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Mehr Ideen mit Brainwriting und Collective Notebook

Der eigenen Kreativität kann man mit den richtigen Methoden gezielt einen Schubs geben. Ebenso lässt sich die Kreativität einer Gruppe darüber anregen. In diesem Artikel stellt Lutz Lungershausen mit „Brainwriting“ und „Collective Notebook“ zwei Wege für Teams vor. Er erklärt außerdem, warum es so wichtig ist, zuerst die Ausgangsfrage richtig aufzustellen.

(Illustration: © LisaAlisa_ill, depositphotos)

Dieser Beitrag ist ein überarbeiteter Auszug aus dem Buch „Kreativ! Auf Knopfdruck systematisch Ideen generieren“, erschienen bei mitp. Mehr dazu am Ende des Artikels!

Kreativ: Alleine oder in der Gruppe?

Ob Sie alleine oder lieber in einer Gruppe kreativ sein wollen, ist sowohl eine Frage des persönlichen Arbeitsstils als auch der Umstände. Es gibt Methoden, die für Gruppenarbeit ausgelegt sind, andere eignen sich auch für die Arbeit alleine. Manche Fragestellungen lassen sich nur mit Hilfe von Experten oder eines Teams bearbeiten, andere können unkompliziert allein gelöst werden.

Ich persönlich mag sowohl den inspirierenden, direkten Austausch in der Gruppe, als auch das konzentrierte, ungestörte Fabulieren alleine.

A N Z E I G E

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Gruppe

Der größte Vorteil der Gruppenarbeit ist der unmittelbare Austausch untereinander. Man erhält direkt weitere Inspirationen, auf die man allein möglicherweise nie gekommen wäre, setzt andererseits Impulse bei den anderen Teilnehmern, auf die diese wiederum nie gekommen wären. Bei diesem „Weiterspinnen“ potenziert man quasi mehrere Gehirne miteinander. Ich freue mich z.B. immer darauf, wenn beim Brainstorming-Ping-Pong die Inspirationen nur so hin- und herflitzen.

Allerdings kann Gruppenarbeit auch schnell in die Hose gehen:

  • Erstens, wenn die Teilnehmer die Spielregeln des Kreativprozesses oder die der angewandten Kreativmethode nicht kennen. Sorgen Sie also dafür, dass allen Teilnehmern die wichtigsten Regeln des Kreativseins – z. B. dass während der Ideenfindung absolut keine Kritik geübt werden darf – bekannt sind. Machen Sie die Teilnehmer ggf. zu Beginn der Kreativrunde noch einmal kurz damit vertraut.
  • Zweitens, wenn die Gruppe eine eigene Dynamik hat oder entwickelt. Hier prallen nämlich nicht selten Persönlichkeiten oder Hierarchien aufeinander. Notorischen Kritikern muss man behutsam mit den Spielregeln begegnen, Alpha-Typen fällt es meist ohnehin schwer, sich in einer gleichberechtigten Gruppe zu bewegen, und introvertierte Schweiger sind wahrscheinlich mit einer schriftlichen oder Individualmethode produktiver.

Der kreative Output von Gruppensessions hängt zudem stark von der individuellen Zusammensetzung ab. Manche Konstellationen sprühen nur so vor verrückten Einfällen, andere bleiben an einer einzigen mediokren Idee kleben. Wenn Sie die Möglichkeit haben: Probieren Sie mit verschiedenen Zusammensetzungen aus, welches Team die produktivsten Ergebnisse bringt.

Große Gruppen teilen Sie so auf, dass jeweils nur 4 bis 5 Personen direkt miteinander interagieren, beim weiter unten vorgestellten Brainwriting z.B. können es auch bis zu 10 sein.

In Gruppen hat es sich als nützlich erwiesen, einen Moderator und einen Protokollanten zu haben. Der Moderator sorgt dafür, dass die Gruppe beim Thema bleibt und die Spielregeln eingehalten werden, der Protokollant notiert alle geäußerten Ideen, sofern sie nicht ohnehin schriftlich generiert werden.

