Einführung in die Customer Experience

Den Kunden in den Mittelpunkt zu stellen und alle Kundenerlebnisse verbessern zu wollen, ist schnell gesagt. Aber was meint Customer Experience eigentlich? Warum spielt sie eine so wichtige Rolle? Durch welche Faktoren wird sie beeinflusst? Und wie wird sich das Thema in den nächsten Jahren entwickeln? Auf diese und andere Fragen geht Jan Tißler in seinem Beitrag ein.

Happy customer
(Illustration: © rastudio, depositphotos)

Ausgangssituation

Kunden interagieren mit Firmen und Marken heutzutage auf immer vielfältigere Weisen: Sie kommunizieren auf diversen Kanälen und über verschiedenste Plattformen; sie können dabei zu Hause, im Büro oder unterwegs sein; sie nutzen ein Smartphone, Tablet oder Laptop; und sie erwarten bei alldem eine schnelle, individuelle und hilfreiche Antwort in kürzester Zeit. Siehe dazu auch den UPLOAD-Artikel von Marcus Ruebsam mit Zahlen und Fakten dazu, was Kundentreue befördert und was sie verhindert.

Zugleich sehen sich Unternehmen einer immer komplexeren Customer Journey gegenüber: Der Weg vom ersten Interesse bis hin zum Kauf ist nicht mehr so gradlinig und gut nachvollziehbar wie er früher war. Nicht zuletzt beeinflusst das (Social) Web die Entscheidungsprozesse maßgeblich durch Empfehlungen, Rezensionen und Ratgeber-Inhalte. 

Letztlich entgleitet den Firmen damit teilweise die Kontrolle darüber, wie Kunden und Interessenten sie erleben. Deshalb müssen sie konsequent gegensteuern und die eigenen Hausaufgaben machen: Möglichst alle Abteilungen von Produktentwicklung über Vertrieb und Logistik bis hin zum Marketing müssen gemeinsam am Customer-Experience-Strang ziehen – in dieselbe Richtung, versteht sich. Externe Partner gehören ebenfalls dazu. Das legen nicht zuletzt Zahlen aus dem Report „2018 Digital Trends“ von Econsultancy nahe: Unternehmen, die nicht nur den Kunden in den Mittelpunkt stellen, sondern dabei über Teams hinweg arbeiten, hatten demnach 2017 eine doppelt so hohe Chance, ihre Geschäftsziele deutlich zu übertreffen.

A N Z E I G E

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Viele Führungskräfte haben inzwischen erkannt, wie wichtig das Thema ist. So hat eine Studie von Accenture in Kooperation mit Forrester bereits 2015 festgestellt: Auf den Todo-Listen der Befragten fand sich eine starke Customer Experience mehr als jedes andere Thema ganz oben. Ebenso zeigte es die „2018 Digital Trends“: Bei den befragten internationalen Marketing-Professionals landete die Customer Experience als wichtigste Aufgabe für die nächsten 12 Monate auf Platz 1. Und es zeigt sich: Unternehmen, die sich konsequent um die Customer Experience kümmern, entwickeln sich oftmals schneller als ihre Mitbewerber. Kein Wunder also, dass Unternehmen wie KPMG, Amazon und Google Chief Customer Experience Officers, Customer Experience Vice Presidents oder Customer Experience Managers haben.

(Quelle: „2018 Digital Trends“, Econsultancy)

Was ist „Customer Experience“ eigentlich?

„What people really desire are not products but satisfying experiences“ – Lawrence Abbott: „Quality and Competition: An Essay in Economic Theory“ (1955)

Customer Experience ist ein noch vergleichsweise junges Feld für Wissenschaft und Forschung. Es findet seinen Platz im Zusammenspiel mit Themen wie Kundenzufriedenheit oder dem Customer Relationship Management.

Im Zentrum steht die Erkenntnis, dass es Unternehmen nicht allein um Produkte, Angebote und Dienstleistungen gehen sollte und kann. Customer Experience erkennt an, dass es immer eine emotionale Komponente bei Entscheidungen gibt – auch wenn Menschen das selbst oftmals weit von sich weisen. 

Der Beitrag „From Experiential Psychology to Consumer Experience“ im Journal of Consumer Psychology erklärt, dass jede Interaktion eines Kunden mit dem Unternehmen als Teil der Customer Experience angesehen werden sollte. Dabei sollten alle denkbaren Sichtweisen mit einbezogen werden: kognitive, emotionale, sensorische, soziale oder auch spirituelle.

