Live Social: Plattformen für Live-Audio und -Video im Überblick

Die direkte Kommunikation mit ihren Interessenten gehört für viele Unternehmen längst zum guten Ton. Das hat sich auch in der Pandemie nicht geändert, allerdings sind die Rahmenbedingungen plötzlich ganz anders. Statt auf Events und Messen kommunizieren Marken verstärkt über Live-Formate in Bild und Ton. Falk Hedemann stellt in diesem Beitrag die wichtigsten Plattformen im Social Web dafür vor.

(Illustration: © tarikvision, 123rf.com)

Digitale Live-Kommunikation bekommt neue Bedeutung

Entwicklungssprünge haben nicht immer etwas mit technologischen Entwicklungen oder verändertem Nutzerverhalten zu tun. Manchmal sind es unvorhersehbare Faktoren, die eine Entwicklung aus der Normalgeschwindigkeit heraus in kurzer Zeit zum Hype beschleunigen. Die Covid-19-Pandemie ist so ein Beschleunigungsfaktor, der zu Entwicklungen geführt hat, die wir in der erlebten Vehemenz wahrscheinlich ansonsten nicht gesehen hätten.

Wir erinnern uns alle bestimmt noch an den Hype um Clubhouse, der hierfür ein sehr gutes Beispiel ist. Die App gab es auch vor der Pandemie bereits, doch erst mit den abrupt veränderten Rahmenbedingungen der Kommunikation und der Arbeitswelt war die angebotene Funktion von Clubhouse plötzlich so spannend, dass jeder dabei sein wollte. Die beiden entscheidenden Faktoren waren der fehlende Austausch (Bedarf) mit Gleichgesinnten und das Arbeiten im Home-Office (Möglichkeit). 

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Am Ende war Clubhouse so etwas wie ein Türöffner für ein neues Kommunikationsformat: Live-Audio. Mittlerweile gibt es reichlich Konkurrenz, denn die Funktion selbst war für die großen Kommunikationsplattformen doch recht einfach und ohne große patentrechtliche Probleme nachbaubar. 

Einige der Pandemie-Veränderungen sind nicht so flüchtig, wie man vermuten konnte. Das längere Arbeiten im Home-Office hat beispielsweise die Sicht auf moderne Arbeitsmodelle nachhaltig verändert. Eine komplette Rückkehr für fünf Tage pro Woche in die Unternehmensbüros scheint plötzlich nicht mehr sinnvoll zu sein und wird von der Mehrheit der Arbeitenden auch nicht angestrebt. Auch ist der Veranstaltungskalender nach wie vor recht dünn belegt, wenn es um Präsenzevents geht.

Das bedeutet letztlich auch, dass der Bedarf an digitalen Austausch-Formaten ebenso noch erhalten bleibt, wie die Möglichkeiten der Teilnahme, die im Home-Office oft einfacher ist als im Großraumbüro. Ein Blick auf die verschiedenen Plattformen für Live-Auto und -Video lohnt sich also auch für die Zukunft.


Live Audio

Clubhouse

Mittlerweile bezeichnet sich Clubhouse als „The Social Audio App“ – zum Start war es noch ein „Drop-in-Audio-Chat“.

Der Hype um Clubhouse im Frühjahr 2021 war gewaltig, aber beinahe ebenso schnell wie er kam, war er auch wieder vorbei. Was bleibt ist ein Nischennetzwerk mit Exklusiv-Charakter.

Zwei wesentliche Hürden fürs weitere Wachstum hat die App inzwischen beseitigt, aber eventuell zu spät. So brauchte man anfangs zwingend eine Einladung einer Person, die bereits dabei ist. Inzwischen ist das nicht mehr notwendig. Ein zweiter limitierender Faktor war die iOS-Exklusivität. Hier haben die Clubhouse-Entwickler mit einer Android-App Abhilfe geschaffen.

Was bleibt ist das Aufnahmeverbot: Wer eine Live-Session in einem Clubhouse-Room anbietet, kann sie nicht aufnehmen und anderweitig nutzen.

Für Unternehmen, die Clubhouse als Marketing-Plattform nutzen wollen, ist zudem wichtig: Die kommerzielle Nutzung ist laut der Terms of Service (ToS) von Clubhouse untersagt. Was genau alles unter kommerzielle Nutzung fällt, ist nicht weiter aufgeführt. Das macht eine strategisch geplante Nutzung für Marken und Unternehmen quasi unmöglich. Dazu kommen einige Fragen zum Datenschutz, wie Rechtsanwalt Thomas Schwenke ausführlich betrachtet.