(Illustration: Lutz Lungershausen)

Alleine

Für die schnelle Idee zwischendurch, wenn man den Aufwand klein halten möchte, für Stillarbeitsphasen im Rahmen eines größeren Workshops oder wenn man eh alleine arbeitet, eignen sich ebenfalls eine Reihe von Methoden. Ich nutze beispielsweise Mindmapping und morphologische Matrizen häufig, um mich einem Thema überhaupt erst einmal kreativ zu nähern. Untersuchungen haben ergeben, dass allein Arbeitende häufig die kreativeren Ideen hervorbringen, auch weil Gruppendruck und Kritik ausbleiben.

Bei der Arbeit allein fällt es auch leichter, bereits gesammelte Ideen beiseite zu legen und später – nachmittags, am nächsten Tag, in der nächsten Woche – wieder darauf zurückzukommen.

Single Minded Proposition oder die kreative Fragestellung

Eine Kreativsession startet, neben dem Briefing für gegebenenfalls neu hinzugekommene Teilnehmer, immer mit einer zentralen Frage, nämlich:

„Was genau suche ich?“

Dies ist die sogenannte Single Minded Proposition (SMP). Konkret wird Ihre Kreativsession sicher mit einer anderen Frage beginnen, aber eins nach dem anderen.

Was wird eigentlich gesucht?

Um eine Aufgabe zu lösen, muss man sie erst einmal so lange analysieren, zerlegen und hinterfragen, bis man versteht, worin das eigentliche Problem überhaupt besteht, beziehungsweise wofür man im Grunde eine Lösung sucht. Den Auftrag oder Ihren ersten diffusen Impuls kann man ja durchaus als Aufgabe beziehungsweise Problem bezeichnen. Die Vorbereitungen in der Briefing-, Informations- und Inkubationsphase sind dann das Auseinandernehmen.

Der vielleicht wichtigste Bestandteil der Analyse ist aber das Hinterfragen – und dabei ist das kindliche „Warum“ eines der besten Tools. Fünf Mal in Folge „Warum“ gefragt und aufrichtig und fundiert beantwortet, führt Sie sehr nahe an das tatsächliche Problem heran. Gut sind auch, „Wie ist das genau gemeint?“ und „Welche Alternativen gibt es?“.

Ein einfaches Beispiel, nur um das Prinzip zu verdeutlichen:

Ausgangslage: „Ich will mein Produkt verbessern“, ist die zu allgemeine Aussage eines sagen wir Pumpenherstellers.

Warum will er sein Produkt verbessern oder was will er verbessern? Eine Antwort könnte lauten: „Ein paar Details sind in die Jahre gekommen.“

Warum sind sie in die Jahre gekommen? „Weil ich mich scheue, modernere Komponenten zu integrieren.“

Warum scheuen Sie sich? „Weil sich der Aufwand möglicherweise noch nicht rechnet.“

Warum rechnet sich der Aufwand noch nicht? „Weil die neuen Komponenten nicht in die alten Gehäuse und Halterungen passen.

Warum passen die neuen Komponenten nicht in die alten Gehäuse? „Weil die zu klein sind.“ Kann man die nicht anpassen?

Sie sehen, hier ergibt sich schon eine Vorstellung, wie man möglicherweise zu einem verbesserten Produkt kommt, das sich mit vertretbarem Aufwand realisieren ließe. Am vorläufigen Ende steht hier jedoch die Frage, was man mit den Gehäusen anstellt. Je nachdem, wie die Antworten lauten – und sie können an verschiedenen Tagen unterschiedlich lauten – richtet sich die Suche dann eher auf Gehäuse-Modifikationen oder auf kleinere Komponenten, die in die alten Gehäuse passen.

Hätte die jeweils erste Antwort anders gelautet, wären wir möglicherweise bei einer ganz anderen Ursache gelandet und müssten dementsprechend eine völlig andere Single Minded Proposition verwenden.

Arbeiten Sie also das eigentliche Problem oder einen kreativen Anreiz heraus, haben Sie eine perfekte Startposition in die Ideenfindung.