Christopher Meyer und Andre Schwager haben in ihrem Artikel „Understanding Customer Experience“ in der Harvard Business Review das Thema ebenfalls breit angelegt. Demnach umfasst es jeden Aspekt der Unternehmensangebote: die Qualität des Kundenservices natürlich, aber auch Werbung, Verpackung, Funktionsumfang, Benutzerfreundlichkeit und Zuverlässigkeit. Customer Experience sei „die innerliche und subjektive Reaktion, die Kunden bei jedem direkten oder indirekten Kontakt mit dem Unternehmen haben.“

Die Wikipedia definiert Customer Experience Management wie folgt:

Customer-Experience-Management (CEM) bzw. Kundenerfahrungsmanagement bezeichnet die Schaffung positiver Kundenerfahrungen zum Aufbau einer emotionalen Bindung zwischen Anwender und Produkt oder Anbieter. Vorrangiges Ziel von CEM ist es, aus zufriedenen Kunden loyale Kunden und aus loyalen Kunden „begeisterte Botschafter“ der Marke oder des Produkts zu machen („satisfied – loyal – advocate“). Damit setzt CEM nicht nur auf direkte Auswirkungen wie etwa Kaufbereitschaft, Umsatz oder die Nutzungsintensität, sondern ganz gezielt auch auf indirekte Effekte wie Mundpropaganda und Weiterempfehlungen. Dies soll idealerweise an jedem Kundenkontaktpunkt (Touchpoint) erreicht werden.

Auch wenn es weiterhin unterschiedliche Definitionen des Begriffs Customer Experience gibt, wird doch oftmals eines deutlich: Sie ist ein vielfältiges Erlebnis mit unterschiedlichen Komponenten und Aspekten. Sie kann zugleich durch einzelne Elemente wie beispielsweise der Marke stark beeinflusst sein. Und nicht zuletzt muss sie als Summe einzelner Kontaktpunkte („Touchpoints“) zwischen dem Unternehmen und dem Kunden angesehen werden. Diese Touchpoints ziehen sich durch verschiedene Phasen eines Entscheidungs- und Kaufprozesses (die schon angesprochene „Customer Journey“).

Katherine Lemon und Peter Verhoef kommen in ihrer sehr lesenswerten Untersuchung „Understanding Customer Experience Throughout the Customer Journey“ im Journal of Marketing deshalb letztlich zu dieser Definition:

„Customer Experience ist ein multidimensionales Konstrukt und konzentriert sich auf die kognitiven, emotionalen, sensorischen, sozialen und Verhaltens-basierten Reaktionen eines Kunden zu den Angeboten eines Unternehmens während des gesamten Kaufentscheidungs-Prozesses.“

Customer Experience und die Customer Journey

Katherine Lemon und Peter Verhoef teilen die Customer Journey in drei Phasen auf: vor, während und nach dem Kauf. Allerdings darf man sich das nicht als linearen, simplen Ablauf vorstellen, denn dieser Prozess wird von verschiedensten Faktoren beeinflusst. Dazu gehören beispielsweise nicht zuletzt frühere Erfahrungen des Kunden mit dem Unternehmen.

Vor dem Kauf

Diese erste Phase umfasst nach ihren Worten alle Aspekte der Kundeninteraktion mit der Marke, der Produkt- oder Angebotskategorie und dem Marktumfeld vor dem Kauf. Traditionell wird diese Phase mit Punkten wie „Bedürfniserkennung“, „Suche“ und „Abwägung“ umschrieben. Theoretisch könne diese Phase alle Erfahrungen des Kunden vor dem Kauf beinhalten. Praktisch umfasse sie jedoch lediglich die Erfahrungen des Kunden vom Beginn der Bedürfniserkennung bis zum Kauf.

Kaufen

Diese zweite Phase umfasst alle Kundeninteraktionen mit der Marke und ihrem Umfeld während des Kaufs. Punkte wie Produktauswahl, Bestellung und Bezahlung gehören hier natürlich dazu. Obwohl diese Phase typischerweise die zeitlich am stärksten komprimierte der drei Phasen ist, hat sie in der Marketing-Literatur große Aufmerksamkeit erhalten. Sie konzentriert sich darauf, wie die Kaufentscheidung durch Marketingaktivitäten und andere Faktoren beeinflusst wird. Zum Beispiel wurde gezeigt, wie eine Informationsflut zu einer „Auswahlüberlastung“ führen kann. Kunden stellen die Suche ein und schließen den Kauf entweder ab oder verschieben ihn.

