Aufmerksamkeit halten: Studie zeigt wirkungsvolle sprachliche Stilmittel

Aufmerksamkeit ist die Währung der Onlinewelt. Doch was genau macht Inhalte aufmerksamkeitsstark? Eine wissenschaftliche Untersuchung ist dieser Frage auf den Grund gegangen und kommt zu dem Ergebnis: Mindestens ebenso wichtig wie das Thema ist der Schreibstil. Geschickte sprachliche Gestaltung kann die Aufmerksamkeit binden und Leseabbrüche verringern.

(Foto: George Milton, Pexels)

Zusammenfassung

Die wichtigsten Punkte auf einen Blick …
  • Verständliche Sprache und einfache Sätze erhöhen die Lesebereitschaft.
  • Emotionen wie Angst, Wut, Freude und Hoffnung binden Aufmerksamkeit, da diese Gefühle Unsicherheit und Erregung beim Leser auslösen.
  • Effekte lassen sich sowohl für negative als auch für positive Emotionen nachweisen.
  • Implikation: Schreibstil gezielt anpassen, um Leser zu fesseln.

Einleitung

Aufmerksamkeit ist für den Erfolg von Content entscheidend. Egal ob Werbetreibende, Marketer oder Verlage: Alle wollen, dass ihr Content das Publikum fesselt und die Aufmerksamkeit hält. Doch nicht jeder Content ist gleich gut darin, die Leser bei der Stange zu halten. Manche Artikel ziehen die Leser in ihren Bann und animieren zum Weiterlesen, andere Artikel verlieren das Interesse schon nach den ersten Sätzen.

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Eine neue Studie hat nun untersucht, welche sprachlichen Merkmale eine Rolle dafür spielen, ob Inhalte die Aufmerksamkeit binden. Mithilfe von Datenanalysen und Experimenten haben die Forscher eingegrenzt, welche Faktoren die Lesedauer und das Engagement der Leserschaft beeinflussen. Dafür haben sie einerseits das tatsächliche Leseverhalten bei mehr als 35.000 Texten ausgewertet. Andererseits haben sie in Versuchen gezielt Texte mit unterschiedlichen sprachlichen Stilmitteln erstellt und deren Wirkung getestet.

Die Ergebnisse zeigen, dass neben dem Thema auch die sprachliche Gestaltung einen entscheidenden Einfluss darauf hat, ob Leser einem Text folgen oder ihr Interesse schnell wieder verlieren. Die Studie liefert damit wertvolle Erkenntnisse, wie durch geschickte Formulierung und Stilmittel die Aufmerksamkeit gehalten werden kann.

Aufmerksamkeit ist nicht gleich Aufmerksamkeit

Die Studie zeigt dabei eines ganz klar: Aufmerksamkeit zu binden ist etwas anderes, als Klicks oder Likes zu bekommen. Oft widersprechen sich diese Messwerte sogar. Zum Beispiel erhöhen Texte mit selbstsicheren Aussagen zwar die Zahl der Likes. Für längere Aufmerksamkeit sind aber Emotionen wie Angst und Hoffnung besser. Was kurzfristig für mehr Interaktion sorgt, führt also nicht automatisch dazu, dass die Leserschaft länger dabei bleibt und weiterliest.

Dieser Artikel gibt dir eine Übersicht zu den wichtigsten Ergebnissen der Untersuchung. Sie ist unter dem Titel „What Holds Attention? Linguistic Drivers of Engagement“ im Journal of Marketing erschienen. Die Autor:innen sind Jonah Berger, Wendy W. Moe und David A. Schweidel.

Ergebnisse aus drei Versuchen

Eine Visualisierung der Ergebnisse der Untersuchung. Die Balken zeigen, wie stark sich bestimmte sprachliche Merkmale im Vergleich zu einem Basis-Artikel auf die Lesedauer auswirken. Als Basis diente ein Beispielartikel des Wall Street Journal. Die gestrichelten Linien geben den durchschnittlichen Einfluss der Artikel-Themen auf die Lesedauer wieder. Die Grafik vergleicht, ob eher die Themen oder die verwendete Sprache die Lesedauer beeinflussen.

Die Forscher führten mehrere Versuche durch, um ihre Hypothesen zu testen. Im ersten Versuch analysierten sie umfangreiche Daten zum tatsächlichen Leseverhalten. In einem zweiten experimentellen Versuch manipulierten sie gezielt die Emotionen in Texten, um deren Wirkung zu untersuchen. Ein dritter Versuch ergänzte die Ergebnisse schließlich um positive Emotionen.

Daraus ergab sich ein klares Bild: Sowohl die Verständlichkeit von Texten als auch der gezielte Einsatz emotionaler Sprache spielen eine wichtige Rolle dabei, ob Inhalte die Aufmerksamkeit binden können.

Schaue wir uns die Ergebnisse der Studien einmal genauer an.