(Illustration: Lutz Lungershausen)

Auf den Punkt gebracht

Schließlich werden alle Informationen und Zwischenerkenntnisse in einer einzigen Zielformulierung zusammengefasst und verbal auf den Punkt gebracht – das ist die „Single Minded Proposition“ oder die Kernfrage. Sie enthält keinen Nebensatz und auf gar keinen Fall zwei Fragestellungen in einer.

Diesen Kern formulieren wir außerdem als offene Frage. So nutzen wir die besonders vorteilhafte Eigenschaft, dass eine Frage auch immer die Suche nach einer Antwort provoziert. Auf einer Skala von 0 für „Schwachsinn“ bis 10 für „Genial“ bewerten Sie das mit …?

Am Pumpenhersteller-Beispiel von oben könnte eine Single Minded Proposition also zum Beispiel lauten: „Wie integriere ich moderne Komponenten in meine vorhandenen Gehäuse?“ oder „Wie kann ich meine alten Gehäuse modifizieren?“

Was – Wie – Warum?

Auf die allgemeine Frage „Was will ich tun?“ folgt „Wie will ich es tun?“. Beides sorgt sicher auch für gute Ideen. Aber erst die aufrichtige Beantwortung und Berücksichtigung der Frage nach dem „Warum will ich es tun?“ führt uns zur eigentlichen Motivation und Ursache. Wollen Sie echte Probleme lösen, Umsatz generieren, ein erfolgreiches Produkt launchen, mehr Geld verdienen, das beste Produkt seiner Klasse bauen, Aufwand minimieren, Marktführer werden? Nur vorbehaltlose, offene, ehrliche Antworten – vor allem gegenüber sich selbst – sind Ihnen bei Ihrem Kreativprojekt nützlich.

Konkret sein – aber nicht zu konkret

Die Suche nach der Frage und die Ausformulierung dieser Frage ist ebenso elementar wie die „Keine Kritik“-Forderung. Denn ohne die Festlegung eines Suchfeldes oder eines zumindest ungefähren Zielraums wird es schwierig, Gedanken aus einer allgemeinen und diffusen Denkwolke herauszubekommen. Aufgaben oder kreative Fragestellungen sollten immer konkret sein. Mit dem Ansatz „Ich will ein besseres Produkt machen“ kommt man nicht weit. Das kreative Suchfeld ist viel zu groß und offen – zoomen Sie sich mit mindestens dreimal „Warum“ näher an das eigentliche Problem heran.

Ist man wiederum zu nahe dran, fehlt der kreative Spielraum für außergewöhnliche Lösungen. Leider gibt es hier noch kein Patentrezept, und mit jeder Single Minded Proposition für jede Kreativsession muss diese Balance neu gefunden werden.

Ein paar sehr verallgemeinerte Beispiele (und ohne Briefing) zur Verdeutlichung dieses Spagats:

Autoren: „Auf welche Art und Weise kann ich eine Geschichte verändern?“, ist zu allgemein – bitte mindestens noch zwei Mal, „Warum will ich das tun?“, herausquetschen.

Und auch die Frage „Welche Arten von Geschichten gibt es?“ wird eine Antwort mit fiktionalen Lesetexten enthalten, denn der Begriff klammert nonfiktionale und andere literarische Formen indirekt aus.

Mehr als eine Single Minded Proposition

Jede Aufgabe kann von vielen Standpunkten und Richtungen betrachtet werden. Das gilt erst recht für divergente kreative Arbeiten. Stellt man also fest, dass die Herausforderung Raum für verschiedene Single Minded Propositions bietet, dann nutzen Sie dieses Potenzial unbedingt! Aber bitte einzeln und nacheinander in zwei oder mehr Kreativsessions.

Single Minded Proposition iterativ optimieren und verfeinern

Manchmal stellt man während der Kreativsession fest, dass die generierten Ideen den Kern der Sache verfehlen oder irgendwie nicht in die erhoffte Richtung gehen. Nicht selten ist dann die Single Minded Proposition schuld, weil sie leicht daneben, zu allgemein oder zu speziell formuliert war. Macht nichts, bis auf den Zeitverlust ist das nicht weiter tragisch. Dann formuliert man einfach neu. Häufig ist es hilfreich, Begriffe durch ihre Oberbegriffe oder Umschreibungen zu ersetzen. Denn jedes Wort hat eine bestimmte Bedeutung, und in der Ideation suchen wir auch nach Dingen, die rechts, links, davor, dahinter, oben und unten davon liegen.