Nach dem Kauf

Die dritte Phase umfasst beispielsweise die Nutzung des Produkts oder auch Serviceanfragen. Ähnlich wie bei der Vorkaufsphase kann sich diese Phase zeitlich weit erstrecken: vom Kauf bis zum Ende der Kundenbeziehung. Praktisch gesehen umfasst diese Phase aber Aspekte der Customer Experience, die sich auf die Marke oder das Produkt oder die Dienstleistung selbst beziehen. Das Produkt selbst wird hier also zum kritischen Touchpoint.

Dieser gesamte Prozess ist um eine „Loyalitätsschleife“ zu erweitern: Das bedeutet, dass in der Phase nach dem Kauf Faktoren auftreten können, die idealerweise zur Kundenbindung führen (durch erneuten Kauf und weitere Interaktion) oder aber den Prozess neu beginnen lassen. Der Kunde kehrt dann in die Vorkaufsphase zurück und prüft Alternativen.

Lesetipp: Als UPLOAD-Abonnent erfahren Sie in einem eigenen, ausführlichen Spezial, wie Sie verlorene Kunden systematisch und erfolgreich zurückgewinnen können.

Was lässt sich daraus praktisch ableiten?

Unternehmen können laut Katherine Lemon und Peter Verhoef dieses dreistufige Modell nutzen, um verschiedene Fragen zu beantworten:

  • Unternehmen sollten zunächst versuchen, alle Kernelemente der Customer Journey zu verstehen – sowohl aus der eigenen Sicht als auch aus der Perspektive des Kunden.
  • Im nächsten Schritt geht es darum, die wichtigen Touchpoints im Rahmen des Kaufprozesses zu identifizieren.
  • Und dort lässt sich dann untersuchen, welche Faktoren dazu führen, dass Kunden die Journey fortsetzen oder abbrechen.

Arten von Touchpoints in der Customer Journey

(Quelle: „2018 Digital Trends“, Econsultancy)

Die Autoren Lemon und Verhoef unterscheiden vier Kategorien von Touchpoints: brand-owned, partner-owned, customer-owned sowie all jene, die extern und unabhängig sind zum Beispiel das Social Web. Alle diese Punkte können in jeder Phase der Customer Journey eine Rolle spielen. Wie stark ihr Einfluss ist, hängt allerdings wiederum von vielen Faktoren ab wie beispielsweise der Art des Produkts oder Angebots.

Brand-owned

Hierunter fallen demnach alle Berührungspunkte des Kunden mit der Marke, die das Unternehmen selbst direkt beeinflussen kann. Dazu gehören alle Inhalte und Leistungen (Werbung, Websites, Kundenbindungs-Programme) sowie alle selbst bereitgestellten Elemente des Marketings (Verpackung, Kundenservice, Preis, Verkaufsteam). 

Partner-owned

Hierzu gehören alle Erlebnisse, die das Unternehmen gemeinsam mit einem Partner oder Partnern entwirft, bereitstellt und kontrolliert. Partner können hier zum Beispiel sein: Werbeagenturen, Multichannel-Vertriebspartner, übergreifende Kundenbindungs-Programme. 

Die Grenze zu den selbst gestalteten Touchpoints ist hier bisweilen fließend. Man denke an eine vom Unternehmen in Auftrag gegebene App für Android- und Apple-Geräte. Während die App selbst zwar vom Unternehmen entworfen, bereitgestellt und kontrolliert wird, ist sie dennoch abhängig von den Rahmenbedingungen, die Google und Apple aufstellen.

Customer-owned

Hierunter werden alle Momente verstanden, bei denen der Kunde selbst Entscheidungen fällt. Dazu gehört ganz besonders die Phase vor dem Kauf, wenn die eigenen Bedürfnisse ermittelt und mit Angeboten im Markt verglichen werden. Aber auch die Wahl des Zahlungsanbieters während des Kaufs ist ein solcher „Customer-owned Touchpoint“. Und ganz besonders stark ausgeprägt sind sie dann wiederum nach dem Kauf, wenn das Produkt oder Angebot ausprobiert wird. Das Unternehmen und seine Partner haben hier praktisch keine Kontrolle und nur einen geringen Einfluss.

