Jan Tißler hat mich gebeten, etwas über das Schweizer Blognetzwerk „swissblogpress“ (sbp) zu schreiben. Wir haben swissblogpress im August 2006 mit der Absicht gegründet, die hiesige Blogger-Szene besser zu vernetzen, die publizistische Qualität zu erhöhen und damit auch die Aufmerksamkeit für und die Glaubwürdigkeit von Blogs zu steigern. Hinter swissblogpress steht weder ein Verlag noch ein Investor. Alle am Netzwerk beteiligten Blogs sind redaktionell ungebunden und engagieren sich nach ihren Möglichkeiten für das Netzwerk. Als Co-Präsident von swissblogpress übe ich vorab eine koordinierende Funktion aus und stehe für Auskünfte gegenüber Dritten zur Verfügung. Jans eigentliche Frage nach dem Sinn und Zweck eines Blognetzwerkes kann ich am besten beantworten, indem ich die Motive darlege, weshalb ich mich für swissblogpress engagiere. Dies möchte ich anhand zweier Beobachtungen tun.
Inhaltsverzeichnis
Beobachtung gegenüber traditionellen Medien
Mitte Dezember 2006 gab das sbp-Mitglied pendlerblog bekannt, dass es per sofort seine publizistische Tätigkeit als Watchblog der Gratiszeitung 20 Minuten aufgebe. Das pendlerblog genoss in der hiesigen Blogosphäre und nicht zuletzt auch in der traditionellen Medienszene eine ansehnliche Aufmerksamkeit. Trotzdem – oder gerade deswegen – kommentierte die renommierte Neue Zürcher Zeitung (Ausgabe vom 15. Dezember 2006) die Schließung des pendlerblogs im Medienteil mit den Worten: „Im Internet gibt es zweifellos originelle Akteure, aber als Einzeltäter fehlt ihnen der lange Atem. Jene, die sie kritisieren, halten es länger aus.“
Dieser Kommentar widerspiegelt das gespannte Verhältnis zwischen traditionellen und neuen Medien. Die Journalisten der traditionellen Medien sind unsicher, wie das Phänomen „Blogosphäre“ einzuschätzen ist: Sind Blogs für die politische und wirtschaftliche Meinungs- und Willensbildung relevant? Wie glaubwürdig sind Informationen, die in der Blogosphäre diskutiert werden? Wie verändert sich das Berufsbild des Journalisten in den traditionellen Medien im Horizont des aufkommenden Graswurzel-Journalismus? Diese offenen Fragen und die damit verbundenen Unsicherheiten münden zurzeit in meist abschätzige Kommentaren gegenüber der Blogosphäre.
Beobachtung gegenüber der Unternehmenskommunikation
Unter den führenden Leuten aus den Kommunikationsabteilungen von größeren Unternehmen in der Schweiz herrscht zurzeit zwar eine diffuse Ahnung, dass mit den partizipativen und dialogischen Medien eine neue Generation von Mitarbeitenden und Konsumenten heranwächst. Der Präsident und Konzernchef der US-Investmentbank Goldman Sachs, Lloyd C. Blankfein, hat diese Stimmung am jüngst in Davos (CH) abgehaltenen World Economic Forum in folgende Worte gefasst: „Diese jungen Leute unter 35 Jahren sind selbstbewusst und gut informiert. Es ist eine neue, vom Internet geprägte Generation, die nicht mehr nur Befehle ausführen und Geld verdienen will.“ Doch noch steht hinter den Zauberworten „Web 2.0“, „social software“ und vor allem „Blog“ sehr viel negative, zum Teil aber auch positive Fantasie, deren Quelle vorab Unwissenheit ist.
Vorab die großen Unternehmen in der Schweiz sind verunsichert, wie sie mit Blogs und der Blogosphäre umgehen sollen. Was sind die Chancen? Und was die Risiken? Wie reagiert man auf negative Meldungen in der Blogosphäre? Sind Blogs in der internen Kommunikation einzusetzen? Ist die Kommunikationskultur im Unternehmen offen genug für einen dialogischen Austausch? Handelt es sich hier nur um einen Hype wie bei Web 1.0 um die Jahrtausendwende? Alles offene Fragen, mit denen sich jetzt die Verantwortlichen der Unternehmenskommunikation auseinandersetzen müssen.