Nach diesen vorbereitenden Worten ist es jetzt an der Zeit, dass wir uns zwei beispielhafte Methoden genauer anschauen.

Methode 1: Brainwriting

  • Teilnehmerzahl: 2 bis 12
  • Zeitbedarf: 20 bis 60 Minuten
  • Material: Papier und Schreibmaterial, Timer
  • Vorteil: geringer Aufwand, größere Gruppen möglich (zum Beispiel mit Kunden)
  • Nachteil: Schreiben dauert länger als Sprechen

Brainwriting funktioniert im Prinzip wie Brainstorming: Die Ideen der anderen werden als Inspiration genutzt – allerdings wird geschrieben statt gesprochen.

Das hat diverse Vorteile: Die Gruppe kann größer sein, weil es kein Gedrängel bei den Wortmeldungen gibt. Zudem müssen zum Beispiel zurückhaltende oder introvertierte Teilnehmer nicht auf eine Redepause warten, die lang genug ist, um sie aus der Reserve zu locken. Und langsamere Teilnehmer haben genau die Zeit, die sie brauchen, eine Inspiration wirken zu lassen, darüber nachzudenken und schließlich einen eigenen Gedanken daraus zu generieren und zu formulieren.

Außerdem werden alle Äußerungen gleich schriftlich niedergelegt, was eine gesonderte Protokollierung erübrigt – sofern leserlich geschrieben wurde.

Beim Brainwriting nutze ich im Wesentlichen zwei Varianten: die klassische, rundenbasierte 6-3-5-Methode und den Brainwriting-Pool. Beide haben Vor- und Nachteile, was insbesondere die Gruppenzusammensetzung und den kreativen Output angeht.

Variante 1: 6-3-5

(Illustration: Lutz Lungershausen)

Spielregeln

Der Name dieser Methode leitet sich von ihren Basis-Regeln ab: 6 Teilnehmer schreiben jeweils 3 Ideen auf, die anschließend von den übrigen 5 Teilnehmern in 5 Runden entsprechend 5-mal weiterentwickelt werden. Wären es nur 5 Teilnehmer, hieße die Methode 5-3-4, mit 7 Teilnehmern 7-3-6 usw.

Und so geht’s:

1. Runde: Jeder Teilnehmer erhält drei Blatt Papier, auf die jeweils eine eigene Idee zur aktuellen kreativen Fragestellung stichwortartig notiert wird, die Ursprungsidee.

Nach ca. 5 Minuten (so lange dauert eine Runde, aber schauen Sie mal, wann die meisten Köpfe wieder hochkommen) werden alle drei Bögen im Uhrzeigersinn an den nächsten Sitznachbarn weitergegeben.

2.-5. Runde: Jeder Teilnehmer hat nun wieder 5 Minuten Zeit, sich zu jeder der drei Ideen, die er von einem anderen Teilnehmer bekommen hat, eine eigene Erweiterung, Ergänzung, Verfeinerung, Variante, Gegenteil oder Ausschmückung auszudenken und aufzuschreiben. Eine Grundregel lautet hier, dass man fokussiert und ausdauernd bei der Ausarbeitung und Weiterentwicklung der Ursprungsidee bleibt und keine ganz neue, eigene hinzudichtet – die man sich natürlich trotzdem notieren sollte.

Mit jeder Runde wird die Liste der Ergänzungen und Ausschmückungen länger und hoffentlich abstruser, und man darf sich mit seinem Beitrag auf jede der vorhergehenden Ergänzungen beziehen – nicht nur auf die Ursprungsidee oder den letzten Eintrag.