Vor allem das Social Web hat den Kunden weitere Möglichkeiten gegeben. Katherine Lemon und Peter Verhoef nennen an dieser Stelle die Szene der „Ikea Hacker“, die die Produkte des Herstellers auf kreative Weise einsetzen und abwandeln, ohne dass das Unternehmen es selbst kontrollieren könnte. Ein anderes Beispiel sind die zahlreichen Ratgebervideos zu Produkten auf YouTube, die eben von Verbrauchern kommen und nicht von den Unternehmen selbst.

Soziale, externe und unabhängige Touchpoints und Einflüsse

Diese vierte Kategorie erkennt an, wie wichtig andere Menschen im Verlauf des Kaufprozesses sein können. Konsumenten sind jederzeit davon beeinflusst: die Meinungen anderer Kunden, die Ratschläge eines Influencers oder auch unabhängige Informationsquellen wie Testberichte.

Die Customer Experience kann weiterhin von zahlreichen externen Faktoren beeinflusst sein, wie beispielsweise durch das politische Klima oder generelle Entwicklungen in der Wirtschaft. Nicht zuletzt können auch Aktivitäten von Konkurrenten hier eine wichtige Rolle spielen.

Katherine Lemon und Peter Verhoef geben in ihrer Untersuchung drei zentrale Erkenntnisse als Fazit weiter:

  1. Das dynamische externe Umfeld des Kunden kann einen signifikanten Einfluss auf die Customer Experience haben.
  2. Krisen haben eine starke, negative und nachhaltige Wirkung.
  3. Die wirtschaftliche Situation (zum Beispiel eine Rezession) beeinflusst die Kundenerlebnisse über Unternehmen und ihre Angebote hinweg.

Die Customer Experience messbar machen

(Quelle: Economist Intelligence Unit)

Die Customer Experience zu messen ist wichtig, um überhaupt Erkenntnisse für das Unternehmen ableiten zu können. Entsprechend versuchen Unternehmen mit einer Vielzahl von Kennzahlen die Erfahrungen ihrer Kunden zu messen und zu bewerten.

In einer idealen Welt gäbe es eine Liste mit bewährten Messansätzen für die gesamte Customer Experience, in jeder Phase der Customer Journey und für alle Touchpoints. Die derzeitige Forschung und Praxis ist jedoch sehr fragmentiert.

In jüngster Zeit haben Wissenschaftler und Praktiker damit begonnen, das gesamte Kundenerlebnis messbar zu machen. Dieser Bereich ist aber laut Katherine Lemon und Peter Verhoef noch in einem frühen Entwicklungsstadium und viele dieser Skalen werden noch bewertet und auf ihre interne und externe Gültigkeit überprüft.

Ansätze für umfassende Messwerte

Jôsko Brakus, Bernd Schmitt und Lia Zarantonello haben 2009 im Journal of Marketing eine Markenerlebnisskala vorgeschlagen, die vier Aspekte der Kundenmarkenerfahrung misst: sensorisch, emotional, intellektuell und verhaltensbezogen. Damit wollen sie Beziehungen zwischen Markenerfahrungen und der Markenpersönlichkeit sowie Zufriedenheit und Loyalität sichtbar machen. Philipp Klaus und Stan Maklan schlagen in „Towards a Better Measure of Customer Experience“ hingegen einen alternativen Ansatz zur Messung der Kundenerlebnisqualität vor, bei der sie vier Facetten der Kundenerfahrung  identifizieren: Seelenfrieden, Momente der Wahrheit, Ergebnisorientierung und Produkterfahrung. 

Solche Ansätze zur Messung und Verbesserung des Kundenerlebnisses haben in der Marketingpraxis allerdings noch kaum Fuß fassen können. Das kann laut Katherine Lemon und Peter Verhoef an ihrer Neuheit liegen oder auf die Schwierigkeit zurückzuführen sein, ein einziges Set von Daten zu entwickeln, das die Erfahrungen der Kunden branchen- und kanalübergreifend adäquat erfasst.

Hier könne es stattdessen sinnvoller sein, bestehende Ansätze, die in vielen Branchen validiert wurden, als Ausgangspunkt zu nutzen. Dazu gehören z.B. die fünf Schlüsseldimensionen der Servicequalität: Zuverlässigkeit, Kompetenz, Erscheinungsbild, Einfühlungsvermögen und Kundenfreundlichkeit. Sie könnten dabei helfen, einen umfassenden Ansatz zur Messung der Kundenzufriedenheit zu finden.

