WordPress genießt den Ruf des Alleskönners. Und das völlig zu Recht. Aber ist WordPress deshalb auch die ideale Software für jeden Einsatzzweck? Wer die Mühen einer Recherche auf sich nimmt, der kann für zahlreiche Einsatzzwecke Lösungen finden, die sich wesentlich besser als WordPress eignen – sogar für das Bloggen. Sebastian Schürmanns stellt zahlreiche Alternativen in diesem Beitrag vor.
Diesen Artikel vom Mai 2021 haben wir zuletzt im Oktober 2024 aktualisiert.
Inhaltsverzeichnis
Publii: Statische Blogs für Jedermann
Absolut sicher und unschlagbar performant: Diese beiden Eigenschaften zählen nun wirklich nicht zu den Stärken von WordPress. Umso erstaunlicher, dass das kleine Blog-System Publii mit genau diesen beiden Eigenschaften so wenig Aufmerksamkeit erhält.
Publii ist ein sogenannter Static Site Generator. Während bei einem dynamischen CMS wie WordPress die Seiten beim Aufruf einer URL jedes mal dynamisch und in Echtzeit durch viel PHP-Code erzeugt werden, verzichtet ein Static Site Generator auf diese ganze Prozedur. Stattdessen wird der gesamte Webauftritt im Vorfeld auf einem PC oder Laptop als statisches HTML erzeugt und dann einmalig auf den Server hochgeladen. Da kein Code ausgeführt und keine Datenbank abgefragt wird, sind die Seiten nicht nur blitzschnell, sondern es gibt auch kein „System“, das ein Hacker angreifen könnte.
In der Entwickler-Szene haben die Static Site Generatoren WordPress und andere Content Management Systeme längst abgelöst. Bekanntestes Beispiel für den Umstieg von WordPress auf einen Static Site Generator ist vermutlich das Smashing Magazine. Außerhalb der Entwicklerszene konnten sich die Static Site Generatoren allerdings nie durchsetzen, weil die Generatoren keine Autorenoberfläche anbieten. Stattdessen werden sie mit Programmier-Befehlen über die Konsole bedient.
Publii ist anders. Denn Publii bietet als einziger Static Site Generator eine vollwertige und sehr hübsche Autorenoberfläche an. Damit kann man einen kompletten Blog erzeugen, der dann von Publii über FTP mit dem Server synchronisiert wird. Publii ist damit eine perfekte Alternative für klassische Blogger, die viel Wert auf Sicherheit und Performance legen.
Ghost: Bloggen als Business
Das CMS Ghost ist mit Abstand der bekannteste Name, wenn es um Alternativen zu WordPress geht. Und tatsächlich ist Ghost im Jahr 2013 explizit als WordPress-Alternative an den Start gegangen. Durchsetzen konnte sich das System in der WordPress-Community allerdings nicht, zumindest nicht im großen Stil.
Die Author Experience von Ghost trägt daran sicherlich keine Schuld. Denn Ghost wurde immer wieder mit dem viel gerühmten Blog-Netzwerk Medium verglichen. Die Verbreitung von Ghost wurde zumindest in der Vergangenheit vermutlich eher durch die Technologie gebremst. Denn Ghost ist komplett mit JavaScript geschrieben und benötigt die serverseitige JavaScript-Umgebung Node.js. Trotz des großen Booms von JavaScript wird Node.js bis heute nicht in den Standard-Hosting-Paketen angeboten. Stattdessen sind und bleiben PHP und MySQL für einfache Auftritte der State of the Art.
Die Zeiten haben sich allerdings geändert und die selbst gehostete Webseite auf dem eigenen Server-Paket gehört nicht mehr uneingeschränkt zum Selbstverständnis des ambitionierten Bloggers. In diesem Fall ist der Umstieg auf Ghost dann wiederum leicht, denn Ghost bietet mit Ghost(Pro) ein Managed Hosting an. Das fühlt sich dann zwar eher wie WordPress.com an und weniger wie WordPress.org. Das Managed Hosting befreit einen jedoch von den Niederungen der Wartung. Außerdem sind ab dem zweiten Preis-Level auch selbst entwickelte Themes möglich, sodass man sich in der Gestaltung keineswegs einschränken muss.
Ghost bietet vor allem für die Zielgruppe der professionellen Publisher und Journalisten sehr tolle Features an, insbesondere ein Membership-Modul, Subscription-Modelle und Newsletter-Features, sodass Ghost auch als Alternative zu Diensten wie Substack verwendet werden kann. Ein Blick ist Ghost auf jeden Fall wert, vielleicht startet man auch einfach mal mit einem kleinen Nebenprojekt und sammelt Erfahrungen.
