Productized Services: In drei Schritten vom Selbstständigen zum Unternehmer

Selbstständige haben ein großes Problem: Alles hängt von ihnen alleine ab. Sie haben folglich kein Business, vielmehr sind sie selbst das Business. Melanie Retzlaff zeigt Ihnen in diesem Beitrag, wie Sie den Weg aus diesem selbsterrichteten Hamsterrad schaffen. Dazu müssen Sie aus Ihren Diensten zunächst Produkte machen, die klar definiert sind: Productized Services.

(Foto: © Rawpixel, depositphotos.com)

Immer mehr Menschen entscheiden sich für den Schritt in die Selbstständigkeit, weil der Drang nach Selbstbestimmung und Freiheit immer größer wird. Sie wollen etwas Eigenes schaffen und sich nichts mehr von einem Chef sagen lassen. Sie wollen nicht mehr die Ziele anderer verfolgen, sondern einer sinnvollen Tätigkeit nachgehen.

Doch schon nach ein bis zwei Jahren der Selbstständigkeit merkt so mancher, dass sich die erhoffte große Freiheit nie eingestellt hat. Zwar haben sie jetzt keinen „blöden Chef“ mehr, dafür aber blöde Kunden, die ihren Tagesablauf bestimmen und ihre Stundenpreise drücken.

Diese Selbstständigen haben sich ihr eigenes Hamsterrad gebaut und fragen sich, ob es einen Weg heraus gibt. Sie erkennen, dass sie kein Business haben, sondern selbst ihr Business sind: Wenn sie nicht arbeiten, bewegt sich nichts.

Dann ist es Zeit für den nächsten Schritt: Sie wollen ein waschechter Unternehmer sein.

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Doch wie entwickeln Sie sich vom Selbstständigen zum Unternehmer? Sollen Sie etwas völlig Neues aufbauen? Einen Onlineshop aufmachen? Einen Onlinekurs entwickeln? Das sind zwar alles Möglichkeiten, doch dann hätten Sie plötzlich zwei Baustellen: Ihre selbstständige Tätigkeit, um Ihre Miete bezahlen zu können und Ihr neues Business. Zwei Baustellen sorgen allerdings schnell dafür, dass sie den Fokus verlieren und sich ihre Durchschlagskraft um mindestens die Hälfte reduziert.

Aus meiner Sicht gibt einen besseren Weg: Entwickeln Sie Ihre Selbstständigkeit zu einem Unternehmen weiter. Wie das gelingt, zeige ich in den folgenden drei Schritten.

Schritt 1: Standardisieren Sie die Lieferung der Leistung

Wenn Sie ein waschechter Unternehmer sein wollen, dann müssen Sie dafür sorgen, dass Sie die Lieferung Ihrer Leistung an andere Personen abgeben können. Wenn Sie als Einziger die Leistung liefern können, werden Sie niemals ein System aufbauen können, das ohne Sie läuft. Jetzt denken Sie vielleicht: „Ja, aber ich bin doch der Experte. Keiner kann das so gut wie ich.“ Mit dieser Einstellung werden Sie immer selbstständig bleiben. Sie werden immer Ihr Business sein und niemals ein Business haben.

Auch Experten und Dienstleister können ihre Leistung standardisieren. Aber sie müssen dafür etwas Grundlegendes  in ihrem Business ändern. Sie können den Interessenten nicht mehr fragen: „Lieber Interessent, was brauchst du? Ich mache dir ein Angebot.“ Sondern Sie müssen sagen: „Lieber Interessent, ich habe gesehen, dass du da ein Problem hast. Ich habe genau für dieses Problem eine Lösung entwickelt, von der auch schon viele meiner anderen Kunden profitiert haben.“

Zu abstrakt? Machen wir es an einem Beispiel: Nehmen wir an, Sie sind Experte für Digitalisierung und helfen Ihren Klienten, ihr Unternehmen zu digitalisieren.

Im alten Modus wären Sie wahrscheinlich von jemandem empfohlen worden, wären zu dem Interessenten ins Büro gefahren, hätten ein paar Stunden über ein mögliches gemeinsames Projekt gesprochen und sich dann verabschiedet und gesagt, dass Sie in den nächsten Tagen ein individuelles Angebot für ihn schreiben werden. Dann hätten Sie sich für drei bis vier Stunden hingesetzt, Ihre Lösung für ihn konzipiert und ihm diese in einem Angebot übermittelt. Dann hätte der potentielle Kunde um ein weiteres Gespräch gebeten, da er Fragen zum Angebot hat. Sie wären also wieder zum Interessenten gefahren, hätten ihm die Lösung bis ins Detail erklärt und daraufhin hätte der potentielle Kunde Ihnen gesagt, dass das Angebot viel zu teuer wäre und er hätte gefragt, warum ein Stundensatz von 130 Euro denn gerechtfertigt sei.