Einzelne Metriken aus der Marketingpraxis

In der Marketingpraxis wird letztlich nicht versucht, das gesamte Kundenerlebnis abzubilden, sondern sich auf einige Kundenfeedback-Metriken zu konzentrieren. Unternehmen nutzen hier eher einfache Einzelmesswerte, die zudem für das Top-Management leicht verständlich sind und sich in Marketing-Dashboards darstellen lassen. Unternehmen tendieren also dazu, bestimmte Aspekte des Kundenerlebnisses zu messen, wie z.B. die Kundenmeinung zu einem bestimmten Zeitpunkt für eine einzelne Transaktion oder als übergreifende, verallgemeinerte Meinung. 

Lesetipp: Marco Hassler gibt Ihnen in seinem UPLOAD-Artikel einen umfassenden Überblick dazu, wie Sie Key Performance Indicators ermitteln und in Dashboards verfolgen.

Kundenzufriedenheit („Customer Satisfaction“) ist beispielsweise seit Jahren die dominierende Kundenfeedback-Messzahl. Marketing- und Verbraucherforscher haben tausende von Studien dazu erstellt: über die geschichtliche Entwicklung der Customer Satisfaction, ihre Messung in bestimmten Zusammenhängen sowie die verhaltensbezogenen und finanziellen Folgen der Kundenzufriedenheit.

Die Kundenzufriedenheit ist insofern als wichtige Kenngröße in der Marketingwissenschaft anerkannt, aber Beraterinnen und Berater haben auch neue Metriken vorgeschlagen. Konkret hat Frederick Reichheld 2003 in der Harvard Business Review den Net Promoter Score (NPS) erfolgreich als neue Kennzahl etabliert. Der Erfolg des NPS habe laut Katherine Lemon und Peter Verhoef zugleich mit Frustrationen der Unternehmen rund um die Kundenzufriedenheitsmetrik zu tun, da Änderungen dieses Punktestands oft als begrenzt angesehen werden und die Unternehmen nicht wissen, wie sie diese beeinflussen können. 

Demnach haben einige Unternehmen NPS in ihren internen (täglichen, wöchentlichen und monatlichen) Dashboards sowie in ihren Jahresberichten an die Aktionäre aufgenommen. Forscher sehen NPS als eine eher zukunftsorientierte Kennzahl, während die Zufriedenheit eine eher rückwärtsgerichtete Kennzahl ist.

Dabei ist der Sinn und Wert von NPS in der Forschung durchaus umstritten. Das allgemeine Fazit der ersten Studien dazu war, dass NPS nicht der Kundenzufriedenheit vorzuziehen ist. Neuere Studien haben eine differenziertere Sichtweise geliefert. Evert De Haan, Peter Verhoef und Thorsten Wiesel untersuchten 2015 die Vorhersagekraft dieser Metriken für die Kundenbindung und kamen zu dem Schluss, dass die Unterschiede zwischen NPS und Customer Satisfaction gering sind. Sie zeigen jedoch zugleich, dass die Kombination von Metriken die Vorhersageleistung verbessert. 

Neuere Untersuchungen haben sich auch auf den Wert relativer Kennzahlen (z.B. Zufriedenheit im Vergleich zu Wettbewerbern) als potenziell gute Indikatoren für das Kundenverhalten konzentriert.

Eine Untersuchung der Customer Journey sollte laut Katherine Lemon und Peter Verhoef außerdem die Auswirkungen mehrerer Touchpoints auf den Entscheidungsprozess und das Kaufergebnis berücksichtigen. Dies ist vor allem im Netz wichtig, wo Kunden mit zahlreichen der oben genannten Touchpoints interagieren und zum Beispiel Online-Händler wissen möchten, welchen Beitrag sie jeweils leisten. Nur so können sie schließlich ihre Online-Marketing-Budgets optimieren. Verschiedene Studien belegen allerdings, dass sich Touchpoints gegenseitig beeinflussen, was die Auswertung nicht gerade einfacher macht und letztlich zu Fehlschlüssen führen kann.

Die Autoren Lemon und Verhoef fassen die Erkenntnisse aus diesen Studien wie folgt zusammen:

  • Wenn sich der Kunde auf dem Weg zum Kauf befindet, nutzt er mehrere Touchpoints, die jeweils direkte und indirekte Auswirkungen auf das Kaufverhalten und andere Verhaltensweisen haben.
  • Obwohl es sich um ein komplexes und schwieriges Unterfangen handelt, ist es wichtig, die gesamte Customer Journey zu untersuchen und dabei die kritischen Touchpoints („moments of truth“ also „Momente der Wahrheit“) zu identifizieren, die den größten Einfluss haben.

