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Videoportale: Wandel der Navigationskonzepte

Eines der größten Probleme für Plattformbetreiber und Produzenten im Bereich Video gleichermaßen ist die Frage, wie es gute Inhalte schaffen, gesehen zu werden. Nach fast fünf Jahren YouTube und über zehn Jahren Videoportale ist die Antwort auf diese Frage immer noch nicht abschließend beantwortet, auch wenn sich in dieser Zeit viel verändert hat.

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Hier ist die Navigation noch denkbar einfach… Foto: dudek – Fotolia.com

Probleme klassischer Navigationskonzepte

Zu Beginn der Portale standen generische Sortiermethoden und grobe Clusterungen im Fokus der Navigation. Alles was man technisch auslesen konnte wurde in Listen aggregiert: Meistgesehen, Top-Favoriten, Best-Bewertet, am meisten Kommentiert, Neuste, und noch bestimmt zehn weitere Merkmale. Diese Listen wiederum wurden von den Betreibern als Hauptzugang zum Inhalt der Seiten in den Fokus der Navigation gerückt und werden es zum Teil auch heute noch. Der Gedanke dahinter ist einfach: Durch ihr Nutzungsverhalten organisieren die Zuschauer die Inhalte und sorgen dafür, dass die besten Videos immer an der obersten Position stehen. In der Theorie funktioniert dies auch – allerdings nicht in der Praxis, da die durchschaubaren Sortierungen zum Manipulieren einladen. Nicht umsonst existieren jede Menge Anleitungen, wie man diese Listen zu seinen Gunsten nutzen kann.

Auch ist mit diesen Sortierungen noch nicht das Problem gelöst, wie gute Videos überhaupt entdeckt werden, ganz zu schweigen davon, dass sie keine Steuerung der Zuschauerflüsse zulassen, da alles über Algorithmen bestimmt wird. Somit beschränken sich die manuellen Eingriffsmöglichkeiten der Betreiber auf ein Minimum.

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Um verschiedenen Inhalten eine Chance zu geben werden den generellen Listen segmentierte Kategorie-Listen zur Seite gestellt. Dabei wird die Kategorisierung der Inhalte den Usern überlassen. Dadurch ergeben sich bei der Kategorisierung einige Probleme.

Generell gibt es bei diesem Vorgehen kein einheitliches Verständnis über die Kategorien – im schlimmsten Fall hat jeder Uploader und Zuschauer ein anderes Verständnis. Hinzu kommt, dass sich die Kategorien von Seite zu Seite unterscheiden, was bedeutet, dass der Besucher auf MyVideo andere Kategorien als auf Clipfish vorfindet. Schließlich überlappen sich die Kategorien meist, so dass Inhalte in mehr als einer Kategorie sein könnten, was es für die Benutzer noch schwieriger macht, die richtige Kategorie auszuwählen.

Lösungsansätze

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Betrachtet man die Hauptnavigation von YouTube über die letzen Jahre, ergeben sich allein daraus bereits einige interessante Antworten auf die oben aufgezeigten Probleme.

  • Navigation nimmt weniger Platz ein. Mit jedem Redesign wurde die Navigation kompakter und kleiner. Zudem wurden die farblichen Akzente kontinuierlich zurückgefahren.
  • Die Suche wurde immer prominenter. Das ist natürlich kein Wunder bei einer Google-Tochter, noch dazu wenn man bedenkt, dass YouTube mittlerweile die zweitgrößte Suchmaschine in den USA ist.
  • Kategorien als prominenter Zugang zu den Videos wurde verworfen. Hier wiederholt sich wohl die Yahoo! (Katalog) vs. Google (Suche) Story in klein. Kategorien sind der Suche auch auf YouTube unterlegen.
  • Community rutscht aus dem Focus. Auch die Community (ehemals Freunde und Gruppen) wird nicht mehr prominent gefeatured. Ein Wink mit dem Zaunpfahl in Richtung Werbetreibende?
  • Videos und Kanäle machen das Rennen. Der eigentliche Inhalt und die Absender des Inhalts haben es geschafft, sich der Bereinigung zu entziehen und stehen als primäre Zugänge zu den Inhalten (neben der Suche) im Fokus.

Neben diesen offensichtlichen Änderungen gab es viele kleinere Verbesserungen, die den oben genannten Problemen entgegen wirken.

Abkehr von einfachen Sortieralgorithmen.