  • Relevanz für Unternehmen: Da Clubhouse nur für die persönliche Nutzung zugelassen ist, begeben sich Unternehmen auf sehr dünnes Eis, wenn sie die Plattform aktiv für das Marketing nutzen. Zudem müssten sie sich dort erstmal eine Community aufbauen.
  • Vorteile: Die Möglichkeit, jeden Teilnehmenden live ans virtuelle Mikrofon holen zu können, kann eine Session durchaus bereichern.
  • Nachteile: Die Exklusivität sorgte anfangs für den Hype, war zwischenzeitlich zu einem Bremsklotz geworden – gerade als andere Anbieter zum Überholen ansetzten (siehe die nächsten Beispiele). Nimmt man die fehlenden Optionen zur Nachverwertung dazu, wird Clubhouse schnell zu einer virtuellen Sackgasse. 

Spotify Greenroom

Greenroom sieht wie aus wie ein grünes Clubhouse.

Anders als die Social-Networks Facebook und Twitter geht der Musik-Streaming-Dienst Spotify mit einer eigenständigen Smartphone-App eher den Weg von Clubhouse. Nach der Übernahme von Betty Labs und deren Audio-App Locker Room im März 2021, die sich auf Live-Sport spezialisiert hatte, war es nur eine Frage der Zeit, bis Spotify seinen Clubhouse-Konkurrenten an den Start bringt. Tatsächlich hat es nicht einmal drei Monate gedauert, bis „Spotify Greenroom“ auf beiden großen Mobil-Plattformen iOS und Android und gleich in 135 Ländern an den Start ging.

Spotify scheint sich also einiges vorgenommen zu haben. Und bei genauerer Betrachtung ergibt diese Investition auch schnell einen Sinn: Im Zuge des Clubhouse-Hypes wurde Live-Audio unter anderem als eine Weiterentwicklung der Podcasts diskutiert. Vielleicht hat genau das die Schweden aufmerksam gemacht, denn sie haben in den letzten Jahren bereits massiv in das Thema Podcasts investiert. Da ist es nur konsequent, nun auch bei den „Live-Podcasts“ mitzugehen.

Ob die Rechnung am Ende aufgeht, wird sich noch zeigen müssen. Zwar bekommt man schon bei der Registrierung einen Eindruck von der angedachten Themenvielfalt zwischen Entertainment und Hobby, aber zumindest aktuell überwiegen doch Musik-Räume sehr stark. Wie spannend es dann ist, sich die von anderen Nutzern eingespielte Musik anzuhören, muss jeder für sich selbst entscheiden.

  • Relevanz für Unternehmen: Eher für den persönlichen Gebrauch geeignet. Unternehmen aus der Musikbranche könnten allerdings vom Themenfokus profitieren.
  • Vorteile: Hohe Verfügbarkeit, kapitalkräftiger Anbieter, jeder kann Räume besuchen und selbst Räume eröffnen.
  • Nachteile: Aktuell gibt es noch keine Sprachfilter z. B. für deutschsprachige Räume, neue Nutzer fangen ohne Follower an.

Twitter Spaces

Drückt man den Button zum Erstellen eines Tweets in der mobilen Twitter-App etwas länger, erscheint auch die Option für einen Twitter-Space.

Als Twitter im November 2020 sein eigenes Live-Audio-Angebot „Twitter Spaces“ ankündigte, hatte es in den USA bereits einen ersten, bescheidenen Hype um Clubhouse gegeben. Schon einen Monat später startete Twitter einen ersten Test der neuen Funktion. Und im Mai 2021 war sie schließlich bereits für alle Nutzer:innen mit mindestens 600 Followern freigeschaltet. 

Twitters schnelle Reaktion zeigt eine potenzielle Schwäche von Clubhouse: So exklusiv deren Macher das Angebot für die Nutzung zunächst gemacht hatten, so wenig innovativ ist die Funktion selbst. Bei Twitter wurde die neue Audio-Funktion zumindest sehr schnell auch für Android-Smartphones zur Verfügung gestellt – noch bevor es die Clubhouse-App für Android gab. 