Diesen Vorgang wiederholt man, bis jeder Teilnehmer seine ersten drei Ideen-Bögen wieder vor sich liegen hat. Zum Ende, bzw. mit jeder Runde, kann man gern etwas mehr Zeit geben, denn man muss erst einmal alles lesen, was bereits geschrieben wurde.

Schließlich haben sich aus den ursprünglich 18 Einzelideen (wenn es sechs Teilnehmer sind) genauso viele Mini-Konzepte entwickelt.

Vorteile

Diese Methode eignet sich für größere, heterogene Gruppen. Hier können das Alpha-Tier und der Introvertierte, der Kunde und der Auftragnehmer, Anfänger und Erfahrene gleichberechtigt und gemeinsam an einer Kreation arbeiten, was häufig ein wichtiger Bestandteil des Lösungsfindungsprozesses ist: Jeder ist involviert.

Sich intensiv, ausschließlich und ausdauernd (na ja, sofern man 5 Minuten als Ausdauer bezeichnen kann) mit der Ausarbeitung einer Idee zu beschäftigen,fi ndet im Alltag häufg nicht statt – hier können daher interessante Lösungen entstehen.

Nachteile

Passivere Gruppenmitglieder können sich anfangs zwar durch die Forderung nach drei Ursprungsideen zuweilen unter Druck gesetzt fühlen, sind dann aber im fortschreitenden Verlauf meist fleißige Kreateure. Andererseits: Sehr aktive Teilnehmer fühlen sich durch „nur“ drei Ursprungsideen klar unterfordert und lassen es auch jeden wissen – da geht mehr.

Die von den Teilnehmern generierten Ursprungsideen überschneiden sich natürlich hin und wieder – sie entwickeln sich aber fast immer in unterschiedliche Richtungen oder mit verschiedenen Schwerpunkten.

Und schließlich: Eine lahme Ursprungsidee ist natürlich längst nicht so inspirierend und anfeuernd wie ein kreativ spannender Zündfunke.

Variante 2: Brainwriting-Pool

Spielregeln Brainwriting-Pool

Zum Brainwriting-Pool braucht man deutlich mehr Papier als bei 6-3-5. Denn jede einzelne Ursprungsidee wird auf einem separaten Stück Papier festgehalten. Es gibt keine Runden, und jeder Teilnehmer kreiert in seiner eigenen Geschwindigkeit.

Und so geht’s:

Die Teilnehmer sitzen am Tisch, auf dessen Mitte ein großer Vorrat weißen Papiers liegt. Nach Briefing und Aufgabenstellung geht’s los: Jeder Teilnehmer schreibt jede einzelne seiner Inspirationen und Ideen stichwortartig oder gegebenenfalls mit kleiner Skizze auf ein eigenes Blatt. Das wird hinten noch mit den Initialen oder einem kleinen Zeichen beschriftet und anschließend in die Mitte des Tisches – den Pool – gelegt. Nächstes Blatt, nächste Idee, Initialen auf die Rückseite, in den Pool und so weiter.

Die ersten 10 Minuten vergehen meist mit geschäftigem Schreiben, aber dann beginnen die ersten Blicke zu wandern – das ist der richtige Zeitpunkt zur Eröffnung des Pools. Denn wem gerade nichts mehr einfällt, nimmt sich eine Idee aus dem Pool, ergänzt diese oder lässt sich davon zu einer eigenen neuen Idee inspirieren, die natürlich auf einem separaten Blatt notiert wird. Dann wieder Initialen hinten drauf schreiben – damit man weiß, welche man schon hatte – und einen neuen Ideenzettel ziehen.

Der größte Nutzen des Brainwriting-Pools ist die gegenseitige Inspiration. In jeder Notiz jedes einzelnen Teilnehmers steckt Potential, um in den Köpfen der anderen neue, abwegigere, verrücktere, übertriebenere Gedanken und Ideen auszulösen.

Beim Brainwriting-Pool vergeht die Zeit wie im Flug, also den Timer nicht vergessen (oder gerade doch?).

Vorteile

Jeder kann sich mit seinem eigenen Kreativtempo beteiligen und fühlt sich daher weder unter- noch überfordert, und häufig kommt man in einen richtigen Flow-Zustand. Es entstehen daher deutlich mehr und vielfältigere Lösungsansätze als bei 6-3-5.