Zwar gibt es immer noch meistgesehen als Sortierung aber die Standardsortierung ist nun beliebteste. Dabei handelt es sich um ein weit komplexeres Maß, das mehrere Kriterien in sich vereint und wohl in Zukunft ähnlich gehütet werden dürfte wie der PageRank-Algorithmus um auch hier Manipulationen zu erschweren. Ziel dieses Maßes ist es die Relevanz der dargestellten Inhalte zu erhöhen. Der User möchte eben gerade nicht das meistgesehene Video sondern das relevanteste Video für seine momentane Nutzungssituation. Kein Wunder also, dass die Suche so gut auf YouTube funktioniert, dort ist die Relevanzsortierung schon am längsten implementiert.

Redaktionelle Filter und Featurings.

Neben der Suche ist es die YouTube-Startseite, die am längsten dem Einfluss der User entzogen ist. YouTube wählt gezielt Inhalte aus, die auf der Startseite gefeatured werden. Dabei geht es nicht allein darum, gute Videos zu featuren sondern und vor allem auch darum Aufmerksamkeit für vermarktbare Videos zu generieren. Neben der Startseite gibt es zudem auf jeder Videoseite eine Fläche über die vermarktbare Videos gefeatured werden.

Ganz nebenbei bedient man sich neuerdings auch externer Filter, als Quelle für gute Videotipps, wie die Box „As Seen On“ zeigt:

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Navigation über Inhalte

Durch die Deakzentuierung der Navigation deutet sich bereits an, dass YouTube den Fokus mehr und mehr auf den eigentlichen Inhalt richtet. YouTube möchte sich dorthin bewegen, wo Hulu bereits ist: zu einem Portal, das die User durch die Inhalte fesselt und hereinzieht. Ein Punkt, den Hulu bereits auf der Startseite klarmacht:

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Der Unterschied der Navigationslogik zwischen den obigen Konzepten und der Navigation über Inhalt liegt grundlegend darin, dass im Fall der Navigation über Inhalt immer Inhalte im Fokus stehen und zu sehen sind – im Gegensatz zu Listen und Suchergebnissen. Navigiert wird nur dann, wenn der im Moment dargebotene Inhalt nicht gefällt oder beendet wurde. Der klassische Fall wie so navigiert werden kann ist die „verwandte Video“-Box (immerhin z.T. für gute 30 Prozent der Videoviews auf YouTube zuständig), die man auf so ziemlich allen Portalen findet.

Denkt man das Konzept weiter, sind auch Channels und Playlisten wichtige Elemente zur Navigation, denn dadurch ist kein Inhalt mehr singulär, sondern wird immer im Rahmen weiterer Videos dargeboten. In einer Playlist gibt es dann immer ein Video davor und danach und ein Channel hat immer noch ein anderes Video auf Lager, das sich der User auch ansehen sollte.

Fazit

Durch die Navigation durch Content kann der User Themenfelder ganz anders entdecken, als ihm dies durch Listen und Suche möglich wäre. Anders als bei Kategorien verlangt diese Art der Navigation dem User keine einschränkenden Entscheidungen ab (Will ich Comedy oder Politik sehen?) sondern ist immer inhaltsgetrieben. Natürlich kann eine Inhalte-Navigation nur dann funktionieren, wenn die Inhalte relevant zusammengestellt werden und der Einstieg passt. Das heißt im einfachsten Fall, dass die Empfehlunsalgorithmen gut funktionieren, aber es geht deutlich weiter. Idealerweise werden die Videos so geclustered und aufbereitet, dass sich eine intelligente Playliste ergibt, die dem User ein durchdachtes Programm offeriert. Das bedeutet gleichzeitig, dass der Absender der Inhalte an Bedeutung gewinnt und sich als Marke etablieren kann: Entweder weil er gute Videos macht oder weil er gute Videos zusammenstellt.

Über den Beitrag

Dieser Beitrag erschien ursprünglich im Rahmen der monatlichen Gugel-Kolumne auf dem Blog des eVideo Projekts der FHTW Berlin.

Über den Autor

Bertram Gugel ist Junior Manager IPTV Design bei der Telekom. Seit 2005 schreibt er in seinem Blog “Digitaler Film” über die Konvergenz des Fernsehens und des Internets, die verschiedenen Videoangebote im Netz sowie Trends und Entwicklungen in diesem Feld.

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1 Gedanke zu „Videoportale: Wandel der Navigationskonzepte

  1. Wirklich interessanter Beitrag, gut analysiert, danke! Hoffentlich ist Hulu bald auch außerhalb der USA problemlos einsetzbar, sieht hochwertig aus.

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