Begriffserklärungen

Die Studie untersuchte, inwiefern unterschiedliche Emotionen „Unsicherheit“ und „Erregung“ bei der Leserschaft auslösen. Dieser Effekt wurde dann zur Lesebereitschaft in Bezug gesetzt.

  • Unsicherheit: Mit Unsicherheit ist hier gemeint, dass man sich einer Sache nicht sicher ist und es Ungewissheit gibt. Die englische Bezeichnung dafür ist in der Untersuchung „uncertainty“.
  • Erregung: Erregung bedeutet in diesem Zusammenhang einen Zustand der Anspannung, Aktivierung und des Aufgewecktseins. Das englische Pendant ist „arousal“.

Versuch 1: Analyse echter Lesedaten

Im ersten Versuch ihrer Untersuchung haben die Forscher umfassende Daten zum tatsächlichen Leseverhalten analysiert. Sie nutzten einen Datensatz von über 600.000 Lesevorgängen, die über einen Zeitraum von zwei Wochen auf neun verschiedenen Websites stattfanden. Die Seiten deckten dabei ein breites Themenspektrum ab, von Nachrichten über Wirtschaft und Sport bis zu Lifestyle-Inhalten.

Aus den Daten ließ sich ableiten, wie weit die Nutzer jeweils in den Artikeln scrollten und wie viel des Inhalts sie tatsächlich gelesen haben. Basierend darauf untersuchten die Forscher mittels Natural Language Processing, welche sprachlichen Merkmale die Lesedauer beeinflussten.

Die Ergebnisse zeigen, dass kurze Wörter und einfache Satzstrukturen die Aufmerksamkeit erhöhen. Texte, die leichter zu lesen und zu verstehen sind, halten die Leser eher bei der Stange. Das gilt auf zwei Ebenen:

  1. Auf der Wortebene: kurze, geläufige Wörter wirken sich positiv aus.
  2. Auf Satzebene: einfache Syntax fördert die Verständlichkeit.

Auch emotional aufgeladene Sprache spielt eine Rolle, wobei Emotionen unterschiedlich wirken. Inhalte, die Angst oder Wut ausdrücken, halten die Aufmerksamkeit der Leser. Traurige Formulierungen hingegen senken die Lesebereitschaft. Die Forscher erklären das damit, dass Angst und Wut mit Erregung und Unsicherheit einhergehen und so die Leser neugierig machen. Traurigkeit ist dagegen eine Emotion mit geringerer Erregung.

Zusammenfassend zeigt die Analyse echter Lesedaten also, dass neben der Verständlichkeit auch gezielter Einsatz von Emotionen in der Sprache die Länge der Lesevorgänge beeinflussen kann.

Beispielhafte Ergebnisse:

  • 25% höhere Aussicht, ganzen Artikel zu lesen bei Texten mit besserer Lesbarkeit
  • 14% höhere Wahrscheinlichkeit auf komplettes Lesen bei Einsatz von ängstlicher Sprache

Versuch 2: Experimentelle Manipulation von Emotionen

In einem Experiment untersuchten die Forscher genauer, wie sich unterschiedliche Emotionen in Texten auf die Aufmerksamkeit auswirken.

Die Teilnehmer bekamen einen Textausschnitt über die Entwicklung an der Börse zu lesen. In verschiedenen Versionen wurde dabei gezielt die emotionale Sprache manipuliert, so dass der Text entweder Angst, Wut oder Traurigkeit ausdrückte. Zum Beispiel hieß es in der Angst-Version, die Marktentwicklung mache die Anleger „nervös“ und „unsicher“. In der Wut-Version waren die Anleger „wütend“ und „frustriert“. Und in der Traurigkeits-Variante fühlten sich die Personen „mutlos“ und „niedergeschlagen“.

Nach dem Lesen gaben die Teilnehmer an, ob sie gerne mehr von dem Artikel lesen würden. Wie vorhergesagt zeigte sich, dass die Texte mit Angst und Wut eher dazu motivierten, weiterzulesen als die traurige Version.

Die statistische Auswertung belegte, dass die Unterschiede in der Lesebereitschaft durch die Unterschiede in Unsicherheit und Erregung verursacht werden. Mit anderen Worten: Die Tatsache, dass Texte mit Angst und Wut eher zum Weiterlesen motivierten als Texte mit Traurigkeit, ließ sich darauf zurückführen, dass Angst und Wut mehr Unsicherheit und Erregung beim Leser erzeugten. Die statistische Analyse belegte, dass genau diese beiden Faktoren den Effekt der verschiedenen Emotionen auf das Leseverhalten erklärten.

Beispielhafte Ergebnisse:

  • 52% der Leser lasen ganzen Text bei Verwendung von trauriger Sprache
  • 80% der Leser lasen ganzen Text bei Verwendung von ängstlicher Sprache
  • 71% der Leser lasen ganzen Text bei Verwendung von wütender Sprache

Versuch 3: Experiment mit positiven Emotionen

Die ersten beiden Versuche konzentrierten sich auf negative Emotionen. Um zu testen, ob sich die Ergebnisse auch auf positive Emotionen übertragen lassen, führten die Forscher ein weiteres Experiment durch.