HTMLy: Bloggen ohne Datenbank
HTMLy gehört zur Familie der Flat-File-CMS. Das Smarte an Flat-File-CMS ist der Verzicht auf eine Datenbank. Stattdessen speichern diese Systeme die Inhalte in gewöhnlichen Text-Dateien ab, meistens wird dafür das populäre Markdown-Format genutzt. Der Verzicht auf eine Datenbank hat zahlreiche Vorteile, insbesondere fällt mit der Datenbank auch ein Sicherheitsrisiko weg und man kann den kompletten Web-Auftritt einfach per FTP auf einen anderen Server schieben – ohne Kopfschmerzen und ohne lästige Datenbank-Migration. Ansonsten bieten Flat-File-Systeme prinzipiell jeden Komfort und jedes Feature eines gewöhnlichen Content Management Systems an. Sprich: Der Nutzer merkt von der fehlenden Datenbank nichts.
Es gibt zahlreiche tolle Flat-File-CMS für die verschiedensten Anwendungsfälle. Das kleine System HTMLy hat sich dabei auf das Bloggen spezialisiert und versteht sich als schlanke Alternative zu WordPress. HTMLy kommt dabei mit einer minimalen Code-Basis aus und bringt dennoch alles mit, was man für einen simplen Blog benötigt: Artikel, Tags, Related Posts, einen RSS-Feed und inzwischen sogar einen einfachen Menu-Builder.
Wer mit HTMLy nicht zurechtkommt, der kann in der Welt der Flat-File-CMS noch andere Alternativen entdecken. Populär sind zum Beispiel Bludit oder auch Grav, wobei die Entwicklung beider Systeme in den letzten Jahren deutlich nachgelassen hat. Wer eher einen Design-orientierten Webbaukasten im Klein-Format sucht, der könnte mit Automad und seinen sehr flexiblen Gestaltungsmöglichkeiten glücklich werden.
Kirby: Das elegante Agentur-CMS
WordPress wird längst nicht nur für das Bloggen genutzt, sondern vor allem als CMS für kleine und mittelständische Unternehmen. In diesen Fällen sind es meist Freelancer und Agenturen, die WordPress für den Kunden aufsetzen und betreuen. Gerade für diese Szenarien gibt es jedoch eine unglaubliche Fülle an tollen Alternativen zu WordPress. Das vielleicht beste und hierzulande sehr populäre System ist Kirby.
Auch Kirby gehört zur Familie der Flat-File-CMS und verzichtet damit auf eine Datenbank. Ansonsten hat Kirby jedoch unglaublich viel zu bieten. Entwickler lieben den einfachen und sauberen Code-Ansatz und Anwender lieben die großartige und sehr ansprechende Autoren-Umgebung. Alles Vorzüge, bei denen WordPress nicht unbedingt die erste Wahl ist.
Gerade für Freelancer und kleine Agenturen hat WordPress natürlich den Vorteil, dass es sich aufgrund des hohen Bekanntheitsgrades sehr einfach beim Kunden unterbringen lässt. Kirby hat sich jedoch in Deutschland über die Jahre einen sehr guten Ruf erarbeitet und kann auf unzählige Projekte verweisen. Wem das als Argument nicht reicht, der kann den Kunden vielleicht mit der Spiegel-Story überzeugen. Denn der Spiegel, immerhin eine der größten Webseiten in Deutschland, ist vor einigen Jahren nicht etwa auf WordPress umgestiegen, sondern auf das völlig unbekannte CMS Statamic. Statamic ist der Mitbewerber von Kirby aus den USA und ebenfalls ein Flat-File-CMS. Der Spiegel scheint ausgesprochen glücklich mit seiner Entscheidung, es muss also nicht immer der große Name sein.
Typemill: Handbücher, Dokumentationen und Publikationen
WordPress ist enorm wandelbar. Als Beispiel greifen wir einfach mal Plugins wie BetterDocs, WeDocs oder EasyDocs heraus. Mit diesen Plugins lässt sich aus WordPress wahlweise eine Dokumentation, eine KnowledgeBase oder eine Infoseite erstellen. BetterDocs zählt immerhin 30.000 Installationen, also eine der ungezählten Nischen, die WordPress mit seinem Plugin-Universum bedient.
Bei solchen speziellen Anwendungsfällen kann der Rückgriff auf WordPress Sinn machen, wenn man sich ohnehin im WordPress-Kosmos bewegt, also zum Beispiel eine Dokumentation für sein WordPress-Plugin erstellen will. In vielen anderen Fällen kann es jedoch Sinn machen, nach alternativen Lösungen zu suchen.