Hört sich das bekannt an?

Wenn Sie den Schritt zum Unternehmer machen, wird es zukünftig anders ablaufen. Da Sie schon eine Weile selbstständig sind, wissen Sie, welche Probleme Ihre Kunden haben und welche davon bei den meisten Kunden auftauchen. Sie entwickeln aus diesem Wissen einen standardisierten Prozess, der Ihre Kunden von A nach B bringt. Nun suchen Sie sich genau  die Kunden, auf die der standardisierte Prozess passt. Und schon haben Sie die Grundlagen, ein echtes Business aufzubauen.

Da Sie jetzt einen Prozess verkaufen, können Sie Folgendes machen und dadurch skalierfähig werden:

  1. Sie können Mitarbeiter bzw. Freelancer einstellen und sie anlernen, den Prozess anzuwenden.
  2. Sie können einen Videokurs erstellen und Ihren Kunden die Möglichkeit geben, die Lösung alleine umzusetzen.
  3. Sie können ein Franchise- bzw. Lizenzsystem aufbauen und anderen die Möglichkeit geben, den Prozess als Business anzuwenden.

Klingt spannend? Aber Sie sehen noch nicht die Möglichkeit, es für Ihr Business umzusetzen? Folgende Gedanken könnten Ihnen noch im Weg stehen:

„Ja, aber der Kunde will immer mich!“

Falsch! Der Kunde will nicht Sie. Er will eine Lösung für sein Problem. Das ist das Einzige, was ihm wichtig ist. Wenn Sie aber nicht demonstrieren können, dass die Lösung des Problems in Ihrem Produkt steckt, dann hat der Kunde keine andere Wahl, als Sie zu wollen. Es obliegt also Ihrer Verantwortung, Sie nicht zu brauchen.

„Ja, aber mein Kunde will doch etwas Individuelles!“

Falsch! Der Kunde will eine Lösung zu seinem Problem.  In vielen Fällen schätzt er es sogar, wenn Sie nicht immer wieder das Rad neu erfinden und stattdessen effizient und effektiv arbeiten. Das bedeutet nicht, dass jeder Kunde das gleiche Resultat bekommt. Sie verkaufen ihm keine Standardlösung, sondern einen Standard-Lösungsweg.  Das ist ein großer Unterschied.

„Ja, aber mir ist Geld doch gar nicht wichtig!“

Mir auch nicht so sehr. Aber mein persönliches Wachstum ist mir wichtig. Mein Business ist für mich ein Spielfeld, in dem ich mich entwickeln kann. Wenn Sie sich nicht ersetzbar machen, können Sie sich auch nicht weiterentwickeln. Ähnlich wie in einem Job: Wenn Sie unersetzbar sind, können Sie zwar nicht gekündigt werden, aber Sie können auch nicht befördert werden. Sie werden ja auf dieser Position gebraucht.

„Ja, aber ich bin Designer. Bei mir geht das wirklich nicht!“

Auch bei Designern geht das. Warum? Weil auch kreatives Schaffen ein Prozess ist. Und genau das verkaufen Sie: einen Prozess. Es wird auch bei Ihnen so etwas wie Anforderungsaufnahme, Konzeption, Durchführung, Korrekturschleifen und Übergabe geben. Genau dieser Prozess kann einen Festpreis haben und Sie suchen sich nur noch die Kunden, die genau diesen Prozess von Ihnen wollen.

„Ja, aber ich bin Programmierer. Bei mir geht das wirklich nicht!“

Wenn Sie Individualprogrammierung machen, stimmt das. Wenn Sie aber Unternehmer sein wollen, dann müssen Sie sich umpositionieren. Z.B. könnten Sie sich darauf spezialisieren, MVPs für iPhone-Apps zu kreieren – und das eben nach einem festen Prozess. Alle Firmen, auf die dieser Prozess nicht passt, werden nicht Ihre Kunden werden.