Lobbying für eine partizipative Kultur
Ein wichtiges Standbein von swissblogpress ist der gegenseitige Austausch unter den Mitgliedern. Meine Engagement zielt aber vielmehr darauf ab, in Gesprächen mit Vertretern aus den traditionellen Medien und der Unternehmenskommunikation ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass im Kommunikations- und nicht zuletzt auch im Konsumverhalten der jüngeren Generationen ein Wandel stattfindet: Empfänger werden gleichzeitig zu Sendern und Konsumenten zu Produzenten. Traditionelle Hierarchien werden durch informelle Netzwerke untergraben. Und was bedeutet das alles für die Zukunft? In solchen Diskussionen gewinnt meine Stimme dann an Gewicht, wenn ich mit Blick auf swissblogpress ein Beispiel dafür nennen kann, wie ein Teil der Blogosphäre dahin strebt, mittels dialogischer und partizipativer Kommunikation längerfristig eine alternative Öffentlichkeit herzustellen, die für Medien und Unternehmen relevant ist und die als gemeinsame Chance wahrgenommen werden sollte.
Da ich hier vorab für Leserinnen und Leser aus Deutschland schreibe, möchte ich anmerken, dass uns viel an einer Schwesterorganisation in Deutschland liegen würde. Die postnationale Vernetzung von Blogs wäre bloß der weiterführende Gedanke von dem, was wir mit „swissblogpress“ angestoßen haben.
Über den Autor
Christian Schenkel ist Co-Präsident von swissblogpress. Er bloggt auf: www.eDemokratie.ch
Was ist die UPLOAD-Einweihungsfete?
Dieser Artikel gehört zur Einweihungsfete von UPLOAD. Jeder Gast bringt einen Artikel mit. Motto der Party: „Was das Blog besser macht“. Bis 5. Februar kann sich daran jeder beteiligen. In UPLOAD werden die Mitbringsel veröffentlicht oder verlinkt. Zu gewinnen gibt es auch was: Dreimal das nagelneue Buch „Weblogs, Podcasting & Online-Journalismus“ aus dem O’Reilly-Verlag. Also: Mitmachen und weitersagen. Hier gibt es noch mehr Informationen dazu.
Da ich eher Macher und Schreiber bin als alle wirklich interesssanten Artikel zu lesen, stieß ich erst auf die hier geäußerten Gedanken von Christian Schenkel von swissblogpress.
Implizit und in Unkenntnis dieses Portals habe ich das offensichtlich in der Luft liegende Thema der Aggregation von Inhalten, die einen gemeinsamen Kern haben, mit http://www.bblogs.de ebenfalls aufgegriffen. Und ich finde, dass es an der Zeit ist, kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) ihre Plattform zu geben.
Ich sehe diese Spezialisten mit wirklich spannenden Geschichten aus ihrer Geschäftspraxis bislang nämlich irgendwo zwischen statischen Webseiten als Auslaufmodell, den engagierten eher politischen / persönlichen / gesellschaftskritischen der „klassischen Blogosphäre“ und den mit z.T. bewundernswertem Aufwand gefahrenen Corporate Blogs der großen Kapitalgesellschaften eingekeilt. Das kann so nicht bleiben. Schließlich stellen gerade die KMU eine wichtige wirtschaftliche Basis dar, aus der oft Impulse für Wachstum und Beschäftigung kommen.
Ich schließe hier besser, bevor ich mit der Schilderung meiner Mission hier aufmerksame Leser noch langweile. Wenn es Bedarf an mehr meiner Gedanken gibt, wird sich die Möglichkeit zum Austausch sicher ergeben.
Gruß vom Businessblogbringer aus Berlin
Knut O.E. Pankrath