Im Fall von Dokumentationen, Handbüchern oder kleinen KnowledgeBases kann beispielsweise das von mir entwickelte Typemill eine Alternative sein. Das System gehört ebenfalls zur Familie der Flat-File-CMS und kommt ohne Datenbank aus. Im Gegensatz zu WordPress lassen sich bei Typemill die Seiten per Drag&Drop hierarchisch organisieren, was der typischen Struktur einer Dokumentations-Webseite entspricht. Hinzu kommen Erweiterungen wie ein eBook-Plugin, mit dem sich aus der Webseite Publikationen im PDF- und ePUB-Format generieren lassen. Typemill wird häufig von Startups und kleinen Software-Unternehmen eingesetzt, die für ihre Dokumentationen und Handbücher eine einfache und wartungsarme Lösung suchen. Auch das UPLOAD Magazin nutzt Typemill für die Generierung der E-Book-Ausgaben.
Vermutlich lässt sich für jedes Einsatzszenario von WordPress ein ähnliches Beispiel finden. Es gibt fast immer eine passendere Lösungen, die dann aber nicht so wandlungsfähig wie WordPress ist. Doch wann zahlt sich die Wandlungsfähigkeit von WordPress eigentlich aus? Wenn ich ein CRM suche, dann möchte ich in den meisten Fällen daraus nicht plötzlich eine E-Commerce-Seite bauen. Oder vielleicht doch?
Craft CMS: Webseiten und E-Commerce
Auch E-Commerce zählt zu den beliebten Einsatzszenarien für WordPress, dank Plugins wie WooCommerce und Co. Das Charmante bei WordPress ist die Kombination aus E-Commerce und Web-Auftritt. Doch das können auch andere Content Management Systeme, und vielleicht sogar noch besser. Craft CMS galt in diesem Feld lange als Shooting-Star. Im Gegensatz zu WordPress richtet sich Craft CMS jedoch eher an Agenturen und Freelancer, die Lösungen für Kunden aus dem Mittelstand bauen. So gibt es für Craft CMS beispielsweise keinerlei Themes, weil Craft von einer Individual-Entwicklung ausgeht.
Craft CMS wurde in den USA entwickelt und ist mit hierzulande unbekannteren Systemen wie ExpressionEngine oder Statamic verwandt. Kennzeichen dieser Systeme ist unter anderem die sehr flexible Content-Modellierung und die mehr oder weniger freie Definition von Eingabeformularen für die Autorenoberfläche. Bevor WordPress mit dem Block-Editor einen anderen Weg eingeschlagen hat, gehörte die Content-Modellierung zu den großen Schwächen des Systems. Gerade bei PHP-Entwicklern hat Craft daher auch in Europa viele Freunde gefunden und wird in Skandinavien, England, den Benelux-Staaten und auch in Deutschland häufig verwendet. Wenn Agenturen und Freelancer eine Alternative zu WordPress insbesondere bei kleineren E-Commerce-Projekten suchen, dann sollten sie auf jeden Fall mal einen Blick riskieren.
Cockpit: Schnell mal Headless ausprobieren
Es wird immer technischer, aber man kann einen Artikel zu WordPress-Alternativen kaum schreiben, ohne auf den großen Trend der Headless-CMS einzugehen. Für den normalen WordPress-Nutzer ist das ganze Konzept der Headless-Architektur weitgehend irrelevant, und aus dieser Perspektive war der Headless-Trend immer eine große Übertreibung. Dennoch, der massive Ausbau der API-Architektur bei nahezu allen bekannten Content Management Systemen zeigt, welchen Druck der Headless-Trend ausgeübt hat, auch auf WordPress.
Und was ist Headless jetzt genau? Darüber kann man sich im Detail sicherlich streiten, der Einfachheit halber verstehen wir unter Headless einfach mal die Ausgabe von Inhalten über eine sogenannte Web-API, also eine über das Web zugängliche Programmier-Schnittstelle. Inhalte werden bei diesem Ansatz nicht oder nicht nur in einem Browser als Webseite dargestellt, sondern die Inhalte lassen sich in einem neutralen Datenformat wie JSON von einem Entwickler über eine API abrufen und irgendwo anders verwerten. Dieser Ansatz spielt vor allem in Multi-Channel-Szenarien eine Rolle, beispielsweise wenn Inhalte auf mehreren Webseiten oder in Mobile-Apps oder auf gänzlich anderen Systemen wie Konferenz-Displays dargestellt werden sollen.
Headless CMS gibt es heute wie Sand am Meer. Einige Systeme wie ButterCMS positionieren sich dabei explizit als Alternative zu WordPress. Die meisten Headless-CMS sind jedoch SaaS-Angebote, und die wenigen selbstgehosteten Open Source CMS wie Strapi, Directus oder Payload sind meist in JavaScript geschrieben und erfordern ein spezielles Hosting mit Node.js.