„Ja, aber ich bin Texter. Bei mir geht das wirklich nicht!“

Wie Sie gelernt haben, verkaufen Sie keine Zeit mehr, sondern einen Prozess. Auch das Schreiben ist ein Prozess. Es gibt die Anforderungsaufnahme, die Recherche, den ersten Entwurf, die Finalisierung des Textes, Korrekturschleifen und Übergabe. Genau diesen Prozess können Sie verkaufen. Und das zum Festpreis.

„Ja, aber wenn ich Freelancer beauftrage, ist die Qualität nicht gut.“

Mitarbeiter, egal ob festangestellt oder frei, können ihren Job nur dann wirklich gut machen, wenn sie genau wissen, welche Anforderungen es an die Qualität gibt. Wenn Sie nicht dokumentiert haben, in welcher Qualität Sie etwas geliefert haben möchten, dann ist der Mitarbeiter auch nicht in der Lage, Ihre Erwartungshaltung zu erfüllen. Dokumentieren Sie also den Prozess, wie Sie ihn erfüllt haben möchten.

Schritt 2: Die Konvertierung eines Leads zu einem Kunden

Nachdem Sie sich erfolgreich aus der Lieferung der Leistung rausgezogen haben, geht es nun daran, ein zweites System aufzubauen, das ohne Sie laufen kann. Dieses System heißt „Lead-Konvertierung“. Nach welchem Prozess gehen Sie vor, um aus einem Interessenten einen Kunden zu machen? Ist das ein nettes Gespräch, in dem man einfach mal miteinander telefoniert oder gibt es einen klaren, effizienten Ablauf, den dann auch ein Mitarbeiter übernehmen kann? Gibt es in Ihrem Business die fünf nötigen Phasen, um kontinuierlich neue Kunden zu bekommen? Die sehen wie folgt aus:

Phase 1: Kontakt entsteht

Sind Sie sich im Klaren darüber, wie ein Kontakt eigentlich bei Ihnen entsteht? Die Chancen sind hoch, dass Sie viel mehr Kontakte bzw. potentielle Kunden haben, als Ihnen eigentlich klar ist.

Phase 2: Lead qualifizieren

Wenn Sie jede Menge Kontakte haben, wie sortieren Sie die potentiellen Kunden, die nun auf Ihr standardisiertes Angebot passen, von den unpassenden aus? Beschäftigen Sie sich systematisch mit jedem Kontakt?

Phase 3: Lead kontaktieren

Haben Sie ein konkretes Vorgehen, wie Sie einen passenden Lead angehen, damit Sie einen Ersttermin vereinbaren können, um über eine mögliche Zusammenarbeit zu sprechen? Wie oft kontaktieren Sie einen Lead? Wann hören Sie auf, wenn es keine Rückmeldung gibt?

Phase 4: Meeting

Wie läuft das Verkaufsgespräch ab? Ist es ein unkoordiniertes nettes Gespräch oder gibt es eine Anforderungsaufnahme, eine Lösungsphase, einen Produkt-Pitch und eine Abschlussphase?

Phase 5: Follow-up

Was passiert, wenn der Interessent nicht sofort „Ja“ zu Ihrem Angebot sagt? Wie gehen Sie vor, damit sich nicht alles im Sande verläuft und der Interessent zeitnah eine Entscheidung trifft?

All diese Phasen sind wichtig, damit ein Interessent zum Kunden werden kann. Erst wenn sie klar definiert und dokumentiert sind, können Sie einem Mitarbeiter beibringen, diesen Prozess erfolgreich anzuwenden und sich somit auch aus diesem System ersetzbar machen.

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Schritt 3: Lead generieren

Im dritten Schritt müssen Sie das Lead-Generierungssystem aufbauen und zwar so, dass auch Sie sich in diesem System ersetzbar machen können. Wie können Sie es schaffen, dass konstant neue Leads in Ihre Welt kommen? Welche Kanäle werden Sie entwickeln und das dauerhaft?

Phase 1: Marktsegmentierung & Kundenpersonas

Wir befinden uns in einer Zeit, in der es mehr Anbieter als Abnehmer gibt. Da der Kunde so viel Auswahl hat, möchte er ein Angebot kaufen, das am besten auf ihn zugeschnitten ist. Je mehr Sie sich auf eine Zielgruppe spezialisieren, desto attraktiver werden Sie für sie sein. Haben Sie Klarheit darüber, welche Kunden Sie ansprechen?

Phase 2: Passende Kanäle wählen

Wo halten sich Ihre Zielkunden auf? Welche Kanäle müssen Sie entwickeln, damit Sie einen konstant neuen Strom an Interessenten bekommen?

