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"Wir wollen eine virtuelle Welt des Buches schaffen"

Auf dem Portal BookRix hat jeder die Möglichkeit, seine Inhalte in Buchform zu veröffentlichen. Das Ergebnis ist zwar digital, von der Anmutung her aber einem gedruckten Buch nachempfunden. Das Repertoire ist groß und reicht von Mangas über Ratgeber und Romane bis hin zu Kinderbüchern. Zugleich ist BookRix ein Social Network, in dem sich Autoren und Leser begegnen. Gunnar Siewert verrät im UPLOAD-Interview, wie die Idee zu dieser Seite entstand, warum das Internet die Literaturlandschaft weniger verändert als die Musiklandschaft, wie wir nach seiner Einschätzung künftig lesen werden und ob Seiten wie BookRix vielleicht sogar Verlage überflüssig machen.

Bookrix
Gunnar Siewert, Alex Racic und Davor Drezga von BookRix. „MySpace für Bücher“.

1. Wie ist die Idee zu BookRix entstanden?

Meine Frau hatte ihr Kinderbuch fertig geschrieben und mich gefragt, ob ich eine Idee habe, wohin sie das schicken könnte. Ich stamme eigentlich aus der Musikbranche und hatte sofort den Einfall, nach so etwas wie „MySpace für Bücher“ zu suchen, also nach einem Weg, wie man das Buch online präsentieren und promoten kann. Wichtig dabei war, dass es sich bei dem Buch nicht nur um reinen Text sondern auch um dazugehörige Bilder gehandelt hat. Ich suchte also nach einer Plattform, auf der man Text und Bilder in einer entsprechenden Buchform veröffentlichen kann, bin dabei aber nicht fündig geworden. So kam erstmals die Idee auf, ein solches Portal selbst auf die Beine zu stellen.

2. Was ist Euer Antrieb, Eure Motivation, vielleicht auch: Eure Vision?

Wir wollen das Buch in einer ansprechenden Form ins Netz bringen und eine „Bookunity“ aufbauen, eine Art MySpace mit klarem Fokus auf Bücher und das geschriebene Wort im Allgemeinen. Ein Ort an dem man seine Werke digital veröffentlichen und präsentieren kann, sie mit den anderen Usern und dem Rest der Welt teilt. Ein Ort im Netz an dem man sein eigenes Buch promotet, andere Menschen die sich für das Lesen und Schreiben begeistern können kennenlernt und sich mit Ihnen austauschen kann. Wir wollen eine virtuelle Welt des Buches schaffen, in der sich der User ganz nach seinen Interessen als Autor, Leser, Kritiker oder Verleger bewegen kann – und das frei von den Einschränkungen und Barrieren die sich im physischen Literaturbetrieb bzw. der Verlagswelt finden. Jeder hat hier Zugang und die Chance z.B. als Autor neue Leser zu finden und seine Erfolgsgeschichte selber in die Hand zu nehmen. Das Netz kennt keine Genzen und es ist möglich, weltweit zehntausende Menschen mit dem eigenen Buch zu erreichen, ohne dabei auf einen Verlag angewiesen zu sein.

3. Inwiefern verändert das Internet aus Eurer Sicht auch die Literaturlandschaft, wo doch gerade das Buch besonders an sein traditionelles Medium Papier gebunden zu sein scheint?

Wir sehen bei BookRix den großen Anteil, den Kurzgeschichten an der Gesamtmenge der eingestellten Bücher haben. Kurzgeschichten sind in digitaler Form offenbar einfacher zu konsumieren als es beispielsweise ganze Romane sind. Die Aufmerksamkeitsspanne und Leseausdauer sprechen dafür, dass das Lesen längerer Texte auf Papier noch immer einfacher weil gewohnter ist. Dementsprechend wird der Wandel in der Literaturlandschaft wohl nicht im selben Maße vollzogen werden wie es beispielsweise in der Musikbranche der Fall war. Ob ich eine mp3 oder eine CD höre ist in der Handhabung kein immenser Unterschied, ein mp3-Player macht das Medium sogar mobiler im Vergleich mit dem guten alten Walkman. In der Literaturbranche ist das Buch bislang immer noch die mobilere Lösung verglichen mit z.B. einem Laptop. Zudem musste man beim Umstieg von der CD auf mp3s seine Hörgewohnheiten nicht in dem Maße bewusst anpassen, wie es im Falle des Umstiegs vom Buch auf mobile Lesegeräte der Fall ist.

Dementsprechend wird der Wandel nicht so radikal erfolgen, dennoch wird es ihn vor allem in Bezug auf die Verbreitung von und die Nachfrage nach bestimmten Formaten – wie Kurzgeschichten – geben, so wie die Zeitungen irgendwann ihren Stellenwert als wichtiges Medium für Literatur – auch hier vor allem Kurzgeschichten – zugunsten einer Konzentration auf längere Texte in Form von durch Verlage herausgebrachte Bücher verloren haben.

Screenshot Bookrix
Screenshot von Bookrix. „Jeder hat hier die Chance, seine Erfolgsgeschichte selbst in die Hand zu nehmen.“

4. Wie werden wir wohl in Zukunft (hauptsächlich) Bücher lesen? Auf Papier? Auf einem speziellen Lesegerät wie dem Kindle? Oder auf einem Gerät, das wir sowieso bereits haben, wie PC, Fernseher, Laptop oder Handy?

