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Customer Experience im B2B-Umfeld: Auch in Unternehmen sitzen Menschen!

Zwar muss die Customer Experience im B2B-Bereich anders gedacht werden als im B2C-Umfeld. Schließlich sind die Entscheidungswege hier ganz andere. Aber wie Lucien Koch in diesem Artikel aufzeigt, hat man es trotzdem mit Menschen zu tun und sollte das immer in den Vordergrund stellen. Wie das gelingen kann, zeigt er anhand konkreter Beispiele aus der Praxis.

(Foto: © AllaSerebrina, depositphotos)

Einführung

Betrachtet man die Unterschiede zwischen B2B- und B2C-Kommunikation, könnte man den Eindruck gewinnen, dass Mitarbeiter von Unternehmen ihr „Menschsein“ an der Garderobe abgeben, sobald sie ihre Arbeitsstätte betreten. Die logische Konsequenz ist die oft gehörte Einstellung, in der B2C-Kommunikation gehe es um Gefühle, Storytelling und unbewusste Kaufentscheidungen, während in der B2B-Welt Rationalität, Fakten und schnörkellose Sprache zählten. Das gelte besonders für technische Bereiche, in denen oft Ingenieure oder technische Einkäufer die Entscheidungen treffen. 

Natürlich ist dies zu kurz gedacht, schließlich bleiben Mitarbeiter Menschen, auch wenn sie im Büro arbeiten und ja, auch Ingenieure sind Menschen. So gesehen ist auch die Erfahrung, die B2B-Kunden machen – die Customer Experience – eine menschliche Erfahrung und nicht die einer Maschine, die blind Produkte und Dienstleistungen nach festen Parametern auswählt.

Was bedeutet dies für die B2B-Kommunikation? Und welche Unterschiede gibt es dennoch zwischen der Ansprache von B2B- und B2C-Zielgruppen? Um das herauszufinden, sollten wir uns aus meiner Sicht auf den Menschen konzentrieren.

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Priming: das Unterbewusstsein spielt mit

Die Wissenschaft weiß schon lange, wie wichtig unterbewusste „Prägungen“ für unsere Entscheidungsfindung sind. Experimente zeigen beispielsweise, dass sich Menschen in Spielsituationen weniger kooperativ verhalten, wenn Bilder den Raum zieren, auf denen Dollarscheine abgebildet sind. Auch die Wortwahl – die Tonalität – prägt Menschen: Lesen Probanden einen Text, in dem viele Wörter vorkommen, die mit dem Thema „Altsein“ zu tun haben, laufen sie erstaunlicherweise anschließend langsamer als diejenigen, die Texte ohne diese Wörter lesen. All dies geschieht unbewusst.

Diese „Priming-Effekte“ sind in der Kommunikation allgemein bekannt und einer der Gründe, warum das Image einer Marke so wichtig ist. Im B2C-Bereich ist dies offensichtlicher: Beispielsweise setzen Automobilhersteller darauf, ihre Zielgruppen mit emotional aufgeladenen Erlebnissen zu „primen“, damit diese die Marke beim nächsten Autokauf in Betracht ziehen. Oft liegt zwischen Priming und Kauf ein langer Zeitraum: Etwa, wenn der Kunde durch Werbung, Sponsoring oder Online-Aktivitäten die Story der Marke wahrnimmt und ein Jahr später als erstes die Angebote dieses Herstellers anschaut. Wie sieht es aber im B2B-Bereich aus? Auch hier greifen dieselben Muster, wobei die konkrete Umsetzung durchaus anders aussehen kann.

Lesetipp: Im UPLOAD-Beitrag über Customer Experience von Jan Tißler erfahren Sie mehr darüber, wie Verbraucher aus verschiedensten Richtungen bei ihren Entscheidungen beeinflusst werden.

Dazu ein Beispiel: Für einen Hersteller von speziellen Datenkabeln für den Industriebereich wurden Datenblätter entwickelt, die potenziellen Kunden die Produkte und Anwendungen zeigen sollten. Gemäß der oben zitierten landläufigen Meinung könnte man auf die Idee kommen: Je mehr Daten, je mehr Graphen, desto besser. Doch der Ansatz war ein anderer: Durch Nachfragen und Nachforschung stellte sich heraus, dass eigentlich nur zwei Zahlen entscheidend sind. Also wurden diese sehr prominent dargestellt. Abgesehen davon wollte man der Zielgruppe etwas zu entdecken geben: Das geschah in Form eines beschrifteten 3D-Renderings, das den technischen „Nerd“ anspricht. Dem macht es schließlich Freude zu verstehen, wie etwas funktioniert, auch wenn es für die Entscheidungsfindung wenig relevant ist. Dem Kunden wurde also gezeigt, dass man ihn ernstnimmt und er deshalb guten Service bekommt. Und er hat ein positives Erlebnis gehabt. Wenn er das nächste Mal diese speziellen Datenkabel benötigt, ist er positiv auf den Anbieter „geprimt“.