Diesmal wurden positive Emotionen manipuliert, indem die Teilnehmenden sich an Situationen erinnern sollten, in denen sie Freude, Hoffnung oder Zufriedenheit empfunden hatten. Im Anschluss lasen alle Probanden den gleichen Textausschnitt und gaben an, wie gerne sie weiterlesen würden.

Erneut zeigten sich deutliche Unterschiede zwischen den Emotionen. Im Vergleich zu Zufriedenheit motivierten Freude und Hoffnung stärker dazu, den Artikel weiter zu lesen. Wieder wurde in der statistischen Analyse deutlich: Diese Effekte wurden durch das Ausmaß an Erregung und Unsicherheit erzeugt, die die Emotionen jeweils auslösten.

Die Studie verallgemeinert die Ergebnisse damit auf positive Emotionen. Entscheidend ist also nicht, ob eine Emotion positiv oder negativ ist. Wichtig ist vielmehr, inwieweit eine Emotion Unsicherheit und Erregung auslöst. Emotionen wie Freude, Hoffnung, Angst oder Wut unterscheiden sich darin, wie stark sie diese beiden Komponenten aktivieren.

Somit konnten die Forscher über mehrere Studien hinweg zeigen, dass der gezielte Einsatz von Emotionen die Aufmerksamkeit steuern kann, und zwar über den Mechanismus von Unsicherheit und Erregung.

Beispielhafte Ergebnisse:

  • Zufriedenheit: 57% wollten nach einem Absatz weiterlesen
  • Freude: 73% wollten nach einem Absatz weiterlesen
  • Hoffnung: 69% wollten nach einem Absatz weiterlesen

Ausblick auf weitere Forschung

Nach den Aussagen der Autor:innen der Untersuchung könnte sich weitere Forschung damit beschäftigen, zusätzliche sprachliche Merkmale zu untersuchen. Denkbar wären beispielsweise die Ähnlichkeit zwischen aufeinanderfolgenden Sätzen und Abschnitten oder die Zeitformen der Verben.

Zudem wurde die Wirkung bisher über viele Leser:innen hinweg betrachtet. Eine interessante Ergänzung wäre laut der Forscher, individuelle Unterschiede zu berücksichtigen. Eventuell reagieren manche Leser:innen anders auf bestimmte sprachliche Reize als andere. Persönlichkeitsmerkmale könnten hier eine Rolle spielen.

Darüber hinaus wäre es nach ihren Worten relevant zu analysieren, wie sich die Aufmerksamkeitsbindung auf das längerfristige Leseverhalten auswirkt. Texte, die die Leser fesseln, sollten theoretisch zu einer höheren Rückkehrrate und mehr Abonnements führen. Ob sich dieser Effekt empirisch zeigt, wäre eine interessante Fragestellung.

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Fazit und Implikationen

Die Studie liefert wichtige Zahlen und Fakten für alle, die Inhalte erstellen und Aufmerksamkeit binden wollen. Sie zeigt, dass bei der Aufmerksamkeit nicht nur das Thema eine Rolle spielt. Mindestens genauso wichtig ist die sprachliche Gestaltung, also der Schreibstil.

Das hat konkrete Implikationen für die Content Kreation: Will man die Leser bei der Stange halten, empfiehlt es sich, den Schreibstil gezielt anzupassen. Eine verständliche Sprache mit kurzen Sätzen und Wörtern erleichtert das Lesen. Emotionen wie Freude, Hoffnung, Angst oder Wut können Leser neugierig machen und die Aufmerksamkeit hoch halten.

Selbst eher trockene oder komplexe Themen lassen sich durch den richtigen Schreibstil interessant und fesselnd aufbereiten.

Eine negative Auswirkung dieses Effekts soll aber auch erwähnt werden: Die Studie zeigt, dass Inhalte die etwa ängstlich oder wütend machen, die Lesebereitschaft erhöhen. Wenn nun Social-Media-Plattformen oder Suchmaschinen vorrangig solche Inhalte ausspielen, kann das zu Verzerrungen führen. Es besteht die Gefahr, dass Nutzer dann überwiegend negative oder extreme Inhalte empfohlen bekommen.

Diesen Effekt kennen wir bereits bestens. Ich hatte mich zudem in einem eigenen Artikel damit auseinandergesetzt. Er untersuchte, wie das einst utopische Social Web in eine Dystopie abrutschen konnte.

Quellennachweis

Berger, J., Moe, W. W., & Schweidel, D. A. (2023). What Holds Attention? Linguistic Drivers of Engagement. Journal of Marketing, 87(5), 793–809. https://doi.org/10.1177/00222429231152880


Dieser Artikel gehört zu: UPLOAD Magazin 110

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