Beispiel: Disneys Magic Band

(Foto: Walt Disney Parks and Resorts)

Eines ist sicherlich deutlich geworden: Es ist eine gewaltige Aufgabe, das gesamte Kundenerlebnis gestalten, verwalten und messen zu wollen. Wie das in der Praxis aussehen kann, zeigen Katherine Lemon und Peter Verhoef in ihrer Untersuchung am Beispiel Disney. 

Konkret geht es um Disneys „Magic Band“ und das Online-Tool MyMagicPlus für die Erlebnisparks. Beide arbeiten zusammen, damit die Besucher ihr ultimatives Disney-Erlebnis kreieren können. Das Unternehmen hat eine Milliarde Dollar in dieses Projekt investiert, das möglichst alle Reibungs- und Frustrationspunkte innerhalb der Disney-World-Erfahrung beseitigen soll. Das Angebot bettet dabei Technologie in alle Phasen des Kundenerlebnisses ein.

Die Magic Bands sind Armbänder für jedes Familienmitglied und kommen vor dem geplanten Urlaub an. Sie lassen sich im gesamten Park verwenden: Sie öffnen die Tür zum Hotelzimmer, gewähren Zutritt zu den Attraktionen,  sind Zahlmittel für Einkäufe und lassen sich von Disney nutzen, um den Gast im Park zu orten. Das Unternehmen nutzt den letzten Punkt, um zum Beispiel ein Treffen mit einer Disney-Figur perfekt zu organisieren, um das vorbestellte Menü an den Tisch des Gastes zu liefern oder um einen Gutschein per E-Mail zu versenden, wenn ein Gast zu lange in einer Schlange warten muss. 

Einerseits soll das Magic Band den nicht gerade preisgünstigen Ausflug so angenehm wie möglich machen. Andererseits gewinnt Disney darüber natürlich auch wertvolle Daten und Erkenntnisse, beispielsweise darüber, wie Menschen durch den Park strömen. Anhand dessen können sie u.a. Lebensmittel, Mitarbeiter und Services passend planen und einsetzen. Im Ergebnis geben die Besucher mehr aus und sind zufriedener. Gleichzeitig hat Disney einen effizienteren und effektiveren Betrieb. So jedenfalls die Hoffnung. 

Ob man jederzeit im Leben unter einer so umfassenden Überwachung stehen wollen würde, steht auf einem anderen Blatt. Die Diskussion rund ums Thema Datenschutz führt an dieser Stelle allerdings zu weit.

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Die Zukunft der Customer Experience und die Rolle des CMO

„Wer den CMO noch immer als Chief Megaphone Officer ansieht, ist in den 90ern stecken geblieben.“ – Jonathan Martin, CMO, Pure Storage

Während es in den letzten Jahren vor allem darum ging, die Wünsche und Bedürfnisse der Kunden zu verstehen, geht es jetzt um konkrete Maßnahmen, die die Kundeninteraktionen befördern – und das im großen Maßstab. Das ist ein Fazit aus einer Befragung der Economist Intelligence Unit, deren Ergebnisse unter dem Titel „The Path to 2020: Marketers Seize the Customer Experience“ veröffentlicht wurden. 499 internationale Chief Marketing Officers und Marketing-Manager haben daran teilgenommen.

Zugleich gilt: Eine durchgehend gut funktionierende Customer Experience zu liefern, wird in den nächsten Jahren noch deutlich komplexer. Mehr als die Häfte der Befragten glaubt, dass der sich beschleunigende technische Wandel, mobile lifestyles und immer mehr potenzielle Marketingkanäle über das physische Web das Marketing am meisten verändern werden. Im Jahre 2020 sehen sie mehrheitlich Social Media als wichtigsten Kanal an (63%), gefolgt vom Desktop-Web (53%), Mobile Apps (47%) und dem Mobile Web (46%). Klassische Kanäle wie TV, Radio oder Print rangieren abgeschlagen dahinter.

(Quelle: Economist Intelligence Unit)

Einer hervorragenden Customer Experience wird dabei zugleich mehr zugetraut als dem massenhaften Marketing mit der Werbe-Gieskanne. Eine personalisierte, effiziente und konsistene Customer Experience wird demnach zur Kundentreue und dem Markenwert beitragen.