  • Relevanz für Unternehmen: Die Echtzeit-Charakteristik von Twitter passt sehr gut zum Live-Format „Spaces“. Unternehmen, die bereits gute Erfahrungen mit der Echtzeit-Kommunikation gemacht haben, könnten ihren Content-Mix leicht um ein spannendes Format ergänzen.
  • Vorteile: Twitter-Spaces werden direkt über die Twitter-App auf iOS und Android initiiert und nicht über eine separate App. Damit finden die Live-Audio-Sendungen im etablierten Twitter-Umfeld statt, samt der aufgebauten Followerschaft. Die Spaces bekommen einen teilbaren Link, sind öffentlich zugänglich, es gibt Einladungen per Direktnachricht (beispielsweise für weitere Sprecher), die Spaces können vorproduziert und geplant werden und interessierte Gäste können sich eine Erinnerung einrichten und Spaces lassen sich direkt nach dem Ende vom Host herunterladen und zweitverwerten.
  • Nachteile: Spezielle Nachteile bringen die Twitter-Spaces nicht mit. Natürlich braucht es eine gewisse Bekanntheit und eine ausreichende Followerschaft, um eine kritische Masse erreichen zu können.

Facebook Live Audio Rooms

Wer Sternchen verschickt, kommt in die erste Reihe der Zuhörerschaft (Bild: Facebook)

Etwas später als Twitter reagierte Facebook als Social-Media-Primus auf den Hype von Clubhouse. Am 21. Juni 2021 starteten dann die „Live Audio Rooms“, zunächst nur für ausgewählte Personen in den USA und sie konnten anfangs nur über die iOS-App gestartet werden.

Interessant ist die optionale Host-Unterstützung durch gekaufte Sternchen. Bei Facebook heißt es dazu:

„Die Zuhörer können den Moderator des Live-Audio-Raums auch unterstützen und ihm ihre Wertschätzung zeigen, indem sie ihm Sterne schicken, wodurch diese Zuhörer in die „erste Reihe“ aufsteigen. Die „erste Reihe“ ist ein spezieller Bereich, in dem Personen hervorgehoben werden, die Sterne gesendet haben, so dass die Moderatoren ihre Unterstützer erkennen können (und ihnen vielleicht sogar während des Gesprächs ein Lob aussprechen können!). Die Zuhörer können während des Gesprächs Stars-Pakete kaufen und sie jederzeit versenden..“

  • Relevanz für Unternehmen: Sobald die „Live Audio Rooms“ komplett ausgerollt und auch Android-Smartphones als Host-Device genutzt werden können, bekommen Unternehmen hier potenziell die größte Reichweite geboten. 
  • Vorteile: Mit bis zu 50 Sprecher:innen und beliebig vielen Zuhörer:innen verspricht Facebook fast grenzenloses Live-Audio. Interessant sind zudem die angebotenen Untertitel, die das Feature barrierefreier machen. Benachrichtigungen befreundeter Personen, wenn diese einen Audio-Room betreten, könnten sich zudem als Aufmerksamkeitsmagnet erweisen.
  • Nachteile: In Deutschland sind die „Live Audio Rooms“ noch nicht verfügbar und es ist kein Zeitplan bekannt. Die schwierige Planbarkeit ist dann auch der größte Nachteil, denn sie betrifft nicht nur die Verfügbarkeit, sondern generell die Entwicklung und die Regeln der Nutzung. Facebook ist nicht gerade bekannt dafür, sich nach den Wünschen und Anforderungen von Unternehmen und deren Communitys zu richten.

Weitere Live-Audio-Funktionen bieten unter anderem Discord und Reddit an, während LinkedIn und Slack entsprechende Funktionen noch entwickeln.


Live Video

Im Gegensatz zu Live-Audio sind Live-Video-Funktionen schon länger Bestandteil der Social Networks. Zur Vervollständigung hier ein kurzer Überblick.

Lesetipp: Jan Tißler hat in einem weiteren Artikel alle wichtigen Tipps für Livestreams zusammengefasst.

Facebook Live

Live-Video-Streams lassen sich über eine Unternehmensseite, eine Gruppe oder eine Veranstaltung starten. Teilnehmen kann man per Smartphone-App oder über den Desktop-Browser. Es sind zwar nahezu alle Zielgruppen auf Facebook erreichbar, ein Schwerpunkt liegt aber im Consumer-Segment. Einen Überblick über alle Funktionen und Möglichkeiten gibt es hier direkt bei Facebook.