Der Erfolg des Trägermediums – ob Buch, PC oder Lesegerät – wird vor allem in seiner Mobilität liegen. Das betrifft nicht nur die Lesewilligen morgens in Bus und Bahn auf dem Weg zur Arbeit, sondern auch jeden, der Bücher auf dem Sofa, im Bett, im Sommer auf dem Balkon, etc. liest. Mobilität fängt in Bezug auf den PC beispielsweise da an, wo ich mich vom Schreibtisch entferne. Verständlicherweise wählen die meisten Leser dabei eher ein Buch als z.B. einen Laptop.

Erfolgreicher werden hierbei wohl die speziellen Lesegeräte sein, da sie auf die Anforderungen an ein Lesemedium gerade auch für längere Texte eingehen. Das Gewicht spielt dabei sicher eine Rolle, aber auch wie leicht der Leser seine Lesegewohnheiten vom Buch auf das Lesegerät umstellen kann. Eine augenfreundliche, praktische Anzeige ist dabei sicher erfolgsversprechender als eine durchdesignte Anwendung mit vielen Extras.

Einige Features, die ein klassisches Buch nicht bietet, werden aber sicher auch für die Lesegeräte entscheidend sein. Die Einstellbarkeit der Schriftgröße ist dabei ein Beispiel, oder auch eine Hintergrundbeleuchtung des Displays für nachts Lesende.
Ob die Lesegeräte das klassische Buch wirklich ablösen können bleibt abzuwarten, aber im Laufe der sich wandelnden Lesegewohnheiten (jüngere Generationen sind bereits ganz anders auf das Lesen z.B. von Nachrichten oder kurzen Texte am Display geprägt) werden gut entwickelte Lesegeräte sicher die besten Chancen haben, sich auch gegen das Buch durchzusetzen.

5. Im Musikmarkt sagen einige das Ende der bisherigen Geschäftsmodelle voraus. Wie sieht das Eurer Meinung nach für den Buchmarkt aus und wovon werden Autoren demnach in Zukunft leben?

Da – wie bereits angesprochen – der Wandel in der Literaturlandschaft vermutlich nicht so radikal vollzogen werden wird wie es im Musikmarkt der Fall war, bleibt den Verlagen und Autoren wesentlich mehr Zeit, sich auf die Veränderungen einzustellen. Zudem ist das Internet heutzutage auch wesentlich professioneller und kalkulierbarer zu erschließen als es beispielsweise vor zehn Jahren noch für die Musikindustrie war. Die Möglichkeiten des Online Marketings oder des eCommerce beispielsweise sind heute kein Geheimnis mehr.

Auf Autorenseite zeigen ja bereits einige Vorreiter wie Cory Doctorow, dass man das Netz und die unterschiedlichsten Formate erfolgreich einsetzen kann, um sich als Autor zu promoten.

6. Und wovon will BookRix leben?

Die Nutzung der BookRix-Seite ist und bleibt auf jeden Fall kostenlos. Von klassischer Banner-Werbung alleine kann man heutzutage jedoch nicht wirklich leben. Anhand von MySpace und YouTube konnte man beobachten, dass sich Geschäftsmodelle oft erst mit dem Wachstum entwickeln. Es hat sich aber auch herauskristallisiert, dass Modelle mit kostenplichtigem User Generated Content von unbekannten Leuten einfach nicht funktionieren. Deshalb entwickeln wir u.a. spezielle neue Werbeformen und planen Premium Dienste im mobilen Bereich .

7. Theoretisch könnte ein Social Network wie BookRix beispielsweise Verlage überflüssig machen. Die Community entscheidet, was erfolgreich ist. Wie schätzt Ihr das ein?

Ich denke, das ist nur teilweise richtig. Web 2.0-Communitys leben von einer Art User-Demokratie. Wie erfolgreich ein einzelner Autor ist, hängt aber nicht nur von der Qualität seiner eingestellten Inhalte ab. Entscheidend ist auch, wieviel Zeit er in dieser Community aktiv verbringt und wie geschickt er darin ist, sich ins Gespräch zu bringen. Um dafür zu sorgen, dass sich auch die Qualität durchsetzt, entwickeln wir eine Art virtuelle Verlagsstruktur innerhalb der BookRix-Community. User mit viel Engagement stellen in selbst gegründeten „virtuellen Verlagen“ ihre Auswahl zusammen. Wie erfolgreich dieser virtuelle Verlag dann ist hängt wiederum von dem Interesse und der Akzeptanz in der Community zusammen. Letztlich entscheidet die Community, wir können uns aber vorstellen, dass auch klassische „echte“ Verlage einen Nutzen in dieser Struktur sehen könnten, indem sie dort beispielsweise ihr eigenes Verlagsprogramm vorstellen. Die Leser auf BookRix entscheiden dabei ungefähr auf die selbe Art wie die Buchkäufer im Buchhandel. Nur wird es im BookRix-System der Community einfacher gemacht, sich selbst auf der Seite zu versuchen, die im klassischen Buchmarkt den Verlagen vorbehalten ist.

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Das Interview gehört zur „Themenwoche Buch 2.0“ auf UPLOAD. Hier gibt es alle Beiträge dazu…

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1 Gedanke zu „"Wir wollen eine virtuelle Welt des Buches schaffen"

  1. Interessantes Startup, das gewisse Parallelen zur readbox aufweist. Schön, dass allmählich auch in diesen Markt Bewegung kommt und dass es junge Firmen sind, die die Entwicklung vorantreiben.

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