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Das „Stories“-Format erobert das Social Web: Was Unternehmen jetzt wissen müssen

Snapchat hat sie erfunden, Instagram hat sie einem breiten Publikum bekannt gemacht, inzwischen kann man ihnen kaum noch entkommen: Gemeint sind die „Stories“. Sie können enorme Wachstumsraten vorweisen. Facebooks Produktchef Chris Cox sagt gar voraus: Stories werden im nächsten Jahr zum vorherrschenden Format im Social Web. Was an dieser Aussage dran ist und was das für Unternehmen und ihr Marketing bedeuten könnte, beleuchtet Jan Tißler in diesem Artikel.

Symbol Instagram Stories
(Foto: Jan Tißler)

Was ist das Stories-Format?

„Stories“ ist ein sehr allgemeiner Name für eine sehr spezifische Sache. Gemeint ist eine automatisch ablaufende Folge von Elementen wie Fotos und Videos, die sich außerdem in der Regel nach 24 Stunden wieder von selbst löschen. Man kann seine Werke mit allerlei Mitteln aufpeppen, verzieren oder auch verschlimmbessern – je nach Talent und Geschmack. Ihren Ursprung haben sie bei Snapchat.

Der Reiz daran: Stories wirken weniger einschüchternd und sind zugleich spielerischer. Man kann ungezwungener sein und sich auch mal „authentisch“ geben, wie es ja so gern im Social-Media-Marketing-Sprech heißt. Nicht alles muss vorgeplant und perfekt inszeniert sein.

Nicht zuletzt sind sie ein mobil geborenes Format: hochkant, bildschirmfüllend und mühelos mit dem Daumen zu bedienen. Sie sind der kleine Blick in anderer Leute Leben, den man auch mal eben zwischendurch wagen kann.

Und das alles in einer Welt, die sich zunehmend um die mobile Nutzung dreht.

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Facebook: Vom Kopierer zum Innovator

Facebook hat das Potenzial der Stories erkannt und sie kurzerhand für Instagram kopiert. Im ersten Schritt waren die Instagram Stories so schamlos von Snapchat abgeschaut, dass selbst Instagram-Chef Kevin Systrom es unumwunden zugab. Inzwischen aber hat Instagram sein eigene Version des Formats weiter entwickelt. Vor allem haben die Macher es zugänglicher gemacht und weniger radikal als das Vorbild. So konnte man von Anfang an auch zurückspringen und hatte mehr als eine Chance, sich innerhalb von 24 Stunden eine Story anzuschauen. Einiges davon hat dann wiederum Snapchat in sein eigenes Angebot zurückkopiert. Und nicht alles ist flüchtig: Auf Instagram kann man seine gelungensten Story-Momente dauerhaft auf dem Profil festhalten.

Obwohl oder gerade weil die Instagram Stories wie eine zweite App in der Instagram-App auftreten, haben sie einen erstaunlichen Siegeszug angetreten. Es war offenbar eine gute Idee von Facebook, dieses bildlastige Format mit seiner bildlastigen App testen zu lassen. Das zeigen nicht zuletzt die Zahlen: 300 Millionen täglich aktive Nutzer konnte man zuletzt vermelden. Das ist deutlich mehr als Vorbild Snapchat, das auf 190 Millionen für seine gesamte App kommt. Siehe dazu auch die Infografik weiter unten.

Inzwischen haben die Instagram Stories nicht nur enorm an Funktionalität hinzugewonnen, sie sind nun ebenfalls mehr und mehr mit Werbung durchsetzt. Und nicht zuletzt gelten sie als einer der wichtigsten Wege, um heutzutage auch als Unternehmen auf Instagram voran zu kommen. Wer mit seinem Profil wahrgenommen will, kommt um Stories kaum herum.

Nachdem die Instagram Stories ein so großer Erfolg waren, hat Facebook erst richtig Gas gegeben. Jede App, die nicht bei drei auf dem Baum war, hat sie bekommen: Facebook selbst, der Facebook Messenger und auch WhatsApp – hier „Status“ genannt. Die Kamera rückt immer mehr in den Vordergrund. Und vermehrt wird sie um Augmented-Reality-Elemente erweitert. Manche davon sind spielerisch und für kreative Selfies gedacht. Andere richten sich an den E-Commerce und sollen zum Einkauf anregen, wie bei der Messenger AR-Plattform.