  • Relevanz für Unternehmen: Marken, die sich bereits eine Community aufgebaut haben, können diese sehr gut für Live-Übertragungen aktivieren und ausbauen. 

Instagram Live

Im Vergleich zu Facebook ist Instagram noch etwas direkter, intuitiver und kreativer, zumal die Nutzung fast Mobile-only ist. Mit den „Live Rooms“ können sich seit März 2021 bis zu vier „Creator“ an Live-Übertragungen beteiligen. Dazu kommen verschiedene Monetarisierungsoptionen. Weitere Informationen hier direkt bei Instagram.

  • Relevanz für Unternehmen: Auch hier gilt: Wer Instagram schon für sich und sein Unternehmen erfolgreich einsetzt, kann mit Live-Videos den nächsten Schritt machen. Die „Live Rooms“ sind auch deshalb interessant, weil die Abonnent:innen der Gäste ebenfalls über den Stream benachrichtigt werden.

YouTube Live

YouTube ist nicht nur die größte Videoplattform, sondern nach Google auch die zweitgrößte Suchmaschine im Web. Erste Live-Streams gab es ab 2009 und seit Ende 2013 können alle registrierten Nutzer:innen einen Livestream aufsetzen. Mehr zu YouTube Live …

  • Relevanz für Unternehmen: YouTube ist zwar selbst auch ein Social Network, aber die sehr einfache Bereitstellung der Inhalte und Streams auf anderen Plattformen verhindert den typischen Lock-In-Effekt anderer Netzwerke.

LinkedIn Live

Auch beim Business-Netzwerk LinkedIn gibt es mittlerweile ein Livestreaming von Videoinhalten. 

  • Relevanz für Unternehmen: Laut LinkedIn erhalten Live-Videos, die direkt über LinkedIn gestreamt werden 7 Mal mehr Reaktionen und 24 Mal mehr Kommentare als native Videos. Interessant dürfte es vor allem für Unternehmen sein, die ihre Geschäftskontakte auf LinkedIn erreichen wollen.

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Twitter Live

Mit der „Periscope“-App war Twitter bereits seit 2015 im Video-Live-Streaming aktiv. Nachdem die Nutzung sich aber nicht wie gewünscht entwickelte, wurde der Dienst am 31. März 2021 eingestellt. Stattdessen laufen die Live-Video-Streams nun über die mobile Twitter-App.

  • Relevanz für Unternehmen: Live-Inhalte passen perfekt zur Echtzeit-Kommunikation der Plattform. Nach dem Ende von Periscope werden Live-Videos automatisch als Tweet gepostet und gelangen somit in die Timelines der Followerschaft. 

TikTok Live

Das Social Network TikTok ist vor allem bei der sehr jungen Zielgruppe beliebt und bietet ebenfalls eine Live-Funktion an. Während die normalen TikTok-Videos eher kurz sind (maximal 3 Minuten), seien Live-Streams eine gute Gelegenheit „mehr von sich zu zeigen“, wie es bei TikTok heißt.

  • Relevanz für Unternehmen: Wie bei allen anderen Diensten auch, kommt es vor allem auf die Zielgruppe an, die ein Unternehmen ansprechen möchte. Etwas mehr Kreativität ist allerdings auch dann gefragt, wenn die Zielgruppe passt.

Schlusswort: Kein reiner Aktionismus

Auch wenn das Angebot für Live-Streaming als Audio oder Video weiterhin zunimmt, sollten Unternehmen nicht ohne strategische Überlegungen auf den fahrenden Zug springen. Drei Fragen sollten im Vorfeld mindestens geklärt werden:

  • Ist die Zielgruppe über den zu nutzenden Dienst erreichbar?
  • Sind die geplanten Inhalte sinnvoll als Live-Format umsetzbar?
  • Bedienen die Live-Inhalte die Erwartungen und Bedürfnisse der Zielgruppe?

Die Antworten auf diese Fragen sollten ein klares „Ja!“ sein.


Dieser Artikel gehört zu: UPLOAD Magazin 95

Es war sicher noch nie so einfach, im Social Web live auf Sendung zu gehen – ob nun mit Video oder Audio. Zumindest die technischen Hürden für die ersten Gehversuche sind niedrig. Wer damit aber Reichweite oder Kunden gewinnen will, muss sich schon etwas einfallen lassen und die richtigen Werkzeuge nutzen.

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