Rationalität ist anstrengend

Was fällt Ihnen leichter anzuschauen: ein Actionfilm oder ein Lehrfilm über Mathematik? Nachdenken ist anstrengend, besonders, wenn es ungewohnte Denkprozesse erfordert. Der Mensch vermeidet unnötiges Denken instinktiv.

In seinem Bestseller „Schnelles Denken, langsames Denken“ hat Nobelpreisträger Daniel Kahnemann dieses Phänomen populär gemacht und gezeigt, wie oft wir Entscheidungen schlicht aus gedanklicher Bequemlichkeit treffen und diese dann erst hinterher „rationalisieren“.

Usability-Experten, UX-Designer und Texter kennen diese menschliche Trägheit allzu gut: Benutzer von Webanwendungen und Online-Shops sind beispielsweise ziemlich schnell weg, wenn sie die Benutzerführung nicht sofort und intuitiv verstehen, nicht „an die Hand genommen“ werden oder langwierige Prozesse absolvieren müssen. Komplexität zu reduzieren ist also essenziell – auch im B2B-Bereich.

Lesetipp: In einem eigenen UPLOAD-Beitrag erfahren Sie, was die Unterschiede zwischen Usability und User Experience sind und wie Sie mit einer gelungenen UX Ihre Nutzer begeistern.

Auch hierzu ein Beispiel: Für einen Händler von Teilen für den Maschinenbau hat das Team eine Landing-Page konzipiert mit dem Ziel, den Online-Verkauf besonders an Automobilzulieferer anzukurbeln und gleichzeitig die Marke zu stärken. Entscheidend war es dabei die Auswahlmöglichkeiten zu reduzieren, die Informationen zu priorisieren und die richtige Sprache zu nutzen – in Wort und Design. Beispielsweise ist es in der Automobilindustrie wichtig, dass Produkte von den entsprechenden Autoherstellern freigegeben wurden. Diese Information musste prominent und clever aufbereitet werden. User-Research und Test-Sessions haben außerdem gezeigt, dass „Marketingtexte“ von der Zielgruppe ignoriert werden, die präzise Wort- und Bildauswahl aber essenziell für die Benutzerführung sind. Die User wünschten keine vagen Texte, reagierten aber positiv auf die „Hintergrund-Story“, die ebenfalls vermittelt wurde – bestehend aus präzise formulierten Vorteilen und Testimonials. Präzise heißt dabei nicht zwangsläufig trocken und technisch, sondern abgestimmt auf die Welt derjenigen, die man erreichen will.

Es ist also nicht so, dass B2B-Zielgruppen weniger emotional sind oder immer rational entscheiden – auch sie scheuen gedankliche Anstrengung und Komplexität. Allerdings sieht für sie ein emotional positives Erlebnis zuweilen anders aus als für B2C-Zielgruppen. Beiden gemeinsam ist, dass es auf das Erlebnis, die Erfahrung ankommt: Wie fühle ich mich während und nach der Interaktion mit dem Unternehmen? Was habe ich von der „Hintergrund-Story“ mitgenommen? Verstehen die mich? Auch hier gilt: Je geringer die nötige Anstrengung, je positiver das Gesamterlebnis, desto eher entscheidet sich der Kunde „aus dem Bauch heraus“ für den Anbieter.

Schritt für Schritt

Einen effektiven Weg von der Empathie hin zu konkreten Kommunikationsmaßnahmen zeigt die Wiesbadener Customer-Experience-Beratung die firma auf, deren Anliegen es ist, Customer Experience-Ansätze im B2B-Bereich zielorientiert auszugestalten. Dies ist nicht der Ort, um das Thema im Detail zu behandeln, als Inspiration für die Arbeit im B2B-Bereich möchte ich jedoch einige Aspekte des Beratungsansatzes „Webthinking“ vorstellen. 