Facebook Messenger AR Beispiel Nike
Nike gehört zu den Marken, die mit der AR-Plattform innerhalb der Messenger-Kamera experimentieren können.

Facebook denkt außerdem aktiv darüber nach, wie sich Stories zu einem Gemeinschaftserlebnis machen lassen. Sie wollen sozusagen das „Social“ zurückbringen. Produktchef Chris Cox hatte dazu auf der hauseigenen Entwicklerkonferenz „F8“ einige konkrete Beispiele parat: Wenn eine Kinder-Mannschaft Fußball spielt, könnten die Eltern gemeinsam eine Story zum Match erstellen. Oder eine Gruppe Freunde hält auf diese Weise ein Konzert fest.

Aber nicht nur Facebook hat sich begeistern lassen. Auch Skype will hip und modern sein und hat sowohl ein kunterbuntes Redesign bekommen als auch Stories. Google experimentiert mit dem Format für News. YouTube hat seine Stories. Twitter wiederum hatte seine „Moments“-Funktion bereits 2016 für alle geöffnet.

Bleibt noch zu erwähnen, dass alle diese verschiedenen Stories inkompatibel zueinander sind. Es gibt kein offenes Stories-Format. Selbst die Stories-Funktionen in Facebooks Universum haben alle leicht unterschiedliche Funktionalitäten. Immerhin kann man hier oftmals von einer App zur anderen cross-posten, also eine Story mehrmals verwenden.

Google News AMP Stories
„AMP Stories“: Google News probiert das Format für Nachrichten aus.

Zahlen und Fakten: Wie wichtig sind Stories heute und morgen?

Aber sind Stories nicht nur etwas für Teenager? Weit gefehlt: Chris Cox hatte auf der F8 so manchen mit der folgenden Aussage verblüfft:

Die Steigerungsraten beim Stories-Format legen nahe, dass es Feeds im nächsten Jahr als den vorherrschenden Weg ablösen wird, auf dem Menschen etwas mit ihren Freunden teilen.

„Feeds“ sind das, was wir heute kennen, wenn wir ein Social Network wie Facebook oder Twitter aufrufen: Posts verschiedener Art in einer Liste präsentiert. Früher war diese Liste umgekehrt chronologisch sortiert. Heute ist meistens eine Automatik (Algorithmus) im Hintergrund aktiv, um die angeblich besten und für uns interessantesten Postings hervorzuheben.

Facebook ist sicherlich das prominenteste Beispiel wenn es um Feeds geht, hat aber auch dieses Format nicht komplett selbst erfunden. Vielmehr hatte man Vorreiter FriendFeed erst kopiert und schließlich im August 2009 eingekauft. Selbst der heute so berühmte „Like“ stammt nebenbei bemerkt von FriendFeed und nicht von Facebook.

Interessanterweise war Facebooks Produktchef auch damals schon Chris Cox. Er hat also einiges an Erfahrung und man kann seinem Wort entsprechendes Gewicht zuordnen. Zugleich gibt es aber auch klare Zahlen, die seine Vorhersage unterstützen. Laut Beratungsunternehmen Block Party haben Stories seit Anfang 2016 um 842 Prozent zugelegt. Zwischen dem 2. Quartal 2016 und dem dritten Quartal 2017 sind sie demnach 15 Mal schneller gewachsen als Feeds.

Die Folgen für Unternehmen und Marketing

Stories leben oftmals davon, dass sie ungefiltert wirken, auch mal verrückt, gerne humorvoll und auf jeden Fall nicht langweilen dürfen. Das sind alles Punkte, die den meisten Unternehmen nicht gerade leicht fallen dürften. In manchen Fällen allein schon deshalb, weil es schlichtweg nicht zum Markenimage und der angestrebte Zielgruppe passt.

Trotzdem gibt es für viele Unternehmen Mittel und Wege, sich an das Stories-Format heranzuwagen und damit zu experimentieren.