Phase 3: Ansprache

Wie sprechen Sie die Zielkunden an? Wissen Sie, wie Sie sie abholen können und ihnen zeigen können, dass Sie genau der richtige Anbieter für ihr Problem sind? Haben Sie eine klare Aussage, die Sie in Ihren Kanälen immer wieder kommunizieren?

Phase 4: Content

Produzieren Sie passende Inhalte, damit sich Ihr Interessent schon vorab informieren kann? Welche Formate benutzen Sie dabei? Video, Text, Grafiken, Audio?

Phase 5: Call-to-Action

Wissen Sie genau, was Sie von Ihrem Interessenten wollen? Welchen nächsten Schritt soll er mit Ihnen machen?

Schlusswort

Auch wenn der Weg vom Selbstständigen zum Unternehmer in drei Schritten vollzogen wird, sind diese drei Schritte sehr groß. Ich selbst habe zwei Jahre gebraucht, mein System der Lieferung der Leistung aufzubauen. Das muss nicht bedeuten, dass dies genauso lange bei Ihnen dauern wird. Jedoch möchte ich Ihnen ein wenig Perspektive geben, dass diese Systeme nicht in zwei Wochen errichtet sind. Auch das System der Lead-Konvertierung hat in meinem Fall ganze sechs Monate gedauert. Dennoch möchte ich Ihnen mit auf den Weg geben: Ja, es ist möglich, sich vom einzelkämpfenden Selbstständigen zum Unternehmer weiterzuentwickeln.


Dieser Artikel gehört zu: UPLOAD Magazin 74

Wer möchte nicht gern mit weniger Aufwand mehr erreichen? Gerade im digitalen Business gibt es dazu jede Menge Möglichkeiten. Und manchmal kommt es darauf an, die eigene Denk- und Herangehensweise zu verändern... Wir stellen in dieser Ausgabe Abo-Geschäftsmodelle vor. Wir erklären, wie man vom Selbstständigen zum Unternehmer wird (und sich aus dem selbstgeschaffenen Hamsterrad befreit). Wir zeigen Kundenbindungsstrategien, die funktionieren. Wir schauen uns an, welche Rolle gute Inhalte in der Marketing-Automation spielen. Und wir werfen schließlich einen Blick auf sich selbst optimierende, datengetriebene Werbekampagnen.

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A N Z E I G E

BMA - Business Management Akademie

 

2 Gedanken zu „Productized Services: In drei Schritten vom Selbstständigen zum Unternehmer

  1. Paradigmenwechsel oder Geschichte wiederholt sich (doch)?
    Es ist noch gar nicht so lange her, da hieß es immer „Ihr Kunde will nicht ihr Produkt – der Kunde will Sie!“ Nicht das austauschbare Produkt sollte sein Problem lösen, sondern der Anbieter mit seinem persönlichen Engagement, das sich von dem seiner Mitbewerbern unterscheidet …
    Aber vielleicht liegt es auch nur einfach daran, dass es inzwischen immer mehr Coaches gibt, die ähnlich wie Frauenzeitschriften arbeiten: Was wir letztes Jahr zum Thema aktuelle Mode geschrieben haben, ist dieses Jahr völlig veraltet. Wir haben wieder etwas völlig Neues (das schon die Großmutter als modern empfand).

    • Da gibt es eventuell ein Missverständnis, denke ich.

      Es geht keinesfalls darum, austauschbare Produkte und Dienste anzubieten. Denn dahinter steckt trotzdem eine spezifische Expertise und Persönlichkeit. Es geht vielmehr darum zu überlegen: Welche Angebote oder welche Teilangebote kann ich standardisieren? Zum einen, weil die Kunden das immer wieder so wünschen (das ist eine ganz wichtige Grundlage, auf die dieser Beitrag ja auch eingeht). Zum anderen, weil das Angebot dadurch klarer wird (kein „choice overload“ beim Interessenten). Und nicht zuletzt, weil man seine eigene Arbeit dadurch effektiver umsetzen oder sogar in helfende Hände auslagern kann.

      Denken Sie an einen Frisiersalon. Dort gibt es nicht nur den Friseurmeister, sondern auch andere, die nach seiner Anleitung arbeiten. Und neben individuellen Services gibt es Paket-Angebote – je nachdem, was gewünscht wird.

      Das widerspricht sich also aus meiner Sicht alles gar nicht.

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