Die Zukunft spielt sich bei alldem auf kleinen Displays ab – oder kommt ganz ohne Displays aus. Denn den größten Einfluss aufs Marketing erwarten die Befragten von mobilen Geräten und Netzwerken (59%) oder auch dem Internet der Dinge (39%).

(Quelle: Economist Intelligence Unit)

Der Report der Economist Intelligence Unit sieht dabei einen klaren Trend: Während der Wert von Unternehmen im Industriezeitalter davon abgeleitet wurde, wie gut sie harte Vermögenswerte wie Fabriken, Produktlinien und Vertriebskanäle verwalten, belohnt und bestraft das Informationszeitalter die Unternehmen anhand ihrer Markenführung. Der erhöhte Druck auf die Marketingverantwortlichen, den Wert von Marken für dieses neue Wettbewerbsumfeld zu steigern, verändere in der Folge die Art und Weise, wie CMOs ihre Kunden ansprechen.

Jonathan Martin, CMO of Pure Storage, wird wie folgt zitiert:

„Heute besteht die Hauptaufgabe von CMOs darin, das Kaufverhalten und die Absicht der Kunden sowie den Kontext zu verstehen, in dem sich jemand auf seiner Entscheidungsreise befindet, vorauszusagen, was er am ehesten als nächstes tun wird, und bereit zu sein, sie im richtigen Moment zu beeinflussen.“

Die Umfragedaten und Interviews zeigen laut Economist Intelligence Unit, dass CMOs ihre Abteilungen bis 2020 um personalisierte Kundenerlebnisse „als Kernstrategie zur Schaffung und Steigerung des Markenwertes“ neu organisieren werden.

Dieses Modell für den Markenaufbau basiere nicht hauptsächlich auf einer „Big Idea“ – einem einzigen, vereinheitlichenden kreativen Konzept, bei dem alle Marketingmaterialien erstellt und über klar definierte Medien- und Technologieplattformen an Millionen von Menschen verteilt werden. Stattdessen konzentrierten sich mehr führende CMOs auf Daten und Analysen, die ihnen dank „Big Capabilities“ ermöglichen, den unmittelbaren Kontext einer Person zu verstehen und ihre Ende-zu-Ende-Kundenerfahrung über Plattformen, Standorte und physische Objekte hinweg zu personalisieren.

Ähnlich sind die Ergebnisse der „2018 Digital Trends“: Personalisierte Erlebnisse in Echtzeit ausliefern zu können, sehen mehr als ein Drittel der Befragten als die vielversprechendste Chance in den nächsten drei Jahren an. Künstliche Intelligenz soll das ermöglichen. Laut des Reports setzen bislang aber nur 15 Prozent der Unternehmen auf KI-Werkzeuge. 31 Prozent planen deren Einsatz in den nächsten 12 Monaten.

Schlusswort

Wie dieser Überblick sicherlich zeigt: Das Kundenerlebnis ganzheitlich verbessern zu wollen, ist eine Mammutaufgabe. Es spielen viele Faktoren eine Rolle und nur einige davon stehen unter dem direkten Einfluss des Unternehmens. Klar scheint aber auch, dass eine gelungene Customer Experience mehr ist als schöne Verkaufsseiten, ein guter Kundendienst und passende Messzahlen zu finden. Es braucht zugleich ein internes Umdenken: Stand früher oftmals der Wert des Kunden fürs Unternehmen im Vordergrund („Customer Lifetime Value“), geht es nun umgekehrt um den Wert des Unternehmens, seiner Angebote und Dienste für den Kunden.


Dieser Artikel gehört zu: UPLOAD Magazin 60

Das Thema Customer Experience ist so wichtig wie vielseitig und unübersichtlich. In dieser Ausgabe erklären wir Ihnen nicht nur, was hinter dem Begriff steckt, sondern auch, was Sie konkret ableiten können. Wir zeigen, was Kunden laut einer aktuellen Studie begeistert und was sie abschreckt. Wir schauen uns an, wie Customer Experience im B2B-Umfeld aussieht. Und wir erklären, warum gutes Customer Experience Design bei den eigenen Mitarbeitern beginnt. Außerdem in dieser Ausgabe: Wir erklären die Folgen aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs zu Facebook Fanpages und werfen einen Blick auf Influencer-Relations für B2B.

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