Von der Zielgruppe zur Story: eine Heldenreise

Schritt 1: Zielgruppe

Um ein positives Erlebnis zu schaffen, brauchen wir Empathie, also Einfühlungsvermögen. Dafür müssen wir die Zielgruppe kennen. Im ersten Schritt geht es also um den ausführlichen Research. Persona-Profile sind ein gutes Mittel, die gewonnenen Erkenntnisse zu ordnen, denn sie berücksichtigen die menschliche Dimension und sind in der Praxis gut verwendbar. Wichtig im B2B-Bereich ist es, herauszufinden, welche Personen innerhalb der Zielgruppe wirklich entscheidend sind und sich auf diese zu konzentrieren. Je nach Geschäftsfeld ist die Zielgruppe womöglich sehr klein – etwa, wenn es nur um wenige Entscheider geht, die Großaufträge in einer spezialisierten Branche verteilen. Hier eignen sich oft persönliche, qualitative Interviews, die sich je nach Situation mit quantitativen Daten ergänzen lassen.

Schritt 2: Customer Journey

Die Customer Journey wird im zweiten Schritt erstellt: Hier werden die Wege der Kunden präzise nachgezeichnet sowie die Bedürfnisse, die sie an jedem Punkt der Reise beschäftigen. Diese Methode ist gerade im B2B-Bereich fruchtbar, da hier die „Reisen“ der Kunden und Benutzer oftmals komplex und speziell sind. Beispielsweise könnte sich herausstellen, dass Vertriebsingenieure in einer bestimmten Branche über einen fachlich relevanten Podcast spannende Themen suchen, die sie dann in den Shownotes anklicken, was sie wiederum dazu bringt, einen Social-Media-Kanal zu abonnieren, der ihnen Werkzeuge für ihre tägliche Arbeit vermittelt. Ziel ist es, an jedem Punkt der Reise – online und offline – mit Inhalten und Botschaften bereitzustehen, um eine Beziehung aufzubauen, die sich letztlich vom ersten Interesse hin zum dauerhaften „Engagement“ entwickelt.

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Schritt 3: Die Story

Um dies zu erreichen, ist es sinnvoll, eine authentische Core Story zu entwickeln. Sie erinnern sich: Es ist viel einfacher, einen spannenden Spielfilm zu schauen als Schulfernsehen. Das liegt teilweise daran, dass Geschichten so alt sind wie die Menschheit und wir sie sehr leicht verstehen – unbequeme rationale Anstrengung ist kaum nötig. Deshalb helfen Storytelling-Techniken, um eine Core Story zu entwickeln und diese an jedem Kontaktpunkt mit der Zielgruppe mit Leben zu füllen. Zwar ist es richtig, dass im B2B-Bereich oftmals Daten und Fakten wichtig sind – diese lassen sich jedoch im Rahmen einer Core Story sehr viel wirkungsvoller präsentieren, priorisieren und zielgerichteter einsetzen. Daraus können dann beispielsweise sehr resonanzfähige Content-Marketing-Konzepte entstehen.

Übrigens: Wer mehr über Customer-Experience-Ansätze im B2B-Bereich erfahren möchte, für den lohnt sich ein Blick auf die Workshops des bundesverband industrie kommunikation.

Auf einen Blick: Zusammenfassung

  • Auch im B2B-Bereich kommunizieren wir mit Menschen. Empathie und das Verständnis menschlicher Bedürfnisse sind deshalb entscheidend.
  • B2B-Kunden möchten emotional positive Erfahrungen machen. Unsere Aufgabe ist es, herauszuarbeiten, wie dies im Einzelfall aussieht und was das für die Ausgestaltung der Kommunikation bedeutet.
  • Menschen handeln und entscheiden oft unbewusst. Priming-Effekte sollten berücksichtigt werden, wenn es um die strategische Kommunikation und die Umsetzung von Medien und UX-Konzepten geht.
  • Rationales Denken ist anstrengend – auch für B2B-Kunden! Deshalb gilt es, Komplexität zu reduzieren, Informationen zu priorisieren und ein Erlebnis zu schaffen, das sich rundum „gut anfühlt“.
  • Dazu eignen sich gerade im B2B-Bereich Techniken wie Personas, Customer Journey und die Entwicklung einer Core Story.

Dieser Artikel gehört zu: UPLOAD Magazin 60

Das Thema Customer Experience ist so wichtig wie vielseitig und unübersichtlich. In dieser Ausgabe erklären wir Ihnen nicht nur, was hinter dem Begriff steckt, sondern auch, was Sie konkret ableiten können. Wir zeigen, was Kunden laut einer aktuellen Studie begeistert und was sie abschreckt. Wir schauen uns an, wie Customer Experience im B2B-Umfeld aussieht. Und wir erklären, warum gutes Customer Experience Design bei den eigenen Mitarbeitern beginnt. Außerdem in dieser Ausgabe: Wir erklären die Folgen aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs zu Facebook Fanpages und werfen einen Blick auf Influencer-Relations für B2B.

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