Nachteile

Durch die individuelle Zeiteinteilung kann die gewollt intensive, schöpferisch fruchtbare Auseinandersetzung mit einer einzelnen Idee entfallen, wenn Sie nicht lang genug dranbleiben.

Praktische Hinweise

Bei größeren Gruppen und/oder mehreren Tischen kann man auch mehrere Ideenpools anlegen und untereinander mischen – abwechslungsreicher ist die „Bees & Flower-Variante“: Die Teilnehmer wechseln selbstständig zwischen den Tischen oder Pools.

Blanko-Ideenzettel liegen in einem Karton, damit sie sich nicht mit dem Pool mischen. Ich benutze hier gern das A5-Format, weil es handlich ist und man sich kürzer fasst.

Methode 2: Collective Notebook

(Illustration: Lutz Lungershausen)
  • Teilnehmerzahl: beliebig
  • Zeitbedarf: 1 bis 14 Tage
  • Material: leeres Buch oder Pinwand bzw. Whiteboard, auch digital
  • Vorteil: kann ein sehr großes Team involvieren
  • Nachteil: dauert etwas

Das Collective Notebook (CN) ist eigentlich nur ein zunächst leeres Buch. In dieses schreiben Sie die Aufgabe oder das Problem in Form einer Frage (Single Minded Proposition) hinein und legen den so präparierten „Köder“ offen an einer stark frequentierten Stelle in Ihrem Unternehmen aus. Nun kann jeder seine/ihre Ideen dazu hineinschreiben. Nach einer bestimmten Zeit werden die gesammelten Ideen geerntet.

Machen Sie Ihr Team vorab persönlich mit den Spielregeln des Collective Notebooks vertraut: Frage lesen und alle Ideen dazu einzeln hineinschreiben oder skizzieren. Man darf sich auch auf bereits niedergeschriebene Ideen anderer beziehen, diese fortspinnen und weiterentwickeln. Diese Spielregeln stehen auch noch mal ganz vorne im Buch. Es kann, darf und soll natürlich mehrfach verwendet werden. Häufig wird es zu einer ständigen und beliebten Einrichtung für kleine und große Fragen. Mit einem farbigen Post-it markieren Sie die Stelle, an der die aktuelle Frage steht, wenn bereits umgeblättert werden musste. Laden Sie alle Mitglieder Ihres Teams zur Teilnahme ein.

Ein guter Auslageort für das Collective Notebook ist die Teeküche, ein Pausenraum oder ein Platz, der gemeinschaftlich genutzt wird und natürlich Gelegenheit zum Schreiben bietet. Das CN liegt stets aufgeschlagen aus und lädt so zur kreativen Auseinandersetzung ein. In regelmäßigen Abständen checkt und dokumentiert der/die Ideensucherin das Collective Notebook – z. B. alle zwei Tage – und beendet die Ideensuche schließlich nach ein paar Tagen, spätestens jedoch nach ca. zwei Wochen.

Jeder im Team sollte im CN Fragen stellen dürfen – für einen soliden kreativen Output sollten die gestellten Fragen allerdings den Anforderungen einer guten Single Minded Proposition genügen. Stellen Sie sicher, dass dem so ist, unterstützen Sie ggf. bei der Formulierung der Frage.

In der Praxis ist das Collective Notebook ein gebundenes Buch mit zunächst völlig leeren Seiten. Um die kreative Qualität und den künftigen Wert des Inhalts des Notebooks herauszustellen, wählen Sie ein quadratisches oder Querformat und den Einband in Unternehmensfarben oder besonders herausgehoben gestaltet. Ein Heft oder eine Chinakladde wirkt billig und ist dem Ziel nicht angemessen. Außen steht groß und deutlich „Collective Notebook“ drauf, ein Stift ist mit einer kleinen Halterung permanent mit dem Buch verbunden.