Außer Cockpit. Cockpit ist das einzige kleine Headless-CMS, das in PHP geschrieben ist und daher schnell mal auf den Server neben WordPress gepackt werden kann. Außerdem läuft Cockpit mit SQLite, benötigt also keine separate Datenbank. Wer also mit der Headless-Architektur experimentieren will und dafür nicht WordPress zweckentfremden möchte, der findet mit Cockpit die ideale Alternative.
Sulu, Typo3 und Co
Es ist etwas erschöpfend, alle Alternativen zu WordPress aufzulisten, insbesondere wenn man in das Enterprise-Segment und zu den komplexeren Systemen für den Mittelstand kommt. In diesen Zusammenhang fallen häufig die drei großen Namen TYPO3, Drupal und Joomla.
Dabei scheiden sich allerdings die Geister, denn all diese Systeme würde man vermutlich nicht oder nur begrenzt als Alternative für ein klassisches WordPress-Projekt einer Einzelperson sehen. Gleiches gilt auch für das oben genannte Craft CMS, und die Liste lässt sich beliebig verlängern: Mit ProcessWire gibt es ein weiteres beliebtes CMS, das sich an Entwickler richtet und gerne als Alternative zu WordPress verwendet wird. Unter den jüngeren Systemen ist Sulu ein sehr ansprechender und moderner Kandidat für den größeren Mittelstand. NEOS ist eine jüngere Alternative für TYPO3, und auch der Name Contao könnte in so einem Zusammenhang fallen. Noch eine Leiter höher geht es weiter mit Newcomern wie Pimcore, die gleich eine ganze Suite an Tools für den größeren Mittelstand anbieten. Und mit Content-Management-Systemen in anderen Programmiersprachen wie Django-CMS (Python), Wagtail (Python) oder Apostrophe (Node) haben wir noch gar nicht begonnen.
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Fazit
Nein, die eine große Alternative zu WordPress gibt es nicht, und bislang ist jeder Versuch gescheitert, eine ebenbürtige Alternative zu schaffen. Dafür ist einfach das WordPress-Universum mit seiner Flut an Plugins und Themes viel zu groß. Für ein zweites WordPress fehlen die Lücken, die Aussicht auf Erfolg, und vielleicht auch der ursprüngliche Community-Geist, mit dem WordPress einst groß geworden ist. Die Chancen, dass ein ähnliches Projekt noch einmal entsteht, liegen nahe beim Nullpunkt.
Dennoch kann man hervorragende Alternativen für spezielle Anwendungsfälle finden, und dieser Artikel sollte dafür die nötige Inspiration liefern. Bei der Suche nach Alternativen sollte man sich jedoch von dem Gedanken verabschieden, ein weiteres System für alle Fälle zu finden. Das würde das Problem auch nicht lösen, denn ein Generalist ist eben kein Spezialist, und wer ein System in alle Richtungen verbiegt, darf sich über Kurven und Kanten nicht wundern.
Da hilft nur, sich bei dem nächsten Projekt einmal die Frage zu stellen, was genau man eigentlich will. Einen Blog? Dann sind Ghost, Publii und HTMLy eine gute Wahl. Eine kleine Webseite? Warum nicht Bludit. Ein kleiner Unternehmensauftritt? Kirby wäre meine erste Wahl. E-Commerce? Ein User-Manual? Ein Headless-Konzept? Für all das gibt es gute Alternativen. Wenn mein Projekt allerdings eher undefiniert bleibt und sich absehbar in einem dynamischen Markt und ohne großes Budget schnell ändert, dann ist die Wandelbarkeit von WordPress auch heute noch ein schlagendes Argument.
Dieser Artikel gehört zu: UPLOAD Magazin 91
Es gibt die Werkzeuge und Dienste, die jeder kennt. Die Marktführer. Die großen Marken. Aber sie sind nie die einzige Option und oftmals nicht die beste. Deshalb schauen wir uns in dieser Ausgabe Alternativen an für WordPress und Google Analytics. Wir stellen den WhatsApp-Konkurrenten Signal genauer vor. Und wir schauen uns Suchmaschinen abseits von Google und Browser jenseits von Chrome an. Bonus-Artikel: So funktionieren Buyer Personas.
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Sebastian ist Senior Product Owner und Web-Entwickler. Seit 2017 entwickelt er das kleine Open Source CMS Typemill und betreibt damit unter anderem cmsstash.de, eine Fach-Publikation zum Thema Content Management Systeme.
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