Ein Ansatz ist es, die Stories zum Anlass zu nehmen, um sich tatsächlich einmal weniger formell, glattgeschliffen und vorgeplant zu zeigen. In welchem Maß, muss dabei immer individuell entschieden werden. Wichtig ist es, dass es trotzdem zum Unternehmen, seinen Produkten, dem Markenimage und den eigenen Kunden passt. Kaum etwas ist peinlicher, als ein konservativer Konzern, der sich mit aufgesetzter Jugendlichkeit anbiedern möchte. Aber ein bisschen lockermachen kann man sich schon. Warum nicht einmal einen Blick hinter die Kulissen geben? Mitarbeiter als Markenbotschafter zu Wort kommen lassen? Sich von einer menschlichen Seite zeigen?

Ein anderer Ansatz ist es, das Stories-Format passend neu zu interpretieren. Es ist schließlich in erster Linie wichtig, dass die eigenen Inhalte interessant und sehenswert sind. Die können unterhaltsam sein, aber durchaus auch einfach nützlich. Vielleicht bietet sich für Ihr Unternehmen so etwas wie ein Gedankenanstoß des Tages an, oder eine Anleitung des Tages. Eine Story kann auch eine Präsentation sein, bei Instagram wurde dazu eigens ein Text-Format innerhalb der Stories eingeführt. Das kommt vielen entgegen, die eben nicht viel zeigen können oder wollen, aber einiges zu sagen haben.

Bei alldem gilt als Grundsatz: Man sollte also als Unternehmen beim Blick auf Stories von Privatpersonen nicht denken, dass die eigenen Inhalte genau so aussehen müssten. Das müssen sie nicht und in vielen Fällen sollten sie das auch gar nicht.

Instagram Stories Ad Spotify
Beispiel für eine Instagram Stories Ad, in diesem Fall von Spotify (Quelle: Sproutsocial)

Und wie schon weiter oben erwähnt: Stories werden zunehmend auch zur Plattform für Werbung. Das können einzelne Bilder und Videos sein, die man als Anzeige bucht. Bei Instagram sind auch mehrere Elemente möglich. Oder sofern Sie ein Instagram-Business-Profil mit mehr als 10.000 Followern haben, können Sie auch in einer unbezahlten Story einen Link einbauen und zum Besuch einer Website auffordern.

Einerseits ist das Stories-Format eine gute Nachricht für werbetreibende Unternehmen, denn solche Botschaften können sehr viel interessanter, ansprechender und emotionaler sein als bloßer Text mit Bild auf der Facebook-Startseite. Andererseits sind diese Formate aber natürlich deutlich aufwändiger in Konzeption und Umsetzung.

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Ausblick und Schlusswort

Es kann gut sein, dass Stories nur eine vorübergehende Erscheinung sind und wir in vier, fünf Jahren über den heutigen Hype lächeln. Oder es ist der Startpunkt zu neuen Formaten im Social Web und andernorts, die wir heute noch gar nicht absehen können. Das Internet entwickelt sich schließlich laufend weiter. 

Als zum Beispiel Facebook 2006 den ersten Vorläufer dessen zeigte, was wir heute als „Feed“ kennen, mussten Tech-Journalisten es noch umständlich erklären. Seine Weiterentwicklung 2008 wurde als „Kombination aus Activity Streams und Microblogging“ beschrieben. Heute können wir uns Facebook und andere Angebote gar nicht mehr anders vorstellen.

Aber unabhängig davon, ob es Stories in dieser Form auch in einigen Jahren noch gibt oder sie unterdessen eine neue Gestalt angenommen haben: Sie sind bereits heute beliebt genug, um für Unternehmen interessant zu sein.

Wichtig ist es, die passenden Ideen für dieses Format zu entwickeln. Mit den bisherigen, auf Postings basierenden Taktiken des Social-Media-Marketings kommt man hier nicht weit. Im Grunde lässt sich das so ähnlich betrachten wie der Unterschied zwischen Text- und Video-Inhalten: Wer als Unternehmen auf YouTube erfolgreich sein will, wird auch nicht zwingend die Kanäle von Einzelpersonen kopieren wollen. Vielmehr geht es darum, etwas einzubringen, was zum Medium und zum eigenen Unternehmen passt. Zugleich aber kommt man mit der Text-Denke bei Videos nicht weit. Sie erfordern andere Ideen und andere Konzepte.

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Dieser Artikel gehört zu: UPLOAD Magazin 59

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