Ein Collective Notebook hat mehrere Stärken: Einerseits fordert es durch sein beiläufiges Wesen in besonderem Maße kreative Ideen heraus, weil kein zeitlicher Zwang besteht, eine Idee produzieren zu müssen. Andererseits lassen sich auch Gruppen in einen Innovations- oder Kreativprozess einbeziehen, die zu groß für einen einzelnen Workshop sind.

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Variante digital

Ein Collective Notebook kann auch digital implementiert werden. Es gibt etliche Softwares, die asynchrones Brainstorming oder Brainwriting ermöglichen. Wenn Sie so etwas einsetzen können oder wollen, sorgen Sie unbedingt dafür, dass Ihr Team diese Möglichkeit aktiv nutzt. Der Medienwechsel zwischen Bildschirmarbeitsplatz und Papier ist aber auch ein guter kreativer Impuls.

Variante Collective Board

Anstelle eines Buches können Sie auch ein Black- oder Whiteboard benutzen. Hier stehen die Fragen auf einem z. B. farbig hervorgehobenen Blatt und die dazu entwickelten Ideen werden auf Post-its oder direkt auf das Whiteboard geschrieben. Achten Sie darauf, dass auch die Boards an Orten installiert sind, an denen Ihr Team verweilt – hängen Sie das neue schwarze Ideenbrett also nicht irgendwo in einem Durchgang oder Flur auf.

Vorteil

Das Collective Notebook ist eine entspannte Art, Ideen zu generieren: Sie nutzen die Kreativität Ihres Teams in gelassenen Momenten. Ein CN wird leicht ein beliebter und somit fester Bestandteil Ihrer kreativen Teamarbeit. Die Durchführung einer Kreativsession ist sehr einfach und geschieht quasi nebenbei.

Nachteil

Wer von jetzt auf gleich eine Idee benötigt, muss andere Kreativmethoden nutzen – CN braucht mindestens ein paar Tage. Und da es keinen Moderator gibt, entwickelt die kreative Fragestellung gelegentlich seltsame Ideenblüten. Das merken Sie mit regelmäßigen Checks und evtl. Nachjustierung der Frage.

Praktische Hinweise

Ziehen Sie das CN aus dem Verkehr, wenn keine aktuelle Frage ansteht – so vermeiden Sie einen Ermüdungseffekt. Sobald es wieder eine kreativ zu lösende Frage gibt, taucht es wieder auf.

Buchtipp

Dieser Beitrag ist ein überarbeiteter Auszug aus dem Buch „Kreativ! Auf Knopfdruck systematisch Ideen generieren“, erschienen bei mitp. Der Verlag über das Buch:

Kreativität macht den Unterschied – wer hebt sich von der Masse ab und hat das innovativste Produkt, den interessantesten Blog – die beste Idee? Die gute Nachricht: Jeder kann kreativ sein. Aber gute Ideen tauchen nur selten aus dem Nichts auf und gerade im Job fehlt die Zeit, um auf den zufälligen Geistesblitz zu warten. Lutz Lungershausen ist erfolgreicher Creative Director und zeigt Ihnen in diesem Buch, wie Ideenfindung proaktiv und systematisch funktioniert.

Sie können das Buch in digitaler oder gedruckter Form direkt bei mitp kaufen. Sie finden es z.B. außerdem bei Amazon*.

*Dies ist ein Affiliate-Link. Bedeutet: Wenn Sie etwas darüber kaufen, bekommen wir einen Teil des Preises ab. Für Sie ändert sich nichts.


Dieser Artikel gehört zu: UPLOAD Magazin 56

Es gibt Mittel und Wege, kreativ und innovativ zu bleiben, auch wenn viele andere Dinge dem entgegen stehen. Dabei helfen zum Beispiel Kreativmethoden, die wir in einem Artikel dieser Ausgabe vorstellen. Dabei hilft auch „Design Thinking“, das wir ebenfalls genauer erklären. Dabei hilft es, der eigenen Planung das „3-Horizonte-Modell“ zugrunde zu legen. Nicht zuletzt sehen wir uns in dieser Ausgabe an, wie ein 42 Jahre altes Unternehmen der Tech-Industrie jung und beweglich bleiben will.

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