegelreflex: Canon EOS 5D Mark II. Foto: Canon.

Sie gelten als die Königinnen der Kameras. Der Name geht auf eine komplizierte Technik im Innern zurück: Ein Spiegel reflektiert das Bild direkt vom Objektiv in den Sucher. Wird fotografiert, klappt der Spiegel hoch. Eigentlicher Vorteil ist aber, dass sich die Objektive austauschen lassen. Zudem verbauen die Hersteller in diesen Modellen meist die aktuellste Technik.

  • In der Regel die beste verfügbare Technologie
  • Höchste Flexibilität und Kreativität durch Profi-Funktionen und wechselbare Objektive
  • Generell viel Zubehör zu den verbreiteten Modellen
  • Teuer
  • Mitgelieferte, preisgünstige Objektive gelegentlich unterdurchschnittlich
  • Groß und schwer

Mein persönlicher Tipp

Ich sehe immer wieder, dass Leute sich eine Spiegelreflexkamera kaufen und diese dann im Automatikmodus mit dem Standardobjektiv nutzen. Das ist so, als ob man sich einen Porsche kauft, um damit in der Spielstraße zu fahren.

Viele dieser Leute wären in Wirklichkeit mit einer Bridge-Kamera oder einer Kompakten besser bedient. Sicher: Die Kamera ist wie Auto (und zum Teil Laptop) ein Status-Symbol. Wem es darauf ankommt, der wird allerdings keinen Vergleich lesen. Der möchte nur wissen, das „das Beste“ ist und das dann kaufen. Hier fällt die Entscheidung leicht: Man vergleiche die Zahl auf dem Preisschild mit dem Kontostand und kaufe dann das, was einen gerade so eben nicht komplett arm macht.

Wer sein Geld allerdings intelligent investieren will, schaut genauer hin. Für jeden ist „das Beste“ etwas anderes.

Gerade die großen Hersteller wie Canon und Nikon fahren bei ihren kleineren Kameras dabei eine klare Taktik: Sie kappen Features, die sie für die großen Spiegelreflexkameras reservieren. Ein Beispiel ist das Bildformat RAW: Im Profibereich wird es gern genutzt, weil man die puren Daten des Bildsensors bekommt, ohne irgendeine Bearbeitung. Selbst Kompaktkameras von Canon boten das eine Weile an – bis das Feature bei einem Modellwechsel verschwand.

Die kleineren Marken bieten bei den kleineren Kameras oftmals mehr, denn sie müssen keine Rücksicht auf Luxusgeräte aus dem selben Hause nehmen.

Vergleiche und Tests zu lesen, ist darüber hinaus eine gute Sache, aber man sollte sich davon nicht verrückt machen lassen. Hier wird teilweise auf sehr hohem Niveau über Kissenverzerrungen oder Abschattungen am Rand gemeckert, die tatsächlich nur im Labor und im direkten Vergleich auffallen. Hilfreich können aber Hinweise darauf sein, wie gut sich die Kamera bedienen lässt und welche der beworbenen Funktionen tatsächlich funktionieren…

Entscheidend ist bei allem, dass ich meine Kamera beherrsche und dass ich weiß, was ein gutes Foto ausmacht. Ich kann mit einer 3.000-Euro-Spiegelreflexkamera schlecht belichtete Fotos ohne Leben und Aussagekraft schießen. Gleichzeitig kann ich mit einem Handy beeindruckende Aufnahmen machen. Denn es ist nicht die Kamera, die „gute Bilder macht“. Es ist der Fotograf. Die Kamera sollte ihn bestmöglich dabei unterstützen.

A N Z E I G E

 

8 Gedanken zu „Entscheidungshilfe: Digitalkamera-Typen im Vergleich

  1. Wieder einmal ein Beitrag, der mich ein bisschen schlauer macht. Danke schön! – Noch ein Wunsch: Bitte eine Fortsetzung zum Thema Video-Kameras (speziell für Blogger) machen, da stehe ich momentan „im Regen“…

  2. Schade, daß für die Stromversorgung aktueller Modelle fast nur noch spezielle Akkus verwendet werden. Ich sehe es immer noch als großen Vorteil an, wenn ein Gerät mit normalen AA- oder AAA-Zellen betrieben werden kann.
    Zumindest bei den digitalen Spiegelreflexkameras von Canon und Nikon gibt es das nicht mehr. Bestenfalls noch mit einem zusätzlichen Batteriegriff.

  3. Hallo Jati, netter Post, danke! Habe mir auch lange überlegt, ob ich mir wirklich eine Spiegelreflexkamera zulegen soll. Aber ich denke, das kann man wirklich erst beurteilen, wenn man sie ausprobiert hat. In der Praxis lässt sich alles viel leichter lernen.

    Wegen dem Automatikmodus: Damit habe ich die ersten 300 Fotos oder so auch geschossen. Nun bin ich aber dabei, selbst zu experimentieren und ja, es macht nicht nur mehr Spaß sondern erzielt auch sehr gute Ergebnisse.

    Timo

  4. Vielen Dank für Eure Rückmeldungen. Freut mich, dass sich die Mühe gelohnt hat ;-)

    Zum Thema Video-Kameras könnte ich ebenfalls einmal etwas machen, habe ich auch schon auf meiner Ideenliste. Da könnte ich zumindest mein angelesenes Wissen weitergeben, das ich mir zu diversen Gelegenheiten angeeignet habe.

  5. Sehr schöne Zusammenfassung! Danke schön!

    Wenn ich mal wieder in der Hinsicht gefragt werde, verweise ich gerne auf diesen Beitrag!

  6. Hi,

    ich würde noch ergänzen, dass die meisten Features wie bestimmte Filter nicht sinnvoll sind. Die kann man besser mit der Bildmanipulationssoftware anwenden, da gibt es mehr Auswahl und mehr Optionen.
    Zwei nützliche Features gibt es aber: Bildstabilisator, wenn man eine leichte Kaerma hat und nicht mit Stativ arbeitet. Und Gesichtserkennung, wenn man Personen fotografiert.
    Ansonsten volle Zustimmung, an schlechten Bildern ist sehr oft der Kameramann schuld. Auch bei den Billigstkameras kann man oft noch die Megapixel runterdrehen, so dass der Chip optimal ausgenutzt wird.

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