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Paulo Coelho, Literat und Internetfan

Paulo Coelho ist einer der wenigen Schriftsteller, der ins Internet geradezu verliebt ist. Radikal bricht er mit tradierten Vorstellungen des Buchmarkts. Er empfindet das Netz nicht etwa als Gefahr, eine Segnung sei es, erklärt er. Wo andere ängstlich auf ihren Werken sitzen, gibt er sie frei. Seine Erkenntnis: Nur wer etwas verschenkt, bekommt etwas zurück. Dass das funktionieren kann, hat er selbst bewiesen.

Paulo Coelho auf dem DLD 08 in München
Paulo Coelho auf dem DLD 08 in München. Foto: nrkbeta (Lizenz)

Gut: Wenn ein millionenfach gelesener Schriftsteller dazu auffordert, das Urheberrecht zu überdenken, wirkt das erst einmal wenig beeindruckend. Er hat schließlich durch das bestehende Urheberrecht sicher nicht schlecht verdient. Aber bei Paulo Coelho liegt die Sache etwas anders. Er stellte sein Buch „Der Alchemist“ auf Russisch kostenlos zum Download bereit, als er wegen Vertriebsproblemen im ersten Jahr nur 1.000 Bücher in Russland verkaufen konnte. Nun sollte man denken: Wenn es das Buch kaum zu kaufen gibt und stattdessen sogar kostenlos im Internet heruntergeladen werden kann, dürfte er in Russland nichts mehr verkauft haben. Aber das Gegenteil ist der Fall: Erst der kostenlose Download brachte den Durchbruch. Im nächsten Jahr verkaufte er 10.000 Bücher, im Jahr darauf 100.000.

Nicht zufällig ist Paulo Coelho auf Internet- und Technologie-Events wie dem DLD in München oder der LeWeb in Paris zu finden. Der brasilianische Literatur-Weltstar liebt das Internet. Mit seinen Lesern über das Netz in Kontakt treten zu können, sei eine „Segnung“ zitiert ihn Werner Pluta. Man glaubt es sofort, wenn man seine MySpace-Seite sieht: Der Hintergrund besteht aus lauter Bildern seiner Leser. Seit mehr als drei Jahren ist er auf MySpace aktiv. Aber natürlich ist er auch auf Facebook oder Flickr zu finden.

Dass er eine eigene Website hat, unterscheidet ihn sicher nicht wesentlich von anderen Stars. Dass er bloggt, schon eher. Und dass er darin auf ein Blog verlinkt, das nur auf „raubkopierte“ Versionen seiner Bücher verweist, dürfte einmalig sein. Das helfe ihm, mehr Bücher zu verkaufen, erklärte er gegenüber Michael Arrington von TechCrunch. Aber es kommt noch besser: Er selbst habe dieses Blog aufgesetzt, gestand er dem Publikum auf dem DLD in München. Paulo Coelho also als Pirat der eigenen Werke.

Paulo Coelho auf der LeWeb 08 in Paris

Paulo Coelho auf der Le Web 08 in Paris. Foto: cvander (Lizenz)

Seine Lust am Experimentieren mit dem Netz bringt dabei auch vollkommen neue Projekte hervor, so zum Beispiel den Film „The Experimental Witch“. Nutzer konnten Videos und Musik einreichen. Einige davon fließen in den Film ein, der auf Coelhos Buch „Die Hexe von Portobello“ basiert.

Alles in allem gesehen dürfte Paulo Coelho wohl so geschickt wie kein anderer Literat das Internet für seine Zwecke nutzen. Wie im Fall Russland geht er dabei durchaus auch Risiken ein.

Aber bevor die Freunde der Kostenloskultur und der Kulturflatrate gleich vor Glück in Tränen ausbrechen: Ganz so konsequent ist Paulo Coelho dann doch wieder nicht. Denn ansonsten müsste sein Gesamtwerk ja längst kostenlos auf seiner Website zum Download bereitstehen – was offensichtlich nicht der Fall ist.

Zudem profitiert er praktisch davon, dass man elektronische Bücher heute nur unbequem lesen kann: auf dem Handy, dem Laptop oder dem PC. Wer mag das schon dauerhaft tun? Sollten sich spezielle Lesegeräte mit augenfreundlichen Bildschirmen und ohne Rechtemanagement in den nächsten Jahren durchsetzen, ergäbe das eine ganz neue Situation.

Im Grunde nutzt Paulo Coelho somit vor allem sehr geschickt die Möglichkeiten, die sich ihm bieten. Er weiß, wie man Aufmerksamkeit bekommt. Und er weiß, wann man etwas verschenken muss, um danach um so mehr verkaufen zu können. Eine Revolution ist das nicht. Aber das muss es ja auch nicht immer sein. Und mir ist es immer noch lieber als jene Leute, die ihre Fans vor Gericht zerren.

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4 Gedanken zu „Paulo Coelho, Literat und Internetfan

  1. Ich war erstaunt, dass ein Autor dieses Formats, sich Zeit nimmt um auf E-mails zu antworten…Mit Sicherheit hat er mehr zu tun.Ich war begeistert, ein Antwort erhalten zu haben.
    Auf jeden Fall werde ich ihm wieder schreiben…
    Seine Bücher sind für mich, etwas Besonderes, er schreibt, was die Wirklichkeit ist. Der Neid den er von vielen anderen Publizisten bekommt, ist
    nichts anderes, als die gescheiterten Versuche,in die Literaturwelt einzugehen. Ich kann nur für mich sprechen und finde ihn ein neuen Genius
    am Literaturhimmel.
    Was bringen uns denn die Neuzeitversuchsliteraten? Sofern ich andere Kritiker, richtig verstehe, gab
    es in den letzten Jahren, nicht wirklich gute, vor allem in Deutschland.
    Und nicht jeder mag Trivial…

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